Das Geheimnis der roten Quaste

 
  • Deutscher Titel: Das Geheimnis der roten Quaste
  • Original-Titel: Das Geheimnis der roten Quaste
  • Alternative Titel: Das Rätsel der roten Quaste |
  • Regie: Hubert Frank
  • Land: Österreich
  • Jahr: 1963
  • Darsteller:

    Dietmar Schönherr (Richard Warren), Vivi Bach (Regina), Slavo Schweiger (Dr. Bordeaux), Laya Raki (Sylvia), Demeter Bitenc (Mantel), Mario Di Stella (Mario), Joze Pengov (Duval)


Vorwort

Das hatte sich der Brite Richard Warren (Dietmar Schönherr, RAUMPATROUILLE) auch anders vorgestellt. Frisch im Hotel Excelsior an der französischen Riviera eingecheckt, um sich mit einem gewissen Monsieur Duval zu treffen, muss er feststellen, dass der noch durch Abwesenheit glänzt. Ersatzweise wanzt sich die Nachtclubtänzerin Sylvia (Laya Raki, MOHN IST AUCH EINE BLUME, DIE NYLONSCHLINGE) an Richard ran, offensichtlich unspezifiziert aufgrund seiner vermeintlichen Bekanntschaft mit Duval auf Hilfe hoffend, nachdem sie sich gerade mit ihrem Impresario Montel (Demeter Bitenc, EIN PAPST ZUM KÜSSEN, POPPEA – DIE KAISERIN DER GLADIATOREN) gefetzt hat, weil er sie für irgendeinen Auftrag, den sie partout  nicht erledigen will, eingeplant hat. Jedenfalls lädt Sylvia Richard ein, sie nach ihrem Auftritt auf ihrem Zimmer zu besuchen.
 
Richard ist kein Kostverächter und die rassige Tänzerin fällt durchaus in sein Beuteschema, also kommt er der freundlichen Aufforderung – die mit einer Warnung, sich vorsichtig zu verhalten, verbunden war – gerne nach. Was er allerdings in Sylvias Hotelzimmer findet, ist die ziemlich erschossen wirkende Leiche der Holden. Bevor er sich einen Reim drauf machen, z.B. auf die seltsame rote Stoffquaste, die er neben der Leiche findet,  oder die Polizei verständigen kann, klopft’s schon an der Tür. Angesichts der kompromittierenden Situation flüchtet Richard über Fenster und Fassade, was ihm allerdings nur eingeschränkt hilft. Bis er glaubt, sich unauffällig wieder durch den Haupteingang ins Hotel geschlichen zu haben, ist die Polizei in Form von Inspektor Dr. Bordeaux (Slavo Schweiger, FLITTERWOCHEN IN DER HÖLLE, DIE INSEL DER AMAZONEN) schon vor Ort und dank einer Augenzeugin, einem Zimmermädchen, die ihn gesehen hat, als er in Sylvias Zimmer ging, ist Richard bereits ganz weit oben im Recall für „Fronkreisch sucht den Mordverdächtigen“. Mit ein wenig Glück gelingt Richard die Flucht ins gegenüberliegende Schallplattengeschäft, und weil er sich nicht auf die pure Menschenfreundlichkeit der dort amtierenden (und glücklicherweise auch über dem Laden wohnenden) Besitzerin Regina (Vivi Bach, HOLIDAY IN ST. TROPEZ, GEHEIMAUFTRAG K, und wenig später auch Frau Schönherr) verlassen mag, verleiht er seiner höflich vorgetragenen Bitte um Unterschlupf mit seiner Knarre Nachdruck. Diesem Argument mag sich Regina nicht entziehen.
 
Nach anfänglichem Zögern und Zaudern scheint Regina auch willens, Richard Unschuldsbeteuerungen zu glauben und ist auch so frei, einem auftauchenden Polizeibeamten, eine Story vom Pferd zu erzählen. Richard behauptet, Journalist zu sein (von der bewaffneten Sorte) und dringend mit Duval Verbindung aufnehmen zu müssen, aber das gestaltet sich schwierig, da die Polizei starke Präsenz zeigt und sich Richards Kurzschlussreaktion, sich ins direkt gegenüberliegende Gebäude zu flüchten, seine Möglichkeiten, sich unauffällig zu verpissen, doch heftig verkompliziert. Regina erklärt sich also bereit, Richard bis auf Weiteres zu beherbergen und schlägt sich auch recht wacker, als Dr. Bordeaux sie einer peinlichen Befragung unterzieht. So richtig mag der Kriminaler nämlich nicht glauben, dass Regina trotz ihrer hervorragenden Aussicht auf das Hotelportal nichts gesehen hat und sie Warren nicht kennt, wo der doch am Mordabend bei ihr im Laden angerufen hat (was nichts weiter als eine spontane Laune Richards gewesen war, weil er sie von seinem Hotelzimmer aus beobachten konnte).
 
Interessanterweise scheint Richard nicht sonderlich interessiert daran zu sein, den Mord aufzuklären, solang seine eigene Haut einigermaßen sicher ist. Statt dessen kommt er lieber seiner Gastgeberin romantisch und körperlich näher, und Regina zeigt sich diesen Avancen gegenüber sehr aufgeschlossen, was in einer gemeinsamen Liebesnacht kulminiert.
 
Doch die traute romantische Stimmung verfliegt, als Montel in den Laden stürmt und aus seinem Herzen keine Mördergrube macht. Apropos Mörder, denn seiner bescheidenen Ansicht nach ist niemand anderes als Regina die Killerin, weiß er doch, dass ihr eigener Revolver mit einer Zierquaste, wie sie am Tatort gefunden wurde, dekoriert ist! Richard hört die angeregte Unterhaltung mit und stellt Regina zur Rede, sobald Montel sich verzupft hat. Es hilft kein Flehen, es hilft kein Grummeln, es hilft nur ein Geständnis.
 
Ja, haucht Regina, sie hat Sylvia erschossen, weil sie von der Tänzerin erpresst worden sei. Richard kauft die Erklärung erst mal für nen Fünfer, und wo wir schon beim Gestehen sind, will Richard sich nicht lumpen lassen. Von wegen Journalist, in Wahrheit ist er Gemein-, äh, Geheimagent, allerdings einer, der es mit der Wahrung von Dienstgeheimnissen nicht so genau nimmt. Mit dem mittlerweile eingetroffenen und im Hotel residierenden Duval (Joze Pengow, X 25 MELDET, ENTSCHEIDUNG AM FLUSS) will er sich treffen, um ihm eine wertvolle Information, gegen erkleckliche monetäre Dienstleistung in den Lauschlappen zu flüstern. 100.000 Dollar wäre der Gegenseite der lauschige Verrat wert, und bei 100 Riesen wird dann auch Regina hellhörig – das Treffen mit Duval, das könnte doch sie übernehmen… Richard ist das für den Moment zu gefährlich.
 
Doch Richard muss sich eingestehen, dass sich seine Lage auf absehbare Zeit kaum ändern wird und er quasi in Reginas Bude gefangen ist. Will er irgendwie an die Piepen rankommen, muss er wohl oder übel Regina vertrauen. Also wird ein Treffen mit Duval in einer nahen Kirche vereinbart, und Richard bringt Regina die Information, eine Formel zur Anreicherung radioaktiven Materials, bei. Was Richard nicht ahnt – Regina nimmt die Formel auf Tonband auf! Und was er noch weniger ahnt – Regina wird bei ihren Ausflug auf Schritt und Tritt beschattet und kann, obwohl sie Duval tatsächlich findet, dem Agenten die Formel nicht zuschanzen… Regina verfällt auf einen verzweifelten Plan…
 
 


Inhalt

Wir hatten es an dieser Stelle ja schon vielfach erwähnt – im Fahrwasser der spektakulär erfolgreichen Edgar-Wallace-Krimis von Rialto Film überschlugen sich deutsche und deutschsprachige Produktionsgesellschaften in ihren Bemühungen, vom lukrativen Krimi-Kuchen ein paar ordentliche Stücke abzubeißen. Die österreichische Europa Film G.m.b.H. zählt dabei fraglos zu den weniger denkwürdigen Firmen, auch wenn sie immerhin schon in den 30er Jahren aktiv war. Die Österreicher hatten zumindest den strategischen Vorteil, dass sie mit dem damaligen Jugoslawien ein Nachbarland zur Verfügung hatten, in dem billig drehen war und man mit staatlicher Unterstützung rechnen konnte. So spielen in DAS GEHEIMNIS (bzw. DAS RÄTSEL) DER SILBERNEN QUASTE slowenische und kroatische Schauplätze mehr oder weniger glaubwürdig die französische Riviera.
 
Die ROTE QUASTE geht hauptsächlich auf das Engagement von Vivi Bach zurück. Die dänische Schlagersängerin und Schauspielerin gründete nämlich zur Mehrung ihres Ruhms eine eigene Produktionsfirma und die QUASTE sollte das erste Ausrufungszeichen setzen. Das war, finanziell gesehen, ein Schuss in den Ofen, sollte sich aber als privater Glücksfall für Vivi entpuppen. Als ihren Filmpartner engagierte sie nämlich Dietmar Schönherr, und zwischen den beiden Hauptdarstellern funkte es sofort – schon zwei Jährchen später trat das Paar vor den Traualtar, um es sprichwörtlich bis zum Tod, der scheidet, durchzuhalten (Vivi verstarb 2013, Dietmar folgte ihr ein Jahr später), ein wahres Traumpaar der deutschsprachigen Film- und Fernsehwelt (nicht zuletzt durch ihre gemeinsame Spielshow WÜNSCH DIR WAS).
 
Völlig egal also ob der Film was taugt, er hatte letztendlich sein Gutes. Kreativer Kopf der Unternehmung war Hubert Frank, der sowohl als Autor wie auch als Regisseur sein Debüt feierte.  Wie so viele hoffnungsfrohe Regisseure, die in den 60er Jahren im deutschen Film debütierten, musste auch er sich der normativen Kraft des Faktischen, mithin dem Umstand, dass so ab 1969 im Kino hauptsächlich mit schnellen Sexfilmchen Kohle zu machen ist, unterwerfen und zeichnete für Werke wie WILLST DU EWIG JUNGFRAU BLEIBEN?, HOCHZEITSNACHT-REPORT, MUSCHIMAUS MAG GRAD HERAUS oder OH SCHREICK MEI HOS IS‘ WEG verantwortlich, in den späten 70ern reüssierte er mit reinrassigen Exploitationfetzern wie TEUFELSCAMP DER VERLORENEN FRAUEN oder DIE INSEL DER TAUSEND FREUDEN und hielt sich sogar mit einigen Porno-Produktionen schadlos. Sein letzter Film war 1987 KUNYONGA – MORD IN AFRIKA, ein Action-Vehikel für ausgerechnet Ron Williams… (ich glaub, das will ich sehen).
 
Die QUASTE ist für ein Debüt-Drehbuch ganz ordentlich ausgefallen. Frank wirft uns zunächst in ein Mystery, das durchaus nach typischem Wallace-Krimi riecht – ein geheimnisvoller Mord, ein offensichtlich unschuldiger Verdächtiger, der keine rechte Ahnung hat, wie und in was er da eigentlich reingeraten ist, dabei aber ganz offensichtlich auch seine eigenen Geheimnisse zu verbergen hat, denn das, was er seiner unfreiwilligen Gastgeberin als Story auftischt, ist bestenfalls eine Facette der Wahrheit, das ist klar.

Und dann kommt Frank mit dem ersten Schlenker, scheint er sich doch in eine Sackgasse geschrieben zu haben. Richard Warren ist für den Moment bei Regina in Sicherheit, aber wohin soll sich die Geschichte jetzt entwickeln? Er kann schlecht auf eigene Faust ermitteln, und – das ist für sicher speziell für den zeitgenössischen Betrachter eine Überraschung – obwohl er der nominelle Held ist, scheint er gar kein besonders großes Interesse daran zu entwickeln, den wahren Mörder aufzuspüren und damit seinen eigenen Namen reinzuwaschen, ein allemal ungewöhnliches Verhalten für den Charakter, den wir, auch wenn sein Eindringen bei Regina unter vorgehaltener Bleispritze, sicher nicht gerade Gentleman-like, aber doch auch einigermaßen verständlich war. Da der Film den Mikrokosmos des Plattenladens und der darüber liegenden Wohnung nicht ohne Not verlassen will, wird nun erst einmal eine Romanze zwischen Mordverdächtigem und“Versteckerin“ aufgebaut – mit dem wohl drolligsten filmischen Euphemismus für Sex, der sich mir in der jüngeren Vergangenheit vorgestellt hat: dem Aneinanderreiben zweier brennender Kerzen. Tja, und kaum haben wir uns darauf eingelassen, dass der Mordfall vielleicht doch nicht mehr als Plotkatalysator war, dessen Aufklärung uns am Ende nicht gesteigert interessiert, kommt der nächste Schlenker. Der Mord wird (vermeintlich) kurzerhand durch ein Geständnis gelöst, und die eigentliche Geschichte kann in Angriff genommen werden – die Story des verratswilligen Agenten Richard, der irgendwie seine Nuklearformel an den Kontaktmann bringen muss, ohne dabei der Polente in die Hände zu fallen – und dabei (SPOILER voran) doch nur von allen gelinkt wird…

Bei den charmant kurzen 71 Minuten, die sich die QUASTE als Laufzeit vornimmt, ist dieser doppelte Genrewechsel – auch für die Entstehungszeit 1963, als das Werfen derartiger „curveballs“ vor allem im deutschen bzw. deutschsprachigen Kintopp alles andere als üblich war – schon einigermaßen originell und überraschend. Natürlich wird da und dort schon die Glaubwürdigkeit arg strapaziert (die Scharade, die aufgebaut werden muss, um Richard in die Bredouille zu bringen, in der er sich wiederfindet, bräuchte für meinen Geschmack zu viele Mitwisser, um wirklich unauffällig durchgezogen werden zu können, und selbstredend ist sie auch ein wenig sehr davon abhängig, dass Richard exakt so reagiert, damit der Plan seiner Gegner funktionieren kann). Das muss man halt akzeptieren… und sicherlich ist nicht wegzudiskutieren, dass der Streifen in seinem mittleren Akt, wenn er sich darauf kapriziert, aus Richard und Regina ein Liebespaar zu machen, sich schon verdächtig nahe an den Stillstand heranschleicht – das gleicht er durch einen durchaus spannenden Schlussakt aber wieder aus.

Zumal der Streifen auch von der handwerklichen Seite mit der ein oder anderen kleinen Überraschung aufwartet – die Kameraarbeit wartet mit einigen vor allem für sein Baujahr ungewöhnlichen und gewitzten, stellenweise deutlich noir-beeinflussten Einstellungen auf, und wenn der Film dann im Schlussakt auch die selbstauferlegten Beschränkungen auf die Locations „Hotel“ und „Laden/Wohnung“ aufgibt und Regina durch die engen, winkligen und finsteren Gassen der Altstadt hetzt, und die Kamera zwischen Totalen, in denen die Figuren sich in ihrer Winzigkeit beinahe verlieren, und Nahaufnahmen pendelt, kommt beinahe schon eine Stimmung auf, wie sie an Bavas Gothic-Grusler und frühe Gialli erinnert.

Dass Schönherr und Bach so gut harmonieren, dass sie das von Stund an auch privat so hielten, ist jedenfalls schon zu sehen. Schönherr ist ja nicht der typische deutsche glattgebügelte Filmheld, er hat ein bisschen etwas Hektisches an sich (was später auch prima zum dezent hyperaktiven McLane in RAUMPATROUILLE passen sollte), und Bach mit ihrer dänisch-nordischen Ruhe setzt dazu einen ausgezeichneten Kontrapunkt (Vivi performt übrigens auch persönlich das Titellied). Die ansonsten überwiegend aus dem jugoslawischen Reservoir entliehenen Nebendarsteller machen ihre Sache durchaus gut, insbesondere Demeter Bitenc als Montel; für einen Schuss keimfreier Erotik sorgt die gebürtige Hamburgerin Laya Raki (eigentlich Brunhilde Marie Joerris) als Sylvia. Sie versuchte ihr Glück auch international, schaffte es in den USA aber nur zu ein paar kleineren Fernsehauftritten, in Großbritannien gehörte sie immerhin drei Jahre zur Stammbesetzung der Abenteuerserie CRANE.

Wie üblich wenn’s um derlei eher obskure Titel aus dem deutschsprachigen Fundus geht, hat sich Pidax der Veröffentlichung des Streifens angenommen. Die Bildqualität (4:3-Vollbild) ist ordentlich, der Print hat allerdings einige Filmrisse zu verzeichnen. Die Tonqualität ist ebenfalls solide, als Extras gibt’s, Label-üblich, nur den Nachdruck der zeitgenössischen Illustrierten Film-Bühne sowie zwei Trailer aus dem weiteren Pidax-Programm.

Die ROTE QUASTE ist also ein ganz patenter Spionage-Krimi mit Romantik-Anklängen – wer sich beim Filmgenuss gern auf ein Genre konzentriert, wird mit dem Film wahrscheinlich nicht ganz glücklich werden, weil er eben keines seiner Genres voll ausspielt, aber wer sich auf die Geschichte und ihre unerwarteten Schlenker einlässt, bekommt einen ansehnlichen kleinen, aber feinen Spannungsfilm mit einem schön harmonierenden Hauptdarstellerduo und stellenweise bemerkenswerter s/w-Kamera. Kein echter „Pseudo-Wallace“, kein echter „Eurospy“, kein echter Liebesfilm, aber von allem ein bisschen was und nicht die schlechtesten Bestandteile…

© 2020 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 4

BIER-Skala: 6


mm
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