Dark Floors

 
  • Deutscher Titel: Dark Floors
  • Original-Titel: Dark Floors
  • Alternative Titel: Dark Floors - The Lordi Motion Picture |
  • Regie: Pete Riski
  • Land: Finnland
  • Jahr: 2008
  • Darsteller:

    Skye Bennett (Sarah), Noah Huntley (Ben), Dominique McElligott (Emily), Ronald Pickup (Tobias), William Hope (Jon), Leon Herbert (Rick), Philip Bretherton (Walter), Mr. Lordi, Kita, Amen, Ox, Awa


Vorwort

Die vielleicht zwölfjährige Sarah ist Autistin – und die Ärzte ratlos, warum (Impfungen! Das weiß man doch!!1). Nachdem wieder mal eine Diagnose im Sande verlaufen und sogar das MRT durchgebrannt ist, hat der alleinerziehende Papa Ben die Faxen dicke, dieses Hospital hat lang genug die Krankenkassenbeiträge verplempert. Bei Nacht & Nebel will er Sarah aus dem Krankenhaus schaffen, wird aber von Schwester Emily erwischt, die ihm noch im Fahrstuhl, bevölkert außerdem vom Geschäftsmann Jon, Wachmann Rick und dem alten Penner Tobias, ins Gewissen zu reden versucht. Der Aufzug bleibt stecken – Stromausfall. Als der Lift sich endlich wieder in Bewegung setzt und seine Passagiere auf die nächstbeste Etage ausspuckt, erweist sich jene als menschenleer. Was ist passiert? Gab’s nach dem Stromausfall vielleicht eine Evakuierung? Eine geisterhafte Erscheinung belehrt die zusammengewürfelte Truppe eines besseren – hier ist eindeutig etwas im Busch und Tobias, der alte Sack, scheint mehr darüber zu wissen, doch außer kryptischen Anmerkungen über Sarahs Verbindung zu den Vorkommnissen will er nicht rausrücken. Der Trupp versucht sich weiter nach unten durchzuschlagen, doch jede tiefere Etage ist verwüsteter als die zuvor – man stolpert über Leichen mit ausgerissenen Augen, muß feststellen, dass die Zeit einerseits stehengeblieben zu sein scheint, andererseits eine lokale Schleife bildet, und stößt auf diabolische Monster. An Tobias Andeutungen, Sarah sei der Schlüssel zum Mysterium, könnte tatsächlich etwas dran sein und das stellt Ben vor eine unmöglich zu treffende Entscheidung…


Inhalt

HARD! ROCK! HALLELUJAH! So schallte es 2006 durch ganz Europa, als die finnischen Monsterrocker Lordi sensationell und mit riesigem Vorsprung den Eurovision Song Contest gewannen und dem in Sachen Popmusik nun wirklich nicht gerade mit einem Ausbund an internationalen Stars gesegnetem kleinen nordischen Land nicht nur den ersten Sieg überhaupt bei dieser Veranstaltung brachten, sondern die ganze Nation in den Ausnahmezustand versetzten – trotz der zu erwartenden Anfeindungen von konservativen und/oder christlichen Gruppen, die in den ganzkörperkostümierten Musikern den Untergang des Abendlandes und Botschafter des Satanismus zu wittern glaubten (wenn einer der Herrschaften mal den Text des Siegertitels gelesen hätte… aber wer lässt sich schon durch Fakten verwirren?).

Aus der kuriosen Metalband mit loyaler, aber überschaubarer Gefolgschaft wurde plötzlich ein internationaler Act mit immensem Wiedererkennungswert und das bescherte Mr. Lordi, dem Mastermind der Gruppe, die Möglichkeit, eine von ihm offensichtlich schon länger gehegte Idee umzusetzen und einen Lordi-Kinofilm zu realisieren (einen gut halbstündigen Kurzfilm gab’s schon als Bonus zum 2004er Lordi-Album „The Monsterican Dream“). Die Finnen ließen sich nicht lumpen – mit einem Budget von satten 4,3 Mio. $ (für europäische Verhältnisse nun nicht gerade Spielgeld) avancierte „Dark Floors“ zum teuersten finnischen Film aller Zeiten (aber auch zu einem monumentalen Kino-Flop).

Ob das nun weise investierte Kröten waren? Ich wage es zu bezweifeln, denn obwohl die Hauptzutaten jeweils für sich alleine gesehen durchaus schmackhaft wären, ergeben sie zusammengerührt kein leckeres Mahl. Schade… denn einerseits halte ich die Idee eines Lordi-Films für eine potentiell ausgesprochen spaßbringende, andererseits bin ich ein großer Fan von rätselhaften Mystery-Storys, in denen eine Protagonistengruppe peu-a-peu ein undurchschaubares, unheimliches Geheimnis aufdecken muss, nur – wie schon gesagt, für sich alleine genommen könnten beide Einfälle einen (auf völlig unterschiedliche Weise) unterhaltsamen Film ergeben, die Kombination ergibt leider einen Mischmasch, der auf keiner der beiden Ebenen funktioniert.

Das grundsätzliche Mißverständnis scheint mir schon allein im Einsatz von Lordi selbst zu liegen – zweifellos sind die Kostüme der Band ausgesprochen kreativ und detailverliebt, dennoch sind sie für einen ernsthaften Horrorfilm ungeeignet, sei’s, weil wir sie aus Musikvideos und Liveauftritten kennen und daher WISSEN, dass wir’s nicht mit mythologischen Monstern zu tun haben, sondern ein paar Musikern in Latex und Gummi, sei’s, weil sie nicht wirklich durch ein zusammengehöriges, klar definiertes Konzept verbunden sind, sei’s, weil sie bei aller Freundschaft nicht wirklich *horribel* sind. Lordi gehören als Charaktere in einen Fun-Film, am besten noch weniger in ein reines Horror-Umfeld als in ein Fantasy-Universum, in dem sie richtig schön auf die Kacke hauen können (I’d pay good money to see „Lordi vs. GWAR“) und – vor allen Dingen – Lordi müssen die HELDEN des Films sein. Sie sind es, die wir sehen wollen (wenn wir „The LORDI Motion Picture“ ankucken, ausleihen oder kaufen), sie sind es, die wir anfeuern wollen. Lordi als eine dämonische Superheldengruppe im Einsatz des Guten, die bösen Monstern auf die Waffel hauen, ihnen die Köppe abkloppen oder sie sonst wie verhackstücken, das ist das Konzept, mit dem die Band und ihre Charaktere erfolgreich eingesetzt werden können, als bloße Buhmänner, die ab und zu mal auftauchen und die Helden erschrecken, wie’s hier zelebriert wird, und sich nur durch Growls ausdrücken, ist die Combo verschenkt (man gönnt ihnen ja nicht mal einen gemeinsamen Auftritt, sie kommen schön brav nacheinander zu ihren Erscheinungen – wenigstens ist Mr. Lordi der „Endgegner“).

Das eigentliche Story-Konzept des Films ist, wie gesagt, gar nicht schlecht, wenn man wie ich auf diese Knobeleien steht. Ein bisschen „Silent Hill“, ein bisschen „Cube“, ein bisschen „12:01“, unerklärliche Phänomene, Zeitschleifen, totale Abgeschlossenheit von der Außenwelt, das ist durchaus genau die richtige Saite, die angeschlagen wird, um mich zu faszinieren, nur leider macht sich „Dark Floors“ nicht die Mühe, die ganze Geschichte irgendwie aufzulösen oder wenigstens griffige Anhaltspunkte für die ein oder andere denkbare Theorie zu liefern. Ja, es gibt kryptische Hinweise in und aus vermeintlichen Nebensächlichkeiten, ja, es gibt eine wichtige Szene zu Beginn, die man uns erst kurz vor Abspann „richtig“ (d.h. mit dem existentiell importanten Dialog) zeigt, aber es fehlt dem Film jegliche interne Schlüssigkeit, jede, ich sag’s im Zusammenhang mit einem eher als Mystery- denn als okkulten Horrorfilm angelegten Werk vergleichsweise ungern, Mythologie, jeder Kontext.

EXTREM SPOILER IMPERIAL DELUXE folgt. Letztendlich haben wir als Zuschauer primär die Wahl zwischen zwei denkbaren Szenarien (die sich womöglich auch überlappen) – einmal die beliebte „wir-sind-schon-alle-tot-und-wissen’s-nur-noch-nicht-mit-Ausnahme-der-Autistin-und-des-alten-Penners“-Variante (wobei es da auch wieder unterschiedliche Lesarten gibt, wann die Figuren „gestorben“ sind) oder, was mir grundsätzlich ein wenig sympathischer wäre, aber anhand der verteilten Hinweise die unwahrscheinlichere Möglichkeit zu sein scheint, entweder ein von Sarah erschaffenes „pocket universe“ bzw. das Szenario, dass sich der komplette Film nur in Sarahs Kopf abspielt, während sie unter dem MRT-Gerät liegt (dazu würde das Ende, das gewisse Erinnerungen an den originalen „Invasion vom Mars“ aus den 50ern, bzw. dessen „Auflösung“, weckt, nicht schlecht passen). Aber wie gesagt – für keine dieser Interpretationsmöglichkeiten gibt’s eine wirklich unterstützte Faktenbasis. Hier taucht mal ein Brocken auf, der für Variante A sprechen würde, dort mal ein kurzer Dialogfetzen, der eher Variante B denkbar erscheinen lässt, dann mal eine Handlungsweise, die in beiden Szenarien Sinn ergeben könnte. Keine allerdings erklärt direkt das Auftauchen der Lordi-Monster, nichts macht wirklich deutlich, *warum* genau Sarah der Schlüssel zum ganzen Mysterium ist (dass sie es ist, ist zumindest das eine „Geheimnis“, um das kein Gedöns gemacht wird – Sarah kann immerhin Details der Zeitschleife verändern). ENDE EXTREM SPOILER IMPERIAL DELUXE
„Ich bin im Sequel gelandet. BRIGHT FLOORS! Kommt schnell rüber!“
Mr. Lordi in voller (leicht aufgehellter) Glorie!

Was bleibt, ist der unverrückbare Eindruck, dass man nach 80 Minuten nicht schlauer ist als vorher – das „wie, warum & hä“ bleibt unbeantwortet, das Ende ist also völlig unbefriedigend (wenn auch nicht völlig wirkungslos). Ich wiederhole mich, das ist schade, weil der Film in seinen character interactions zwar nicht großartig neues Land erkundet, aber mit bekannten und beliebten stock-Charakteren durchaus die richtigen Konstrukte aufstellt (auch wenn wir feststellen müssen: selbst in Finnland stirbt der Schwarze zuerst) und sich bei mir Bonuspunkte verdient, indem er auf eine aufgesetzte love story verzichtet.

Stilistisch ist „Dark Floors“ auch nicht schlecht – Pete Riski weiß mit der per se recht unheimlichen Atmosphäre eines leeren Krankenhauses einiges anzufangen und generell gefällt mir das fast schon videospielartige Konzept, in dem die Charaktere auf der Suche nach einem Ausgang und der Lösung des Puzzles sich quasi von Stockwerk zu Stockwerk, also buchstäblich von Level zu Level, nach unten durchkämpfen müssen, wobei Riski dies auch optisch umsetzt – die „Level“ werden zunehmend versiffter, verschmutzter, verfallener (und leichenübersäter), vom klinisch reinen 6. Stock, in dem das ganze Unheil beginnt, bis hin in die verrotteten zombie-verseuchten Kellertunnel, analog zur wachsenden Verzweiflung der Charaktere. Da gibt’s einige stimmungsvolle Passagen, das ist manchmal genuin creepy, wird aber in schöner Regelmäßigkeit ausgerechnet durch das Gimmick des Films, eben die Lordi-Auftritte, kaputt gemacht. Lordi sind ein Fleisch und Latex gewordener Comic, sie stören – ‚tschuldigung, wenn ich da drauf rumreite – die unheimliche Atmosphäre.

Das Krankenhaus-Set (passend zum Budget das größte jemals für einen finnischen Film errichtete) ist erstklassig, die Kameraführung (wobei gewisses Augenmerk darauf gelegt wird, die strenge Geometrie des Krankenhauses in immer wiederkehrenden, identischen Einstellungen abzubilden) und die Beleuchtung (im Gegensatz zum Filmtitel ist „Dark Floors“ zwar nicht gerade freundlich-hell, aber auch nicht undurchschaubar finster) auf gutem internationalen B-Niveau, das Tempo des Films, dem Mystery-Thema entsprechend, nicht granatenflott, aber durchaus behende genug, um die knappen 75 Minuten Nettospielzeit nicht zur Geduldsprobe werden zu lassen (weil’s mir an dieser Stelle grade einfällt: ein Lob für die schicke Vorspannsequenz).

Der Score ist Ville Riippa ist gefällig und setzt die notwendigen Akzente, Lordi selbst steuern für den Abspann einen netten Song in ihrem üblichen Stil bei.

Auf der Effektseite gibt es einen (unnötigen) Gore-Effekt, einige nette Zombie- und Leichenmasken sowie natürlich die Lordis themselves, denen man pro Nase eine spezielle „Superkraft“ zugeordnet hat (von ultrahohem Schreien über Sandstrahlen bis hin zur Beherrschung der Dunkelheit an sich), die aussehen, wie sie immer aussehen, nur Keyboarderin Awa (die als einziges der Monster eine vage Beschreibung als „scream queen“ verpasst bekommen hat) darf als geisterhafte, körperlose Erscheinung, bewerkstelligt durch solide Digitalarbeit, auftreten.

Der Cast wurde sicherheitshalber, was die Sprechrollen angeht, nicht in Finnland, sondern im Vereinigten Königreich angeheuert. Skye Bennett („It’s Alive“) muss nicht mehr tun als autistisch im Rollstuhl sitzen, nach ihren Wachsmalstiften verlangen und ihre entzückenden Hasenzähne spazieren tragen. Noah Huntley (Megiddo: The Omega Code 2, „Die Chroniken von Narnia – Der König von Narnia“, „28 Days Later“) erledigt als Ben einen durchaus souveränen Job (auch wenn er erst spät auf die Idee kommt, den zentralen Konflikt „Überleben Tochter/Überleben Gruppe“ auch schauspielerisch zu thematisieren), Dominique McElligott (Moon) bietet ebenfalls eine routinierte, nicht herausragende, aber absolut brauchbare Performance.

Ronald Pickup („Prince of Persia: Sands of Time“, „Lolita (1997)“, „Mahler“ und juxigerweise Aslan in der britischen TV-Adaption der „Narnia“-Romane aus den 80ern) überzeugt als geheimnisvoller, da wissender Penner Tobias, William Hope („Sherlock Holmes“, „xXx“, „Hellbound: Hellraiser II“) orientiert sich für mich etwas zu sehr an den gängigen Asshole-Charakter-Klischees. Leon Herbert („Alien 3“) spielt genau das, was Tony Todd oder Mykelti Williamson auch spielen würden.

Bildqualität: MIG liefert „Dark Floors“ in einem angenehmen 2.35:1-Widescreen-Transfer (anamoprh) aus, der die kühle, bedrohliche Atmosphäre des Krankenhauses gut einfängt, solide Schärfe- und Kontrastwerte bietet und keine Verschmutzungen oder Defekte aufweist.

Tonqualität: Wir haben die Wahl zwischen deutschem und englischen Ton jeweils in Dolby 5.1, wobei ich die englische Sprachfassung wieder einmal bevorzugt habe. Die erfreut durch differenzierte Abmischung und ausgezeichnete Sprachqualität. Deutsche Untertitel werden mitgeliefert.

Extras: Ein solides Paket Bonusmaterial rundet die Scheibe ab – neben einer Behind-the-Scenes-Featurette gibt’s den Trailer, einen Audiokommentar, eine Featurette über die Weltpremiere mit Pressekonferenz sowie, feiner Zug, zwei Lordi-Musikvideos (u.a. „Hard Rock Hallelujah“). Dazu noch eine Trailershow.

Fazit: In „Dark Floors“ steckt nicht ein guter Film, der raus will, nein, in dem stecken ZWEI gute Filme, die raus wollen. Hätte man den ganzen Lordi-Krams aus dem Film gestrichen und statt dessen das Mystery sinniger ausgearbeitet, könnte das ein richtig guter, interessanter und memorabler Realitätsvexierspiel-Gruselthriller sein, im Umkehrschluss hätte man das ganze metaphysische Zeitschleifengedöns zugunsten wirklich bunt-knackiger-splattriger Comic-Auftritte der Lordis über Bord geworfen (also quasi das ganze Konzept…), hätten wir hier vielleicht einen lustig-trashigen Monsterfetzer für die bierselige Partyrunde. „Dark Floors“ ist aber nun mal keins von beiden, auch wenn die Mystery-Aspekte stark im Vordergrund stehen, ohne befriedigend aufgelöst zu werden. Summa summarum – ein Streifen mit einigen guten Ansätzen, aber viel verschenktem Potential, dem ich aber trotz allem irgendwie nicht richtig böse sein kann. Ich mag die Ideen, die – sowohl auf die eine als auch die andere Art – da drin stecken, ich hab mich nicht gelangweilt (über die Verweigerung eines richtigen Endes geärgert, das schon). Daher schlussendlich eine vorsichtige neutrale Bewertung – your mileage may vary EXTREMELY, jedoch, wie gesagt, ich *kann* „Dark Floors“ irgendwie nicht verreißen…

3/5
(c) 2010 Dr. Acula


mm
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