Cold Prey – Eiskalter Tod

 
  • Deutscher Titel: Cold Prey - Eiskalter Tod
  • Original-Titel: Fritt vilt
  • Alternative Titel: Cold Prey |
  • Regie: Roar Uthaug
  • Land: Norwegen
  • Jahr: 2006
  • Darsteller:

    Ingrid Bolse Berdal (Jannicke), Rolf Kristian Larsen (Morten Tobias), Thomas Alf Larsen (Eirik), Endre Martin Midstigen (Mikael), Viktoria Winge (Ingunn), Rune Melby („Mountain Man“), Erik Skjeggedal (Der Junge), Tonie Lunde (Mutter), Hallvard Holmen (Vater)


Vorwort

Skiiiifaaahr’n… halt nein, die junge Generation schnallt sich ja Snowboards unter. Weil unsere jungen Helden, fünf Stück an der Zahl (die schon in längerer, aber etwas unentschlossener, ob’s wirklich DAS Ding ist, Beziehung lebenden Jannicke und Eirik, die frisch verknallten Ingunn und Mikael sowie Solist Morten Tobias, nach eigener Aussage seit Jahren glücklich mit seiner rechten Hand liiert), keinen Bock auf Massentourismus und Anstehen am Schlepplift haben, führt sie der Weg in die Weite des eher unerschlossenen norwegischen Berglands, um dort jungfräuliche Pisten unter die Bretter zu nehmen. Guter Plan, doch leider bricht sich Morten Tobias praktisch beim ersten größeren Jump eine Laufstelze. Guter Rat ist teuer – man ist weit weg von der Karre, die Handys haben in der Wildnis keinen Empfang, doch zum Glück entdecken unsere Freunde ein offensichtlich seit längerem verlassenes Hotel. Die patente Jannicke verarztet Morten Tobias notdürftig; man beschließt, zu übernachten und am nächsten Morgen eine Expedition zum Auto zu starten. Das Hotel ist allerdings mächtig creepy – ein Zimmer ist durch ein Feuer verwüstet, im Gästebuch finden sich unheilsschwangere Eintragungen. Wie sich herausstellt, ist das Gemäuer zwar seit dreißig Jahren verlassen, aber nicht GANZ verlassen. Irgendjemand hat sich im Keller häuslich eingerichtet und sieht’s offenbar als sein Tagwerk an, jeden Eindringling mit seiner Axt zu filettieren…


Inhalt

Auch wenn sich der Originaltitel eher anhört wie eine neue Kaustreifen-Geschmacksrichtung, war die Frage, ob ich mir diesen Film oder den parallel laufenden „Film Noir“ anschauen sollte, recht schnell eindeutig beantwortet (gut, der Film stand als „Cold Prey“ im Programm und irgendwie hatte ich mir eingeredet, es würde sich um einen neuseeländischen Monsterfilm und nicht um einen norwegischen Slasher handeln, aber das muss ich ja niemandem auf die Nase binden. Äh).

Gute Filme aus Skandinavien sind mittlerweile ja auch gern gepflegte FFF-Tradition – womit wir bei Stichwort wären. „Cold Prey“ ist tatsächlich ein GUTER Film und sicherlich einer der besten straighten, d.h. auf jeglichen ach-so-angesagten selbstironischen oder -referentiellen Mumpitz pfeifenden, Slasher der letzten Jahre (und, um auch das gleich abzuhaken, eine ganze Latte Ligen über dem massiv gepushten All the Boys love Mandy Lane.) Das Team Roar Uthaug (Regie) und Thomas Moldestad (Drehbuch), beides Langfilm-Debütanten, beweist, dass man gar nicht mal unbedingt eine wahnsinnig originelle Story und hinkonstruierte Plottwists braucht, um dem alten Genre Leben einzuhauchen, sondern es reicht, mit Hingabe und ernsthaft an die Sache heranzugehen. Die Plotte ist sicher nicht neu (aber die Motivation des Killers ist zumindest erheblich glaubwürdiger als bei „Mandy Lane“), aber sie wird effektiv umgesetzt. Und vor allem – endlich hat mal jemand mein Flehen erhört: Anstelle der üblichen verblödeten Doofbratzen, die ohne fremde Hilfe vermutlich nicht mal über die Straße gehen könnten, die man uns ansonsten und vor allem im US-Slasherfilm gerne mal als „Charaktere“ vorsetzt und denen man zwanglos nach wenigen Minuten Screentime ein blutiges Ende von meuchelnder Killerhand wünscht, präsentieren uns Moldestad und Uthaug glaubwürdige, natürliche und sympathische Figuren, mit denen man tatsächlich mitleidet, von denen man hofft, dass sie überleben; „genuine likable characters“ – im Metzelfilm der letzten, puh, 15 Jahre beinahe schon ein Novum… Dabei ist es nicht mal so, dass die Figuren großartig anders angelegt sind (es gibt auch hier einen designierten Idioten, der sich aber bei weitem nicht so idiotisch verhält wie sein Äquivalent in… „Mandy Lane“, sondern eine glaubhafte, dreidimensionale, greifbare Figur ist, deren Beweggründe man verstehen kann; mit anderen Slasherklischees wird ein wenig gespielt, es ist ausnahmsweise mal die Jungfrau, die als erste draufgeht). Die Charaktere sind so lebensecht, so liebenswürdig, dass der Streifen sich getrost die genretypische längere Auftaktphase, bis das fröhliche Schlachten beginnt, nehmen kann und trotzdem in keiner Sekunde langweilt. Und wenn das Killen dann beginnt, hat es emotionalen Impact auf den Zuschauer (wobei es auch nicht schadet, dass nach dem ersten Kill verhältnismäßig lange beim Bodycount Zurückhaltung geübt wird. Da macht man sich irrationale Hoffnungen…). Die Charaktere verhalten sich recht vernünftig (mit einer Ausnahme – SPOILER: Man entdeckt im Keller ein verstecktes, dafür aber gut sortiertes Lager an Skiausrüstungen und Wertgegenständen eindeutig aus Zeiten nach Hotelschließung und macht sich so seine Gedanken, geht nach kurzem Bedenken aber wieder zum geselligen Beisammensein über. Aber nobody is perfect) und nerven nicht durch Dummlaberei (die Dialoge sind teilweise recht witzig, soweit die englischen Untertitel das rüberbringen konnte. Für Gelächter sorgte allerdings die konsequente Übersetzung des norwegischen Kraftausdrucks „satan“ mit „Christ!“)

Inszenatorisch ist Uthaug auf der Höhe der Zeit, was man schon an der fetzigen Eröffnungstitel-Sequenz merkt, sich über flotte Snowboard-Passagen (nicht genug, um zum Sportfilm zu verkommen), den „wir-erkunden-das-unheimliche-Hotel“-Part bis hin zum eigentlichen stalk’n’slash-Teil durchzieht (manchmal ist er vielleicht sogar zu sehr auf der Höhe der Zeit, denn das „Schatten huschen an der Kamera vorbei, wenn der Protagonist GRAD nicht hinsieht“-Stilmittel geht mir mittlerweile ziemlich auf die Nüsse. Aber warum sollen Norweger nicht dürfen, was Amis jeden Tag machen? [also im Irak einmarschieren usw. Höhö.]). Im Metzelteil ergibt sich der Film zwar auch den üblichen Genreklischees (wie dem munter teleportierenden Killer), aber es bleibt trotzdem im Vergleich zum Genredurchschnitt, der es ja längst aufgegeben hat, das Publikum wirklich auf der Sitzkante rutschen zu lassen, sondern meist nur noch auf originelle Kills abzielt, intensiv und mitreißend. Dazu passt auch, dass Uthaug zwar an Kunstblut nicht geizt, aber es nicht nötig hat, sich in plakativen Splattereffekten zu suhlen – die eigentliche gezeigte Gewalt ist vergleichsweise zurückgenommen; Uthaug setzt nicht auf das Entsetzen durch oberflächliche Ruppigkeiten, sondern auf die emotionale Wirkung (und ich gehöre bei aller Sympathie für Gore zu der Fraktion, die meint, dass mehr Gedärm automatisch eine erschreckendere Szene ergibt. Ekliger vielleicht, aber nicht erschreckender; zum Härtegrad noch die Bemerkung, dass ich eine ungeschnittene FSK 16 prophezeihe). Ein minimaler Letdown ist das Finale – auch, wenn in den letzten Sekunden die Motivation des Killers im Genrekontext schlüssig erklärt wird, erreicht es nicht die Wucht des Vorangegangenen; aber das ist ein relativ marginaler Kritikpunkt, bis dahin hatte ich mich mit „Cold Prey“ längst angefreundet.

Wie ein roter Faden zieht sich durch’s FFF, dass die Soundtracks der Filme überdurchschnittlich gut bestückt sind – „Cold Prey“ kann sich ans Revers heften, vermutlich der erste (und wahrscheinlich auch letzte) Slasher zu sein, der einen Wencke-Myhre-Schlager im Repertoire hat und dafür sogar noch ’nen guten Grund liefert. Neben einigen weiteren Fröhlichkeiten aus Opa Smörebröds Mottenkiste wird norwegischer Punk und ein angenehmer Score geboten.

Selbstverständlich ist ein wesentlicher Grund dafür, dass aus den sympathisch angelegten Charakteren auch in der filmischen Umsetzung solche werden, dass die Darsteller in der Lage sind, sie mit Leben zu erfüllen. Vielleicht liegt es sogar daran, dass bis auf Ingrid Bolso Berdal keiner von ihnen größere filmische Erfahrungen hat, dass sie so natürlich, glaubwürdig und konsequenterweise eben sympathisch rüberkommen. Neben Berdal bestechen vor allem die beiden Larsens als Morten Tobias und Eirik, aber auch Winge (Ingunn) und Midstigen (Mikael) wissen voll zu überzeugen. Den Killer mimt Rune Melby mit der nötigen physischen Präsenz.

„Cold Prey“ ist, abschließend gesagt, sicherlich nicht die Wiedergeburt des Slasherhorrors, aber relativ sicher der wohl beste europäische Genrebeitrag und auch besser als beinahe alles, was in diesem Sujet seit „Scream“ aus Hollywood kam. Eine im wahrsten Wortsinne „coole“ Location mit eingebautem creepy-Faktor (okay, eine Referenz gab’s dann doch, an „The Shining“), ein nicht originelles, aber routiniertes und effektiv umgesetztes Script, intensive Regie und, vor allem, ein frohsinnsstiftender Cast machen „Cold Prey“ zu einer positiven Überraschung. Siehste, SO mag ich meine Slasher, danke!


mm
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