Darinda

 
  • Original-Titel: Darinda
  •  
  • Regie: Kanti Shah
  • Land: Indien
  • Jahr: 2005
  • Darsteller:

    Sapna, Neetu, Amit Pachori, Anil Nagrath


Vorwort

Wie schon bei Pyaasi versuche ich armer Wicht, so etwas ähnliches wie eine plausible Handlung ohne den leisesten Schimmer von Hindi-Sprachkenntnissen zu formulieren. Ähnlichkeiten mit der tatsächlichen Story sind bestenfalls unbeabsichtigt…

Zwei der zahlreichen bekannten Hindi-Voodoopriester, die jedenfalls eifrig mit Schädeln, Knochen, Zaubertränken und -sprüchen (inklusive ungelogen „Abrakadabra“) hantieren, beschwören eine Art Zombie-Vampir-Dämonen-Monster (das allerdings bestenfalls aussieht wie ein Wrestler, der sich sechs Wochen nicht mehr gewaschen hat, auf der Herdplatte eingeschlafen ist und sich zwei bis drei Kissen unter seinen Umhang geschoben hat) herbei. Warum? Ja, weiß doch ich nicht… obwohl, womöglich steht den Herrschaften nach etwas paranormaler Gerechtigkeit der Sinn, denn der erste Typ, der vom Monster umgelegt wird, ist ein garstiger Vergewaltiger. Die Polizei in Person eines schneidigen Inspektors und seines trotteligen comic-relief-Sidekicks tappt im Dunkeln und verdächtigt erst mal unsere liebe Sapna, die zufällig in der Nähe des Tatorts herumstromert. Ein-zwei Augenaufschläge (bzw. Blicke in Sapnas üppiges Dekolletée) überzeugen die Gesetzeshüter aber von der Unschuld der holden Maid.

Im Lager der Voodoowichtel herrscht offensichtlich Zwist über die weitere Vorgehensweise. Während der Typ mit der angedeuteten Rasta-Perücke augenscheinlich mit dem Erreichten zufrieden ist, ist der dicke John-Rhys-Davies-Verschnitt zur Erkenntnis gekommen, dass es durchaus Spaß macht, mittels Mördermonster Menschen zu meucheln. Zunächst richtet sich die Aufmerksamkeit des Monsters auf Raj und seinen Rocker-Freund (der tatsächlich „Rocky“ heißt. Stöhn) und erscheint den beiden Gesellen (ob wir die nun sympathisch finden sollen oder nicht, versteckt sich vermutlich im Dialog) erst mal mörderisch im Traum (Things I’ve learned: Inder schlafen voll bekleidet, aber ohne Decken). Im echten Leben beschränkt sich das Monstrum aber darauf, das gemeinsame Betthäschen der Beiden (die sich in der Folge auch auf Nimmerwiedersehen aus der Story verabschieden) zu killen, indem es sie von einer Brüstung wirft. Der Herr Inspektor und sein Assi kommen wie üblich zu spät.

Nunmehr kapriziert sich das Ungetüm auf Tina, die Tochter eines weisen Zausels, und sucht ihre Alpträume heim. Herr Papa legt sich zur Beruhigung der töchterlichen Nerven zu ihr ins Bett (angezogen. Ihr Ferkel) und wird promptestens vom sichtlich nicht wählerischen Monster ermördert. Tina wird bei Freunden des Inspektors einquartiert, wo die fröhlichere Mörderei aber munter weiter geht – eine von Tinas Freundinnen, der man nie erzählt hat, dass „hinter einer frei im Raum stehenden Couch“ ein echt Schlechtes Versteck (TM) ist, beißt ins Gras. Diesmal allerdings kommt der Inspektor rechtzeitig genug, um dem Monstrum eine Kugel in die Plauze zu ballern…

Damit sollte das Thema erledigt sein, bis auf die Frage nach dem „HÄ???“. Der Inspektor verdächtigt zurecht den dicken John Rhys-Davies, doch es fehlen die Beweise, und die Hinweise dessen Rasta-Kumpels schlägt er erst einmal in den Wind. Tina träumt weiter alp, so dass ihre Beschützer auf die grandiose Idee verfallen, den verscharrten Leichnam des Monsters auszubuddeln, um Tina so zu versichern, dass das Ding wirklich hinüber ist. Der ungefähr anderthalb Zentimeter unter der Grasnarbe verklappte Kadaver ist tatsächlich noch da, aber kaum trabt die beruhigte Tina ab, erwacht das Ungeheuer zu neuem Leben.

Ein-zwei Morde weiter sucht der Inspektor Rat bei Sapna – ich habe keine Ahnung, welche Expertise sie haben soll und inwiefern ihr sicherlich sehr anregender Tanz der Sache dienlich ist, aber ich beschwere mich nicht. Die resultierende Erkenntnis ist augenscheinlich, die ganze Blase inklusive Tina und Sapna sich in der Villa, in der der erste Mord geschah (und die, wie’s der Zufall so will, wieder einmal genau neben dem Friedhof liegt), einzuquartieren. Das Meuchelmonstrum lässt sich nicht lange bitten und es sähe schlecht für unsere Helden aus, wenn nicht Rasta-Zauberer zu dem Entschluss kommen würde, handgreiflich gegen seinen durchgeknallten dicken Kollegen vorzugehen…


Inhalt

Und nochmal Hindi-Horror. So kurz nach Pyaasi kann ich mir allgemeine Betrachtungen zum indischen Genre-Kintopp sicherlich schenken (und wenn nicht… sie sind nur einen Klick weit entfernt, hehe).

Mit „Darinda“ (was, wenn der Google-Translator nicht völlig neben der Spur legt, „Hai“ bedeutet und damit im Zusammenhang mit diesem Film keinen gesteigerten Sinn ergibt) stellt sich mit ein weiterer Film von Horror- und „Mature“-Spezialist Kanti Shah vor – und wieder einmal ein solcher ohne IMDb-Eintrag, und, um mir eine ganz besondere Freude zu machen, ohne jegliche Credits, so dass ich die spärlichen Cast-Angaben ausschließlich auf Grundlage des äußerst knappen Eintrags bei Induna, dem verlässlichen Verkäufer auch unterbelichtetster Bollywood-Ware, zu verzeihen bitte.

Im direkten Vergleich zu „Pyaasi“ wirkt der zwei Jahre jüngere „Darinda“ deutlich stringenter – natürlich gibt’s auch hier ohne Sprachkenntnisse diverse Rätsel, deren Lösung im Verborgenen der Hindi-Zunge bleibt. Was genau die Motivation der Zauberer ist, ist mir ebenso schleierhaft wie die Antwort auf die Frage, was eigentlich mit Raj und Rocky ist, die relativ aufwendig mit einer langwierigen Dialogszene und zwei getrennten Alptraum-Szenen eingeführt werden, sich nach dem Kill an ihrer Ische aber dauerhaft unsichtbar machen. Aber man ist ja dankbar, wenn man die Grundzüge der Plotte verfolgen kann – Details sind ja eh für Pussies und Kommunisten…
Memo an mich selbst: Im Fall einer Zombieapokalypse nicht in Indien sein, wenn die ihre Leichen so lässig verbuddeln.
Völlig natürliche Panik, wenn einen Meter weiter weg die Freundin erwürgt wird.

Die Überraschung an „Darinda“ ist, dass er trotz der NOCH kürzeren Laufzeit ein wesentlich „ruhigerer“ Film als „Pyaasi“ ist. Wo „Pyaasi“ mit seiner enervierenden Hyperagilität das filmische Äquivalent eines ADHD-geschädigten und dringend mit mehreren Dosen Ritalin ruhigzustellenden Teenagers war, ist „Darinda“ wesentlich konventioneller – der Film ist nach wie vor handwerklich nicht der Rede wert, aber es gibt wesentlich weniger hektische Zwischenschnitte und Schauplatzwechsel. Das muss aber nicht unbedingt ein Vorteil sein – so fällt nämlich stärker auf, dass Shah sehr, äh, dialoglastig inszeniert und wenn man der Sprache nun mal nicht mächtig ist, ermüdet das endlose Gequassel zwischen den Monsterattacken doch beträchtlich – da wünscht man sich regelrecht etwas Auflockerung in den ziemlich statisch gehaltenen Shots, in denen wie bei Ed Wood selig die Leute rumstehen und sich zutexten, als würde verbale Kommunikation morgen verboten. Man ist fast geneigt, sich über den alten, aus „Pyaasi“ wohlbekannten stock-footage-Blitz zu freuen, den sich Shah wieder bei jeder passenden und noch viel mehr unpassenden Gelegenheiten aus dem Ärmel schüttelt (Trinkspiele im Zusammenhang mit dem Blitz sind definitiv nicht zu empfehlen – selbst mit Mineralwasser dürfte das im Koma enden).

Ansonsten darf man sich über die ein oder andere Eigenheit wundern – die Schlafgewohnheiten der Damen und Herren Inder hab ich oben schon angesprochen. Zu den Sitten und Gebräuchen des Subkontinents scheint auch zu gehören, dass man sich gegen Monsterangriffe nicht wehrt, sondern entweder versucht, sich zu verstecken oder ersatzweise den Böswatz totzulabern (beides verspricht allerdings nur sehr eingeschränkten Erfolg). Vielleicht ist das Monster aber ja auch Angehöriger einer höherrangigen Kaste…

Zurück zu den filmischen Meriten – Shah dreht dieses Mal in Ultra-Widescreen, das dürfte so ungefähr bei 2,75:1 einticken, wenn mein Augenmaß nicht völilg trübt. Nötig war das selbstverständlich nicht, weil Shah nicht unbedingt zu den Regisseuren gehört, die mit dem breiten Bild arg viel anfangen können; es verhindert halt wenigstens, dass handelnde Figuren, die das Pech haben, an den „Bildrändern“ zu stehen, nur halb im Bild sind. Auffällig ist zu dem eine komplette Vernachlässigung räumliche Continuity – da haben einstöckige Gebäude schon mal Treppenhäuser mit fünf Etagen Höhe, da liegen Charaktere, die laut Drehbuch in verschiedenen Räumen sein sollten, im exakt gleichen Zimmer, da passen establishing shots und Interiors nicht zusammen etc. In der Güte hab ich sowas noch nicht gesehen.

Wie schon bei „Pyaasi“ begnügt sich „Darinda“ mit einer einzigen Musical-Nummer, und da die, wie gesagt, von Sapna im Alleingang bestritten wird, habe ich da auch nichts dagegen. Schon eher dagegen, dass der Score der ganzen Unternehmung *komplett* der von „Pyaasi“ ist (und ich demzufolge nicht mal sicher sein kann, dass der ursprünglich für „Pyaasi“ komponiert wurde oder einfach die zehn Minuten Musik darstellt, die Shah grundsätzlich verwendet). Wie schon bei „Pyaasi“ donnern die ewig gleichen Themes alles zu, egal, ob’s spannend sein soll oder nicht.

Der Horror-Gehalt beschränkt sich auf das Monster-Make-up, das selbst meine nicht unbedingt trashaffine Holde zu einem kräftigen Lacher hinriß – bei den Kills ist’s mal wieder so, dass ein roter Strich genug sein muss, um eine klaffende Wunde zu symbolisieren. Aber so ist das halt dort drüben…

Dafür überrascht der sehr sehr explizite Umgang mit dem Thema Sex. Normalerweise ist das ja im Bollywood-Film und auch in seinen „rauheren“ Ausprägungen eine ziemlich keimfreie Angelegenheit, die sich auf ein paar Umarmungen beschränkt. Natürlich zieht auch „Darinda“ keine Nudity-Karte, aber es gibt ein ganzes Rudel dezidierter Sexszenen. Die Beteiligten behalten zwar durchweg die Klamotten an (was Anlass zur Frage bietet, wie zur Hölle wir an 1 Milliarde Inder gekommen sind), was Shah durch close-ups auf die Gesichter der stoßenden Kerle und der, äh, empfangenden Mädels ausgleicht. Und wenn wir das noch mental verarbeiten, kommt uns der Maestro mit einer homosexuellen Vergewaltigung – das Monster penetriert Raj (wenn auch „nur“ in einer Traumszene). Das hätte ich von meinem Hindi-Horror nun wahrlich nicht erwartet…

Darstellertechnisch habe ich hauptsächlich einen Mecker anzubringen – zu wenig Sapna! Ich bin seit „Pyaasi“ Vorsitzender des Deutschen Sapna-Fanclubs e.V. und freute mir prophylaktisch ein Bein ab, dass die Gute auch hier mitspielt, aber Shah geht mit seinem Lieblingsstarlet sehr sparsam um. Nach einer einminütigen Szene mit dem Inspektor gleich nach dem ersten Mord dauert’s bis zwanzig Minuten vor Schluss, bis er sich daran erinnert, dass sein Publikum vermutlich hauptsächlich an den Reizen seines weiblichen Stars interessiert ist. Mit ihrer Tanzszene gleicht er das einigermaßen aus, aber trotzdem ist das natürlich kein Vergleich zu Evil Sapna aus „Pyaasi“ (zumal das mal wieder ein Film ist, in dem die Helden komplett unnütz sind und das Happy End „extern“ gesteuert wird). Die restlichen Darsteller schwanken zwischen adäquat für einen Schotterhorrorfilm aus Bollywoods Armenhaus und hysterisch-komisch. Besondere Erwähnung sollte noch der Darsteller des Rocky finden, den ich glatt für den Sieg bei der Wahl zum Indischen Mr. Tom Savini nominieren möchte…

Bildqualität: Für die Verhältnisse eines indischen Ramschfilms ist das ziemlich okay – ein 4:3-Letterbox-Transfer (in, wie oben angedeutet, obskurem Format, das meinen VLC Player vor Rätsel stellte) und reeelativ frei von Verschmutzungen, Defekten oder Laufstreifen. Wenn’s jetzt noch etwas schärfer wäre, könnte man glatt von einem brauchbaren Transfer reden.

Tonqualität: Hindi ohne Untertitel in Dolby 2.0. Wie üblich abwechselnd schepprig und dumpf.

Extras: Nix, ist ja eine 3-on-1-DVD. Mit auf der Scheibe sind „Pyaasi“ und „Free Entry“.

Fazit: Nach dem gepflegten Wahnsinn von „Pyaasi“ ist „Darinda“ schon eine Enttäuschung – obwohl der Streifen grundsätzlich den gleichen Beats folgt (soweit man das eben rein anhand der Bilder beurteilen kann), ist er deutlich langweiliger, weil eben nicht so völlig durchgeknallt und ohne jeglichen Respekt für filmemacherische Konventionen runtergekurbelt wie „Pyaasi“. Fortgeschrittene Trash-Gourmets werden sicherlich auch hier ein paar Momente finden, über die sie sich amüsieren können, aber es ist eben nicht dieses durchgänge Durchgeknallte, das „Pyaasi“ zum Lachschlager machte. Und dann ist da eben noch dieser verdammte Mangel an Sapna…

2/5
(c) 2014 Dr. Acula


mm
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