Chasing Sleep

 
  • Deutscher Titel: Chasing Sleep
  • Original-Titel: Chasing Sleep
  •  
  • Regie: Michael Walker
  • Land: Kanada/USA/Frankreich
  • Jahr: 2000
  • Darsteller:

    Jeff Daniels (Ed Saxon), Emily Bergl (Sadie), Gil Bellows (Det. Derm), Zach Grenier (Geoffrey Costas), Julian McMahon (George), Ben Shenkman (Officer Stewart), Molly Price (Susie), Patrick Moug (Det. Snyder)


Vorwort

Uni-Professor Saxon stellt eines Abends fest, dass sein Eheweib Eve nicht von der Arbeit nach Hause zurückgekehrt ist. Nach einigen besorgten Anrufen weiß Ed immerhin, dass Eve nicht im Krankenhaus gelandet ist, sie keine ihrer Freundinnen besucht hat und auch die Polizei nichts von einem Unfall o.ä. weiß. Der diensthabende Detective Derm schickt mitfühlenderweise einen Streifenbeamten zu Ed, der, obwohl die offizielle Frist zur Aufnahme von Vermißtenanzeigen noch nicht verstrichen ist, ein paar rudimentäre Angaben aufnimmt. Am nächsten Tag wird Eves Wagen gefunden – von ihr selbst weiter keine Spur. Da Ed seinen Uni-Kurs unangemeldet hat ausfallen lassen, taucht die Studentin Sadie bei ihm auf. Ed verheimlicht ihr, dass seine Frau vermisst wird (nicht die Tatsache der Ehe an sich). Nach einem schweren Anfall von Nasenbluten zieht Sadie Leine, dieweil die Polizei in Sachen Eve von einem Verbrechen ausgeht und Beweismittel sucht; nicht bevor Eves Lehrer-Kollege George, in dessen Nähe das Auto gefunden wurde, ihm in der Annahme, Ed hätte seiner Frau, die mit George eine Affäre hatte, etwas angetan, die Schnauze poliert. Ed findet unter einem Nachttisch zu seinem Entsetzen einen abgetrennten Finger, der sich standhaft weigert, in der Toilette runtergespült zu werden. Auch die Polizei wird fündig – Eves Tagebuch ist – zu Eds gelinder Überraschung – zu entnehmen, dass sie schwanger war, und das nicht von Ed, mit dem sie nicht mehr wirklich viel verband. Geplagt von Schlafstörungen, die sich auch durch stärkste Psychopillen nicht eindämmen lassen, lässt Ed sich beinahe auf eine Nummer mit Sadie (deren blutverschmierter Pullover, in Eds Schlafzimmer gefunden, ihn schon in Erklärungsnotstand brachte) ein. Langsam, aber sicher verliert Ed den Kontakt zur Realität, kann zwischen Wahrheit, Vision und Trugbild nicht mehr unterscheiden – seine alptraumhaften Wahnvorstellungen scheinen ein schreckliches Geheimnis zu bergen…


Inhalt

Wenn’s satte sechs Jahre dauert, bis ein Film es über das große Wasser schafft, ist normalerweise etwas faul im Staate Dänemark. Michael Walkers Spielfilmdebüt (und bislang sein einziges abendfüllendes Werk) erschien erst 2006 in Deutschland und wird mittlerweile in der Gesellschaft von ungefragten Sequels und billigen Horror-Heulern völlig unpassenderweise von Universal in der 6er-„Horror-Box“ verramscht. Wie man der (angemessen konfusen) Inhaltsangabe mühelos entnehmen kann, ist das Werk des Writers/Directors mit Sicherheit kein Horrorfilm, sondern vielmehr der Versuch, einen konventionellen Psychothriller mit „mindfuck“- und „rubber reality“-Elementen Marke David Lynch zu verbinden.

Wenn man verschiedentlich Rezensionen und Kommentare zu „Chasing Sleep“ liest, wird einem recht oft der „Lost Highway“-Vergleich um die Ohren geschlagen. Das liegt in der Tat gar nicht so weit neben der Spur, wenngleich „Chasing Sleep“ einen etwas bodenständigeren Ansatz wählt und nicht gleich mit unerklärbaren Mysterien wie dem „Dick Laurent ist tot“-Boten und den seltsamen Videobändern daherkommt, sondern seinen Protagonisten in eine nachvollziehbarere Ausgangssituation bringt – die Frau ist weg, wo ist sie hin? Walker stößt den Zuschauer also nicht von Anfang an in ein Labyrinth vermeintlich zusammenhangloser Bilder, sondern beginnt sein Script verhältnismäßig stringent, lässt den Wahnsinn und damit die surrealen Gesichtspunkte schleichend eindringen – sind nicht alle, mit denen Ed über seine vermißte Frau redet, zu nett? Ist er selbst nicht ein wenig zu… gefaßt für die Situation? Würden wir wirklich ein junges hübsches Studentinnending einladen, mit uns den Abend zu verbringen, wenn uns grad das Eheweib abgeht und wir vermuten, dass ein Verbrechen geschehen sein könnte (okay, possibly we would…)? Mit Fortschritt der Plotte verdichten sich die Hinweise, dass Eds Oberstübchen nicht ordnungsgemäß sortiert wird – der abgetrennte Finger, der sich konsequent der Runterspülung im Klo entzieht und sich später regenwurmartig fortbewegt (bis Ed ihn im Küchenabfluss entsorgt), das seit Polanskis Ekel immer wieder gern genommene Motiv der aufbrechenden Wand als Metapher für sich andeutenden Wahnsinn (garniert mit dem nicht minder schwer symbolischen dunklen, feuchten Keller, in den Ed sich zwecks Reparatur der verstopften Rohre immer wieder begeben muss – und der ihn, gar nicht mal so subtil, in einer Halluzination direkt in das Krankenhaus, in dem seine Mutter starb, führt), es ist ein wenig wie aus dem Baukasten für realitätsverschiebende Hirnschmelzfilme zusammengesetzt und kulminiert schließlich (SPOILERWARNUNG), darin, dass er nicht nur in seiner Badewanne ein riesiges Baby (selbstredend die „Verarbeitung“ von Eves Schwangerschaft) findet und „tötet“, sondern in der konsequenten Verweigerung einer wirklichen Auflösung – gut, wir können uns alle zusammenreimen, wie’s gemeint ist (und damit ist der Film natürlich nicht halb so clever wie er vielleicht gerne wäre), aber seine beiden Schlüsselmomente bleiben eben rein bildtechnisch außen vor.

Ein kaum zu übersehendes Thema des Films – und vielleicht sogar der zentrale Punkt, den Walker zu machen beabsichtigt – ist der „Pillenkonsum“. Fast kein Charakter im Film kommt ohne seine kleinen Glückspillen aus: Ed nimmt sie wegen seiner Schlafstörungen, Sadie ist nach eigener Aussage Stammkundin in der Apotheke, Detective Derm fragt regelmäßig nach Wasser, um seine Tabletten runterzuspülen und Geoffrey Costas, den Vertreter einer Opfer-Selbsthilfegruppe, der auf Derms Geheiß bei Ed vorbeschaut, lässt sich sogar von seinem Wecker daran erinnern, rechtzeitig seine chemische Mahlzeit einzunehmen – ein durchgängiges Motiv, dessen Verwendung aber undurchschaubar bleibt – will Walker konstatieren, dass die „Freundlichkeit“ seiner Figuren einzig auf Psychopharmaka zurückzuführen ist (in der Tat ist einziger Charakter, der zumindest im Bild keine Tablettenabhängigkeit zeigt, Eves Liebhaber George, der wie rasend auf Ed losgeht – ist er der einzige, der’s „begriffen“ hat oder ist er einfach nur jemand, der seine Agressionen nicht durch Medikamente im Zaum halten will?).

Ein wenig problematisch ist der zentrale Charakter Ed an sich – von Anfang an ist er nicht sonderlich „likeable“, sondern scheint eher ein Misanthrop zu sein (bzw. ein desillusionierter Philanthrop – sein Background ist, dass er eigentlich mal Poesie schrieb, damit aber kein Geld – mehr – im ausreichenden Umfang verdienen konnte, um seine Familie zu finanzieren, und deswegen den von ihm nicht sonderlich geschätzten Lehrjob annehmen musste), der schon mal grundlos die Sekretärin seines Dekans beleidigt (und den gleich mit), sich recht zwanglos in so etwas ähnliches wie eine Affäre mit einer nicht mal halb so alten Studentin stürzt und ganz generell gut darin ist, wohlmeinende Leute (wie Det. Derm oder Geoffrey) vor den Kopf zu stoßen. Ed macht keine echte Entwicklung durch, außer dass er fortwährend in Nuancen ekliger wird; es fällt schwer, sich mit ihm zu identifizieren. Derm und Geoffrey sind mir, wie schon angemerkt, etwas zu herzensgut, Sadie ist die einzige Figur, die mir wirklich glaubhaft erscheint (stalkerisch veranlagte Studentinnen sind nun etwas, was mir zwar noch nicht persönlich passiert ist – sollte vielleicht öfter mal Gastvorträge an der Uni halten, hähä -, aber zumindest soll sowas ja schon vorgekommen sein…).

Dadurch dass Walker den „Wahnsinn“ langsam einbrechen lässt, entwickelt sich das Erzähltempo auch betulich und will nie wirkliche Spannungsentwicklung aufkommen lassen (auch weil den Film die „whodunit“-Frage nicht sonderlich interessiert); dadurch, dass der Film sich auf eine einzige Location, das Saxon’sche Familenetablissement, ohne eine einige Außenszene (nur die Traum-/Halluzinationssequenz im Krankenhaus bricht für zwei Minuten aus diesem Schema aus), beschränkt, entwickelt der Film immerhin wohl beabsichtigt eine gewisse klaustrophobische Atmosphäre, die wir als Zuschauer offensichtlich wiederum symbolisch für Eds verschlossenen, unzugänglichen und abweisenden Verstand sehen sollen. Der bewährte Arthouse-Kameramann Jim Denault (Too Tired to Die, „Boys Don’t Cry“, „Maria voll der Gnaden“, einige Folgen „Six Feet Under“) sorgt dafür, dass der Streifen zumindest optisch nicht langweilig wird (böse Zungen behaupten, dass Denault auch den Großteil der praktischen Regie übernommen habe, was der Director himself – angeblich – auf den Diskussionsseiten der IMDb vehement und mit farbigen Metaphern durchsetzt abstreitet).

An Effekten gibt’s den abgetrennten (und mobilen) Finger und das „Riesenbaby“ (najaaaaaa… es vergällt mir den Film nicht, wie es auch dem in „Hospital der Geister II“ nicht gelang, mir die Freude am Gesamtwerk zu verderben, aber ich in beiden Fällen auch gut ohne leben können) und ein wenig Kunstbluteinsatz (nicht genug, um den Film ernstlich unter „Horror“ ablegen zu können), Freunde nackter Tatsachen kommen in Form der zarten Knospen (ähem) von Emily Bergl auf ihre Kosten.

Darstellerisch ist der Streifen natürlich voll und ganz auf seinen jede Sekunde der Laufzeit präsenten Hauptdarsteller zugeschnitten. Nun ist Jeff Daniels jemand, den ich sehr schätze (ich meine, wer spielt sich durch Dünnpfiff wie „Dumm und dümmer“ und behält seine künstlerische Würde?), aber so recht glücklich scheint er mit der Rolle, auch wenn sie ihm erlaubt, mal seine düstere (und unrasierte) Seite hervorzukramen, nicht zu sein. Sein Spiel ist zu eindimensional, unterscheidet sich in den Phasen, in denen er „durchgedreht“ sein soll, kaum von denen, die „normal“ wirken sollen; es gelingt ihm nie wirklich, Sympathie oder wenigstens ein wenig Empathie für den Charakter empfinden zu lassen, womit das Finale kaum emotionale Wirkung entfaltet, die über ein „hm, naja, dachte ich mir, was soll’s…“ hinausgeht. Die reizende Emily Bergl (später mit „Taken“ und „Men in Trees“ noch zum TV-Star geworden) ist hingegen eine Gewinnerin des Films. Obwohl auch ihre Figur nicht gerade, naja, übermäßig sympathisch ist, liefert sie eine gute, glaubhafte Leistung ab (und, darüber freuen wir Kerle uns natürlich immer, legt ihr Top ab. I applaud thee!). Gil Bellows („Die Verurteilten“, „Ally McBeal“) leidet als Detective Derm etwas unter dem sehr weichgespülten, kantenlosen Charakter, Zach Grenier (Zodiac, „Fantastic 4: Rise of the Silver Surfer“, „Fight Club“) hat als Geoffrey nicht viel zu tun, erledigt das wenige aber souverän. Julian McMahon (immerhin Dr. Doom in den beiden offiziellen „Fantastic 4“-Filmen und Serien-Experte aus „Charmed“, „Profiler“ und „Nip/Tuck“, außerdem in Premonition am Start) absolviert als George zwei lebhafte Kurzauftritte.

Bildqualität: Das übliche – 3 Filme auf einer DVD, da weiß man ungefähr, was auf einen zukommt, und dass es bei Universal immerhin ein wenig besser aussehen dürfte als bei Best. Der 1.85:1-Transfer ist natürlich anamorph codiert, frei von Störungen und Verschmutzungen und mit durchschnittlichen Schärfe- und Kontrastwerten gesegnet. Die Kompression ist mittelprächtig, insgesamt also vertretbar für eine Budget-Veröffentlichung dieser Art.

Tonqualität: Dies gilt auch für den (wieder ausschließlich) deutschen Dolby 2.0-Ton, der kein Ausbund an Dynamik ist, aber zumindst rauschfrei daherkommt. Die Synchro selbst ist eher durchschnittlich ausgefallen.

Extras: Keinerlei Extras zu verzeichnen.

Fazit: Mit „Chasing Sleep“ werde ich, obwohl bekennender Fan von „mindfuck movies“, nicht wirklich warm. Klar, dass Filme dieser Art per definition undurchschaubar sind und dem Zuschauer weder ihre Auflösungen noch ihre Botschaften auf dem Silbertablett präsentieren, liegt in der Natur der Sache, aber es ist mir insgesamt zu dünn, was Michael Walker uns hier vorsetzt – für einen straighten Thriller, als der „Chasing Sleep“ beginnt, ist er sowohl zu spannungsarm als auch zu „seltsam“, für ein richtiges Realitäts-Vexierspiel mit viel Interpretationsfreiheit sind die Ausflüge ins Surreale zu plakativ, zu offensichtlich und trotzdem zu spärlich. Addiert man dazu einen zwar omnipräsenten, aber entweder nicht voll motivierten oder mit der Darstellung einer ambivalenten bis düsteren Gestalt überforderten Hauptdarsteller, will sich das rechte Sehvergnügen nicht einstellen. Daher der Rat – wer sein Hirn wirklich auf die intellektuelle Probe stellen will, sollte bei Lynch und Cronenberg bleiben, soll’s „Lynch Light“ sein, ist Brad Andersons „The Machinist“ deutlich vorzuziehen (gegen himmelschreienden Blödsinn wie Strip Mind ist „Chasing Sleep“ aber natürlich eine Offenbarung). Mittelmaß mit dem Ratschlag an den Writer & Director, in beiden Kategorien noch die ein oder andere Übungseinheit einzuschieben – aber vielleicht hat Walker, der seit diesem Film sprichwörtlich nichts mehr realisiert hat, ja auch schon aufgegeben. Wäre jetzt auch nicht der schmerzhafteste aller möglichen Verluste…

2/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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