Chun Fang – Das blutige Geheimnis

 
  • Deutscher Titel: Chun Fang - Das blutige Geheimnis
  • Original-Titel: Ren pi deng long
  • Alternative Titel: Human Lanterns |
  • Regie: Chung Sun
  • Land: Hongkong
  • Jahr: 1982
  • Darsteller:

    Tony Liu (Lung), Kuan Tai Chen (Tan), Lieh Lo (Chun Fang), Nie Tien (Frau Lung), Linda Chu (Yen Chu), Hsiu Chun Lin (Tan Mei-Mei), Meng Lo (Szu), Chien Sun (Hauptmann Pan), Fei Ai, Susan Yam-Yam Shaw


Vorwort

Herr Lung und Herr Tan sind die einflussreichsten, reichsten und generell wichtigsten Persönlichkeiten in ihrem Ort und zudem noch gegenseitig ihr jeweiliger Lex Luthor. Die Rivalität zwischen den beiden Herren ist geradezu legendär und betrifft alle Lebenslagen, vom Streit über Konkubinen bis hin zu Nichtigkeiten wie den Sieg beim anstehenden Laternenfest. Tan hat gerade seinen Super-Lampion der Öffentlichkeit vorgestellt, was Lung, als seine Lieblingsdirne Yen Chu auftaucht, um auch Herrn Tan schöne Augen zu machen, zum Schauplatz einer amtlichen Szene macht, die nur mit Mühe, Not und dem Eingreifen von Polizeihauptmann Pan nicht in einer blutigen Konfrontation endet.

Jedenfalls fühlt sich Lung öffentlich gedemütigt und derlei Schmach kann nur durch den haushohen Sieg beim Laternenfest getilgt werden. Lampionmacher Szu, den Lung beauftragen will, hat mittlerweile auf dem zweiten Bildungsweg eine Karriere als Vollzeitalkoholiker eingeschlagen und lässt seine Produkte fremdfertigen. Gegen ein geringes Entgelt ist der alte Süffel bereit, seinen Subunternehmer zu verraten, und dessen Identität überrascht Lung nicht gering. Es handelt sich um seinen alten Rivalen Chun Fang, dem er vor sieben Jahren heftig aufs Haupt geschlagen hat und ihn seitdem eigentlich für tot hielt. Chun Fang kunftet aus, seit dem Duell mächtig einen an der Waffel zu haben und deswegen als eremtischer Lampionbauer im Wald zu hausen. Und Lung kann er immer noch nicht leiden. Lung verspricht für den Erfolgsfall allerdings reichliche Wiedergutmachung. Gegen das Versprechen, ihn nie wieder zu besuchen, bis die Laterne fertig ist, willigt Chun Fang schließlich ein.
Mir persönlich wäre die Gegend ja etwas zu düster.
Wer springt so spät durch Wind und Nacht?

Bleibt für Lung noch die Angelegenheit Yen Chu zu klären. Die Edelhure hätte von Lung gerne die Zusage, seine offizielle Konkubine zu werden, ein Status, den, wie sie süffisant ausführt, Tan ihr nur zu gerne gewähren würde. Bevor Lung sich allerdings ernstlich Gedanken darüber machen kann, wird Yen Chu von einem Verrückten mit Ganzkörper-Affenkostüm entführt.

Was niemanden (außer alle Filmcharaktere) überraschen dürfte, bei dem irren Affenmann handelt es sich um Chun Fang, der Yen Chu umgehend bei lebendigem Leib häutet, um ihre Epidermis als Rohmaterial für seine Lampions zu verwenden. Naja, nicht nur aus handwerklichen Gründen, sondern auch weil er auf Lung immer noch einen gehörigen Brass schiebt und ihm seine Liebe, seine Ehre, seinen gesellschaftlichen Status, seine Frau und sein Leben nehmen will, so ungefähr in dieser Reihenfolge.

Klappt auch vorzüglich – Tan und Lung verdächtigen sich rasch gegenseitig der Entführung, und Chun Fang tut alles, damit die beiden edlen Herren sich gegenseitig an die Gurgel gehen. Erst entführt er als Affenmann Tans Tochter (man braucht ja mehr Arbeitsmaterial), dann bricht er in Lungs Haus ein und bedroht dessen Frau. Tan engagiert einen Auftragsmörder, um Lung auszuknipsen – das Duell des Killers mit dem Opfer-in-spé nutzt Chun Fang, der zwischenzeitlich eher beiläufig den alten Szu auf guter alter der-weiß-zuviel-Basis abgemurkst hat, um Lungs Eheweib zu entführen und zu häuten.

Tan sammelt Sympathiepunkte, indem er den von ihm angeheuerten Mörder nach seinem Versagen umbringt. Chun Fang allerdings schnappt sich den Trupp, der die Leiche beseitigen soll und dekoriert die Straße der Laternen hübsch mit den abgetrennten Köpfen. Ein tödliches Duell zwischen Lung und Tan scheint unausweichlich. Wird sich der Verrückte wirklich als letzter ins Fäustchen lachen?


Inhalt

Man reduziert die Shaw Brothers Studios außerhalb Hongkongs ja gerne und überwiegend auf ihre Martial-Arts-Filme. Ist ja auch kein Wunder, waren sie doch meist wegweisend und genreprägend, aber natürlich kann ein großes Studio, wie es Shaw war, nicht vom Brot alleine leben. Unter dem Shaw-Banner entstanden auch zahllose Liebesdramen und Komödien, die heute ob ihrer Belanglosigkeit in Vergessenheit geraten sind. Ein Genre, an das sich Shaw eher selten heranwagte, war der Horrorfilm (was nicht zuletzt natürlich auch an dem an dieser Stelle oft zitierten Faktum liegt, dass es kulturell soviele Unterschiede zwischen Asien und der westlichen Welt gibt, dass unser Verständnis von „Horror“ im chinesischen Sprachraum kaum von Bedeutung ist). Neben „Oily Maniac“ (Killer-Titel, by the way) verweist das Schrifttum zumeist nur noch auf „Human Lanterns“.

Der 1982, mithin also bereits deutlich nach dem Zenit des Shaw-Brothers-Schaffen entstandene Streifen aus der Feder von Regisseur Chung Sun („Der Schrei des gelben Adlers“, „Die Todeskammern der Shaolin“, „Kung Fu Brigade Schwarzer Panther“) und seinem Co-Writer Ni Kuang („Five Deadly Venoms“, „Die 36 Kammern der Shaolin“, „Der kleine Dicke mit dem Superschlag“, Invasion aus dem Innern der Erde) ist kein lupenreiner Genrefilm, sondern vielmehr ein Martial-Arts-Thriller mit Horror-Elementen (allerdings im Gegensatz zum elf Jahre später erschienenen Pseudo-Sequel „New Human Skin Lantern“, verfasst vom unvermeidlichen Wahnsinnigen Wong Jing, ohne jeden übernatürlichen Hokuspokus).

Grundlage des ganzen Spiels ist mal wieder die Rache für erlittenes Unrecht, das wahrscheinlich älteste Motiv im Martial-Arts-Film neben den rivaliserenden Kung-fu-Schulen und dem Kampf gegen irgendwelche fremdländischen Invasoren. Der Unterschied zum klassischen Revenge-Drama ist, dass Chun Fang als sort-of-tragischer-Bösewicht des Films hier als Meistermanipulator im Hintergrund agiert, der durch seine Aktionen nur Rädchen in Bewegung setzt, deren Mechanismen Tan und Lung aufeinander hetzen, ohne sich selbst direkt die Hände schmutzig zu machen (naja, abgesehen halt davon, dass er den Mädels die Haut abzieht, um seine Lampions zu bauen. Aber das ist ja eher die Abteilung Handwerkermoral; streng genommen ist der Serienkiller-Nebenplot nicht essentiell wichtig für seinen Masterplan, dafür würd’s reichen, die Girls zu entführen), ein Plot, der deswegen funktioniert, weil Tan und Lung uns als erstklassige Arschlöcher vorgeführt werden, denen nichts ferner läge als einen Konflikt nicht durch sich-gegenseitig-auf’s-Maul-hauen zu lösen. Tan kommt dabei sogar noch etwas besser weg, als er Lung zweimal Friedensangebote unterbreitet, die Lung, being a selfish egotistical bastard, ausschlägt (fairerweise muss man freilich sagen, dass mindestens das zweite Friedensangebot kommt, nachdem Tan einen gedungenen Mörder auf Lung gehetzt hat, also wäre ich da an Lungs Stelle auch vergleichsweise skeptisch).

Wir sehen, wir haben’s mal wieder mit einem Film zu tun, dessen Protagonisten allesamt gar liebenswerte Herzchen sind – gerade in horribel angehauchten Filmen ist das immer ein gewisses Problem, weil wir nicht wirklich eine Figur haben, der wir die Daumen drücken können, auf dass sie überlebt oder, falls wir dem root-for-the-killer-Club beigetreten sind, er möglichst viele seiner Feinde kreativ umlegen kann. Lung macht zwar im Schlussakt eine gewisse Läuterung durch, ans Herz wächst er dem Zuschauer nicht gerade, und Chun Fang als entstelltem wahnsinnigen Killer (der interessanterweise praktisch in seinem ersten Dialog mit Lung erklärt, *dass* er komplett gaga und in keinster Weise vertrauenswürdig ist) hat man zwar den tragischen Background verpasst (er und Lung kloppten sich dereinst um die Liebe einer Frau, der aktuellen Mrs. Lung), an seinen Taten ist jedoch nichts „sympathisches“ oder nachvollziehbares – seine direkten Opfer sind unschuldig an seinem Schicksal, er nutzt sie als Schachfiguren UND eben Rohmaterial für seine Lampions. Schwer, so einem Burschen sein Mitgefühl nachzuwerfen. Die weiblichen Charaktere fahren übrigens nicht viel besser – sie lassen sich willig von Männern als Trophäen behandeln (und haben auch kaum andere Ziele), sind bloße Objekte (für die Shaw Brothers, die ja schon seit den 60ern weibliche Schwertkämpferinnen serienweise mindestens als gleichberechtigt dargestellt hatten, ist das schon beinahe reaktionär). Der einzige Charakter, der seinen Kopf halbwegs richtig angeschraubt zu haben scheint, ist Hauptmann Pan von der Polizei, der dafür allerdings als Polizist ziemlich inkompetent ist.

Kurioserweise ist „Human Lanterns“ trotz seines Gimmicks, dass hier im Hintergrund Intrigen gesponnen werden, die Tan und Lung, unsere beiden in Ermangelung eines besseren Wortes Protagonisten, gegeneinander ausspielen, eine wesentlich geradlinigere Geschichte erzählt als die meisten 08/15-Serien-Shaolin-Kung-fu-Klopper, die man normalerweise als Langnase ohne Flipchart und Powerpoint-Präsentation nicht durchschaut. Chung Sun und Ni Kuang setzen auf Suspense, der Zuschauer hat stets einen erheblichen Wissensvorsprung vor den handelnden Figuren, was hier ganz gut funktioniert (und, um Angela Merkels Lieblingswort zu benutzen, auch alternativlos ist. Das Script bietet keinen red herring, keinen Ansatz für falsche Fährten, es rollt völlig straight auf die Schlusskonfrontation zu).

Chung Sun ist ein Profi auf dem Regiestuhl und mit An-Sung Tsao („The Boxer’s Omen“, „Die Macht der Shaolin“, „Die grausame Rache der Shaolin“ hat er auch einen vorzüglichen Kameramann. Der Streifen ist wunderbar fotografiert, Bildkompositionen wie Gemälde – wie so oft hilft hier Shaws Tendenz dazu, wenn möglich, Exteriors im Studio zu filmen -, jeder Frame ein Genuss (mit Ausnahme des ein oder anderen rumpeligen Zooms, für den HK-Filme aber nun mal auch gefürchtet sind). In Punkto Ausstattung hat sich Shaws Designer Ching-Shen Chen förmlich übertroffen. Man weiß ja, dass Shaw, ähnlich wie Hammer, immer Wert darauf legte, die Sets angemessen zu dekorieren, aber bei „Human Lanterns“ grenzt das an Overkill. Man sehe sich nur mal die „Straße der Laternen“ an, in der wirklich jeder Quadratzentimeter des Sets mit Stoffen, Bannern und Props behängt wurde, als würde das Studio nie wieder einen Film drehen und wolle das Art Department unbedingt noch mal alles, was irgendwo im Lager lag, vor die Kamera bringen. Es ist ein unglaubliches Gewimmel und Gewusel, fast schon zuviel, um es zu verarbeiten. Auch das schier großartige Set für des Killers Folterwerkstatt mit seiner Zahnradmaschinerie, den überall herumliegenden Laternen von unterschiedlichem Fertigungsgrad usw. ist eine Augenweide. Und über Kostüme müssen wir bei Shaw eh nicht reden.

Selbstverständlich beinhaltet „Human Lanterns“ einen Schwung Martial-Arts-Kämpfe, die sich am Wuxia-Ideal der späten 60er Jahre orientieren – die Schwerkraft ist etwas, was anderen Menschen passiert, als Waffen werden ungewöhnliche Gegenstände wie Fächer eingesetzt, man legt mehr Wert auf Eleganz der Bewegungen denn auf „Realismus“, wobei zum Finale hin die Kämpfe immer brutaler und blutiger werden, wie sich eben auch die Feindschaft von Tan und Lung immer weiter vertieft. Wenn Chung Fang kämpfend ins Geschehen eingreift, benutzt er seinem Outfit entsprechend eine „Affentechnik“, die, getreu der Gesetzmäßigkeiten des Martial-Arts-Films, für die tradtionelle Stile pflegenden Protagonisten schwierig zu kontern ist.

Der Horror-Gehalt beschränkt sich auf zwei (Teil-)Häutungen, die nicht übermäßig graphisch explizit sind, trotzdem ziemlich unangenehm anzuschauen sind (die deutsche DVD-Fassung ist übrigens länger als die HK-Version, die dafür in einer der Häutungssequenzen ein paar Sekunden länger draufhält. Einen „integral cut“ scheint’s bislang nirgendwo zu geben). Auf die Konnotation „menschliche Haut/Lampenschirm“ im historischen Kontext gehe ich mal sicherheitshalber gar nicht erst ein…

Die Darsteller haben’s nicht ganz leicht, weil sie den Spagat hinbekommen müssen, aus Unsympathen glaubhafte Protagonisten zu machen. Vor allem Tony Liu fällt das schon recht schwer – noch bis in den obligatorischen Schlussfight mit Chung Fang konnte ich ihn nich wirklich als „Helden“ der Plotte betrachten, weil er seinen Lung doch etwas sehr eindimensional als blöden Egoisten anlegt. Liu spielte schon in allen vier zu dessen Lebzeiten vollendete Bruce-Lee-Werken, schloss dann eine passable Karriere als Zweiter-Reihe-Star an und führte unter dem Namen Anthony Lau bei Simon-Yam-Vehikel American Yakuza 2 Regie und spielte eine Hauptrolle. Kuan Tai Chen gefiel mir hingegen als Tan recht gut, geht er doch etwas differenzierter an die Sache heran und versucht, seinen Charakter etwas nachvollziehbarer zu gestalten. Ihn sieht man u.a. in „Die fliegende Guillotine“, „Die Schule der Shaolin“ oder vor kurzem in „The Man with the Iron Fists“.

Als irren Chung Fang begrüßen wir den Wuxia- und Martial-Arts-Veteranen Lo Lieh („Der Tempel des roten Lotus“, „Wang Yu – Sein Schlag war tödlich“, „Bamboo House of Dolls“, „In meiner Wut wieg‘ ich vier Zentner“, „Die Herrschaft des Schwertes“) und er ist eine Schau, besonders, sobald er die Affenmaske aufsetzt und vollkommen außer Rand und Band durch die Sets hüpft. Eine eindrucksvoll „wahnsinnige“ Performance.

Den gestressten Polizeihauptmann Pan spielt Chien Sun, einer der „Five Deadly Venoms“, die weiblichen Rollen übernehmen flavor-of-the-month-Shaw-Starlets wie Linda Chu, Hsi Chun Lin („Der Todestempeo der Shaolin“, „Fünf Kämpfer aus Stahl“ und Ni Tien („Cleopatra Jones gegen die Drachenlady“).

Bildqualität: MiB haben hier wieder einen der remasterten Celestial-Prints zur Verfügung. So erstrahlt „Human Lanterns“ in wunderbar farbigem 2.35:1-Widescreen (anamorph) mit gutem Kontrast, aber nur mittelprächtigen Schärfewerten, das wird gelegentlich schon etwas schwammig, ist aber noch brauchbar.

Tonqualität: Deutscher Ton in Dolby 5.1, Mandarin-O-Ton in Dolby 2.0.

Extras: Bildergalerie, Filmografien, Produktionsnotizen, Trailershow.

Fazit: „Human Lanterns“ tickt letztendlich doch deutlich stärker auf der „Martial Arts“-, denn auf der Horror-Seite ein, ist aber nichtsdestoweniger absolut sehenswert. Eine hübsche kleine Rachegeschichte, schwelgerisch ausgestattet und exzellent fotografiert, mit guten Kampfszenen und ein paar kleinen dezenten Splattereien. Sollte man als Freund der Shaw Brothers im Regal stehen haben!

4/5
(c) 2015 Dr. Acula


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