Chillerama

 
  • Deutscher Titel: Chillerama
  • Original-Titel: Chillerama
  •  
  • Regie: Joe Lynch, Adam Rifkin, Tim Sullivan, Adam Green
  • Land: USA
  • Jahr: 2011
  • Darsteller:

    Richard Riehle (Cecil Kaufman), Adam Rifkin (Miles Munson), Ray Wise (Dr. Weems), Sarah Mutch (Louise), Eric Roberts (General Bukkake), Owen Benjamin (Larry), Lin Shaye (Nurse Maleva), Sean Paul Lockhart (Ricky), Anton Troy (Talon), Gabby West (Peggy Lou), Brendan McCreary (Ryan Miller), Corey Jones (Tobe), Kaili Thorne (Mayna), Ward Roberts (Miller), Joel David Moore (Adolf Hitler), Kristina Klebe (Eva Braun), Kane Hodder (Meshuggener), Laura Ortiz (Margot Frank), Tim Sullivan, Ron Jeremy


Vorwort

Es ist die letzte Nacht des guten alten Autokinos, bevor es dem Bauprojekt eines Investors weichen muss – Besitzer Cecil Kaufman plant dann auch, sich das Hirn aus der Rübe zu pusten, aber nicht, bevor er seine Kundschaft durch einen letzten Horror-Marathon gescheucht hat. Was er nicht weiß – sein Filmvorführer hatte zuvor auf dem Friedhof eine schmerzhafte Begegnung mit seinem verblichenen Ex-Weib, sich dadurch erfolgreich zombiefiziert hat und seine ansteckenden Ausflüsse in die Butter für den Popcorn-Verkauf geschmoddert hat. Dieweil das Publikum langsam, aber stetig in fleischfressende Untote verwandelt wird, spielt Cecil unbeeindruckt sein letztes Programm ab:

„Wadzilla“ – Miles leidet darunter, dass er zwar sex- und fortpflanzungswillig ist, sein Sperma allerdings weder qualitativ noch quantitativ auch nur Kreisklassenansprüchen genügt. Daher lässt er sich auf eine experimentielle Medikation ein. Das Teufelszeug, das Dr. Weems ihm verordnet, wirkt sich allerdings anders auf als erhofft – statt Milliarden munter wimmelnder Spermozoten wringt Miles unter Schmerzen ein wahres Monsterspermium aus seinem Rüssel, das fortan meuchelnd, marodierend und ausgesprochen destruktiv durch die Stadt godzillat…

„I Was A Teenage Werebear“ – High-School-Schüler Ricky hat mit Peggy Lou zwar eine Flamme, der’s absolut recht wäre, wenn er ihr nun endlich mal an die Wäsche gehen würde, doch irgendwie kann er an ihr kein sexuelles Interesse heucheln – schon eher am lederbejackten Talon, der mit seiner zwei Mann hohen Entourage und einer rebellischen Attitüde die Schule und ihr Ringer-Team aufmischt. Bei einem Trainingsgefecht beißt Talon beherzt zu – rasch bemerkt Ricky … Veränderungen. Die Krankenschwester-schrägstrich-Zigeunerin Maleva ahnt: Talon hat Ricky zu einem der seinen gemacht, einem (schwulen) Werbären…

„The Diary of Anne Frankenstein“ – Adolf Hitler persönlich leitet die Razzia gegen die versteckt auf einem Dachboden lebende jüdische Familie Frank, weiß er doch, dass die Franks fürmals „Frankenstein“ hießen und das Tagebuch ihres Ahnherrn und hobbymäßigen Monsterbastlers Viktor im Besitz halten. Kaum hat Adolf sich das stolze Werk angeeignet (und die Franks persönlich liquidiert), macht er sich unter Anfeuerung Eva Brauns an die Erschaffung seines eigenen, hoffentlich kriegsentscheidenden Homunkulus…


Inhalt

Und auch das ist eigentlich usus auf dem FFF – der Film, der sich per Definition jeglicher rationalen und objektiven Analyse entzieht, weil er nichts anderes sein will als vollkommen beabsichtigter, wüster, alle denkbaren Geschmacksgrenzen überschreitender Trash. Als solches ist der Anthologiefilm „Chillerama“ eine Herzensangelegenheit seines renommierten Regisseurs-Quartetts. Joe Lynch („Wrong Turn 2“) bastelte die Rahmenhandlung um das zombieverseuchte Autokino zurecht, Adam Rifkin (bislang nicht wirklich als Horror-Auteur aufgefallen, aber die unterschätzte Charlie-Sheen-Actionkomödie „The Chase“ und der von Sam Raimi co-geschriebene „Die total verrückte Nuss“ gehen auf sein Konto), Adam Green („Hatchet“, „Frozen“) und Tim Sullivan („2001 Maniacs“) besorgten die drei wesentlichen Episoden (es gibt noch eine vierte Mini-Episode namens „Deathification“, eine Art Spoof auf auf den Underground-Avantgarde-Trash irgendwo zwischen Kenneth Anger und John Waters, in diesem Falle einige mehr oder weniger sinnlos aneinandergereihte Arthouse-Schock-Bilder um Fäkalien, inklusive einer Einführung durch den „Filmemacher“ Fernando Phagabeefy, aber das dauert nur drei-vier Minuten und wird durch den Showdown der Rahmenhandlung abgebrochen).

Während Joe Lynchs framing-device-Handlung (die auch zwischen den einzelnen Segmenten eifrig vorangetrieben wird), abgesehen von einigen liebevollen Verweisen auf die Autokino-Kultur per se und den Verlust, den ihr Ende „gesellschaftlich“ darstellt sowie einigen Meta-Gags (als eifrige Horrorfilmkucker haben unsere Protagonisten in diesem Segment gewisse Vorkenntnisse), relativ gewöhnliche Zomcom-Kost und als solche akzeptables, aber auch nicht herausragendes Entertainment ist (DeadHeads ist in der Hinsicht deutlich gelungener), steckt das Potential guter, schlechter und wahnsinniger Ideen eindeutig in den drei wesentlichen Episoden – die, und das ist einerseits die Überraschung, andererseits auch wieder nicht, wenn man eben ins Kalkül zieht, dass die kreativen Köpfe hier einfach, jenseits jeglicher kommerzieller Erwägungen, machen konnten, worauf sie gerade Laune hatten, ziemlich weit von dem entfernt sind, was man mit den durchaus prominenten Namen gewöhnlich verbindet („Chillerama“ ist, die kleine Abschweifung sei erlaubt, übrigens so „unkommerziell“, dass sich erst sprichwörtlich Tage vor Festivalbeginn Image Entertainment erbarmte, den US-Vertrieb zu übernehmen, dabei aber immerhin auf den inspirierten Gedanken kam, den Streifen auf eine Tour durch ausgesuchte überlebende Drive-ins zu schicken).

Adam Rifkin z.B. ist weniger für Horrortrash bekannt denn als zuverlässiger Lieferant solider Action-Komödien – neben seinen Regiewerken schrieb er u.a. Joe Dantes Animationsfilm „Small Soldiers“, den spaßigen „Mäusejagd“ und den WWE-Film „Knucklehead“. Was er hier unter eigenem Namen (normalerweise bedient er sich für Projekte, die seiner seriösen Karriere nicht förderlich erscheinen, des Pseudonyms Rif Coogan – unter diesem Namen schrieb er seinen einzigen echten Horrorfilm „Serum des Grauens“ mit Porn-Superstar Savannah in der weiblichen Hauptrolle) abliefert, ist eine wahnwitzige Godzilla-Hommage/Parodie, die ich vom Feeling her eher Fred Olen Ray oder Jim Wynorski zugetraut hätte – das Kurzfilmformat ist dabei richtig gewählt; für eine one-joke-Geschichte ist „Wadzilla“ vielleicht sogar schon auf der etwas zu länglichen Seite, aber Rifkin kompensiert das mit liebenswert-debilen Spezialeffekten (primitivste Rückprojektionen, altmodische mechanische Props, etc.) und den zwei „größten“ Star-Cameos – dass sich Ray Wise für kaum einen Gag zu schade ist, ist bekannt (und sei’s seit Infestation), Eric Roberts in einer Mini-Rolle als General Bukkake (!) ist dann noch eine willkomme Zugabe; die Herrschaften haben jedenfalls auch ordentlich Spaß mit ihren schwachsinnig-liebenswerten Rollen. Vogue- und Cosmo-Model Sarah Mutch (auch zu sehen in „The Seamstress“) mach sich ganz patent, schauspielerischer Schwachpunkt (wenn man in einem Kurzfilm vom Schlage „Wadzillas“ davon reden will, dass, eh, ernstlich komödiantisch geschauspielert wird) ist Rifkin selbst, der sich unbürokratisch die Hauptrolle auf den Leib geschneidert hat – das ist fraglos anerkennenswert selbstironisch (wer stilisiert sich schon gern selbst zum fortpflanzungsuntauglichen Sperma-Loser?), er ist halt aber kein gelernter Actor – zum Glück ergibt sich der Short relativ rasch dem blanken Nonsens des New York plättenden Spermamonsters, dem die menschlichen Charaktere in treuer Tradition des kaiju nur mit großen Augen zukucken können. Zotig, in jeder Sekunde unter der Gürtellinie einschlagend und dann doch irgendwie authentisch trashig…

Danach kommt uns Tim Sullivan mit „I Was a Teenage Werebear“, der sich als Vorbilder gleichermaßen die Teenie-Horrorfilme der späten 50er und die Beach-Party-Musicals der frühen 60er (die Vehikel, mit denen Frankie Avalon & Co. zu Stars wurden) ausgesucht hat und daher in der Tat auch als Musical daherkommt (Sullivan packt in die vielleicht fünfundzwanzig Minuten des Shorts nicht weniger als fünf, von ihm selbst mit seinem Stamm-Komponisten Patrick Copeland im feinsten Beach-Musical-Stil verfassten Original-Songs). Sullivans Idee, diese beiden Genres (die sich im echten Leben im hysterischen „Horror on Party Beach“ Mitte der 60er schon mal trafen) zu kombinieren, ist pfiffig, look’n’feel trifft er ebenfalls durchaus (unter getreulicher Abarbeitung der gängigen High-School-Klischees mit ihren herrischen Sporttrainern und dem gesetzlich vorgeschriebenen grande finale bei einer Party mit Livemusik am Strand), auch der Querverweis zur klassischen Universal-Horror-Werwolf-Lore via der weisen Zigeunerin Maleva (durchaus hinreißend von Lin Shaye [Nightmare on Elm Street] dargestellt) gefällt, der Cast zieht sich überraschend anständig aus der Affäre (Sean Paul Lockhart, der unter verschiedenen Pseudonymen in Gay-Pornos amtierte, als Ricky, Anton Troy als sein böser Widerpart Talon, und Gabby West [„Saw 3D“] als überwältigend doofes Blondchen), aber, eine Cast-Angabe dürfte es angedeutet haben, der zentrale „Witz“ des Shorts ist halt leider ein Rohrkrepierer. Die Werbären sind… SCHWUL! Ha-ha-schenkelklopf-ich-lach-mich-tot-gleich-morgen-ich-schwör’s. Und senn sie sich in ihre Bären-Identität verwandeln, werden sie… festhalten… schwule Biker! Ein Brüller! (/me slashes his wrists). Wiewohl doch ein paar dezente Gags übrigbleiben (die überwiegend aber nicht die Hauptplotlinie betreffen), macht das die Geschichte schon nahezu notorisch unlustig – es ist schade, denn, wie gesagt, die Songs sind nicht schlecht, die Stimmung der Vorbilder wird korrekt eingehalten, aber über das Niveau „schwul=lustig“ sollte selbst eine bewusst trashige Horror-Komödie anno 2011 schon hinaussein (ansonsten: falls Ihr es prinzipell lustig findet, wenn rektale Penetration mit glattem Penis-Durchstoß endet, ist das Euer Film. Weiß zwar nicht, ob ich Euch dann kennen will, aber das tut ja nichts zur Sache). A missed opportunity.

Ausgerechnet Adam Green hat dann die Aufgabe, „Chillerama“ wieder in witzigeres Fahrwasser zu lenken und, bei Gott, er löst sie mit Bravour. „The Diary of Anne Frankenstein“ bietet womöglich die lustigsten 20 Minuten, die ich jemals mit einem Film verbracht habe (auf alle Fälle waren es die lustigesten 20 Minuten des Festivals). Green macht mit seiner schrägen, wahnwitzigen (und natürlich jenseits jeglicher Grenzen akzeptablen Geschmacks angesiedelten) Idee (für die er sicherlich keine Chanukah-Karte des Zentralrats der Juden bekommen wird) alles richtig, inszeniert den Spaß als drollige Hommage an den Poverty-Row-40er-Jahre-Horror (mit abgezählten drei klaustrophobischen Sets, die Ed Wood kaum schöner hinbeokmmen hätte) in schwarz-weiß und komplett in (korrektem und akzentfreien) Deutsch mit Untertiteln (Ausnahme ist logischerweise Hitler selbst, der in sicherlich stark Charlie-Chaplin-beeinflußtem „Großer Diktator“-Kauderwelsch parliert), spickt ihn mit Gags auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn (ich würd‘ so gern meinen Lieblingswitz spoilern… aber ich halte mich zurück) und, als Krönung, einem liebevoll rustikalen „Schnitt“, mit dem eine Hitler-Gesangseinlage aus dem Film entfernt wird (Musical-Enthusiasten müssen nicht weinen, den ganzen Song ganz gibt’s im Abspann und er qualifiziert sich mühelos als zweitschönste Schurken-Ballade nach Kim-Jong Ils „Ronery“ aus „Team America“). Joel David Moore (Julia X 3D, „Shark Night 3D“) hat als Mad-Scientist-Hitler die Zeit seines Lebens, Kristina Klebe („Halloween“) spielt Eva Braun als offen-suggestive Sexbombe und den beliebtesten aller Jasons, Kane Hodder, ins Meshuggener-Kostüm zu stecken (übrigens eine ziemlich coole Maske, die klassisches Karloff-Frankenstein-Monster-Design mit Golem-Elementen verbindet – was ja auch zum Thema passt wie die Faust auf’s Auge), ist ein schönes Gutzi für Fans. Man muss möglicherweise krank sein, um „The Diary of Anne Frankenstein“ derart zum Brüllen komisch zu finden wie ich (und ich will mich jetzt überhaupt nicht die „darf-man-über-Hitler-Witze-machen“-Debatte neu anheizen), aber wenn ich diese Episode verpasst hätte, ich hätte meinen Hintern komplett gefressen (und damit hätte ich was zu tun, ähm). Inspired stuff!

Die Rahmenhandlung kann, wie gesagt, mit dem Irrsinn der einzelnen Kurzfilme nicht mithalten – der Einstieg via nekrophiler Gelüste ist recht pfiffig und stimmungsvoll gefilmt, sobald sich das Geschehen dann aber ins Autokino verlegt, ist das nicht schlecht gemacht, aber auch nicht sonderlich originell. Richard Riehle („The Texas Chainsaw Massacre 3D“, „Das Mercury Puzzle“) als Kinobetreiber, der wehmütig den guten alten Zeiten, als das Autokino noch ein „Ereignis“ war, nachtrauert, erledigt einen guten Job (auch wenn ich ihn zuerst für Wilford Brimley gehalten habe… hüstel), im Endeffekt aber wartet man als Zuschauer doch auf den nächsten Kurzfilm als man sich ernstlich am (durchaus treffenden, nicht, dass wir uns falsch verstehen) framing device delektiert. Die weiteren Darsteller der Rahmenhandlung (überwiegend Newcomer ohne große Erfahrung) machen sich manierlich-sympathisch, drängen sich aber auch nicht für größere Weihen auf.

Obschon sowohl Rahmenhandlung als auch die diversen Kurzfilme eindeutig auf den Lacher hin konzipiert sind, sparen die Herrschaften nicht an solide gewerkelten Splattereffekten (wobei schon zu bemerken ist, dass die Episoden, die zumindest mir besser gefielen, diejenigen sind, die sich stärker auf ihre camp-, Trash- und Hommage-Werte konzentrierten als krampfhaft noch ein paar rüde Goreeinlagen einzubauen) – mal sehen, ob das Ding hier ungeschnitten durch den TÜV geht.

Fazit: „Chillerama“ war schon ein Ereignis – wie üblich bei einem Episodenfilm ist die Qualität der einzelnen Segmente höchst schwankend, aber schon allein für die hysterisch lustige Anne-Frankenstein-Episode aus Adam Greens Werkstatt rentiert sich die Investition in mindestens eine Ausleihe, sofern der Hobel mal tatsächlich einen ordentlichen Release kriegen sollte. Mit Rifkins Monsterfilm-Hommage/Parodie kann man durchaus auch einen seriösen Humpen Spaß haben und Sullivans Beach-Party-Segment macht zumindest von der Umsetzung her einiges richtig, auch wenn der zentrale Gag dumpf und platt ist. Garniert mit der anspruchslosen ZomCom-Rahmenhandlung und dem kurzen Fäkal-Ausflug von „Deathification“ dürfte „Chillerama“ ein idealer Partyfilm mit Kultpotential sein – trashig, witzig, tabulos und stellenweise auch mal misslungen – es ist quasi die konsequente Umsetzung seines Konzepts, ein zünftiger B-Movie-Marathon, kondensiert auf knapp zwei Stunden. Dem kann man nicht ernstlich böse sein… (und die Hitler-Episode RULT, verdammich, falls ich das nicht erwähnt haben sollte, ähm).


mm
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