- Deutscher Titel: Cherie mir ist schlecht
- Original-Titel: Cherie mir ist schlecht
- Regie: Marian Kiss
- Land: BR Deutschland
- Jahr: 1983
- Darsteller:
Mari Cantu (Mary Lou Bray), Lotti Huber (Ariane Ravenfield), Martin Peter (Maximilian Ravenfield), Cathy Haase (Fräulein Ravola), Frieder Butzmann
Vorwort
Noch am Hochzeitstag wird der frischgebackene Ehemann des Supermodels Mary Lou, ein Fürst Soundso vonundzu Schießmichtot, eben dieses, nämlich von unbekannter Attentäterhand totgeschossen. Die frisch Verwitwete nimmt das ausgenommen lässig („das war nicht schön von dir“), steigt noch im blutbesudelten Hochzeitskleid in ein Flugzeug und schwebt von dannen.
Weil Mary Lou aber offenbar wieder nur für nen Fünfer getankt hat, geht ihr der Motor trocken und sie landet Bruch. Zu ihrem Glück findet sie Aufnahme im geheimnisvollen alten Schloss der geheimnisvollen alten Zumpel Ariane Ravenfield, die von ihrem geheimnisvollen Hausmädchen Fräulein Ravola betreut wird. Madame Ravenfield, die Mary Lou augenscheinlich erwartet hat, leidet bedauerlicherweise unter einer Tageslichtallergie, die es ihr verbietet, das Schloss zu verlassen. Aber dank einer fantastischen Fernsehanlage, die ihr Gärtner, ein früherer Elektronikexperte, gebastelt hat, wird ihr nicht langweilig – sie verfügt über eine erlesene Bibliothek von Werbespots für alle Lebenslagen und, als besonderes Entertainment, kann über ein Rudel mit Kameras ausgestatteter Beschatter die Abenteuer eines echten Superspions miterleben – ohne dessen Wissen.
Mary Lou richtet sich auf dem Schlosse Ravenfield häuslich ein und verbringt nun ebenfalls manch schöne Stunde vor dem Fernsehschirm und kuckt dem Spion bei Verfolgungsjagden etc. zu. Doch nicht alle sind Fans dieses neuen Arrangements – Brandon, der bewusste Gärtner, hat schon mal bemerkt, dass auf dem Schloss ein Mädchen verschwunden ist, versucht Mary Lou vergeblich über das TV-System zu warnen und setzt einen Burschen namens Smith darauf an, nähere Erkundungen einzuziehen.
The Blood Spattered Bride Reloaded
Das mit dem day-for-night üben wir noch…
Als Mary Lou sich doch entscheidet, das Schloss zu verlassen, kommt gerade in diesem Moment Arianes Neffe Maximilian an – niemand anderes als der Spion! Maximilian macht Mary Lou auf seine sehr spezielle Art den Hof und bietet die Verlobung an (bzw. er beschließt sie. Mary Lou hat da nicht wahnsinnig viel mitzureden). Indes erweist sich Smith als der unfähigste Privatschnüffler diesseits einer Phillip-Marlowe-Parodie – nicht nur, dass er, als er Ralova überrascht, gelinde übersieht, dass deren Reißzähne friedlich in einem Wasserglas parken, nein, er versucht auch noch ohne die leiseste Spur eines Beweises Ariane Ravenfield zu erpressen (und ist dabei dämlich genug, Ariane auf die Nase zu binden, *dass* er keinerlei Beweise hat). Wenig später zieren Smiths Hals dekorative Bisswunden, aber als Mary Lou Maximilian die Leiche zeigen will, ist sie verschwunden. Dafür darf Mary Lou per Teleschirm dabei sein, wie Brandon ermordet wird – und Maximilian behauptet, sie selbst wäre die Mörderin!
Aber kleine Morde unter Freunden sind kein Hindernisgrund für die Verlobung. Mary Lou findet’s zwar ein bisschen wunderlich, dass Maximilian vor der offiziellen Verlobungsfeier vorschlägt, die sorta-Liebenden sollen gegenseitig ein wenig Blut voneinander trinken, aber wer will schon über die Riten und Gebräuche steinalter Familien richten? Mary Lou verträgt den guten Tropfen aber eher schlecht und der Familienmedizinmann macht insgesamt auch einen eher wenig vertrauensvollen Eindruck. Tatsächlich hat irgendjemand Mary Lou vergiftet, doch nach einem kurzen Krankenhausaufenthalt ist alles bereit für die Zeremonie, in der Mary Lou nicht nur mit Maximilian verlobt, sondern ganz offensichtlich auch in den Vampirclan derer von und zu Ravenfield aufgenommen werden soll…
Inhalt
Man mag es heute kaum mehr glauben, aber das ZDF, heute Abspulstation für Programme für ein Publikum 60+, gönnte sich mal eine Programmschiene für junge, unverbrauchte Filmemacher – „Das kleine Fernsehspiel“. Unter diesem Banner konnten junge Regisseure unbelastet vom Quotendruck (der damals, als es nur drei Programme gab, eh noch nicht so ausgeprägt war) nach Herzenslust herumexperimentieren – von Avantgarde (ich erinnere mich an ein Potpurri wortlos-geometrischer Beckett-Adaptionen) bis hin zum Mini-Spielfilm (das letzte „kleine Fernsehspiel“, an das ich mich erinnere, war die launige Weltraumgeschichte „Der letzte Kosmonaut“ um einen auf der auseinanderfallenden „Mir“ herumhockenden Russen, den man im Zuge des allgemeinen Zusammenbruchs der Sowjetunion mehr oder weniger vergessen hat) ging da alles. Ja, bei dem Sender mit den Mainzelmännchen, Markus Lanz und Charly, dem Schimpansen. Zeiten ändern sich.
Aber nun ist Experimentierfreudigkeit an und für sich noch nichts positives, und so kamen auf jedes sehenswerte Fernsehspiel mindestens drei, die ohne weiteres als „unansehbare Scheiße“ zu klassifizieren waren. Womit wir dann auch beim Thema wären, ähem.
„Cherie mir ist schlecht“ erblickte 1983 das Licht der Welt und verschwand nach seiner Erstausstrahlung umgehend offensichtlich im „dat-könn-wa-nie-mehr-zeigen“-Tresor (was wohl daran lag, dass nicht nur der Wortvogel von der Ansicht dieses stolzen Werkes ein lebenslanges Trauma verpasst bekam. Nun hat aber eine milde Seele eine ranzige VHS-Aufzeichnung des Films digitalisiert und gen YouTube geschickt, wo man sich nun an „Cherie mir ist schlecht“ delektieren kann, bis die Rechtsabteilung des ZDF dem einen Riegel vorschiebt.
Für den Film sicherte sich das ZDF die Dienste einer Bande ungarischer Filmemacher – Regisseurin Marian Kiss sowie die Drehbuchautoren Ed Cantu und Gusztav Hamos. Cantu und Hamos fabrizierten für’s ZDF zwei Jahre später noch einen Film namens „Der Unbesiegbare“ (auch wieder mit Lotti Huber und Cathy Haase, zudem mischte Udo Kier mit), ehe Cantu ins Tonfach wechselte, dort u.a. an Pepe Danquarts Oscar-prämiertem „Schwarzfahrer“ werkelte (sowie an größeren Filmen wie „Extreme Ops“, „Luther“, „The International“ oder „Vincent will Meer“) und Hamos sich für eine Karriere als Kameramann entschied (aber hauptsächlich für Dokumentationen und Kurzfilme). Beide arbeiteten über die Jahre immer wieder mit Marian Kiss zusammen, die noch einige Fernsehspiele und Dokumentationen für’s ZDF erstellte. „Cherie mri ist schlecht“ basiert, wenn ich Kiss Vita auf ihrer Website richtig verstehe, auf einem von ihr und Hamos gebastelten halbstündigen „Treatment“. Angeblich, zumindest proklamierte es der Sender seinerzeit, handelt es sich um den ersten auf Video gedrehten Fernsehfilm überhaupt. Aber das macht die Sache nicht besser.
Um deutlich zu machen, auf welchem Level „Cherie mir ist schlecht“ operiert, breite ich einfach noch mal die ersten vier-fünf Minuten aus: Eine Fernsehansagerin moderiert einen Bericht über das Attentat auf den Fürsten an, wir sehen, wie ein teilnahmsloser Killer auf das teilnahmslose Brautpaar zustiefelt, den Fürsten umbringt und Mary Lou das oben bereits zitierte Bonmot – teilnahmslos – zum Besten gibt. Dieweil die Tonspur als Titellied ungelogen den alten Schlager „Hello Mary Lou“ anspielt, ist unsere Heldin mit einer Cessna (vor farbverfremdeten Hintergrund) unterwegs, und räsonnieren Ariane und Ravola im Schloss, dass „sie bald kommen werde“, aber vorher „noch einen Zwischenstopp in Singapur“ einlege, bevor wir sehen, wie jemand aus der Cessna mit dem Fallschirm abspringt (ist ja egal, dass Mary Lou wenig später mit ihren Koffern im blutigen Kleid an der Schlosstür klopft und was von „Notlandung“ erzählt).
Wir sind also offensichtlich in einem Universum unterwegs, in dem nichts Sinn ergeben muss (weil: „sinnlos“ ist bekanntlich ein Synonym für „Kunscht!!!“) und wir nicht damit rechnen dürfen, dass sich irgendjemand verhält wie ein richtiger, lebendiger, echter Mensch oder irgendetwas auch nur andeutungsweise erklärt werden wird (weil „glaubwürdige Charaktere“ oder „Erklärungen“ an und für sich bestenfalls für den vulgären Pöbel geeignet sind, aber nicht für den wahren Kunst-Connaisseur). Alles, von den grausigen Dialogen, über zur plumpen, dabei gleichzeitig aber völlig vagen Symbolik, die technische Machart und das bewusst völlig emotionslose Schauspiel schreien WIR MACHEN HIER KUNST VERDAMMTNOCHMAL UND WENN DU DAS NICHT VERSTEHST, ZUSCHAUER, BIST DU EINFACH ZU BLÖD. Ergo brauchen wir auch keinen Plot, keinen irgendwie gearteten Plan, wie wir handlungstechnisch von Punkt A nach Punkt B kommen, sondern schmeißen einfach ein paar Bilder hin, lassen die Charaktere lang-sam-be-deu-tungs-schwan-gere-und-dabei-doch-krypt-tisch-sinn-lose-Dialoge murmeln und dabei implizieren dabei irgendwie, dass Fernsehen und Fernsehwerbung in etwas das gleiche sind wie Vampirismus (das ist scheinbar der Punkt, den „Cherie mir ist schlecht“ machen möchte, wenn man sich soweit aus dem Fenster lehnen und behaupten möchte, die ganze Chose hätte einen Punkt). Die Parallelmontagen von Werbespots mit Handlungen Mary Lous im Schloss vermitteln nüchtern betrachtet aber nicht wirklich eine Botschaft, sie sind einfach nur nervig (Mary Lou duscht, dazu läuft ’ne Fa-Duschgel-Reklame, Maximilian bietet Mary Lou einen Drink an, dazu läuft Campari-Werbung. Ich bin nicht sicher, ob die beteiligten Firmen so glücklich über diese Art Produktplatzierung waren).
Hin und wieder, wenn sich Kiss daran erinnert, welche Art Genre sie beackert, kommt mal ein nicht völlig schlechtes Bild ‚bei rum, aber auch dann fühlt sich „Cherie“ so an, als hätten Jess Franco und Jean Rollin einen ihrer Low-Budget-Vampirfilme gedreht, nachdem sie zuvor acht Semester Filmtheorie an einer deutschen Hochschule von den Professoren Fassbinder, Schlöndorff und Wenders (der unseligen Autorenfilmerschule, die langjährig mutig an der Abschaffung des Publikums arbeiteten) belegt haben. This is not a good thing. Szenen sind viel zu lang, führen nirgendwo hin, ganze Segmente sind komplett unnötig (die ganze Spionage-Geschichte, von der man sich nur zwischen den Zeilen zusammenreimen kann, dass Ariane damit Maximilian für Mary Lou interessant machen will… immerhin beinhaltet dieser „Subplot“ ein paar semiaufregende Autostunts, die aber, dafür lege ich meine Hand ins Feuer, sicher nicht ursächlich für diesen Film entstanden sind, denn dafür müsste er ein Budget gehabt haben).
Technisch mag der Film als Pionierleistung auf dem Gebiet der Videofilmerei ja zumindest anerkennenswert sein, trotzdem ist er insgesamt ein Lehrbeispiel, wie man’s nicht machen sollte – zumindest, so man ansatzweise das Ziel verfolgt, sein Publikum zu unterhalten, was ich bei diesem Film nicht zwingend voraussetze. Wirrer Schnitt, völliges Fehlen einer Dramaturgie oder Spannungserzeugung, augenscheinlich keinerlei Schauspielerführung (oder ist es am Ende ein künstlerisches Statement, dass die Figuren gern direkt in die Kamera sprechen? Who knows?) . Die Kameraführung ist gelegentlich ganz nett, rettet insgesamt aber auch wenig. Und für die Schluss-Sequenz der Verlobungsfeier, in der die zahlreichen geladenen Gäste durch zusammenhanglos aneinandermontierte stock footage-Ausschnitte aus ollen Kostümfilmen repräsentiert werden und auf die man Maximilian und Mary Lou primitiv drauf kopiert hat, mag aus Sicht früher Videographie ein ambitionierter Versuch gewesen sein, sieht aber einfach scheiße aus. Muss man mal offen aussprechen.
Die Darsteller sind beinahe durch die Bank katastrophal. Ob das nun daran liegt, dass die Herrschaften von Haus aus unbegabt sind, von einer unerfahrenen Regisseurin im Stich gelassen wurden oder am Ende dazu angehalten wurden, so zu spielen, bleibt dahingestellt, aber es ist hölzern, desinteressiert, emotionslos. Man kennt das aus modernem Regietheater. Mari Cantu kämpft schon mal einen verzweifelten Kampf mit der deutschen Sprache – man sieht ihr deutlich an (oder glaubt das zumindest), dass sie ihren Text phonetisch gelernt hat… 1996 spielte sie eine Hauptrolle in Niklaus „Rheingold“ Schillings „Die blinde Kuh“, gelegentlich führte sie später auch selbst Regie, so in der ZDF-Koproduktion „Rosenhügel“ über eine Kindheit im Schatten des ungarischen Volksaufstandes. Cathy Haase, die als Fräulein Ravola mit einem undefinierbaren Akzent nervt, probierte es später in Hollywood, kam aber über bessere Komparserie in Filmen wie „Und wieder 48 Stunden“ und „Blair Witch 2“ nicht hinaus. Martin Peter („Novembermond“) wirkt wie eine talentfreie Mischung aus mittlerem Jürgen Prochnow (when he still gave a bit of a fuck) und Eddie Constantine. Einzig Lotti Huber, gerade von Rosa von Praunheim für seine „Skandalfilme“ ausgegraben, müht sich redlich um etwas wie eine meßbare engagierte Performance.
Fazit: Manch Datenbank verzeichnet den Film heutzutage unter dem Etikett „Komödie“. Liegt wohl am Titel, der aber nicht mehr ist als eine im Film nicht auf den Lacher hin ausgelegte Line. Ansonsten hat das ganze Unternehmen selbstredend nicht den „Anspruch“, Witze zu machen (einen Lacher hat der Film, der ist aber unfreiwillig und resultiert daraus, wie im „Showdown“ die Vampire besiegt werden). Als „Horrorfilm“ ist das Ding natürlich ein Totalausfall, als Film aber schon der reine Horror. Prätentiöse Kunst-Scheiße, die Anspruch vorgibt, wo doch nur totale kreative und inhaltliche Leere liegt, in der Anti-Schauspiel (vermutlich) bewusst gefordert wurde und elementarste Regeln des Filmemachens, soweit einem als Filmemacher etwas daran liegt, ein Publikum zu finden, das über die, die prinzipiell alles toll finden, nur weil es „anders“ ist, hinausgeht, ignoriert. Wer eine Stunde Lebenszeit übrig hat, die er unbedingt an einen doofen Film verschwenden will, sollte lieber The Beast of Yucca Flats ansehen – davon hat man deutlich mehr. Allerdings – ein Goldrand würde den Film deutlich verbessern, hehe…
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(c) 2014 Dr. Acula
Der im gnadenlosen Artikel ebenfalls zitierte Film „Der Unbesiegbare“ dürfte für meinen Geschmack auch sehr gerne mal wieder aus seinem analogen Nirvana auftauchen (nirgends ward er nach seiner Erstausstrahlung ebenfalls als ‚kleines Fernsehspiel‘ mehr gesehen – und das trotz eines hervorragenden Udo Kier). Ich habe ihn als sehr amüsant in Erinnerung – aber ich fand ja auch ‚Cherie, mir ist schlecht‘ mit der heißblütigen und herrlich zickigen Mari Cantu charmant 😉