Critical Mass – Wettlauf mit der Zeit

 
  • Deutscher Titel: Critical Mass - Wettlauf mit der Zeit
  • Original-Titel: Critical Mass
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  • Regie: Fred Olen Ray (als Ed Raymond)
  • Land: USA
  • Jahr: 2000
  • Darsteller:

    Mike Jeffers: Treat Williams
    Janine: Lori Laughlin
    Samson: Udo Kier
    Sheriff Broden: Blake Clark
    Breem: Doug McKeon
    Senator Cook: Andrew Prine
    Karl Wendt: T.J. Thyne
    Henderson: Charles Cyphers
    Dept. Reed: Randy Mulkey
    Cop: Richard Gabai


Vorwort

Zu manchem Review auf diesen Seiten muss ich mich regelrecht zwingen, manche ergeben sich von selbst und manche werden wie auf dem Silbertablett serviert. Als mir angeboten wurde, Critical Mass zu besprechen, musste ich nicht lange überlegen – schliesslich handelt es sich um einen Film von Fred Olen Ray, und wenn es einen Haus- und Hof-Regisseur von badmovies.de gibt, dann ist das der gute alte Freddie. Okay, jedes Ding hat zwei Seiten, so auch die Karriere eines Trash-Regisseurs, und wo die eine Seite von Fred Olen Ray die der charmanten Schundklopper vom Schlage Hollywood Chainsaw Hookers, Evil Toons oder Star Slammer: The Escape ist, da ist die andere die der eher belanglosen DTV-Actionfodderware a la Crash Dive & Co. Critical Mass, da sichtlich neueren Baujahrs, gehört zur zweiten Kategorie. Noch dazu stammt der Film aus der ausgesprochen produktiven Schmiede von Phoenician Entertainment, deren Werke eher seltener durch übertriebene Qualität, sondern eher durch inflationären Gebrauch von Stock Footage und Recycling ganzer Szenen bekannt sind (fragt nach bei Stealth Fighter, Storm Catcher, Agent Red. Wäre man böse (was wir hier bekanntlich nie nicht sind), könnte man Phoenician als Nu Images kleinen Bruder bezeichnen – auch die Konkurrenz, deren Leib- und Magenstar bekanntlich Jean-Claude van Damme ist, produziert eher preiswert, aber die machen wenigstens noch fast alles selbst.

Egal, ein Fred-Olen-Ray-Film ist ein Fred-Olen-Ray-Film ist ein Fred-Olen-Ray-Film und das bedeutet, dass Merkwürden voll empfangsbereit vor der Glotze hockt…


Inhalt

Und es beginnt vielversprechend genug… Ein Grüppchen Terroristen (unschwer an ihren schwarzen Kampfanzügen zu erkennen) unter der Führung von Udo Kier (der hier auf den Namen Samson hört, was man uns aber erst so eine Stunde später erklärt) fährt in ihrem gepanzerten Van bei der Firma Cyberdyne vor (Cyberdyne klingt vertraut? Aufklärung folgt). Nonchalant spazieren die Finsterlinge ins Foyer, killen den einzigen anwesenden Wachmann (der verröchelnderweise immerhin noch den Alarm auslösen kann) und klauen dann eine Flasche grünlich schimmernder Biohazard-Suppe, künftig „spaltbares Material“ genannt. Angesichts der Tatsache, dass selbst mein Zigarettendealer um die Ecke wirkungsvollere Sicherheitsmassnahmen hat als dieses High-Tech-Unternehmen, gestaltet sich der Diebstahl leichter als das sprichwörtliche einem Baby den Lolli zu klauen (in der ganzen Firma ist sprichwörtlich KEIN Mensch, keine Security, kein Sicherheitssystem… Cyberdyne, ihr verdient es nicht besser). Immerhin, der Alarm ruft die Polizei auf den Plan, die das Gebäude umstellt. Samson ist unbeeindruckt, lässt eine Scheibe einschlagen und veranstaltet auf dem Cyberdyne-Vorplatz den dritten Weltkrieg, d.h. er ballert mit schweren automatischen Waffen und Panzerknackern auf die minimal überforderten Uniformträger (putzige Dialogzeile über Cop-Radio, während sich drum rum gigantische Explosionen abspielen: „Braucht ihr Verstärkung?“ Hm, könnte sein…). Den Abgang durch den Hinterausgang tarnen die Terror-Touristen mit der Zündung einiger Bomben im Gebäude. Und unerwartet bei einem Film dieser Preis- und Güteklasse werden hier tatsächlich ganze Stockwerke real in die Luft gejagt, keine döseligen CGI-Effekte. Ein Polizeihelikopter nimmt die Verfolgung auf und jagt die wild um sich ballernden Bösmänner über einen Highway, praktisch auf Bodenhöhe. Das bringt Samson auf eine Idee: „Bremsen!“ befiehlt er seinem Fahrer, der in die Eisen latscht – und wir lernen, dass auch Chopperpiloten auf Autobahnen den Sicherheitsabstand einhalten sollen, denn der Hubschrapp schraubt sich munter in das Heck des Terror-Vans, wobei er angesichts der Tatsache, dass es sich bei letzterem um ein Panzerfahrzeug handelt, den kürzeren zieht und explodiert – ein mitreissender und spektakulärer Stunt (und das meine ich ohne jede Ironie).

Wow, könnten wir nach diesem Auftakt nun sagen, boah, wo hat Freddie Ray gelernt, so was zu filmen? Und wer gab ihm die Kohle dafür? Doch nicht etwa Jim Wynorski? Da sind wir aber schwer bedruckt, äh, beeindruckt. Was höre ich da? Einen Einspruch aus dem Kreise der Filmexperten? Stattgegeben. Denn mal ehrlich… Fred Olen Ray, Jim Wynorski und aufwendig inszenierte Superstunts, die richtig Geld kosten würden? Das geht nun wirklich noch weniger als Spannung, Spiel & Schokolade. Ja, diese ganze Sequenz könnte einem verdammt bekannt vorkommen, so man jemals Terminator 2 gesehen hat, da stammt die ganze Chose nämlich her (womit auch geklärt wäre, wieso Cyberdyne so vertraut klingt). Auf welchen halbseidenen, illegalen oder meinetwegen sogar korrekten Wegen Ray & Co. an das Material gekommen sind, ist bislang nicht überliefert. Immerhin, Ehre, wem Ehre gebührt, man machte sich die Mühe, um sich passende Requisiten für die eigenen Darsteller zu suchen und die selbst gedrehten Szenen professionell in das vorhandene Quellmaterial einzuschneiden. Trotzdem… eine Mogelpackung bleibt eine Mogelpackung.

Weiter im Film. Wir schalten um ins beschauliche Kernkraftwerk San Miguel, in dem sich die Wachmannschaft beinahe so locker und unbesorgt gibt wie Homer Simpson in dem von Springfield. Im Gegensatz zum Duh-Man können das Mike Jeffers und seine Kollegen aber weitestgehend zu recht, denn das KKW ist seit kurzem stillgelegt. Während wir humöros etablieren, dass Mikes herausragende Charaktereigenschaft darin besteht, bei jeder Art von Glücksspiel zu verlieren (Ihr kennt das – wenn Mike beim Münzwurf auf „Kopf“ setzt, landet die Münze mit tödlicher Präzision mit „Zahl“ oben), erfahren wir zudem, dass die sage und schreibe vierköpfige Wachschar auf Besuch wartet. Senator Cook, ein Lokalpolitiker, hat sich in den Kopf gesetzt, aus absolut unbegreiflichen Gründen in dem Kraftwerk einen Wahlkampfwerbespot zu drehen (das kommt mir ungefähr so vor, als hätte uns Ex-Birne einen Spot über seine „blühenden Landschaften“ in Leuna drehen lassen). Begleiten tun den Herrn Politiker seine hübsche Pressesprecherin Janine Simpson, der Produzent Steve Johnson und ein vielköpfiges Team aus Ja-Sagern, Kameraleuten und Pseudoreportern. Mike, der – selbstredend – ein Wette verloren hat und deswegen die Politprofis durch´s Kraftwerk führen „darf“, kann Cook auf Anhieb nicht leiden und umgekehrt (wir sind hoch originell), was durch eine Reihe von „Wortgefechten“ transportiert wird. Cook, der versichert, wegen der Arbeitsplätze (schlappe 60 Jobs sind durch die Schliessung verlorengegangen) strikt gegen die Schliessung des Kraftwerks zu sein, fragt Mike, wie er sich deswegen fühle, aber Mike sieht das ganze zum sichtlichen Unwillen des snobistischen Senators ziemlich entspannt: „Das sind hochqualifizierte Spezialisten, die haben fast alle schon einen neuen Job!“

Da unser Film aber sicher nicht das Äquivalent einer Camcorder-Tour durch Biblis II werden soll, nähert sich eine weitere Partei dem Gelände, nämlich Samson und seine schuftigen Schergen. Mikes Wachmann-Kollege vermutet, diese weitere Kleinbus-Besatzung wären Nachzügler des TV-Teams und nimmt Samson & Co. mit entsprechenden Worten in Empfang, was den Chefterrorist ziemlich verblüfft und, nachdem der Wachmann schlicht umgelegt wurde, seinem Informationsminister, dem offiziellen Terror-Geek Breem einen herben Rüffel einbringt. Samson lässt sich dadurch aber nicht von seinem hoch entwickelten psychologisch ausgeklügelten Plan abbringen: „Wir gehen rein, schneiden die Telefonleitungen durch und erschiessen alle!“ Um einen strapazierten Satz, den eh schon keiner mehr lesen mag, noch mal zu zitieren: Da hat er bestimmt wochenlang drüber gebrütet… Der Blick der Terroristen fällt auf einen ominösen Truck, der etwas sinnlos in der Gegend rumsteht. „Sicher ein Transporter für Nuklearmüll,“ meint Samson achselzuckend und ich nehme keine Wetten mehr darauf an, dass der Brummi noch mal eine Rolle spielen wird. Das halbe Dutzend Terroristen verteilt sich im Gebäude, während Cook und Mike sich im Rahmen der Führung weiterhin auf die Nerven gehen.

Mikes Chef Henderson ertappt Samson und einen seiner Kumpels beim Herumstrolchen. Geistesgegenwärtig behauptet Samson, zum TV-Team zu gehören und sich verirrt zu haben. Hilfsbereit lotst Henderson den Terrorchef in die richtige Richtung, Samson bedankt sich artig.

Cook hält seine Wahlkampfrede und klaut dabei Mikes Argumentation über die verlorenen Jobs (okay, er ist schmierig, unkreativ, hat das Einfühlungsvermögen und die Menschenkenntnis eines Traktors… ja, er ist Politiker). Henderson, offenbar der einzige Wachmann, der etwas auf der Pfanne hat (abgesehen von unserem designierten, aber derzeit unabkömmlichen Helden), erwischt Terrorist Steele beim Manipulieren der Überwachungs- und Computeranlage und erschiesst den Fiesling. Er hat nicht viel davon, denn Samsons rechte Hand (bei den Namen der Terroristen bin ich irgendwie nicht vollkommen auf dem Posten, ist aber auch ziemlich wurscht) revanchiert sich, indem er Henderson, zwar mit deutlich sichtbaren Gewissensbissen (Terrorist mit dem goldenen Herzen?) abknallt. Cook beschäftigt sich weiterhin damit, Mike auf den Wecker zu fallen (Mike, du hättest bereits jetzt meine offizielle Genehmigung, Cook persönlich zu erwürgen), so dass der Wachmann kurzerhand das Ende der Führung verkündet und die Gruppe ins Freigelände scheucht, wo sie umgehend von Samson und seinen Mannen unter Feuer und reihenweise umgenietet wird. Einzig Mike, Janine und Cook entkommen dem Blutbad, indem sie sich zurück in die Kraftwerksanlage flüchten und dort diverse Sicherheitsschotte aktivieren (nicht ohne Suspense-Sequenz, in der Janine stolpert und droht, von einem solchen Schott säuberlich geteilt zu werden. Natürlich rettet Mike sie in letzter Sekunde, andererseits bewegt sich das Schott dermassen langsam, dass Janine sich nicht nur mühelos hätte selbst retten können, wäre sie nicht eine schutzbedürftige Frau, sondern auch noch ihre Memoiren hätte schreiben können).

Samson ist sauer. Überlebende waren nicht vorgesehen. Der Schuldige ist schnell rausgepickt, Breem, der Geek hat seine ausgesuchten Opfer nicht erschossen (es sah zwar nicht so aus, als würden sich die Terroristen ihre Zielscheiben gezielt aussuchen, aber wenn Samson das sagt…). Breem erhält eine Letzte Warnung TM.

Mike und seine neuen Schützlinge verstecken sich. Das Telefon ist tot, aber zum Glück hat Janine ihr Handy dabei, mit dem Mike seinen alten Kumpel Sheriff Broden im nächstgelegenen Kaff anruft. Broden glaubt Mike bei aller Sympathie nicht wirklich dessen Horrorstories über waffenstarrende Terroristen, die ganze TV-Teams niedermetzeln, verspricht aber, einen Streifenwagen hinzuschicken (whoa, overkill!). Die Streifenwagenbesatzung, zu der Rays zwischenzeitlicher Stamm-Romantic-Lead Richard Gabai (Dinosaur Island) gehört, entdeckt leidgeprüft, dass Mike durchaus richtig liegt – sie werden nämlich über´n sprichwörtlichen Haufen geschossen, können das aber wenigstens noch per Funk durchgeben, ehe eine weitere Panzerknacker-Granate den Wagen der beiden in ein fröhliches Barbecue verwandelt.

Der Explosionslärm ruft Mike auf den Plan, der mal nachsehen will, was los ist. Janine mag sich anschliessen (ihr Prinzip: „Halt dich an den, der die Waffe hat“), während der weinerliche Cook bettelt, nicht allein gelassen werden zu wollen (also auch noch´n Feigling, wer hätt´s gedacht… er wird bestimmt bald vorschlagen, mit den Terroristen zu verhandeln, wetten?). Während sich unsere Helden also auf Exkursionstour begeben, bastelt Breem an der Atombombe und Peterson, ein weiteres Mitglied von Samsons Terror-Boygroup (eine Terroristengruppe, die ohne ein in heisses Lederoutfit gehülltes attraktives Frauenzimmer auskommt? Buuuh!) wird dazu verdonnert, die Ein- und Ausgänge der Anlage zu verminen.

Broden hat seine Kräfte vollständig mobilisiert und das Kraftwerk umzingelt. Das Verteidigungsministerium, mittlerweile instruiert, verbietet ihm aber eigenmächtiges Eingreifen, solange die Regierung sich noch nicht verständigt hat. Janine quetscht Mike über dessen vor einigen Minuten erwähnte Air-Force-Vergangenheit aus, aber Mike muss Janine und den Zuschauer enttäuschen – er war mitnichten ein Super-Elitesoldat einer Spezialeinheit, sondern lediglich Chef der Wachmannschaft auf einem Stützpunkt. Tja, das ist ein Fall für Duh! Janine darf ebenfalls einen kurzen Character Moment einschieben und darüber trauern, dass sie eigentlich ja Hardcore-Reporterin werden wollte, jetzt aber in diesem Job gestrandet sei. Tragisch, tragisch. Eine einsame Träne des Mitgefühls kullert meine Wange herunter… Broden ruft Mike auf dem Handy an (lustigerweise klingelt das Teil per Vibrationsalarm) und Mike kann dem Sheriff berichten, dass die Terroristen an einer Art Bombe basteln. Im Verteidigungsministerium, bzw. der Aussenstelle für die westlichen Territorien der USA, konstruiert man dieweil schon eifrig einen Zusammenhang zwischen dem Überfall auf Cyberdyne und der Kraftwerksbesetzung (erstaunlich, da sind Leute am Werk, die logisch denken können? Welch Bruch der Genrekonventionen). Broden teilt dem Krisenstabchef Gould die erfreuliche Tatsache mit, dass sich ein echter Senator (wenn auch nur ein Staatssenator, wie Mike etwas früher despektierlich feststellte) unter den Eingeschlossenen befindet. „Shit“, kommentiert Gould, „ein toter Senator ist schlimmer als ein lebender!“ Hat der Mann im Drehbuch gespickt? Noch lebt der Politclown doch… Gould beschliesst, nun doch lieber Washington D.C. zu konsultieren.

Einer der Terroristen stöbert indes den alleingelassenen Cook auf und fragt sich und die Welt: „Warum erschiesse ich sie nicht einfach und spare dem Staat die Pensionen?“ Gute Frage. Warum tut er´s nicht einfach? Weil er natürlich lieber darauf wartet, dass ihn aus dem Hintergrund Mike anspringt und nach kurzem Kampf, in den sogar Janine, aber selbstverständlich nicht der feige Cook eingreift, überwältigt, fesselt und knebelt (wenngleich der jetzt taffe Senator imperativ verlangt: „Los, Abknallen!“ Möchte wetten, der Junge ist Republikaner).

So, eigentlich haben wir jetzt alle wesentlichen Zutaten für den handelsüblichen Die Hard-Clone. Da fehlt höchstens noch eine Kleinigkeit… unser Held braucht doch noch ganz dringend eine tragische Vergangenheit, die seine Heldenmässigkeit zumindest für die ihn umgebenden Gesellen in Frage stellt. Check. Und so unterhalten sich for no specific reason, ausser dass diese tragische Vergangenheit mit dem Holzhammer eingebaut werden muss, Broden und sein Gehülfe Reed über den „Vorfall in Parsons“. Kurzfassung: Mike war Sheriff in Parsons County, arbeitete an einem Fall mit Bundespolizei zusammen, führte Razzia durch, war einziger Überlebender, was von den üblichen Kreisen als Feigheit vor dem Feind ausgelegt wurde (hätte er sich lieber umbringen lassen sollen?), weswegen Mike keinen anderen Job mehr als den eines Wachmanns in einem stillgelegten Kraftwerk ergattern konnte. Ach ja, und glaubt nicht, dass dieser ergreifende Sachverhalt auch nur die geringste Rolle für unseren Film spielen würde. So forget it right now.

Mike hat aus dem gefangenen Terroristen immerhin rauspressen können, dass tatsächlich eine Bombe gebaut wird (welch bahnbrechende Erkenntnis), was er sofort an Broden weiterpetzt. Zur Beunruhigung des Pentagon und des Verteidigungsministers persönlich (der Herr Minister erweckt zwar eher den Eindruck, als sollte er in einem Altersheim seinen Haferschleim schlabbern, aber wir kennen ja die Yankees).

Mike drängt seine Gefährten darauf, den Standort zu ändern – schliesslich werden seine Kumpels den abgängigen Terroristen irgendwann mal suchen (so gesehen wäre „Abknallen“ vielleicht doch nicht die dümmste Idee gewesen). Als etablierter Feigling wendet sich Cook gegen diesen Vorschlag, aber es ist langsam an der Zeit, dass Janine ihren vorprogrammierten Character Turn Richtung bad-ass-motherfuckin´ Kriegerin vornimmt, ergo geht sie ihm heftigst an die Gurgel. Und blafft auch noch Mike an, als der eine ironische Bemerkung diesbezüglich macht. Mit der Lady ist nicht gut Kirschen essen…

Indes schickt Gould als erste vernünftige Amtshandlung einen „Nuklear-Technik-Experten“ vor Ort. Mike bringt seine Leute in die Bredouille – sein „Kein-Glück-bei-Spiel“-Fetisch ist nämlich ein „ich-treffe-immer-grundsätzlich-die-falschen-Entscheidungen“-Fetisch und der sorgt dafür, dass Mike ein wenig zu lange darüber nachdenkt, in welche Richtung die Gruppe weitergehen sollte. Zeit genug, um den Terroristen zu ermöglichen, sie unter Feuer zu nehmen und Cook einen Streifschuss zu verpassen. Mike schiesst den Terroristen in einen Generatorkasten, wo der Bösmann elektrotechnisch gegrillt wird. „Können wir dann?“ fragt Mike, was zwar cool ist, aber nicht ganz so witzig wie sein „Und was jetzt?“-Trademark-Spruch in Deep Rising.

Goulds annoncierter Nuklearexperte entpuppt sich als Mitt-Zwanzigjähriger Junghippie Karl Wendt (der im richtigen Leben bestimmt noch keine sechs Semester Studium auf dem Buckel hätte), der Broden die Zusammenhänge mit dem Cyberdyne-Raubzug erklärt. Wenn die Terroristen ihre Mini-Atombombe zünden, würde das noch vorhandene Restnuklearmaterial im Kraftwerk für ein neues Tschernobyl ausreichen (correct me if I´m wrong, aber wird solches Material bei der Abschaltung eines Kraftwerks nicht entsorgt und unter Greenpeace-Protesten wie Ankettung an Bahngleisen etc. irgendwo vergraben?). Samson gibt Breem die Anweisung, die Drähte der Bombe zu schwärzen, so dass im Falle eines Falles ein potentieller Entschärfer raten muss, welchen Draht er durchschneidet. Cleverle. Dann ruft er bei Gould an und gibt seine Forderungen durch. Neben der Freilassung eines Who-is-who inhaftierter Terroristen geht´s um die bescheidene Summe von 50 Millionen Dollar, einen Flucht-Lear-Jet und einen Hubschrauber, um zum Lear Jet zu kommen. Ohne dass seine Motive etwas genauer beleuchtet werden, handelt es sich bei Samson wohl um einen Geistesverwandeten von Timothy McVeigh, dem Oklahoma-Bomber. Breem, der Intellektuelle und Idealist der Gruppe, ist entsetzt, dass es Samson auch ums Geld geht. „Das ist eine politische Aktion“, insistiert er. Letzten Endes, so belehrt Samson seinen Bombenbauer, geht´s auch bei der Politik immer um Kohle. Das wird Roland Koch sicher so bestätigen können.

Mike sinniert ob des jüngsten Zwischenfalls über seine Pechsträhne hinsichtlich Entscheidungen und, ha, ich hatte recht, Cook schlägt vor, mit dem Chef der Terroristen zu verhandeln. „Ich bin sicher, dass ich freies Geleit aushandeln kann.“ „Weltfremd“ ist also ein weiteres Adjektiv, mit dem wir unseren Politiker beschreiben können. Mike schlägt Cook vor, doch schon mal vorzugehen und es auszuprobieren. Aber da Cook ja bekanntlich ein Feigling ist, zieht er seinen Vorschlag schmollend zurück.

Der von Mike gefesselte Terrorist wird gefunden und befreit, während Mike entscheidet, zu einem Ausgang vorzudringen, „den nur Eingeweihte kennen“ (?). Auf dem Weg dorthin laufen unsere Helden aber geradewegs in den befreiten Terroristen und seinen Befreier. Mike schiesst einen tot, während der andere (der soeben befreite) Fersengeld gibt, um Unterstützung zu holen (mein Respekt vor Samson sinkt ein wenig – beim Einbruch bei Cyberdyne waren die Terroristen über die guten alten kleinen Männer im Ohr untereinander verbunden. Hätte Samson seine Radios auch heute eingepackt, hätte er sich so manchen Ärger erspart).

Im Pentagon hat man indes herausgefunden, wer sich hinter dem Pseudonym Samson verbirgt – ein deutscher Waffenschieber namens Rudolf Fassbinder (super, wir bekommen auch noch unser Fett weg), der dafür bekannt ist, amerikanische Milizen zu unterstützen und als bedingungsloser Fanatiker mit Hang zu apokalyptischen Visionen entsprechenden Ruf geniesst. Breem, dessen Namen Samson grossmütig verraten hat, ist ein Nuklearphysiker, der ehemals auf der Lohnliste der Regierung stand, aber seit drei Jahren verschwunden ist und durchaus eine Bombe entsprechenden Kalibers bauen könnte. Man ist unschlüssig, wie vorzugehen ist, da man unbedingt ein „zweites Wacö vermeiden will.

Goulds Assistentin wäre dafür, die Forderungen zu erfüllen und auch Gould ist der Ansicht, es sei „völliger Wahnsinn“, nicht wenigstens mit dem Kerl zu verhandeln, er ist sich nämlich sicher, dass Samson die Bombe zünden wird.

Mike und Gefährten sind im Freigelände angekommen. Cook, der sich brüstete, in Vietnam gedient zu haben, outet sich als Schreibtischtäter und Mike weist auf den „Geheimausgang“ hin – man muss nur quer durch die Umspannanlage joggen und schon wär man draussen. Cook lässt sich das nicht zweimal sagen, aber Janine will nicht, als sie realisiert, dass Mike nicht mit flüchten wird, sondern die Terroristen weiter aufmischen will. Also drängt sie sich als Begleiterin auf. Und das ist auch gut so, denn der munter der vermeintlichen Sicherheit entgegenhüpfende Cook latscht auf eine der von den Fieslingen drapierten Minen und spielt HB-Männchen. Wer wird denn gleich in die Luft gehen? Abgang ein Senator.

Broden ist ob der Untätigkeit des Pentagon angefressen, auch wenn Wendt beruhigt, dass es nur „eine kleine Bombe“ sei, kein Grund zur Beunruhigung (war´s vor zehn Minuten nicht noch ein „neues Tschernobyl“? Also was denn nu…). Samson meldet sich bei Gould und verkürzt die ursprüngliche Fünf-Stunden-Frist ob der üblichen Vertröstungen auf 90 Minuten. „Ich rufe besser Washington an,“ stellt Gould fest. Ich sehe schon, um im Verteidigungsministerium Karriere zu machen, muss man ein echter Denker sein.

Mike und Janine durchpflügen das Kraftwerk. „Wo führt diese Treppe hin?“ erkundigt sich Janine. „Nach oben,“ kalauert Mike. Drollig. Nichtsdestoweniger findet unser Duo die Halle, in der Samson die Bombe aufbauen hat lassen. Der überlebende Terrorist rapportiert, dass der Rest der Bande den Löffel gereicht hat und für Samson ist das natürlich alles Breems Schuld (nachtragend, der gute Mann). Samson zückt seine Pistole, Breem bibbert… und dann drückt der deutsche Terrorfürst den Schiessprügel in die Pfoten des Geeks. „Finde ihn und töte ihn!“ Mike sucht sich eine gute Schussposition, um Samson ins Nirvana zu pusten, doch just, als er sie gefunden hat, ruft Gould den Terroristen an und der führt Privatgespräche lieber in seinem Kleinbus. Gould will natürlich nur Zeit schinden, beisst aber auf Granit. Nicht mal die Aussicht auf Fernsehpräsenz mag Samson umstimmen, der ein Exempel statuieren will, wie man mit einer Regierung umspringen muss, die nicht mehr die Interessen des Volkes vertritt (sollte er nicht dann in Berlin das Kanzleramt belagern, ich mein, schliesslich ist er ja kein Ami). Als Gould ihn daraufhin einen Irren nennt, kommt Samson mit der ältesten aller Antworten: „Alle grossen Propheten wurden zuerst für wahnsinnig gehalten“. Har-har-har. Mike und Janine beratschlagen ein wenig zu lange ihr weiteres Vorgehen – Breem und der verbliebene Restterrorist spüren sie auf. „Ich hätte dich vorhin umbringen können“, versucht Mike die Mitleidstour hinsichtlich des vorhin von ihm vorübergehend Gefangenen. „Was du heute kannst besorgen,“ grinst der Terrorknabe. Er hat jedoch die Rechnung ohne Humanist Breem genannt – der hat zwar kein Problem damit, eine Atombombe zu bauen, wohl aber eins mit dem Erschiessen von Wachmännern und Pressesprecherinnen. Jedenfalls lenkt er seinen Kollegen lange genug ab, so dass Mike zur Tat schreiten und versäumtes nachholen kann. Janine greift sich eine vakante Pistole und liefert sich mit dem wie Espenlaub zitternden Breem einen Stand-off, den Mike mit einem Nasenstüber beendet, Breem geht k.o.

Die Regierung hat indes beschlossen, es drauf ankommen zu lassen und die Gegend zu evakuieren. Broden mag seinen Kumpel Mike nicht hängen lassen und stellt fest, dass er die Gegend räumen wird, wenn er es für richtig hält, und das ist nicht jetzt. Mike benutzt Breem als Geisel und Schutzschild, um zu Samson vorzudringen. Hätte Mike mal einen B-Film angekuckt, wüsste er, dass psychopathische Terroristen keine Skrupel haben, ihre Gefolgsleute umzubringen. Mit dem kessen Spruch „Du bist gefeuert“ killt Samson seinen Bombenbauer und stürzt sich dann in einen Schusswechsel mit Mike. Erstaunlicherweise geht beiden Kontrahenten tatsächlich mal die Munition aus, so dass man sich mit blossen Fäusten weiterbearbeiten muss. Samson springt in den Fahrkorb eines Ladekrans (was immer er sich davon verspricht) und tritt die Reise nach oben an, Mike hängt sich von aussen an den Korb, der Terrorist versucht ihn mit allerlei linken Tricks wie auf die Finger hauen von seinem seltsamen Fluchtgefährt zu subtrahieren. Beide haben die Rechnung ohne Janine gemacht, die des Terroristen Kleinbus einer Untersuchung unterzogen und dort ein Gewehr gefunden hat (warum sich Samson nicht in seinem eigenen Waffenfundus bedient hat, mögen die Gelehrten auidiskutieren). Mit selbigem ballert sie munter durch die Gegend, ohne dabei auf Mike sonderlich Rücksicht zu nehmen und trifft aus purem Zufall auch den bösen Samson, der aus dem Korb in einen Stapel Fässer stürzt und für tot gehalten wird (und das soll ich jetzt glauben?).
Trotz der vermeintlichen Entsorgung des Oberbösmanns ist´s fürs Happy End noch zu früh, denn die Bombe ist ja immer noch da. Wendt versucht, sie zu entschärfen, ist sich aber nicht sicher, ob er´s hinkriegt. Plan B besteht darin, die Bombe einfach in eine tiefe Schlucht zu werfen. Mit einem Bus wird die Bombe also weggekarrt, noch während Wendt sich dabei zu schaffen macht. Als Passagiere finden sich überdies Mike und Janine ein (welche Autorität den beiden dies gestattet, ist mir ein Rätsel). Wendt versucht also während der rasenden Fahrt die kitzlige Bombenentschärfung… doch da, aus dem Berg der Fässer schält sich ein heftigst blutender, aber als Ausgleich dafür völlig durchgeknallter Terrorist und kapert den so unauffällig eingeführten Atommülltransporter. Womit wir zum vermutlich zweiten grossen geklauten Action Set Piece des Filmes kommen würden – die obligatorische Verfolgungsjagd durch die Wüste. Auch hier wurden seitens der Produzenten wieder grosse Anstrengungen unternommen, den Klau dezent zu verpacken, d.h. man könnte glatt glauben, alles wäre tatsächlich für Critical Mass entstanden. Samson schubst die Polizeieskorte von der Strasse, Mike instruiert den Busfahrer, eine Off-Road-Einlage einzulegen (wieso???? Ich würde nicht durch unwegsames Gelände tuckern, und das relativ flott, wenn auf dem Rücksitz jemand an einer Atombombe rumspielen würde – die Antwort ist natürlich, dass die eigene Story ja irgendwie an die vorhandene Footage angeglichen werden musste). Samson und seinem Riesen-Truck macht der Wechsel des Untergrunds sowieso wenig aus – er zieht neben den Bus und erschiesst den Fahrer, Mike muss das Steuer übernehmen. Und als auch Karl Wendt von Samson erschossen wird, landet die ehrenvolle Aufgabe der Bombenentschärfung bei Janine (sure! Bin sicher, als Pressesprecherin ist man voll qualifiziert, eine Atombombe zu entschärfen. Ich fragte mich übrigens schon bei Karl Wendt, weiso man einen Nuklearphysiker braucht, um eine Bombe zu entschärfen – letztendlich geht´s ums Abkneifen von Drähten und da wäre mir im Zweifelsfall ein Profi von der Bomb Squad lieber als ein College-Typ, der aussieht, als hätte er zu viele Joints durchgezogen), die angesichts der fünf schwarzen Drähte allerdings ratlos ist. „Schneid irgendeinen durch,“ empfiehlt Mike, aber Janine verlangt eine Entscheidung von Mike (und wir wissen ja, dass Mike grundsätzlich Fehlentscheidungen trifft). Mike wählt schliesslich „den fünften von rechts“ (wäre „der erste von links“ nicht irgendwie… einfacher?), Janine knipst, und HURRA, die Bombe ist entschärft. Boah, war dat spannend. Aber noch ist Samson hinter unseren Helden her. Mike schmeisst Janine unsanft aus dem Bus. „Hat sicher wehgetan,“ kommentiert er den Aufprall seiner Partnerin. Charmeur. Samson rauscht in den Bus und sorgt dafür, dass dieser sich mehrfach überschlägt und schliesslich in die bewusste Schlucht stürzt. Samson lacht das Lachen aller megalomanischen Psycho-Irren und stürzt sich mitsamt seinem Truck hinterher, alles explodiert und bumm.

Janine rappelt sich auf und vermutet ihren Liebsten (äh, das muss ja wohl noch kommen, oder?) im nächsten Leben, doch da schält sich aus den Qualmwolken die breite Gestalt von Mike Jeffers – wann oder wie sich Mike aus dem Inferno gerettet hat, tut ja nix zur Sache. Janine fällt in der deutschen Synchronisation jetzt ins „Dü und ausserdem Mike um den Hals. Immortal Love happens and is sealed with a kiss.

Broden beglückwünscht, nachdem die Intimitäten absolviert sind, Mike zu seinem Triumph, dito Gould über Telefon. Als Belohnung bittet Mike, bescheiden wie er ist, um einen „beschaulichen Job“. Und Brodens Deputy Reed drückt dem verblüfften Tagesretter 300 Dollar in die Hand – „die Jungs haben gegen dich gewettet!“. Haha. Janine und Mike tauschen noch ein paar lahme Witzchen aus und dann ist´s auch schon vorbei.

Da wären sie wieder mal, meine drei Probleme… na ja, eigentlich ist es nur ein Problem, und noch dazu ein altbekanntes. Was sag ich nun zu diesem Film?

Wenn wir alle angesprochenen Widrigkeiten ausblenden, könnte man zu dem Schluss kommen, es mit dem besten Film zu tun zu haben, den Meister Fred Olen Ray jemals gedreht hat – teilweise furiose Action, ein zumindest nicht grenzdebiles Script im Rahmen der Konventionen der „Stirb-langsam“-Epigonen und ein paar akzeptable Darsteller, handwerklich für die Verhältnisse des Fliessbandbilligfilmers grösstenteils hervorragend gelungen. Aber man kann halt nicht ausblenden, dass praktisch alles, was in Punkto Realisierung richtig ins Geld ging, nicht von Fred Olen Ray stammt. Ich hab schon angesprochen, letztendlich ist es eigentlich egal, ob Phoenician die angesprochenen Filmteile einfach geklaut oder legal erworben hat – der Film täuscht auf unfaire Weise vor, aufwendiger zu sein als er ist und das ist ein Schlag ins Gesicht all jener mehr oder weniger ambitionierten Low-Budget-Produzenten, die veruschen, ihre Filme halt in einem „Scope“ zu halten, der für sie realisier- und finanzierbar ist, meinetwegen auch mit allgemein zugänglicher Stock Footage, aber nicht mit dem „Ausborgen“ ganzer minutenlanger Handlungsstränge aus teuer inszenierter Hollywood-Hochglanzware. Ich halte derlei Vorgehen für schlicht und ergreifend nicht in Ordnung, auch wenn es einen Film wie Critical Mass letztendlich gut aussehen und erheblich unterhaltsamer und actionreicher wirken lässt, als es ohne diese Leihgaben der Fall wäre. Letztlich muss es aber jeder mit seinem eigenen Gewissen ausmachen, ob er diese Art des Kreativitätsklaus in Ordnung findet oder sich davon beeindrucken lässt. Lassen wir das mal jetzt so stehen, ich hab mich ausführlich darüber ausgelassen, Ihr wisst, was ich davon halte.

Abgesehen davon wäre Critical Mass in den von Ray selbst gedrehten Passagen auch nicht so ganz übel. Grossartige Überraschungsmomente braucht keiner zu erwarten, das Drehbuch arbeitet streng nach den Richtlinien aller anderen Die Hard-Nachahmern, ohne auch nur geringste Innovationen aufzuweisen. Sämtliche Charaktere bleiben eindimensionale Schablonen vom Reissbrett, der überwiegende Teil des Films wird vom zu erwartenden Katz- und Maus-Spiel innerhalb des besetzten Objekts bestritten. Die „eigenen“ Actionszenen des Films sind natürlich von erheblich geringerem Aufwand als das Klaumaterial, aber routiniert und handwerklich akzeptabel umgesetzt (auch wenn einmal mehr das B-Film-Symptom zu konstatieren ist, dass sich Feuergefechte genau nach dem anhören, was sie in Wahrheit sind, nämlich Duelle mit Platzpatronen, was dem ganzen natürlich ein wenig an Reiz nimmt – wie schon an anderer Stelle mal von mir erwähnt, man ist heutzutage halt einfach gewöhnt, dass sich ein Schusswechsel anhört, als würden die Kontrahenten mit Atombomben um sich werfen). Der, hüstel, „Realitätsnähe“ kommt entgegen, dass der Streifen offensichtlich weitgehend in einem realen stillgelegten Kraftwerk gedreht wurde, so dass der Film zumindest nicht an billigen Studiosets krankt.

Von der Inszenierung her trägt der Film nicht die halbwegs anarchistische Handschrift des früheren „ich mache Trash, und ich weiss es“-Fabrikanten Ray, sondern unterscheidet sich kaum von anderen 08/15-Actionreissern. Da Ray nicht am Drehbuch beteiligt war, vermisst der Fan seiner älteren Arbeiten den bei ihm sonst üblichen selbstironischen Humor – an seine, ich nehme mal an, dass es sich um solche handelt, Auftragsarbeiten für Phoenician, vergiesst der Maestro wohl nicht sein allerdickstes Herzblut – um so mehr würde ich mir wünschen, dass Ray öfter mal wieder einen seiner „altmodischen“ Horrorfilme machen würde (für Full Moon drehte er 2000 ja eine offensichtlich recht nette Freakshow-Geschichte namens Sideshow, die ich gerne in meinen Griffeln hätte). Horror und Humor sind einfach die Welt, in die Fred Olen Ray (eine Persönlichkeit, die allein schon einen Film wert wäre, bekanntlich ist Ray ja neben seiner Regie- und Produzententätigkeit auch noch Proficatcher, Besitzer einer echten Freakshow und Chef des DVD-Kultfilm-Labels Retromedia) sich wohl fühlt, wogegen er Low-Budget-Action zweifellos filmen kann, aber den Enthusiasmus und den Charme seiner „persönlicheren“ Filme vermissen lässt. Vielleicht hängt der gute Fred schon etwas zu lange mit Jim Wynorski zusammen…

Sei´s drum, Critical Mass macht jedenfalls einen hochprofessionellen Eindruck, auch was das Zusammenspiel der eigenen Aufnahmen und der mal wohlwollend von mir so bezeichneten „Stock Footage“ angeht, das ist handwerklich-technisch auf einem hohen Niveau, das man von Phoenician in der Form auch nicht gewohnt ist.

Wie üblich verpflichtete die Produktionsschmiede den ein oder anderen namhaften Akteur. Treat Williams tut mir dabei irgendwie leid – seit er in den 70ern mit der Hauptrolle in Milos Formans Hair debütierte, ist sich everyone and his brother einig, dass der Mann latent unterschätzt wird – er ist ein guter, vielseitiger Schauspieler, der nie den grossen Durchbruch schaffte und sich zwischen seinen gelegentlichen A-Rollen seit Jahr und Tag mit B-Genreware über Wasser halten muss. Mark Goldblatts furiose Zombie-Komödie Dead Heat markiert vielleicht einen seiner auffälligsten Auftritte (und so kann Treat immerhin stolz behaupten, noch mit Vincent Price zusammengespielt zu haben). Seinen letzte GROSSE Rolle konnte er in Stephen Sommers – ebenfalls weit unterschätzten – Actionhorror Deep Rising feiern (der Film floppte hierzulande vermutlich aufgrund seines beknackten Verleihtitels Octalus, der mehr an Idiotenfilme wie Octaman erinnerte, bodenlos – dabei war der Film – mit einer sehr liberalen FSK-16-Freigabe – mit Sicherheit der blutrünstigste Major-Film der letzten Jahre, und noch dazu sauspannend – kann ich nur uneingeschränkt empfehlen!). Wie schon im Review zu Snake Zone angedeutet, hat Treat zwischen Deep Rising und seinem Engagement für Phoenician ein wenig Speck angesetzt – der Knabe sieht mittlerweile eher so aus wie der Typ, der in der Eckkneipe nebenan am Nebenplatz ein paar Halbe Bier wegpichelt als wie der, der im Alleingang einer Bande schwerbewaffneter Terroristen in den Arsch tritt. Nixdestotrotz agiert Treat Williams hier sympathisch wie immer, ohne schauspielerisch vor grössere Aufgaben gestellt zu werden. Udo Kier dagegen, Deutschlands grösster Exportschlager im Reiche der B-Filme (Andy Warhols Frankenstein/Dracula, Hexen bis auf’s Blut gequält, Megiddo: The Omega Code 2), ist ein Meister des Overacting, und das lebt er hier völlig aus – keine grosse Schauspielkunst, aber es macht Spass, Kier zuzusehen – man kann Kier glauben, wenn er in Interviews angibt, dass ihm diese B-Movies auch selbst Spass machen, weil er sich mehr einbringen kann als in Major-Produktionen. Lori Loughlin hat streng genommen nichts entscheidendes zu spielen, kommt aber zumindest optisch gut rüber (bleibt aber vollständig bekleidet, für die Voyeure), Andrew Prine gibt einen hübsch schmierigen Politiker und John-Carpenter-Veteran Charles Cyphers (Assault on Precint 13, Halloween) schaut für einen Kurzauftritt als Henderson vorbei.

VCLs deutsche DVD ist kein Ruhmesblatt für das Haus – zwar spendierte der deutsche Distributor im Gegensatz zu RC1-DVD-Verticker Artisan dem Streifen einen 1.85:1-Widescreen-Transfer, der theoretisch zwar von seiner Qualität ganz passabel wäre, würden nicht immer wieder Störstreifen durchlaufen. Nicht wirklich enervierend, aber das sind IMHO Dinge, die man im Mastering regeln kann und die nicht sein müssten. Tontechnisch wird nur deutsche Synchronfassung, wahlweise in DD 5.1 oder 2.0, geboten. Der 2.0-Mix scheint mir dabei mit mehr Power an die Sache ranzugehen, er ist lauter und einfach ein wenig knalliger – der 5.1-Mix fällt nur wenig ab, aber ich habe mich nach dem üblichen Rumprobieren aufgrund der einfach etwas dynamischeren Präsentation für den 2.0-Ton entschieden. An Extras gibt´s ausser drei Filmographien – für Ray, Williams und Kier – sprichwörtlich blanke Nase. Dafür muss man VCL ein Lob für die aufwendig gestalteten Menüs zollen (sofern man das in seine Kauf- bzw. Bewertungskriterien aufnimmt).

Summa summarum: Critical Mass ist für den anspruchslosen Action-Freund prinzipiell keine verkehrte Wahl, der Streifen ist recht kurzweilig und unterhaltsam, auch wenn im Mittelteil die ein oder andere Länge nicht ganz vermieden werden kann, und gereicht dem Subgenre der Stirb langsam in einem XY-Filme keine Schande macht – aber da ist und bleibt halt das Thema der schlicht gerippten Elemente aus anderen, grosskalibrigeren Filmen – ich weiss nicht, ob man, wenn man Terminator 2 und Universal Soldier schon gesehen hat, deren aufwendige Stuntszenen unbedingt in einem Low-Budget-Heuler noch mal vorgekaut bekommen muss (wenn sie nachgeahmt worden wären, wäre das ja noch in Ordnung)… ich versuche, diesen Aspekt aus meiner Bewertung mal weitestgehend rauszuhalten. Die Entscheidung nehme ich Euch nicht ab 🙂

(c) 2003 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 6


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