Das Grabmal des Shaolin

 
  • Deutscher Titel: Das Grabmal des Shaolin
  • Original-Titel: Shao Lin yu Wu Dang
  • Alternative Titel: 2 Champions of Shaolin | 2 Champions of Death | Das Grabmal der Shaolin |
  • Regie: Chang Cheh
  • Land: Hongkong
  • Jahr: 1980
  • Darsteller:

    Lo Meng (Tung Chien-Chin), Chiang Sheng (Hu Wei-Chen), Wang Li (Li Pa-Shan), Lu Feng (Kao Ching-chung), Chin Siu-Hu (Wei Sing-Hung), Cho Tat-Wah (Feng Te), Fung Ming, Chan Shu Gei, Chen Chi-Shan, Chen Han-Kuang, Chu Tien-Chu


Vorwort

Wir befinden uns mal wieder im China nach Machtübernahme der Mandschus. Wie üblich ist der Shaolin-Tempel Hort des Widerstandes der Han-Chinesen gegen die Besatzer, aber man ist sich dort auch klar darüber, dass die Zeit für einen generellen Aufstand noch nicht gekommen ist. Deswegen soll sich auch Tung Chien-Chen, eigentlich ein Mandschu, der aber zu den Shaolin übergelaufen ist, als seine Eltern ermordet wurden und seitdem nach Rache durstet, bedeckt halten und nicht jeden Mandschu umbringen, der ihm grad über den Weg läuft. Sowas bringt nämlich Ärger, weiß der Abt. Es begibt sich nämlich, dass der rivalisierende Wu-Tang-Clan stantepete an die Invasoren rangeschmissen hat und führende Wu-Tang-Kämpfer seither als Mandschu-Vollstrecker für Angst und Schrecken sorgen. Und weil Hu Wei-Chen, ein anderer junger heißsporniger Shaolin-Schüler, neulich zwei Wu-Tang-Männer in Staatsdiensten niedergemacht hat, ist aus der freundschaftlichen Rivalität der Kung-fu-Schulen eine erbitterte Feindschaft geworden. Nichtsdestoweniger hat der Abt einen Job für Tung – er soll in die Hauptstadt reisen, sich mit Hu treffen und Informationen sammeln, bis etwas später der legendäre Shaolinmönch San Te mit ein paar Kriegern nachkommen wird, um die Lage zu peilen, ob die Zeit für die Revolution gekommen ist.

Auch drüben, bei Wu-Tangs, werden Pläne geschmiedet. Allerdings ist man dort etwas mißgelaunt wegen Hus Angriffen und will Vergeltung. Li Pa San und drei andere Wu-Tang-Champions, darunter Li Pa Sans Adoptivsohn Wei, sollen sich ebenfalls in die Hauptstadt beamen und dort jeden Shaolin massakrieren, der vorwitzig seinen Zopf blicken lässt. Wie nicht anders zu erwarten, ist der erste Shaolin, der den Wu-Tangs über den Weg läuft, Tung. Der würde zwar mit den Angreifern Schlitten fahren, ist aber auf Li Pa Sans „fliegende Blutmesser“ nicht vorbereitet. Waidwund geworfen wird Tung von einem patriotischen Geschwisterpaar gerettet, das selbst die ein oder andere Peking-Ente mit den Mandschus zu rupfen hat und deswegen Tung nicht nur gesund pflegt, sondern ihm auch beibringt, wie man sich gegen die fliegenden Blutmesser verteidigt. Wieder auf dem Posten, trifft Tung tatsächlich auf seinen Kollegen Hu – wie Tung ist der auch ein von sich selbst sehr überzeugtes Kerlchen, der sogar zwei niederrangige Shaolin-Schüler mit Laternen, die seine Kampfkunst und patriotische Han-Gesinnung öffentlichkeitswirksam proklamieren, als Entourage beschäftigt. Man versteht sich prächtig, verhaut da und dort Wu-Tang-Leute und wartet ansonsten auf San Te. Tung findet ausreichend Gelegenheit, Li Pa San umzulegen und Bi Er (Bier??), den weiblichen Part des Geschwisterpärchens zu freien.

Die Wu-Tangs sinnen auf Rache – vor allem Li Pan Sans Tochter Er Wan, die nun wiederum beabsichtigt, Wei zu ehelichen. Es gelingt tatsächlich, Tungs Hochzeitsfeier zu überfallen und, begünstigt dadurch, dass Hu aufgrund akuter Alkoholvergiftung als Kämpfer ausfällt, Bi Er und ihren Bruder zu killen und Tung zu kidnappen. Die Wu-Tangs möchten Tung gern totfoltern, aber Wei, der im Tiefsten seines Herzens loyaler Han ist und deswegen hin- und hergerissen ist zwischen Loyalität zu seinem Clan und der zu seinem Volk, kann verhindern, dass der Shaolin umgebracht wird. Vielmehr nimmt er heimlich Kontakt mit Hu auf, offenbart sich als Ming-Loyalist und gelobt, Tung zur Flucht zu verhelfen. Das Unterfangen glückt – Wei warnt Tung auch vor dem bald eintreffenden zweiten Wu-Tang-Chef Kao und seiner Begleittruppe, die die geheimnsvolle Affentechnik beherrschen.

Wenig später trifft Tung am Grab seiner Frau und seines Schwagers auf einen reisenden Priester namens Kao und seine drei etwas schrägen Diener. Im Gegensatz zu jedem Filmzuschauer mit mehr als dreienhalb Gehirnzellen zieht Tung nicht den naheliegenden Schluss und wird Kaos neuer bester Freund. Kao gibt sich gegenüber ihm und Hu als Ming-Anhänger aus und bietet den Shaolin an, deren örtlicher Tempel allgemein und natürlich auch den Wu-Tangs bekannt ist, ein Versteck zu organisieren. Natürlich ist das eine Falle, um Tung, der nach Ansicht Kaos im offenen Kampf nicht zu besiegen ist, von seinen Fruenden zu isolieren und ihn heimtückisch zu killen. Wei, der die Shaolin für ziemliche Trottel halten muss, warnt Hu unter erneutem Einsatz seines Lebens. Können die Shaolin Tung retten, bevor Kao ihn mit seinen Giftnadeln ausknipst?


Inhalt

Wenn man Bedarf nach einem traditionellen Martial-Arts-Epos macht, ist’s kein Fehler, sich im Ouevre der Shaw Brothers umzusehen. Klar, das legendäre Hongkong-Studio hat sich nicht *nur* im Kampfkunstfilm umgetrieben, aber der Ruhm der Firma begründet sich fraglos auf den stets als Shaw-Produkte erkennbaren klassischen Martial Arts, und ganz besonders auf ihrem wohl besten Regisseur, dem legendären Chang Cheh, dem ersten großen Innovator des Genres. Cheh machte mit seinen technischen und handwerklichen Reformen den Kampfkunstfilm vom Low-Budget-Fließbandprodukt zum sorgfältig produzierten Kassenfüller, schuf Stars und beeinflusste wohl so ziemlich jeden großen HK-Regisseur, der ihm nachfolgen sollte (nicht zuletzt John Woo und Tsui Hark). Die goldene Epoche von Cheh und den Shaw Brothers war sicher der Zeitraum von so ca. 1967 bis 1975 – sicher nicht zufällig endete diese Ära, als die Auswirkugen des nächsten großen HK-Kino-Reformators, Bruce Lee, spürbar wurden, und dessen „spiritueller“ Nachfolger Jackie Chan schon in den Startlöchern stand, um das Kung-fu-Kino ein für allemal zu revolutionieren. Was aber nicht heißt, dass Shaw und Cheh sich kampflos den neuen Entwicklungen ergaben. Ohne die eigenen „Ideale“ zu verraten, setzten nun auch Shaw und Cheh stärker auf den „waffenlosen“ Kampf, also den von Lee propagierten Einsatz von Händen und Füßen; die Kasse klingelte sicher nicht mehr so laut wie noch ein paar Jahre zuvor, aber immer noch waren die Studios in der Lage, da und dort einen Crowdpleaser rauszuhauen und eine neue Generation von Martial Artists zu etablieren, namentlich die „Five Deadly Venoms“, die Hauptdarsteller des gleichnamigen Films, die vom Studio prompt in den unterschiedlichsten Kombinationen durch ein ganzes Rudel Nachzieher gehetzt wurden.

„2 Champions of Shaolin“, auch bekannt als „2 Champions of Death“ und im Deutschen mal wieder etwas danebenliegend „Das Grabmal des Shaolin“ (oder „der Shaolin“, je nach Auflage) betitelt, versammelt mit Lo Meng, Chiang Sheng und Lu Feng drei der fünf Venoms, umgibt sie mit ein paar anderen etablierten Zweite-Reihe-Playern. Wie üblich ist die Story, in der beliebten Periode nach der Mandschu-Herrschaftsübernahme angesiedelt, vollgestopft mit sprichwörtlich Dutzenden wichtigen Charakteren – es ist zu Beginn so unübersichtlich, dass die einheimischen Zuschauer von Chang Cheh mit einer Fülle von Namens- und Funktionseinblendungen für die ewig vielen Figuren versorgt werden (was man leider im Zug der Celestial-Restaurierung für das internationale Publikum nicht für notwendig erachtete – es empfiehlt sich also, will man sich die komplexen Freundschafts-, Verwandschafts- und Tempelzugehörigkeitsverhältnisse nicht retroaktiv erarbeiten, sich ein Organigramm anzulegen). Allerdings ist es – ebenfalls wie üblich – gar nicht so wichtig, sich auf die Handlung einzulassen, weil am Ende ja eh alle tot sein werden (huch, Spoiler?). Ist halt so im Mandschu-Film – die Geschichte zeigt ja, dass die Han-Rebellen niemals wirklich einen Stich hatten, aller Patriotismus und Edelmut gegen die fremdländischen Tyrannen am Ende vergebene Liebesmüh waren und letztendlich die Mandschu-Qing-Dynastie erst wieder durch den Eingriff der Westmächte gestürzt wurden – was dann wieder den chinesischen Nationalisten ja auch nicht so recht war…

Pathos ist nun auch wieder nichts ungewöhnliches bei Chang Cheh, aber bis wir zum blutgetränkten Finale kommen, in dem sich die Guten und die Bösen gegenseitig die Lebenslichter ausblasen, bekommen wir tatsächlich einen der „leichtgewichtigeren“ Cheh-Filme – der hat sogar so etwas ähnliches wie einen Sinn für Humor, serviert überraschend respektlos mit San Te einen legendären Charakter (immerhin die zentrale Figur der „36 Kammern der Shaolin“-Reihe) beiläufig auf halber Strecke ab, ohne ihm auch nur eine echte Kampfszene zu gönnen, und punktet massiv mit seinen beiden Hauptfiguren Hu und Tung. Dafür, dass die Jungs die offiziellen Helden sind, sind sie außergewöhnliche Arschgeigen – arrogante Bastarde, von ihren superioren Kampffähigkeiten total eingenommen, aber stets bereit, einen Gegner massiv zu unterschätzen und dadurch in Bedrängnis zu kommen. Allein Tung wird im Filmverlauf dreimal besiegt (obwohl ihn auch seine Gegner als unschlagbaren Superfighter anerkennen), zweimal gekidnappt. Die Wu-Tang-Bösmänner haben natürlich den strategischen Vorteil, im Gegensatz zu den Shaolin-Dudley-Do-Rights im Besitz halbwegs funktionierender Brägen zu sein. Speziell Tung (again) ist schon schockierend blöd – da wissen Hu und Tung von Wei EXAKT inklusive Namensnennung und Beschreibung, wer hinter ihnen her ist, und prompt werden die Shaolins und ihr Wu-Tang-Kontrahent Kao beste Freunde… Da kann man nur wieder Lord Helmchen zitieren – das Böse gewinnt immer, weil das Gute zu dämlich ist.

Andererseits – es passt schon zur Charakterisierung der Helden als arrogante Vollpfosten, dass sie gut gemeinte Warnungen in den Wind schlagen (statt dessen muss sich Wei jedes Mal, wenn er Hu eine Information zuschanzen will, sich mit einem halben Dutzend Shaolin-Mönchen, die ihm nicht trauen, prügeln muss), ignorieren oder – was ich für die wahrscheinlichste These halten – schlicht und ergreifend nicht zuhören, wenn Wei ihnen einen vom Affen-Kung-fu erzählt. Interessant aus inhaltlicher Sicht ist auch, dass der Film sich durchaus ungefähr die Hälfte seiner Zeit mit den nominellen Bösewichtern und deren Motivation befasst; die Beobachtung, dass der Wu-Tang-Clan nicht aus reiner Boswatzigkeit boswatzt, sondern aus seiner Sicht eine wichtige und richtige politische Entscheidung vorgenommen hat, macht aus den Fieslingen etwas mehr als die üblichen bart- und augenbrauenzwirbelnden Sadisten, und mit Wei, der einerseits eben den Wu-Tangs viel schuldet und die Tochter eines Unter-Meisters liebt und heiraten will, andererseits moralisch und politisch den Shaolin näher steht, und letztlich an diesem Konflikt zerbrechen muss, hat man einen facettenreichen Charakter an Bord, der aus der üblichen Schwarz-Weiß-Malerei des Genres deutlich heraussticht.

Filmisch ist das sowieso über alle Zweifel erhaben – auch wenn Cheh und Shaw 1980 nicht mehr auf dem Zenit ihrer jeweiligen Schaffenskraft standen, atmet der Film den Geist der großen Klassiker. Wie beinahe sorgt die patentierte Shaw-Studio-Atmosphäre für die einzigartige Stimmung (da sind die Shaw-Klopper durchaus mit dem Hammer-Horror der 60er vergleichbar – es ist ein ganz spezieller Stil in Dekor, Ausstattung, Farbgebung etc., der oft imitiert, aber von den Konkurrenten nie erreicht wurde. Die unter diesen Gesichtspunkten beinahe folgerichtige Zusammenarbeit zwischen Shaw und Hammer hätte wirklich viel viel besser sein müssen als der ankuckbare, aber auch vergessenbare „Die sieben goldenen Vampire“ es letztlich war). Tempomäßig ist „2 Champions of Shaolin“ keine Granate – der Film lässt sich Zeit für die Eskalation der Ereignisse, wirkt manchmal etwas episodisch, läuft aber mit konsequenter Zwangsläufigkeit auf die finale Konfrontation zu, unterstützt von einem druckvollen, treibenden Score.

Die Kampfszenen sind erste Sahne – von originellen Trainingssequenzen, mehr oder weniger „Freundschaftskämpfen“ bis zur ultrabrutalen Auseinandersetzung fährt Chang Cheh alles auf – der Schwerpunkt liegt auf waffenlosem Kung-fu, aber im Filmverlauf werden auch Stöcke, Schwerter, Ringe, Nadeln und Peitschen aufgefahren, da ist viel Abwechslung geboten. Bis auf paar Wire-Fu-Einlagen bleibt die Kampfchoreographie bodenständig, aber stets einfallsreich (und schmerzhaft – einem der Schurken werden im Kampf die Familienjuwelen ausgerissen…).

Klar, die Beteiligten können ja auch was – Lo Meng, der Tung wirklich als nur schwer mögbare arrogante Bratze anlegt, ist bis heute im Geschäft und war zuletzt u.a. in der „Ip Man“-Trilogie in tragender Rolle dabei. Außerdem kann man ihn in „Hard Boiled“, „Die Pranke des gelben Löwen“ oder „Das Höllentor der Shaolin“ bewundern. Chiang Sheng ist als Hu deutlich sympathischer – zwar auch arrogant, aber dabei auch von aufdringlicher Fröhlichkeit. Sheng wurde auch durch die „Five Deadly Venoms“ zum Star, bekam in den 80ern aber erst ein Ehe- und dann ein Alkoholproblem und verstarb 1991 im Alter von 40 Jahren an einer Herzattacke. Dritter Venom im Bunde ist Lu Feng als fieser Kao, der ebenfalls ganz einnehmend spielt, aber über die „Venoms“-Nachzüglerfilme nie wirklich hinauskam.
Chin Siu-Ho gibt in seiner ersten Hauptrolle den bedauernswerten Wei allemal überzeugend – er fand seinen Weg in Gassenhauer wie „Shanghai Police“, „Born to Fight“, „Tai Chi“ oder „Mr. Vampire“. Die vier genannten Akteure sind ausgezeichnete Fighter, die in den harten Kämpfen gut zur Geltung kommen. Das Restensemble besteht aus routinierten Mitgliedern der Shaw-Stock-Company, deren Gesichter man als Genrefreund aus vielen Filmen wiedererkennen wird.

„2 Champions of Shaolin“ ist in Deutschland zur Zeit günstig in einer Dreier-Shaw-Brothers-Shaolin-Box von Koch erhältlich. Neben dem prächtigen (aber etwas gestaucht wirkenden) Celestial-Print gibt’s sogar Extras – auf der „Grabmal“-DVD befindet sich z.B. eine ca. 20-minütige Dokumentation über Chang Chen, in der viele Weggefährten und Nachfolger (wie eben auch Woo und Hark) zu Wort kommen.

Insgesamt – ein ausgesprochen unterhaltsamer Eastern, der die Stärken von Chang Cheh unter Beweis stellt, über ein gutes Ensemble und exzellente Action verfügt und dabei ein bisschen intelligenter und vielschichter ist als die meisten seiner Genrekollegen. Für Shaw-Brothers- und Shaolin-Fans auf alle Fälle eine dicke Empfehlung!

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 7


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