Das Erbe

 
  • Deutscher Titel: Das Erbe
  • Original-Titel: Arven
  •  
  • Regie: Per Fly
  • Land: Dänemark/Schweden/Norwegen/Großbritannien
  • Jahr: 2003
  • Darsteller:

    Ulrik Thomsen (Christoffer), Lisa Werlinder (Maria), Ghita Norby (Annelise), Karina Skands (Benedikte), Lars Brygmann (Ulrik), Peter Steen (Niels), Diana Axelsen (Annika), Jesper Christensen (Holger), Ulf Pilgaard (Aksel)


Vorwort

Christoffer geht’s eigentlich ziemlich gut – der Däne betreibt in Stockholm erfolgreich ein Restaurant, seine attraktive Ehefrau Maria feiert Erfolge am Theater. Alles tippi-toppi, bis ein Schicksalsschlag alles ändert. Christoffers Vater, Vorsteher einer Stahlfirma, greift angesichts desaströser wirtschaftlicher Zukunftsaussichten zum Strick und die gestrenge Familienpatriarchin Annelise beordert den Filius heim nach Dänemark, wo er, ob er will oder nicht, die Nachfolge seines Daddys antreten soll. Maria ist das alles gar nicht recht, aber Christoffer gehorcht der Familienloyalität. Auch zum Unwillen seines Schwagers Ulrik, der sich selbst berechtigte Hoffnungen auf den Chefsessel gemacht hat, und kaum ausgebootet schon daran geht, Christoffers Image bei den Banken zu sabotieren. Praktisch Christoffers erste Amtshandlung ist es daher, Ulrik zu feuern – was den Familienfrieden erheblich stört, da das mit Ulrik verheiratete Schwesterherz Benedikte zu ihrem Männe hält. Christoffer stürzt sich in die Arbeit – eine Fusion mit einem französischen Stahlkonzern soll die Firma retten, aber über der verantwortungsvollen Aufgabe entfremdet er sich zunehmend von Marie, daran kann auch ein gemeinsames Kind nur vorübergehend etwas ändern…


Inhalt

Nachdem wir aus Dänemark in den letzten Jahren primär mit erfrischenden Genrefilmen wie „In China essen sie Hunde“ oder „Dänische Delikatessen“ erfreut wurden, erinnert uns „Das Erbe“ aus der Produktionswerkstatt von Lars von Triers Zentropa daran, dass das skandinavische Kino nicht nur aus frechen Gangsterpossen und ähnlich schwarzhumorigen Fröhlichkeiten besteht – hier stellt sich, um’s mit den Klitschkos zu sagen, „schwäähre Kost“ vor. „Das Erbe“, von der „BZ“ als „Mischung aus ‚Romeo & Julia‘ und ‚Der Pate'“ bejubelt (ich entschuldige mich an dieser Stelle stellvertretend für alle Berliner in aller Form für unsere verblödete Boulevardpresse) kommt uns als schwermütiges Upper-Class-Familiendrama mit Seifenopereinschlag. Regisseur Per Fly betrachtet „Das Erbe“ als Mittelstück einer Trilogie über Leben und Probleme der unterschiedlichen Gesellschaftsschichten (der erste Teil, der sich mit den weniger Begüterten befasst, erschien 2000 unter dem Titel „Die Bank“).

Nun, ich persönlich als Angehöriger der auch nicht gerade auf Rosen gebetteten „unteren Mittelschicht“ (wie man wohl sagen würde), habe mit Filmen (und auch TV-Serien) dieser Art immer ein grundsätzlich gelagertes Problem: „Was sollten mich die Seelennöte reicher Pinsel interessieren?“ Per Fly weiß auf diese Frage letztlich auch keine Antwort. Sein Script laboriert genau an diesem Problem – es müht sich zwar, aus den Charakteren glaubhafte Figuren zu formen, aber letztlich kommt nicht viel mehr dabei rum als bei drei Folgen „Dallas“ oder „Denver-Clan“: Familienbetriebe sind die reinsten Intrigantenstadl, die Patriarchin der Sippe ist ein gefühlskalter Unmensch, der das Wohl der Familie bzw. des Images derselben über das Wohl der einzelnen Familienmitglieder stellt, niemand ist in der Lage, seine Gefühle ehrlich auszudrücken, man baut sich Fassaden und Scheinwelten auf und ist am Ende überrascht, wenn diese kartenhausmäßig zusammenbrechen. Nichts neues also in der High Society, wenngleich man versucht ist, Held Christoffer als ganz besonders irritierenden Gesellen einzustufen – dieser Typ ist, von einer „gesunder Menschenverstand“-Warte aus betrachtet, ein schon enormer Trottel, dem man beinahe über die komplette Filmlaufzeit „IDIOT! TU DAS NICHT!“ zurufen möchte, sich aber als vollkommen lernresistent erweist. Als Protagonist für einen Film, mit dem man ja theoretisch als Zuschauer eine emotionale Bindung eingehen möchte, ist der Charakter einfach untauglich – dem Kerl geschieht sein garstig Schicksal einfach recht. Und das ist dem Zuschauer nach spätestens 30 Minuten klar. Ersatzweise sympathische Charaktere in seinem Umfeld sucht man beinahe vergebens – einzig Marie könnte man zubilligen, die Position einer Sympathieträgerin zu besetzen, aber dafür ist sie in entscheidenden Momenten dann wieder zu weinerlich. Das Ende vom Lied: mir als Zuschauer gehen die Sorgen und Nöte dieser Seilschaft relativ bald am Allerwertesten vorbei, da mögen sich noch so dramatische Abgründe auftun, wenn Marie ihrem Christoffer vorwirft, ihre Ehe zu vernachlässigen und er mit dem Standardargumente 08/15, „Ich tu das doch auch für dich“, daherkommt. Nein, Per Fly gelingt es in seinem Script einfach nicht, irgendetwas auszusagen, was nicht andere Filme oder TV-Serien so, ähnlich oder noch deutlicher auch schon gesagt hätten. Eine gewisse Naivität, was wirtschaftliche Zusammenhänge und Unternehmensführung angeht, muss man Fly ebenfalls bescheinigen (BWL-Studenten dürften wohl ein paar mal schwer aufstöhnen).
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„Das Erbe“ ist, obwohl eben aus der von-Trier-Werkstatt, (gottseidank?) kein Dogma-Film, was aber nicht heißt, dass es handwerklich keine Geistesverwandschaften zur von von Trier gepredigten „unplugged“-Filmemacherei gibt. Viele Aufnahmen sind eher intim, fast dokumentarisch, es wird (nicht übermäßig zappelige) Handkamera eingesetzt, und als filmischen Kniff hat sich Per Fly überlegt, praktisch alle Szenen mit zwei Kameras (eine für Totalen, eine für Nahaufnahmen) zu filmen und den Darstellern nicht zu sagen, wo selbige stehen, damit diese „besser improvisieren“. Das mag eine Idee sein, aber nicht notwendigerweise eine gute und vor allem – keine sonderlich effektive. Die einzige Wirkung, die Fly erzielt, ist, dass der Film seltsam unentschlossen zwischen dogma-styled „in your face“-Drama und glatter Soap Opera pendelt. Einzelne Szenen wissen durchaus zu packen (Paradebeispiel, leichter SPOILER-Alarm, die Szene, in der Christoffer im Urlaub von seiner Frau verlassen wird und dann die Beherrschung verliert), andere vergehen dagegen mit der Ödnis einer öffentlich-rechtlichen Familienserie. Die Inszenierung weist deutliche Längen auf – für ein Psychodrama um Christoffers „Innenleben“ macht der Streifen zuviele Ausflüge ins „Wirtschaftliche“; abgesehen davon gelingt es Fly auch nicht, der Hauptperson genügend Facetten abzugewinnen, um den Streifen über seine fast zwei Stunden Laufzeit interessant zu machen (wie gesagt, der Typ lernt nix dazu).

Schauspielerisch ist das durchaus okay, aber nicht herausragend. Ulrich Thomsen („Das Fest“, „Killing Me Softly“, übrigens nicht erste Wahl für den Job, ursprünglich war Nikolaj Lie Kaas – „In China essen sie Hunde“ – vorgesehen, was mir besser gefallen hätte) kann nur selten die innere Zerrissenheit seines Charakters deutlich machen . Lisa Werlinder, international bisher nicht sonderlich in Erscheinung getreten, kämpft ein wenig damit, dass ihr Charakter für meinen Geschmack zu weinerlich, nicht kämpferisch genug ist, liefert aber eine ansehnliche Performance an. Das kaltherzige Biest gibt Ghita Norby (noch in bester Erinnerung aus „Hospital der Geister“) fast zu zurückhaltend. In Nebenrollen finden sich Lars Brygmann („Stealing Rembrandt“), Peter Steen („Die Olsen-Bande gibt niemals auf“) und Ulf Pilgaard („Nachtwache“, „Body Switch“).
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Bildqualität: Der anamorphe 1.85:1-Widescreen-Transfer ist insgesamt auf der etwas grieseligen Sorte (was bei einer Zentropa-Produktion, remember Dogma, aber auch durchaus so gedacht sein kann), könnte etwas mehr Schärfe vertragen und geht leider auch kompressionstechnisch durch einige vermeidbare Nachzieheffekte etwas aus dem Leim. Farben und Kontrast sind im grünen Bereich. Für „Das Erbe“ erinnerten sich meine versammelten DVD-Player allerdings an ihre eigentlich überwunden geglaubte Allergie gegen Sunfilm-Scheiben und verweigerten beide zum Layerwechsel den Dienst. Auch das PC-Laufwerk legte sich beim Layerwechsel quer.

Tonqualität: Sunfilm legt, wie immer, deutschen Ton in Dolby 5.1 und dts vor, dazu den dänischen Originalton in 5.1. Beide Spuren sind zweckmäßig, aber unspektakulär, da es sich um ein leises Drama handelt und nicht um ein Toneffekt-Feuerwerk. Die deutsche Spur klingt leider etwas sehr studio-steril, die O-Ton-Spur ist aufgrund der „Lebendigkeit“ mal wieder deutlich vorzuziehen.

Extras: Neben der Sunfilm-Trailershow nur ein paar Texttafeln mit Informationen zum Regisseur und der Originaltrailer.

Fazit: „Das Erbe“ macht es einem nicht leicht – man muss schon ein Faible für die Probleme der Oberschicht haben, um mit Christoffer und seiner Familie „mitleiden“ zu können. Solche Zuschauer scheint es zu geben (das beweisen schon die zahlreichen in diesem Sujet angesiedelten TV-Filme), aber für meinereiner ist das eher nix. Nichts, dass ich etwas gegen schwermütige Melodramen habe, aber die müssen mich dann halt auch packen. „Das Erbe“ packt mich allerdings weder von der Story noch von den Charakteren noch von der Umsetzung her (bis auf eben vereinzelte Szenen). Nö, da kuck ich dann doch lieber ein paar Wiederholungen von „Dallas“… Reiche Leute sind auch Menschen, sagt dieser Film, und sie mögen auch ihr Kreuz zu tragen haben, aber ich schlepp an meinem eigenen schwer genug, danke schön, da muss ich mich nicht auch noch mit den deprimierenden Befindlichkeiten der Großkapitalisten herumschlagen. Sunfilms DVD ist mager ausgestattet und bild- und tontechnisch (wenn ich davon ausgehe, dass ich die beiden empfindlichsten DVD-Player des Universums mein Eigen nenne) auf gutdurchschnittlichem Niveau.

2/5
(c) 2006 Dr. Acula


mm
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