- Deutscher Titel: Cuckoo
- Original-Titel: Cuckoo
- Regie: Tilman Singer
- Land: Deutschland/USA
- Jahr: 2024
- Darsteller:
Hunter Schafer (Gretchen), Dan Simmons (Herr König), Marton Csokas (Luis), Jessica Henwick (Beth), Greta Fernández (Trixie)
Vorwort
Kommen wir zum zweiten Film aus der „Nachtsicht“-Sektion des Filmfestivals Crossing Europe in Linz. Wie meiner letzten Besprechung (KRAZY HOUSE ) zu entnehmen ist, war ich vom 30. April bis zum 5. Mai in Linz, um mich der Filmkunst (oder, im Falle von KRAZY HOUSE, dem Filmschund) hinzugeben.
Wie dem auch sei: Der zweite Film aus dem phantastischen Bereich des Festivals ist sogar ein deutscher Kandidat (wenngleich auf Englisch gedreht und dahingehend unter Mitproduktion der Amis): CUCKOO war der erste Film, den ich gesehen habe, und ich schreibe die Review trotzdem erst nach KRAZY HOUSE, kriege aber trotzdem noch alles zusammen, kann aber selbstredend auch hier nicht eine ausführlichere Inhaltsangabe geben. Der deutsche Kinostart ist momentan für Mitte Juli angesetzt. Deswegen greife ich auf eine kürzere Storyangabe zurück…
Inhalt
Gretchen reist aus den USA zu einem Hotel ins tiefe Bayern – unfreiwillig, denn dort soll ihr Vater für „Herr König“ ein neues Touristen-Resort entwerfen. Mit dabei sind ihre Halbschwester und die neue Frau ihres Vaters. Angekommen offenbart sich schnell, das etwas nicht stimmt. Mysteriöse Geräusche aus dem Wald, seltsame Hotelgäste und eine scheinbar alte Dame, hinter der doch mehr steckt, als Gretchen ahnt…
Besprechung:
Vorweg kann ich definitiv schon mal sagen, dass CUCKOO ein deutlich besseres Filmerlebnis war als KRAZY HOUSE, was aber natürlich auch nicht schwer ist. Es war aber sicherlich auch ein sehr ambivalentes Erlebnis, bei dem ich oft hin- und hergerissen war: Zwischen den guten Momenten, die der Film zweifelsohne hat, aber auch zwischen den offensichtlichen Schwächen, die er leider aufweist.
Fangen wir erstmal mit dem positiven an: Dem Setting! Ich meine, der Film spielt in den Alpen (wenn dort auch nur einen einzigen Tag gedreht wurde, der Rest der Dreharbeiten fand in Hessen und NRW statt, weil dort die Fördergelder herkamen), wann hat es das schon mal gegeben? Spontan würde mir lediglich DIE TEUFELSWOLKE VON MONTEVILLE einfallen, den man in die Sektion „Alpen-Horror“ einsortieren könnte. Der Look des Films ist deswegen auch sehr schön natürlich und unaufdringlich. Außerdem wurde sogar auf 35mm gedreht, was mir aus Prinzip von Grund auf sympathisch ist. Regisseur Tilman Singer hatte zuvor 2018 auch den atmosphärischen LUZ (entnehme ich zumindest diversen Reviews. Ich habe den Film noch nicht gesehen) gedreht – in Zukunft wird er also vielleicht noch den ein oder anderen interessanten Horrorfilm auf die Leinwände bringen.
Jedenfalls: Der Schauplatz von CUCKOO lässt sich durchaus sehen, gerade zu Anfang: die deutschen Wälder haben etwas Heimeliges, wenngleich auch etwas Mysteriöses, Mystisches und der Titel „Cuckoo“ dürfte auch schon einen Hinweis geben, in welche Richtung es gehen könnte. Hinzu kommt ne schöne urdeutsche, rustikale Absteige als Hotel. Schade ist dahingehend nur, dass man daraus wenig macht. Hoch auf die Berge geht es nie, auch in den Wäldern spielt sich wenig ab, stattdessen spielt das Finale in einem relativ unspektakulären 0815 Gebäude, aber das lag wohl auch einfach am Drehplan und Budget.
Dennoch ist das Ganze, eben sehr ruhige Setting, gerade in der ersten Hälfte der Art des Films sehr zuträglich. Am effektivsten ist der Horror ja, wenn er hinter einer schönen Fassade steckt, und darauf baut CUCKOO von Anfang an. Sofort wird klar, dass etwas mit dem Hotel nicht stimmt: Herr König benimmt sich offensichtlich komisch, seltsame Leute laufen herum und aus dem Wald kommen fragwürdige Geräusche. Mit knapp 100 Minuten nimmt sich der Film hier durchaus Zeit, diese bedrohliche Grundstimmung zu etablieren und verknüpft das auch noch mit den persönlichen Problemen unserer Protagonistin Gretchen (eine weitere Grimm-Anspielung, wie mir erst nach dem Kinobesuch aufgefallen ist). Hier fangen die Probleme des Drehbuchs aber auch erst an: Viel zu viele Fässer werden aufgemacht, das Skript ist leider völlig überladen. Teenager-Probleme, Familienkrisen, Geschwister-Liebe usw. All diese Probleme will CUCKOO irgendwie abarbeiten, schafft es dabei aber einfach nicht, auch nur eines irgendwie zufriedenstellend abzuschließen, im Gegenteil. Viele Einzelstränge laufen irgendwie ins Ende, vieles wird nur angerissen, zu viele Fragen bleiben (für mich) am Ende offen.
Und das auch in Bezug auf den Horror, zu dem ich jetzt natürlich ausführlicher komme. Wie gesagt: In der ersten Hälfte hat das Ganze wunderbar funktioniert. Immer wieder bekommt man kleine Hinweise, kleine Momente vorgeworfen, die durchaus Spannung aufbauen, sodass man natürlich gespannt ist, was es mit dem Ganzen auf sich hat. Seien es irgendwelche komischen Hotelgäste (von denen manche aber auch nicht wirklich was mit der Erklärung am Ende zu tun haben), das Geschrei aus dem Wald oder das erste Auftauchen des „Monsters“ – auf generische Jumpscares verzichtete der Film weitestgehend, stattdessen arbeitet man gekonnt mit einer Art, in den Spannungsmomenten „pulsierenden“ Kamera und einem durchaus unangenehmen Sound-Design, wann immer die Antagonisten des Filmes auftauchen. In manchen Szenen wirkt die Nacht aufgrund des „undigitalen“, 35mm Looks auch wirklich noch bedrohlich und einnehmend. Im folgenden Abschnitt gehe ich nun kurz nochmal genauer darauf ein, deswegen SPOILERWARNUNG FÜR DEN KOMMENDEN ABSCHNITT!
Nun, die Monster, die sich im Wald verstecken, sich im Grunde menschliche Kuckucks (deswegen ja auch der Titel, ne?). Bevor Mr. König als quasi Mad-Scientist auch den Erklärbär gibt (und von „Naturschutz“ und „Artenschutz“ palavert) gibt’s freilich auch genug Hinweise auf diese Kuckuck-Monster (hab ich natürlich wieder erst viel zu spät verstanden). Was ich deswegen auch erst nach dem Film verstanden hatte, war, wieso ab und zu die Zeit „zurückgespult“ wird – immer, wenn das hässliche Geschrei der Kuckuck-Menschen ertönt (ich stand sogar weiterhin auf dem Schlauch, als eine Kuckucks-Uhr eingeblendet wurde: Natürlich fungieren die Monster als eine Art… Uhr, die mit jedem Geschrei die Zeit, wie die Uhr, zurückstellen). Das Ganze ist schon ein cooler Ansatz, den ich so auch noch nie irgendwo gesehen hätte. Höchstens an die Body-Snatcher Filme erinnert dies etwas, da Mr. König seine Kuckucks-Menschen auch dazu bringt, ihren Nachwuchs in die Gäste des Hotels einzupflanzen. Das Konzept hört sich aber am Ende leider cooler an, als es sich am Ende präsentiert. Die Kuckucks-Menschen sehen aus wie ganz normale Personen, lediglich ihre Augen sind beim „Angriff“ gerötet. Nichtsdestotrotz wirken sie durch das audiovisuelle Design mitunter schon bedrohlich.
SPOILER ENDE. Am Ende des gesamten Horror-Parts ist eben nur schade, dass man viel zu wenig von dem sieht, was man als Horror-Fan wohl sehen will. Ein paar wichtige Fragen bleiben unbeantwortet. Charaktere tauchen plötzlich nicht mehr auf und ohnehin präsentiert sich das Finale als enttäuschend öde. Statt einem prägnanten, von mir aus mit einigen Gewaltspitzen angereichertem Ende zieht sich der Entscheidungskampf ewig dahin. Sinnlos wird sogar noch mit Pistole und Gewehr herumgeballert, und wirklich logisch sind die Handlungen der Figuren teils, in meinen Augen, auch nicht. Außerdem spielt das Ganze, wie schon erwähnt, nicht in der schönen Natur Bayerns, sondern in einem langweilig eingerichteten Büro/Labor (wobei das Labor nicht mal ansehnlich eingerichtet ist).
Also, zur Story an sich könnte ich es so zusammenfassen: Gut gedacht, zum Ende raus eher schlecht gemacht. Zu viele Ideen, zu wenig Fokus auf bestimmte Parts, die man von so einem Film erwartet. Außerdem gabs auch einige Momente, in denen das Kino gelacht hat (wo ich aber glaube, dass das vom Regisseur nicht gewollt war: Stichwort Blockflöte).
Über die Schauspieler kann man indessen nur Positives sagen. Bei Hunter Schafer (die wohl durch die Serie Euphoria viele Sympathien gesammelt hat, hab ich mir sagen lassen, ich kannte sie zuvor gar nicht) als Gretchen sind die Sympathien des Publikums gut angelegt und sie verkörpert den Grad zwischen Stärke und Verletzlichkeit genau passend: Sie spielt die Teenagerin, die sich verloren fühlt und sich finden muss, durchaus überzeugend. Als Gegenspieler haben dir dann noch Mr. König, der schon von Anfang an offensichtlich als fragwürdige Figur dargestellt wird und sich am Ende folgerichtig als Mad-Scientist entpuppt – da aber doch überraschend zurückhaltend von Dan Stevens gemimt wird (der dieses Jahr ja auch mit ABIGAIL in einem weiteren Horrorfilm auftritt). Aus seiner Figur hätte man schon etwas mehr machen können, zum Ende raus blieb sie dann doch leider recht blass.
Der Rest der Figuren ist dann aber auch schon nicht mehr wirklich wichtig. Der Vater von Gretchen spielt im Horror-Part überhaupt keine Rolle, ebenso wie die Stiefmutter (deren Figur man ja wegen der „Grimm’schen“ Bedeutung auch mehr verwenden hätte können).
Fazit:
CUCKOO war für mich eine sehr ambivalente Angelegenheit. Wie so oft präsentiert sich das Mysterium bis zur endgültigen Aufdeckung als viel interessanter, als es dann eigentlich ist. Audiovisuell macht der Film schon was her, mit einer schönen Kamera-Arbeit, einer netten Umgebung und einem coolen Soundtrack – inhaltlich aber ist es einfach zu unfokussiert, das Drehbuch ist zu überladen und das Ende ist zu lang und deswegen enttäuschend. „Schlecht“ ist der Film natürlich bei weitem trotzdem nicht und deutsche Genre-Beiträge sind mir grundsätzlich sympathisch. Besser wäre es wohl gewesen, sich mehr auf den Horror zu konzentrieren, mehr zu zeigen, aber dafür war das Budget wahrscheinlich zu limitiert. So ist der Film leider halbgar – und funktioniert weder als Horror noch als Drama, das der Film aufgrund des psychologischen Unterbaus seiner Protagonistin offensichtlich sein will, nicht so wirklich. Fünf Biere sind in meinen Augen (und das sind eben die Augen eines absoluten Monsterfans) angemessen.
Aber eigentlich ist es trotzdem eine Empfehlung, alleine schon, weil das hier halt kein generischer Hollywood Horror á la THE NUN oder so ist. Vielleicht kommt ja mal mehr deutscher Horror – es wäre lobenswert.
BOMBEN-Skala: 2
BIER-Skala: 5
Review verfasst am: 05.06.2024