Das Geheimnis des blinden Meisters

 
  • Deutscher Titel: Das Geheimnis des blinden Meisters
  • Original-Titel: Circle of Iron
  • Alternative Titel: The Silent Flute |
  • Regie: Robert Moore
  • Land: USA
  • Jahr: 1978
  • Darsteller:

    David Carradine (Der blinde Meister/Monkeyman/Tod/Chang-Sha), Jeff Cooper (Cord), Christopher Lee (Setan), Roddy McDowall (White Robe), Eli Wallach (Man in Oil), Anthony De Longis (Morthond), Erica Creer (Tara), Earl Maynard (Black Giant), Michael Vendrell, Donnie Williams, Leo Whang


Vorwort

Ein Kämpfer namens Cord, der Suchende (Erfinder der gleichnamigen Hose, nehme ich an), begehrt den unbesiegbaren, mysteriösen und reklusiven Meister Setan herauszufordern. Der ist nämlich nicht nur, so hört man, ein grandioser Fighter vor dem Herrn, sondern auch der Hüter des Buches, welches, so sagt man, sämtliches Wissen und Weisheit der Welt beinhaltet. In der etwas runtergekommenen Fantasy-Welt, in der Cord lebt, kann man sowas schon mal brauchen.
Zu diesem Behufe nimmt Cord an einem Kampfsportturnier teil, dessen Sieger die offiziöse Berechtigung erwirbt, mit dem Segen der lokalen Hütchenträger die lange Reise zu Setan anzutreten, sich diversen Prüfungen zu stellen und im Idealfall dem Bibliothekar persönlich gegenüber zu treten zu dürfen. Cord schlägt seinen Gegnern amtlich aufs Haupt und verkloppt auch seinen Finalgegner Morthond. Dummerweise ist Cord etwas unbeherrscht und verpasst dem schon am Boden liegenden Morhond noch ein paar Gratisschellen als Zugabe, was allgemein als unfair eingestuft wird und Cord eine Disqualifikation einbringt. Man geht hier offenbar davon aus, dass ein ominöser Kerl mit einem Namen wie Setan auf den fair-play-Gedanken gesteigerten Wert legt.
Cord lässt sich nicht entmutigen. Als Morthond, unbürokratisch zum Sieger erklärt, aufbricht, schließt er sich einfach an (makes this whole tournament thingy quite useless). Cord geht Morthond ordentlich auf die Nerven, und so nimmt es nicht Wunder, dass Morthond die erstbeste Gelegenheit ergreift, um sich abzusetzen. Die bietet sich, als Cord einem blinden Flötenspieler folgt, der von einer Bande Halunken angegeriffen wird. Der Blinde weiß sich seiner Haut mit seinen superioren Kampfkünsten zu wehren, so dass Cord sich umgehend ihm als Schüler aufdrängt. Auch dem Blinden geht Cord mit seinem ständigen Geplapper reichlich auf den Keks, und da der Flötist seine Lektionen in vermeintlich sinnfreien Rätselsprüchen erteilt, beendet Cord die Partnerschaft schnell wieder.
Er stößt bald auf Morthond, der allerdings mehr tot als lebendig ist – da hat jemand bei der ersten Prüfung versagt. Cord assistiert Morthond bei einem ehrenvollen Suizid und macht sich auf, die Gegner zu besiegen, denen Morthond unterlegen war – ein Rudel Affenmenschen, dessen wohlartikulierter Chef ein exzellenter Fighter ist. Cord besiegt den Oberaffen und erhält dafür kryptische Hinweise für die weitere Suche nach Setan.
Die nächste schräge Gestalt, auf die er trifft, ist ein Mann, der in der Wüste in einem Ölfass sitzt und darauf wartet, dass sich sein Unterkörper, bzw. insbesondere das „dumme Ding zwischen den Beinen“ auflöst, weil das jeglicher Art von Erleuchtung und Erkenntnis im Wege stehe. Der Ölige lädt Cord ein, sich mit zu ihm ins Fass zu hocken, aber Cord lehnt dankend ab und begegnet in der Folge einer Truppe des fahrenden Volks. Der Oberhaupt dieses Clans ist ein gewisser Chang-Sha und ebenfalls ein ausgezeichnter Kampfsportler, augenscheinlich die nächste Prüfung auf dem Weg zu Setan. Chang-Sha bietet ihm seine neunte Frau Tara an (die dem Hinweis des Affenmannes entspricht), aber leider hat Cord ein Keuschheitsgelübde abgelegt. Als Tara ihn nachts im Zelt besucht, lässt Cord Zölibat Zölibat sein. Was nun offenbar wieder Chang-Sha nicht gefällt, denn als Cord Tara am nächsten Morgen sieht, ist sie a) gekreuzigt und b) tot, und die ganze Sippschaft weg.
Nun trifft Cord den Blinden wieder und nimmt seine Schüler-Rolle wieder auf. Zwar begreift der gute Cord immer noch nicht so wirklich, worauf der Flötenspieler mit seinen Gleichnissen hinauswill, aber immerhin können sie ein paar armen Bauern vor räuberischen Soldaten beschützen. Dennoch ist Cord mit der Gesamtsituation immer noch eher unzufrieden und trennt sich erneut vom Blinden, nur um endlich Chang-Sha wiederzufinden und ihn endlich zum Duell fordern zu können, hofft er doch, dass Chang-Sha den Weg zu Setan kennt.


Inhalt

Hollywood behandelte Bruce Lee bekanntlich nicht besonders gut. Man anerkannte zwar seine Fähigkeiten und war bereit, ihn als lustigen Sidekick einzusetzen, aber einen STAR aus ihm machen? Einem gelbgesichtigen Schlitzauge? Wo kommen wir denn da hin… Dabei wollte Bruce dem amerikanischen Publikum etwas geben – nicht nur seine unbestreitbaren Fertigkeiten darin, anderen Leuten die Fresse zu polieren, sondern auch seine Philosophie. Kampf und Gewalt führen nicht immer zum Ziel, am Ende eines Weges warten oft genug keine Antworten auf die Fragen, die man hat, die Suche nach der Erkenntnis ist die Erkenntnis selbst. Man merkt’s, wir sind in „der-Weg-ist-das-Ziel“-Zen-Territorium…
Nun war Bruce clever genug, um zu wissen, dass man eine solche Botschaft am besten in einen Actionfilm mit ’ner Menge Arschtreten einbaut, und so erdachte er mit Stirling Silliphant (dem Drehbuchautoren, dem wir in a roundabout way auch „‚Manos‘ – The Hands of Fate“ verdanken) eine mythische Fantasygeschichte, die dem Publikum den Kontrast zwischen westlicher und fernöstlicher Philosophie näherbringen sollte. Lee hatte für sich selbst eine Vierfachrolle ausgesucht – er wollte den Blinden, den Affenmann, Chang-Sha und die Personifikation des Todes spielen, während die nominelle Heldenrolle an Steve McQueen gehen sollte. McQueen erwies sich aber als Idiot, der Lee nicht zum Star machen wollte (s.o.). Lee und Silliphant entwickelten das Script mit James Coburn weiter, der als McQueen-Ersatz in Betracht kam, aber eine Finanzierung kam nicht zustande. Lee kehrte nach Hongkong zurück, machte Geschichte und starb 1973. Nach seinem Tod kam Silliphant auf das Projekt zurück und schrieb gemeinsam mit Stanley Mann („Meteor“, „Firestarter“, „Conan, der Zerstörer“) das Drehbuch um.
Ironischerweise wurde David Carradine (der Lee ja schon die Hauptrolle in „Kung fu“ weggeschanppt hatte) herangezogen. Carradine sollte ursprünglich Cord spielen, entschied sich aber dafür, die Vierfachrolle, die Lee sich zugedacht hatte, zu übernehmen, und empfahl nach längerer Suche schließlich seinen Kumpel Jeff Cooper, der bis dahin eine eher undistinuigerte Karriere mit kleineren Film- und Fernsehauftritten hinter sich gebracht hatte. Als Regisseur wurde Richard Moore, ein guter Kameramann, der u.a. „Indianapolis“, „Myra Breckinridge“ und „Sie möchten Giganten sein“ fotografiert hatte, verpflichtet, da den Produzenten (u.a. Paul Maslansky) klar war, dass die visuelle Umsetzung der philosophischen Inhalte ausgesprochen wichtig sein würde.
Das Ergebnis war kommerziell und kritikerseits ein Flop, auch wenn David Carradine zumindest auf seinen Teil stolz war und ihn als eine seiner besten Arbeiten bezeichnete. Verständlich, denn „Circle of Iron“ (ein mal wieder völlig neben der Spur liegender Titel, der sich wahrscheinlich nur etwas wirtschaftlich einträglicher anhörte als der Original-Script-Titel „The Silent Flute“, bei dem man wohl eher an ein Bergman-Drama denkt – was Carradine lustigerweise exakt vor diesem Film mit „The Serpent’s Egg“ erledigt hatte – als an ein Actionspektakel) ist exakt die Sorte Film, die dafür prädestiniert sind, bei ihrem Erschienen verlacht und dreißig Jahre später zum Kult erklärt zu werden.
Das Script ist trotz der Beteiligung zweier kompetenter Autoren wie Silliphant und Mann nicht besonders elegant – was auch daran liegen kann, dass zwecks leichterer Zugänglichkeit einige philosophische Passagen durch Comedy-Einlagen ersetzt wurden. Dadurch wird die Message schon etwas holzhammerartig vermittelt, und natürlich hilft auch nicht, dass Cord kein besonders liebenswerter Charakter ist. Er ist ein tumber Barbar auf der Suche nach Erleuchtung, braucht aber die besonders grobe Kelle, um etwas zu kapieren (über weite Strecken ist er ein 1A-Kandidat für eine erstklassige Merkbefreiung mit Sternchen), sein primäres Talent liegt darin, die Leute, von denen er etwas lernen könnte, ziemlich zu nerven (verstärkt wird diese, äh, Unzugänglichkeit durch die noch zu würdigende Performance von Jeff Cooper). Die Lektionen, die er (mehr oder weniger) lernt, sind vage, selbst wenn sie nicht in Form buddhistischer Gleichnisse dargeboten werden (übrigens, obwohl der Film ersichtlich in einer Fantasy-Welt spielt, die mit unserer nicht wirklich große Berührungspunkte hat, nimmt er ausdrücklich Bezug auf Buddha. Man könnte auf den Gedanken verfallen, dass die Geschichte in einer postapokalyptischen Zukunft spielt), teilweise komplett unverständlich (was Cord daraus lernen soll, dass Chang-Sha Tara nach der Liebesnacht hinrichtet, ist fraglich. Kommt wohl auf das Unterdrücken des Begehrens, des Verlagens der Lust hinaus, trotzdem würde jemand, der die Frau tötet, mit der ich’s getrieben habe, auch wenn sie seine war, wohl kaum mein Kumpel werden. Cord hat solche moralischen Bedenken als Resultat seines Lernprozesses nicht, vielmehr nimmt er die Schuld für Taras Tod auf sich, was zwar edel ist, aber auch doof).
Freilich ist das manchmal hoch unterhaltsam, insbesondere die Passage, in der Cord auf den “Mann in Öl” (niemand geringeres als Italowestern-Star Eli Wallach) trifft und sich von diesem die Nachteile der Schwanzsteuerung erklären lassen muss. Die episodische Struktur hält das Tempo, obwohl Moore, dessen einzige Spielfilmregiearbeit der Streifen bleiben sollte, sicher nicht gerade “Rasanz” und “Dynamik” erfunden hat, durchaus hoch und versucht, die Balance zwischen den eher philosophisch geprägten Sequenzen und den Action-Einlagen zu halten. Das gelingt nicht immer, auch weil die Action alles andere als hochklassig ist – man darf schon das ein oder andere wehmütige Tränchen verdrücken, wenn man drüber nachdenkt, was Bruce Lee himself aus den Kampfszenen gemacht hätte. Vielleicht gerade ob der überschaubaren Qualifikation der diversen Akteure, was die Martial Arts angeht, sind ein paar der Kampfszenen auch eher komödiantisch angelegt (z.B. das große set-piece des Kampfes gegen die marodierenden Soldaten, in dem Cord u.a. einem Pferd in die Fresse tritt und der Blinde die hohe Schule des hasenfüßige Zickzackrennens demonstriert).
Ich bin mir nicht sicher, ob Bruce Lee letztlich mit der Umsetzung seiner philosophischen Vision zufrieden wäre, dafür ist sie dann schon manchmal etwas platt (auch wenn die große Enthüllung des Finales von DreamWorks als ausreichend gewichtig beurteilt wurde, um wholesale in “Kung-Fu Panda” zweitverwertet zu werden), aber sie hat das Herz am rechten Fleck. Denke ich.
Der Look des Streifens ist, obschon die Produktion sicher nicht in Geld badete, absolut okay. Größere Production Values sind zwar nicht zu verzeichnen, die antiken und mittelalterlichen Ruinen Israels sowie die kargen Landschaften der Region (die auch die höchst diverse Geographie des Films hergeben) sorgen durchaus für einen gewissen Scope, auch wenn Moore nicht übermäßig viel einfällt, um sie besonders aufregend in Szene zu setzen. Dafür, dass Moore gerade wegen seiner Vita als Kameramann verpflichtet wurde, um dem Film auch die visuelle Gravitas zu geben, die die Thematik zu erfordern schien, kommt das Gesamtbild über “professionell gearbeitete Routine” nicht hinaus. Aber das reicht ja manchmal auch schon.
Der Score setzt sich aus verschiedenen, gut eingesetzten klassischen Stücken und eher generischen Fantasyabenteuer-Klängen aus der Feder von Bruce Smeaton (“The Cars that Ate Paris”, “Roxanne”) zusammen.
Die FSK-16-Freigabe ist korrekt. Die Gewalt ist nicht übermäßig graphisch, aber gelegentlich etwas blutig, angedeutete nackte Tatsachen sollten Teenager-Seelen nicht übermäßig belasten. Ich glaube, dass in der Affen-Szene ein paar alte Masken aus “Planet der Affen” recycled wurden.
Zum Cast. David Carradine in satten vier Rollen (wobei die Rolle des “Todes” zu vernachlässigen ist) macht sich prima, auch und gerade in der Rolle des “Blinden”, womit er die Beförderung vom Schüler zum Lehrmeister (seit “Kung-Fu”) erfolgreich bewältigt hätte. Carradine war nie der großartige Martial Artist, als der er gemeinhin durch seine vielen Rollen in dem Genre galt, aber für die nicht als “flashy” angelegten Kämpfe des Films, in denen es weniger um spektakuläre Movez!! als vielmehr effektive Kampfführung geht, taugt’s. Außerdem sollte man Carradine mit Perücke und angeklebtem Mongolenbart als Aushilfs-Dschingis-Khan schon mal gesehen haben… Christopher Lee schaut für einen kurzen Gastauftritt (der immerhin für zweites Billing gereicht hat) am Ende vorbei und scheint sich einmal mehr zu fragen, was zur Hölle er da gerade tut. Roddy McDowall verschleißt sich in seiner Gastrolle als Turnier-Leiter zu Beginn auch nicht unbedingt. Eli Wallach ist als Ölfaßsitzer amüsant. Erica Creer feiert als Tara in ihrem Filmdebüt auch ihre größte Rolle, kann aber nicht unter Beweis stellen, ob sie vielleicht zu Größerem berufen gewesen wäre. 1981 war sie noch in “The Great Muppet Caper” in einer kleinen Rolle dabei. Anthony de Longis (“Jaguar lebt!”, “Road House”) ist mittlerweile anerkannter Kampfchoreograph und Stuntman. Als namenlose Kämpfer sind u.a. Earl Maynard (“Die große Keilerei”, “The Sword and the Sorcerer”) und Donnie Williams (immerhin unkreditiert in “Der Mann mit der Todeskralle” dabei und ebenfalls in “Die große Keilerei” aktiv) zu sehen.
Einen Namen habe ich bisher ausgelassen, aber es hilft nix, wir müssen über den Elefanten im Raum reden. Jeff Cooper. Man soll ja eigentlich nix Böses über Leute sagen, aber ich glaube, nicht mal er selbst würde es mir großartig übel nehmen (zumindest nicht nach Ansicht dieses Films), wenn man ihn als talentfreie, charismalose Flachzange tituliert. Jau, der Mann hat definierte Muckis, aber die graumelierte Langhaarmatte in Verbindung mit einem ausdruckslosen Allerweltsgesicht schreit alles mögliche, aber nicht FILMSTAR. Kombiniert damit, dass seine Martial-Arts-Fähigkeiten auch eher übersichtlich geraten sind, komme ich nicht umhin, als seine Performance mit dem Qualitätssiegel “Totalausfall” auszuzeichen. So ziemlich jeder, der nicht gerade aussieht wie Zachi Noy und einigermaßen Hand- und Fußkanten schwingen lassen kann, hätte das besser gemacht (ich bin aber neugierig auf seinen 1972 entstandenen mexikanischen Film “Kaliman, el hombre increible”, den ich pflichtschuldigest bereits geordert habe). Seine Folgekarriere war auch relativ übersichtlich – immerhin schaffte er es für eine Staffel nach “Dallas” und war im hier besprochenen TV-Pic “Oceans of Fire” zu sehen (ich zweifle nicht daran, dass ihm David Carradine, der dort den großen Gaststar gab, auch diesen Job verschaffte).
Die Blu-Ray von einer mir bislang unbekannten Hütte namens Countdown Films bietet solides, aber nicht überragendes Bild (ca. 1.85:1), brauchbaren Ton (Deutsch/Englisch) und den Originaltrailer als Extra.
Insgesamt ist “Circle of Iron” ein typischer Fall von “kein wirklich guter FILM, aber verdammt interessant auf seine schräge Weise”. Gut, der Hauptdarsteller ist ’ne Niete, aber wir haben Carradine in vier Rollen, Christopher Lee in einem Kung-fu-Film (und da hat er “Die 7 goldenen Vampire ausgelassen, pffz), simplifizierte fernöstliche Mystizismen und philosophische Gemmen und ein paar Szenen, die durchaus im Gedächtnis bleiben können. Das kann man nicht in Gänze verurteilen…

(c) 2018 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 7


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