Das Dorf der acht Grabsteine

 
  • Deutscher Titel: Das Dorf der acht Grabsteine
  • Original-Titel: Yatsuhaka-mura
  • Alternative Titel: Village of the Eight Gravestones | Village of the Eight Tombs |
  • Regie: Yoshitaro Nomura
  • Land: Japan
  • Jahr: 1977
  • Darsteller:

    Kenichi Hagiwara (Tatsuya Terada), Mayumi Ogawa (Miyako Mori), Tsutomo Yamazaki (Yozo Tajimi/HIsaya Tajimi), Yoko Yamamoto (Haruyo), Etsuko Ichihara (Kotake), Ninako Yamaguchi (Koume), Ryoko Nakano (Tsuroko Igawa), Yoshi Kato (Ushimatso Igawa), Kiyoshi Atsumi (Kosuke Kindaichi), Masami Shimojo (Rektor Kudo), Takayu Fujioka (Dr. Kuno)


Vorwort

Per Zeitungsanzeige sucht eine Anwaltskanzlei in Osaka einen gewissen Tatsuya Terada. Der arbeitet am Flughafen und wird von einem Kollegen auf die Suchanzeige aufmerksam gemacht. Nachdem der Anwalt ihn einer peinlichen Befragung zu seiner komplizierten familiären Vergangenheit (seine Mutter brachte ihn mit in ihre Ehe, verstarb dann allerdings, die zweite Frau seines Stiefvaters ließ ihn links liegen, sobald sich eigener Nachwuchs eingestellt hatte usw.) unterzogen und seine Identität eindeutig festgestellt hat, stellt er ihm seinen Großvater vor – der möchte den Enkel dringend ins Heimatdorf lotsen. Bevor der Opa allerdings sagen kann, was, wie und warum überhaupt los ist, bricht er tot zusammen – Strychninvergiftung.
Tatsuya lässt sich von Miyako Mori, einer jungen hübschen Witwe, die aus dem gleichen Dorf stammt, aber alle Nase lang in der großen Stadt geschäftlich zu tun hat, breitschlagen, wenigstens zur großväterlichen Beerdigung ins Dorf, das einst „Dorf der acht Grabsteine“ hieß, zu fahren. „Seine“ Familie sind die Tajimis, und damit der örtliche Großgrundbesitzer-Clan, der Probleme hat. Der aktuelle Sippenregent und letzte männliche Vertreter der Blutlinie, Hisaya, Tatsuyas Halbbruder, ist heftig auf Löffelsuche zwecks Abgabe desselben, die greisen Zwillingsschwestern Kotake und Koume (Tatsuyas Großtanten) sähen es ausgesprochen gerne, wenn Tatsuya unbürokratisch die Führung der Familie und der damit einhergehenden Geschäfte übernähme.

Ob des großväterlichen Giftunfalls beginnen im Dorf Gerüchte über einen alten Fluch umzugehen – vor 400 Jahren verrieten und töteten die damaligen Dorfbewohner eine Gruppe von acht Samurais, die sich nach verlorener Schlacht in der Gegend niederlassen wollten, und wurden daraufhin vom Anführer der Samurais mit dem sprichwörtlich letzten Atemzug verflucht. An der Geschichte scheint einiges dran zu sein – Hisaya wird kurz nach Tatsuyas Ankunft ebenfalls mit Strychnin vergiftet und Tatsuya findet heraus, dass sein Vater (sprich der erste Mann seiner Mutter) – dem er auch eine hübsche Narbe auf dem Rücken verdankt – vor dreißig Jahren zum Amokläufer wurde und 32 Dorfbewohner niedermetzelte. Dann verbarg er sich in den Höhlen unter dem Dorf und wurde von den Großtanten versorgt, bis er mumifizierte…
Tatsuya versucht mehr über seine Eltern herauszufinden, dieweil die Polizei und ein von der Anwaltskanzlei bestellter Privatdetektiv versuchen, die Morde aufzuklären und den örtlichen Quacksalber Dr. Kuno verdächtigen. Miyako unterstützt Tatsuya bei seinen Recherchen – kryptische Bemerkungen des örtlichen Schulrektors Kudo legen nahe, dass der Amokläufer nicht wirklich sein Vater war. Bevor Kudo aber Einzelheiten ausspucken kann, verscheidet auch er an akuter Vergiftung. Der Schulleiter bleibt nicht die letzte Leiche – die Dorfbewohner versteigen sich zur Vermutung, Tatsuya, mit dessen Auftauchen die Mordserie begann, sei als Verkörperung des Fluchs für die Morde verantwortlich und müsste dringend gelyncht werden. Tatsuya bleibt nichts übrig, als sich wie sein vermeintlicher Vater in den Höhlen zu verbergen…


Inhalt

Kommen wir mal wieder zu einem Film, für dessen Review ich eigentlich vollkommen un- bis unterqualifiziert bin. Ich gebe es zu, meine Kenntnis japanischer Filme beschränkt sich im Großen und Ganzen auf Godzilla, die Randalefilme eines Takashi Miike oder Kitamura, das ein oder andere Kampfsportvehikel und die notwendigen Kurosawas, die man gesehen haben *muss*, um bei der jährlichen Filmgeekversammlung nicht unter Schimpf und Schande des Saals verwiesen zu werden. Will sagen, ich bin ungefähr so geeignet, philosophische Betrachtungen über die spezifische japanische Filmsprache zu schaffen wie jemand, der anhand von zwanzig Roger-Corman-Filmen und drei Spielbergs die Geschichte des Hollywoodfilms zu extrapolieren versucht.
Wie meine treuen Leser wissen, hält mich derlei sachliche Unzuständigkeit nur selten von etwas ab, und als sich die Gelegenheit bot, via polyfilms Kollektion „Japanische Meisterregisseure“ die ein oder andere Bildungslücke, von der ich nicht mal wusste, dass ich sie aufweise, zu schließen, musste ich nicht lange überlegen (auch wenn ich mich eigentlich auf Genrefilme beschränken wollte, im Paket der Reziexemplare befand sich auch ein Streifen namens „Carmen kehrt heim“, der verdächtig nach einem… hüstel… 50er-Jahre-Tanzfilm aussieht. Nun gut, ich werde mir auch den ansehen).

„Das Dorf der acht Grabsteine“, offensichtlich wie die anderen Veröffentlichungen aus der Reihe eine Deutschland-Premiere (zumindest liegt bei keinem der mir zugedachten Filme eine deutsche Synchronisation vor), stammt aus der Werkstatt von Yoshitaro Nomura, den ich ehrlich gesagt nicht kenne, der aber, neben diversen japanisierten Agatha-Christie-Adaptionen, u.a. 1974 den Thriller „Castle of Sands“ ablieferte, den diverse Kritikergrößen, die für derlei Wertungen bezahlt werden und es eigentlich wissen sollten, zu einem der besten japanischen Filme aller Zeiten erklärt haben. Für „Das Dorf der acht Grabsteine“ adaptierte er – bzw. sein Drehbuchautor Shinobu Hashimoto, der auch die Kurosawa-Meilensteine „Die Sieben Samurai“, „Rashomon“ und „Dodeskaden“ schrieb – einen Roman des in Japan vielfältig verfilmten Mystery- und Krimischriftstellers Seishi Yokomizo.

In seinem Schlusswort führt der Anwalt, auf dessen Initiative das ganze Treiben in Gang kommt, aus, der Fall sei „vielschichtig“ gewesen, und das ist ein gutes Stichwort. Auch wenn „Das Dorf der acht Grabsteine“ generell in der „Horror“-Schublade subsumiert wird, so steckt doch deutlich mehr dahinter als eine bloße Gruselgeschichte. Von set-up und Struktur (bis hin zur Auflösung) schuldet der Streifen ersichtlich eine ganze Menge dem klassischen Agatha-Christie-Schema (ich weiß freilich nicht, ob Nomura ob seines Christie-Fables den Stoff so bearbeiten ließ oder er ihn ansprach, weil er ähnliche Mechanismen verwendet), verbindet diesen vergleichsweise traditionellen Krimi-Plot mit okkultem mumbo-jumbo, der mit den Mordtaten verknüpft sein kann oder auch nicht, streut einen Hauch Samurai-Film drüber und beackert nicht zuletzt soziokulturelle Gefilde durch die Thematisierung des Kontrasts zwischen modernem Stadtmensch (Tatsuya) und abergläubischer, noch feudalen Traditionen verhafteter Landbevölkerung (mit all ihren Auswüchsen – Tatsuyas Schwester Haruyo lebt z.B. nur wieder bei ihrem Familienclan, weil der Ehemann, an den sie vermittelt wurde, sie quasi als „defekt“, weil gebärunfähig, zurückgegeben hat). So gesehen kein Wunder, dass „Das Dorf der acht Grabsteine“ sich satte zweieinhalb Stunden Zeit nimmt.

Das ungewöhnliche Storykonstrukt – wir steigen z.B. mit Samurais im Jahre 1566 ein, ehe wir ohne weitere Erklärung in die relative Gegenwart zu Tatsuya umschalten und uns noch ein ganzes Weilchen fragen, was zum Henker jetzt dieser Prolog mit dem Restfilm zu tun hat – verlangt einige Kunstgriffe und Kompromisse, was die „Kinematik“ des Streifens und seine Zugänglichkeit angeht. So ist Tatsuya ein relativ spröder, „unheroischer“ Hauptcharakter, er ist weniger „Held“ denn Protagonist-by-default, nur wenig handlungsrelevantes geht von ihm aus, überwiegend ist er quasi als Stellvertreter des Zuschauers Beobachter der Geschehnisse (und hat auch stets den gleichen Wissensstand wie wir); er ist zumeist passiv, noch nicht mal richtig an dem zentralen „Mystery“ interessiert (seine Neugier gilt weniger etwaigen Flüchen und Auseinandersetzungen innerhalb des Tajimi-Clans, sondern – sicherlich verständlich – der Klärung seiner komplexen familiären Situation: es hat nicht jeder zwei „Mütter“ und drei „Väter“). Tatsuya ist der klassische „Outsider“, der in eine feste gesellschaftliche Struktur „eindringt“ (wenn auch unfreiwillig), der eigentlich nicht weiß, was genau von ihm erwartet wird (zwar versuchen ihn verschiedene Parteien in ihrem Sinne zu manipulieren, aber das geschieht eher subtil). Er bleibt – auch für die anderen Figuren – meist unnahbar und wortkarg, lässt den Zuschauer nur selten durch kurze voice-overs an seinem Innenleben teilhaben.

Ebenfalls der „Vielschichtigkeit“ geschuldet ist die vergleichsweise sperrige Erzählstruktur. Da sich abseits der diversen Mordtaten nicht viel an „Action“ tut und praktisch alles, was zur Aufklärung des Geheimnisses beitragen könnte, in der Vergangenheit begraben liegt, besteht die latente Gefahr, dass der Film sich zu Tode quasseln könnte. Nomura ist sich dieses Risikos bewusst und arbeitet zur Visualisierung dieser Dialogsequenzen vielfältig mit Flashbacks (und Flashbacks im Flashback), um sowohl die Geschichte des Fluchs (und damit die der Samurai) als auch Tatsuyas „Familiengeheimnis“ aufzudröseln. Obwohl ich bekanntlich nicht der größe Fan des Stilmittels „Rückblende“ bin, hier funktioniert das ziemlich gut, um puzzleartig die verschiedenen Mysterien aufzudecken.

Der „Krimipart“ selbst ist vergleichsweise konventionell und orientiert sich, wie gesagt, vom Aufbau her stark an den Christie-Murder-Mysterys. Das Motiv ist vordergründig rein weltlich (es geht um den beträchtlichen Reibach der Tajimi-Sippe), es gibt eine nahezu unerschöpfliche Anzahl von mehr oder weniger wichtigen Figuren, der Mörder killt nicht nur seine direkten Opfer, sondern gelegentlich auch mal rein zufällig (um Angst und Schrecken zu verbreiten und die Querverbindungen zum Fluch der Samurai herzustellen), unter den Opfern sind die wesentlichen Hauptverdächtigen, und auch die Auflösung ist Christie pur: unser Detektiv *erzählt* den noch Überlebenden (abzüglich Tatsuyas und des Killers, die in einer Parallelszene noch miteinander rangeln), was Sache ist (wie’s auch gute Christie-Tradition ist, unter Einbeziehung und Erläuterung diverser Hinweise und Ermittlungen, die der Zuschauer nicht kennen konnte).
Das ist aus zwei Gesichtspunkten problematisch – zum einen bricht es die ganz patente Showdownszene der direkten Konfrontation Tatsuyas mit dem Mörder, weil immer wieder zwischen dieser und der „kriminalistischen“ Erklärung hin- und hergeschaltet wird, zum zweiten laboriert der Film an dieser Stelle eh schon am „der Schlussakt ist zu lang“-Syndrom (kurioserweise braucht der Streifen zwar gut neunzig MInuten, um seinen Plot in Gang zu bekommen, wird aber in dieser ausufernden set-up-Phase trotz des gemächlichen Tempos nicht langweilig, wohingegen sich das Finale, in dem’s eigentlich um die Wurst gehen sollte, ein wenig zieht) – die parallele Erklärung des wie-und-warum ist überflüssig, wenn wir das „wer“ eh schon vor Augen haben (und, tschuldigung, die Enthüllung des Täters ist nicht halb so überraschend und spektakulär, wie sich der Autor das wohl mal gedacht hat – ohne den Wissensstand des Detektivs zu haben, hatte ich mich schon ’ne gute halbe Stunde zuvor korrekt festgelegt). Es wäre in diesem Fall sowohl dramaturgisch im Sinne rasanterer Inszenierung als auch von der strukturellen Schlüssigkeit sinnvoller gewesen, das „warum“ im Epilog zu klären (in diesem Nachsatz wird dann noch schnell, als hätte es der Autor vorübergehend vergessen gehabt, noch das „Zweitmystery“ um Tatsuyas richtigen Vater aufgelöst).

Die Frage, ob nun okkulte finstere Mächte ursächlich für die Ereignisse sind, bleibt ambivalent – der Film suggeriert sowohl durch anerkennenden Schlussblick der Samuraigeister als auch ziemlich umständlich konstruierte „logische“ Verbindungen zu den 400 Jahre zurückliegenden Ereignissen den Zusammenhang (und ein „direktes“ paranormales Element gibt’s in der Tat – der Killer darf im Showdown mal kurz in ein J-Horror-„Dämonen“-self transformieren), *zwingend* für den Ablauf der Story ist’s nicht.

Ungeachtet der nicht immer schlüssigen übernatürlichen Elemente und der engen Christie-Verwandschaft ist „Das Dorf der acht Grabsteine“ trotzdem ein ziemlich guter Film – man darf nur kein Action-/Thriller-Kino Marke Hollywood erwarten, es ist schon in gewisser Weise ein „arthouse“-Film, der sich langsam entfaltet (wie gesagt, im Schlussakt etwas ZU langsam), größtenteils von langen, ruhigen Einstellungen von Symbolkraft lebt (bis hin zur Prä-Epilog-„Schlusseinstellung“, in der, quasi sinnbildlich für das „alte“, traditionelle Japan mit seinen althergebrachten Familienstrukturen, Ritualen und Aberglauben das Tajimi-Anwesen niederbrennt), von Kameramann Takashi Kawamata („Black Rain“, der japanische Hiroshima-Film, nicht Ridley Scotts Werbeclip-Ästhetik-culture-clash-Krimidrama) überwiegend wohlgefällig eingefangen – nur seine Zooms sind manchmal etwas rumplig und gelegentlich nicht sonderlich sinnvoll (schon fast Jess-Franco-like), der auch gerne mal einen erdigen Farbfilter einsetzt.

In drei längeren Sequenze lässt Nomura aber die Maske des „Künstlers“ fallen und geht soweit in die Vollen, dass „Das Dorf der acht Grabsteine“ seine „Horror“-Einordnung per Darbietung graphischer Gewalt rechtfertigt (gut, man könnte es auch „Splatteraction“ nennen). Wir hätten zum einen die ausführliche Sequenz der Ermordung der acht Samurais, ein fröhlich-blutiges Gemetzel mit so mancher saftiger Splattereinlage, dann den nicht minder memorablen Amoklauf Tatsuyas angeblichen Vaters (der ausgesprochen opferintensiv ist, mit Samuraischwert und Flinte durchgeführt wird und bei dem ohne Ansehen von Person, Alter und Geschlecht geschnetzelt wird, und in dem nicht nur Köpfe rollen, sondern auch Nippel zu sehen sind), der geradezu fulminant-einprägsam inszeniert ist, und den leider durch die erwähnten Zwischenschnitte ein wenig ruinierten Showdown, der in einer „uneditierten“ Form schon allein durch die unheimliche Atmosphäre der Location – einer weitläufigen Tropfsteinhöhle mit floureszierenden Grotten – hochgradig stimmungsvoll (und horribel) sein könnte (zudem gibt’s als Zugabe noch Vergewaltigung sowie Mißhandlung von Frauen und Kindern… die FSK 16 ist absolut korrekt).

Zu erwähnen wäre noch der ansprechende symphonische Score von Yasuhi Akutagawa, der allerdings – kulturelle Unterschiede ahoi – gerne mal da einsetzt, wo wir ihn als gaijins nicht erwarten würden, und dafür dort fehlt, wo wir vielleicht gern ein kleines Signal von der Tonspur hören würden.

Nichts einzuwenden habe ich gegen die darstellerischen Leistungen. Kenichi Hagawara (der mir außerordentlich bekannt vorkommt, ich könnte aber nicht sagen, dass ich einen seiner knapp 40 Filme gesehen hätte) bewältigt die schwierige Aufgabe, Tatsuya, einen, wie gesagt, nicht wirklich leicht zugänglichen Charakter, glaubwürdig darzustellen, patent – er ist keiner, der mit großer Mimik oder Gestik arbeitet, die Theatralik, die asiatische Schauspielkunst gerne auszeichnet, ist ihm fremd, insofern passt seine Vorstellung hervorragend zur Thematisierung des Kontrasts zwischen traditionellen und modernen „Werten“.
Mayumi Ogawa (auch in Nomuras nächstem Genre-Beitrag „Dämon“ mit von der Partie) ist eine interessante Besetzung – sie ist quasi Hagawaras love interest, aber (real) elf Jahre älter (was auch zu erkennen ist), hübsch anzusehen, aber keine „übliche“ Filmschönheit, sondern eine vergleichsweise „echt“/“normal“ wirkende Person. Auch sie pflegt einen eher zurückhaltenden, eher distanzierten Stil, was zielführend ist, da sie ebenfalls – quasi als „Wanderer zwischen den Welten“ – zumindest teilweise der „modernen“ Welt zugehörig ist.
Der immer noch gut beschäftigte Tsutomo Yamazaki („Salaryman Kintaro“, „Tampopo“, „Kagemusha“ und jüngst hier in Erdbeben – Flammendes Inferno in Tokio vorstellig gewesen), hier mit der Doppelrolle, Hisaya und seinen Vater Yozo spielen zu dürfen, gesegnet, beeindruckt vor allem in seinem par-force-Ritt als amoklaufender Yozo (als Hisaya muss er nur stocksteif auf seinem Krankenlager ruhen).
Yoko Yamamoto (Gappa – The Triphibian Monsters – ha, ich WUSSTE, dass irgendwo noch ’ne kaiju-Verbindung zu ziehen ist) macht aus der prägnanten Nebenrolle der Haruyo viel, Etsuko Ichihara (juxigerweise nur drei Jahre älter als Ogawa) und Ninako Yamaguchi sind als unheimliches Zwillignstantenpaar bemerkenswert effektiv (und erwähnte ich „unheimlich“?).
Gaststar Kiyoshi Atsumi, Star der fast 30 Jahre laufenden und knapp fünfzigteiligen Kino-Reihe um den Comedy-Charakter Tora-san, hat als Detektiv nicht viel mehr zu tun als gelegentlich die weltliche Krimihandlung in Gang zu halten und zu kommentieren, macht das aber recht charmant. Sein Tora-san-Filmpartner Masami Shimojo (auch einer, der mir unheimlich bekannt vorkommt, was aber schlicht unmöglich ist) macht sich passabel als Rektor Kudo.

Bildqualität: die DVD von polyfilm kommt im hübschen Schuber im Reihen-Design um das Amaray, das ohne Beschriftung auskommt, dafür aber von schicken s/w-Portraitfotos geziert wird. Der Film selbst präsentiert sich in feinem anamorphen 2.35:1-Widescreen. Speziell die Farben kommen satt zur Geltung, Verschmutzungen und/oder Defekte sind nicht zu verzeichnen, und lediglich ganz selten machen sich leichte Nachzieher und minimales Blockrauschen bemerkbar. Insgesamt ein mehr als solider Print.

Tonqualität: Ausschließlich japanischer Ton in Dolby Mono 2.0 wird geboten, der ist rauschfrei und ist, wenn man der Sprache mächtig ist, sicher brauchbar verständlich. Die Musikmischung ist dezent, aber ohne Tadel. Dem Verständnis förderlich sind die optionalen deutschen Untertitel, die allerdings mit etwas vielen Rechtschreibfehlern aufwarten.

Extras: Leider nur Trailer auf einige andere Filme aus der Reihe. Ein wenig Begleitmaterial, sei es als erläuternder Audiokommentar, als „Filmgespräch“ a la FASZ-Meilensteine-des-deutschen-Films-Reihe oder als Booklet, die den Film und seine wesentlichen Beteiligten etwas näher vorstellen und in einen Kontext setzen, wären mir hochwillkommen gewesen. KORREKTUR: Huch… da ist ja doch ein Booklet, war nur aus der Folie gerutscht (wer seine Promo-DVDs auch so verpackt… tsk.) Das 20-seitige Booklet ist leider aber nur eine „mixed bag“, da offensichtlich ein allgemeines Booklet für die Serie, die also komplett abgehandelt wird. Für Regisseur Nomura verbleiben da nur drei Seiten, die sich in einem raschen Karriereüberblick erschöpfen müssen, für den vorliegenden Film ist in etwa eine knappe halbe Seite vorgesehen. Besser als nichts, aber nicht wirklich befriedigend. Die hochwertige Aufmachung von Schuber und Amaray sei allerdings angemerkt.

Fazit: Hochinteressantes Kino aus Japan, das in seiner Mischung aus eigentlich „klassischem“ Mörder-whodunit, den übernatürlichen Einflüssen und der Gegenüberstellung japanischer „Moderne“ und „Tradition“ durchaus zu fesseln vermag. Inhaltlich überwiegen die whoduniit-Elemente, einbrennen werden sich aber vor allem die zwei großen Gewaltsequenzen – das wirkt in etwa so, als würde Quentin Tarantino zwanzig Minuten lang das Kommando in einem Hercule-Poirot-Film übernehmen… wer mit dieser Beschreibung etwas anfangen kann und sich auch nicht davon abschrecken lässt, dass das Tempo des Streifen abseits dieser Metzeleinlagen ruhig, beinahe schon lyrisch ist und sich auch von den Schönheitsfehlern des Schlussakts nicht vergrämen lässt, könnte mit diesem Film eine echte Entdeckung machen. Daumen hoch! (Und ich bin jetzt schon richtig gespannt auf „Dämon“…)

4/5
(c) 2010 Dr. Acula


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