Chain Reaction

 
  • Deutscher Titel: Chain Reaction
  • Original-Titel: Chain Reaction
  • Alternative Titel: House of Horrors | House of Blood |
  • Regie: Olaf Ittenbach
  • Land: Deutschland
  • Jahr: 2006
  • Darsteller:

    Christopher Kriesa (Douglas Madsen), Martina Ittenbach (Alice), Simon Newby (Arthur Palmer), Luca Maric (Spence Palmer), Mehmet Yilmaz (Vincenzo Tomassi), Jaymes Butler (Stephen Nix), Dan van Husen (Paul Anderson), Daryl Jackson (Jimmy), Wolfgang Müller (George), James Matthews (Shawn), Klaus Münster (Joseph), Gerhard Jilka (Phillip), Jürgen Prochnow (Polizist)


Vorwort

Eine Verkettung von je nach Standpunkt glücklichen oder unglücklichen Umständen führt dazu, dass ein fröhliches Quartett gemeingefährlicher Psychopathen, das gerade ins Staatsgefängnis überstellt werden soll, in Folge einer Kollision ihres Transport-Busses auf der Landstraße mit der Kalesche des Arztes Douglas Madsen, seine Bewacher niedermetzeln kann und mit dem Doktor im Gepäck, der die Schusswunde des Gangsters Spence versorgen soll, in die Wälder stiften gehen kann, in der Hoffnung, sich nach Kanada durchschlagen zu können.
Das gestaltet sich nicht einfach – der Anführer der Verbrecherclique, Arthur, ist selbst für einen Soziopathen mit ausgesprochen kurzer Zündschnur gesegnet und die Tatsache, dass sein Brüderlein Spence ohne professionelle ärztliche Versorgung den Löffel reichen wird, ist nicht angetan, sein Gemüt zu beruhigen. Überraschenderweise findet der Trupp inmitten des Nirgendwo eine baufällige Hütte, bewohnt von einem Rudel rückständiger Fundi-Christen à la Amish-People. Auch wenn die Herrschaften deutlich zu verstehen geben, es wäre besser für die Neuankömmlinge, sich schleunigst wieder zu schleichen, sind die Christenmenschen fügsam – die hübsche Alice ist auch gern bereit, für Douglas bei einer kleinen Armamputation, vorzunehmen an Spence, die Krankenschwester zu mimen. Womit Arthur und die Seinen allerdings nicht gerechnet haben, ist, dass ihre unfreiwilligen Gastgeber keineswegs harmlose religiöse Sektierer sind, sondern blutschlürfende Vampirmonster. Dank der unerwarteten Hilfe von Alice – die offensichtlich mit Douglas‘ tragischer Vergangenheit irgendwie verbunden ist – gelingt dem Armabschneider als einzigem die Flucht, doch läuft er geradewegs in eine Polizeispezialeinheit, die ihn unter chronischem Verdacht festnimmt.
Da seine Story, er wäre von Arthur nach erfolgreicher Operation aus Dankbarkeit freigelassen worden, von den ermittelnden Cops korrekterweise für gequirlten Kuhdung gehalten wird, soll er ins Staatsgefängnis einfahren, um sich nochmal durch den Kopf gehen zu lassen, ob er wirklich bei der Märchenstunde bleiben will. Doch erneut kommt es während des Transfers zu einem folgenschweren Unfall und wieder sieht sich der Doktor auf der Flucht durch die Wälder, unter der Fuchtel eines gut gelaunten Quartetts bösartiger Schwerverbrecher… history repeats itself.


Inhalt

Und wieder einmal Ittenbach. Es mag aus reviewtaktischen und hirnerhaltenden Erwägungen nicht sinnvoll sein, so schnell nach Legion of the Dead erneut zu einem Itti zu greifen, aber, mein Gott, wenn man die Scheiben schon mal da hat, muss man sie ja irgendwann mal sehen. Und dann besser an einem viel zu heißen Sonntag, an dem’s für alle anderen Aktivitäten, die entweder mit Bewegung oder Denken verbunden sind, eh deutlich übertemperiert ist.

„Chain Reaction“ stellt, wenn man so will, bislang Ittenbachs letzten Versuch dar, einen „richtigen“ Film zu drehen, also mit echten Schauspielern, dem ein oder anderen Gaststar, und einem soliden Batzen Kohle zum Verbraten. Die IMDb spekuliert auf ein immerhin knapp siebenstelliges Euro-Budget, deutlich weniger als bei „Legion of the Dead“, was aber schon allein daran liegen dürfte, dass Olaf im Lande blieb und sich teure location-Drehs in Übersee ersparte (was nicht wirklich stört, denn die bayerischen und österreichischen Alpen gehen als plausibles Double für die nördlichen Ausläufer der Rocky Mountains locker durch), aber immer noch ein Sümmchen, für das so mancher talentierter Independent-Regisseur ohne Nachzudenken seine Großmutter müttterlicherseits verscherbeln würde.

Wie üblich floss von der vorhandenen Penunze keine müde Mark bzw. kein sanft entschlafener Euro in ein vernünftiges Script – die Plotte erdachte Meister Ittenbach wieder einmal höchstselbst, in Kollaboration mit Thomas Reitmair, der ähnliche Frondienste bereits für „Riverplay“, „Beyond the Limits“ und Garden of Love erbrachte. Aber was heißt hier „Plotte“ – „Chain Reaction“ ist Teil Zwei der zweiteiligen Serie „Itti wäre gern Quentin“, deren erster Streich der bereits erwähnte „Legion of the Dead“ war. Will sagen, wieder einmal versucht sich Ittenbach unbeholfen am Tarantino-Kopieren und würde gern, in Tradition von „From Dusk Till Dawn“, einen vermeintlichen Action-/Psychothriller unerwarteterweise in Hardcore-Splatter-Gore-Horror umkippen lassen. Das hat bekanntlich schon bei „Legion“ wunderbar funktioniert (Ironie, finden, selbst behalten usw.) und geht dann, zur Überraschung von schätzungsweise niemandem (außer den üblichen Itti-Apologeten), erneut voll in den Schlüpfer.
Es-gibt-keine-fuckin‘-Story. Vier Psychos und eine Geisel latschen durch den Wald und werden von Monstern niedergemacht. Damit konnte uns Sam Raimi vor fünfundzwanzig Jahren kommen (und, wenn’s nach mir geht, bekanntlich der schon nicht)… Gut, wir könnten darüber hinwegsehen, wenn wir irgendwelche Charaktere hätten, aber, auch das ist jetzt für uns Veteranen des deutschen unabhängigen Horror-Kinos (ächz) keine sonderliche Neuigkeit mehr, glaubhafte und/oder sympathische Figuren schreiben, das konnte Itti noch nie. Ja, mir ist klar, die Hauptfiguren abzügl. des Doktors sind Gangster und damit keine Wonneproppen, aber, wenn ich mal wieder den Vergleich zu „From Dusk Till Dawn“ ziehen darf (und das darf ich, schließlich besteht Itti durch’s Kopieren des Schemas ja mehr oder weniger drauf), dort waren uns die Charaktere, auch wenn sie auf den ersten, zweiten und sogar noch dritten Blick gefährliche Soziopathen waren, nicht scheißegal – bei Itti schon.
Es ist mir schlichtweg unbegreiflich, dass jemand, der nun immerhin auch schon seit 20 Jahren Filme macht, schreiberisch-dramaturgisch keinerlei Fortschritte macht bzw. machen will – Charakterszenen sind für Itti notwendiges, nichtsdestoweniger aber lästiges Übel, weil’s halt beim besten Willen nicht geht, jedenfalls nicht, wenn man in irgendeinem Land der Welt eine Freigabe für sein Werk erhalten will, 90 Minuten lang nur Gedärmausweidungen, Amputationen von Gliedmaßen und Augenausquetschereien zu zeigen (was nicht heißt, dass Itti es in Episoden von The Burning Moon und „Beyond the Limits“ nicht schon probiert hätte), und Dialoge braucht’s halt auch nur, weil es irgendwie auch doof wäre, wenn die Figuren stumm durch die Botanik latschen – jedenfalls klingen die Dialoge gekünstelt, verkrampft, unnatürlich, der Situation nicht angemessen (und ab und zu widersprechen sie auch mal dem Gezeigten – z.B. darf der Doktor davon reden, dass er Spence den Unterarm amputieren will, und was tut er? Er säbelt den Arm an der Schulter ab. Naja, ich hab nicht Medizin studiert, was weiß ich schon, wo der Unterarm aufhört…).
Zu erwähnen wäre noch, dass die Vampirsippe in altertümlicher Zunge redet (das soll wohl mittelalterlich-gestelzt klingen, klingt aber speziell in der DF mehr nach Yoda-Speak als nach authentischem Mittelalter-Slang; die englische Fassung, in der die Sippe mit altertümlichen Pronomen wie „thee“ und „thou“ um sich wirft, kommt dem angestrebten Ziel etwas näher).

Immerhin – Itti streckt seine dürre Geschichte auf den ersten Blick nicht krampfhaft auf abendfüllende Länge – surprise, schon nach gut 45 Minuten (in der KJ-Fassung) sind die Gangster in ihre diversen blutigen Bestandteile zerlegt und uns Doktorheld knapp entkommen. Doch noch während wir uns fragen, wie der Maestro dennoch auf eine 90+-Minuten-Laufzeit kommen will, ohne wieder auf das von ihm schon hinlänglich erprobte Gebiet des Episodenfilms zurückkehren zu müssen, überrascht uns Ittenbach erneut, diesmal aber negativ, indem er uns DIE EXAKT GLEICHE STORY mit 80 % neuen Charakteren NOCHMAL zumutet. D.h. wieder Crash, wieder vier Gangster plus unser armer Doktor im Wald, wieder die Hütte, wieder Gemetzel. Wenn ich nicht der festen Überzeugung anhängen würde, dass mein Freund Olaf über keinerlei Kreativität verfügt, von der er wüsste, ich würde wieder mal mein Bonmot der „kreativen Bankrotterklärung“ zitieren, aber im Falle O.I. hieße das, Wurstinnereien an seine Adresse zu verschicken (und ich bin der Ansicht, dass er davon stets genug in der Tiefkühltruhe hat).
Praisen wir faint, wo’s angebracht ist – der zweite Satz Gangster ist zumindest teilweise interessanter als der erste, aber deswegen noch lange nicht gut, zumal Ittenbach und Reitmair in dieser zweiten Runde nun auch noch unbedingt pop culture references reinbringen müssen und dem vorurteilsbehafteten Rezensenten vermitteln wollen, dass sie mal ein Buch gelesen (oder zumindest gesehen haben). Aber WIE… also, zunächst mal, als launige pop culture reference für einen prominenten Film- oder Fernseharzt „Dr. Marcus Welby“ anzubringen, erscheint mir angesichts der Zielgruppe des Meisters verlorene Liebesmüh (noch nicht mal, wenn ich zur Entlastung der Angeklagten annehme, sie hätten es auf internationale Vermarktung des Films abgesehen), die bemühte „Exorzist“-Reference fällt gleichfalls flach, weil der Film nicht eine Sekunde lang etwas zeigt oder andeutet, was mit dem Exorzisten wirklich in Verbindung zu bringen wäre, und, bei aller Freundschaft – mit den Namen von Oscar Wilde, Kant, Schopenhauer und Nietzsche und Freud hausieren zu gehen (ab und an auch mal mit Zitat)… äh, ich will nicht despektierlich klingen, aber ich glaube ehrlich nicht, dass Itti oder Reitmair irgendwas von diesen Geistesgrößen selbst gelesen haben (höchstens den De Sade, den lasse ich durchgehen).

Egal. Der Rest der Story ist ebenfalls Banane, der mythologische Background bestenfalls angerissen und in sich unschlüssig bis widersprüchlich, und die „Verbindung“ von Doktor Doug und Alice bestenfalls hanebüchen zu nennen. Aber wenigstens ist das Ende gleichermaßen konsequent wie einfältig. Damit will ich die Drehbuchkritik auch schon abhaken, es ist ja die Mühe eigentlich nicht wert. Ich sagte es schon öfters – er konnte es noch nie, er kann’s nicht, und er wird’s wohl auch nie lernen (wollen).

Und das ist, himmelarmundzwirn, schade, denn filmisch ist „Chain Reaction“ keine Offenbarung, aber zumindest absolut professionell. Speziell die Kameraführung von Holger Fleig, der schon „Riverplay“ und „Garden of Love“ fotografierte und mittlerweile in nicht federführender Funktion die Kameras bei TV-Produktionen wie „Lasko – Die Faust Gottes“ bedienen darf, steht meilenweit über dem Independent-/Amateur-Standard – die Kamerafahrten und Aerials sind beeindruckend, Fleig wagt es sogar, mit den Kamerawinkeln zu experimentieren, das macht optisch durchaus was her. Auch der Score von Michael Ehninger („Familienradgeber“) erfüllt seinen Zweck mehr als adäquat. Und auch der fette Bus-Crash-Stunt steht einer knapp budgetierten B-Produktion gut zu Gesicht (auffällig ist nur, dass, obwohl wir insgesamt drei Crashes haben, man uns nur einen zeigt – klar, man konnte schlecht drei Busse schrotten; aber mit gutem Willen hätte man den Stunt ja aus mehreren Perspektiven filmen können), und gleich zu Beginn gibt es einen recht witzigen visuellen Einfall mit der Trauerkarte von Madsens Eltern.
Allerdings bleibt es halt dabei – als Dramaturg ist Ittenbach eine Katastrophe; er entwickelt keine Spannung, keinen Rhythmus, das ist ein stumpfes Warten auf die Splattereffekte (zumal die einzig größere Shoot-out-/Actionsequenz auch nicht gerade Blumentöpfe en gros gewinnt). Der größte Minuspunkt – aus unerfindlichen Gründen (naja, eigentlich aus erfindlichen Gründen – Ittenbach seine ewig langen „wir latschen durch den Wald und labern dummes Zeug“-Sequenzen notgedrungen, damit das Publikum nicht sanft entschläft, ja gelegentlich unterbrechen) bedient sich Ittenbach non-linearer Erzählweise (weil: das hat er auch mal bei Tarantino gesehen und da war’s cool und Zeuch), d.h. den ersten Crash und den Shoot-out der Gangster mit den transportsichernden Cops erleben wir als Flashback/eingeschobene Szenen im ersten Teil, weite Strecken des Polizeiverhörs dagegen als Einsprengsel im zweiten Durchlauf (wie gesagt – es macht dramaturgisch keinen Sinn, diese Sequenzen in mehrere Rückblenden zu verteilen, Ittenbach will ersichtlich nur die monotone Gleichförmigkeit der langwierigen Waldläuferszenen „auflockern“; einen „Gewinn“ für den Film stellt diese Methodik nicht dar). Im Gegensatz zu Tarantino dient dieses Aufbrechen der konventionellen Erzählstruktur (mit der Ittenbach ja schon überfordert genug ist) keinem künstlerischen Mittel, es ist einfach nur da, weil er’s mal gesehen hat und es ihm als gangbarer Weg erschien, sich aus der Sackgasse des „Ich-erzähl-zweimal-den-gleichen-Schmand“ herauszulavieren (erfolglos).

Bleibt also einmal mehr nur Gore und Splatter als „redeemin‘ value“, und da kucke ich mit meiner lausigen KJ-Fassung wieder in die Röhre (gegenüber der absolut-superduper-uncut-Version fehlen wohl so sechs-sieben Minuten). Arg viel Splatter und Gore ist da nicht drin, was drin ist, deutet an, dass Itti in der Hinsicht nichts verlernt hat (was ich aber auch nicht annahm) – bemerkenswert: die einzige verbliebene echte Gore-Szene erfreut uns mit dem Herumwühlen in männlichen Genitalien. Warum die Vampirmonster sich „Matrix“-artiger Kung-fu-Tricks bedienen können, wird Olaf mir sicherlich nicht befriedigend erklären können, aber es sorgt für ein paar annehmbar cool gefilmte Actionszenen, die Vampirmasken sind gefällig und liegen auf gutem B-Niveau. Die visual FX besorgte übrigens Alex Lemke (Vortex). Es mag für manch einen nicht fair wirken, dass ich mich hier ausdrücklich auf eine massiv gekürzte Version beziehe, aber solche radikal bereinigten Versionen haben einen Vorteil – sie enttarnen Ittenbach um so deutlicher als inszenatorische Pfeife.

Christopher Kriesa (in „Legion of the Dead“ noch der freundliche Psychokiller von Nebenan) müht sich redlich, sowas ähliches wie die Held-by-default-Rolle zu übernehmen, was ein wenig daran scheitert, dass seine Figur nicht wirklich etwas heldenmäßiges tut (er wird entweder von den Gangstern herumgeschubst oder Alice rettet ihm den Arsch. Und warum er der Polizei eine Lügengeschichte auftischt, verstehe ich auch nicht wirklich). Er agiert passabel, aber ihm fehlt das Format, einen Film als Hauptdarsteller zu tragen – als wichtiger Nebendarsteller wie in „Legion“ ist er sicherlich besser aufgehoben.
Alice wird von Martina Ittenbach garselbst gemimt und, naja, sie ist ganz nett anzuschauen, aber schauspielerisch eben ein Totalausfall.
Vom ersten Gangster-Quartett gefällt Jaymes Butler als Tiny Lister für Arme am Besten – Itti besetzte ihn für „Dard Divorce“ erneut, ansonsten ist er in kleineren Rollen in größeren Produktionen wie „Ice Planet“, „Die Nacht der lebenden Loser“, „Resident Evil“ oder „Der Seewolf“ zu sehen.
Simon Newby („Beyond the Limits“, „Elementarteilchen“) nervt, Luca Maric (Der letzte Lude hat nicht viel zu tun, Mehmet Yilmaz („GZSZ“, „Moon 44“) leidet unter seinem aufgesetzten italienischen Akzent, ist aber ansonsten noch im Rahmen des Erträglichen.
Der altgediente Eurotrash-Kämpe Dan van Husen („Salon Kitty“, „Tender and Perverse Emanuelle“, „Der Todesrächer von Soho“, Killer Barbys vs. Dracula) tut als philosophischer Chef der zweiten Gangsterclique im Alleingang viel für den Unterhaltungswert der zweiten Filmhälfte, er scheint zumindest entschlossen, mit seiner Rolle Spaß zu haben, was sich auf den Zuschauer leidlich überträgt.
Daryl Jackson („Dard Divorce“, „Garden of Love“), James Matthews („Erkan & Stefan“, „Beyond the Limits“) und Wolfgang Müller („Die Männer vom K3“) tun sich schwer, dagegen anzuspielen.
Das Oberhaupt der Vampirsippe mimt eindruckslos Klaus Münster („GZSZ“, „Forsthaus Falkenau“).
Was Jürgen Prochnow geritten hat, sich nach Uwe Boll auch noch Olaf Ittenbach anzutun, ist eine Frage, die Filmhistoriker in hundert Jahren möglicherweise beantworten können, ich kann’s nicht. Immerhin behält sich der Kaleun seine Würde, spult seine Lines mit aller angebrachten Professionalität ab und hat, da er nur in den Verhörszenen mit Kriesa amtieren muss, mit dem doofen Restfilm nichts zu tun.
Der Regisseur selbst gönnt sich übrigens in aller angebrachter Bescheidenheit einen Cameo als Gefangener.

Bildqualität: Die mir vorliegende KJ-Version von marketing-film/Sunfilm kommt in hübschen anamorphem Widescreen, das die Kameraarbeit gut zur Geltung kommen lässt und frei von Verschmutzungen oder Defekten ist. Kein Einwand.

Tonqualität: Vier Tonspuren gibt’s zur Auswahl, jeweils (recht gut gelungene) deutsche Synchronfassung und englischen O-Ton in Dolby 2.0 und 5.1, gut abgemischt, in jeder Fassung klar verständlich und mit durchaus voluminösem Musikmix.

Extras: Ein ausführliches Making-of, wahlweise auf Deutsch oder Englisch. Hab ich mir zugegebenerweise nicht angetan, dürfte aber wohl etliche der geschnittenen FX-Sequenzen in voller Glorie beinhalten.

Fazit: Es bleibt dabei – von einem Regisseur, der nicht die Absicht hat, sich dramaturgisch weiterzuentwickeln, ist nichts zu erwarten. Ittenbach macht nur technische Fortschritte, er ist mittlerweile wirklich ein grundsolider Handwerker (oder beschäftigt zumindest solche), aber seine Filme sind von der Struktur, vom Inhalt her immer noch das Gleiche wie seine Amateurstreifen von Ende der 80er/Anfang der 90er. Ihn interessieren nur seine Gore- und Splattereffekte, das, was andere Leute „Handlung“ nennen würden, dient nur als bloßes notwendiges Mittel, um von einer Splatterszene zur nächsten zu kommen. Wenn man dann noch Tarantino imitiert, der sich vielleicht nicht als der große künstlerische Visionär entpuppt hat, für den man ihn nach „Reservoir Dogs“ und „Pulp Fiction“ gehalten hat, aber immerhin immer wieder unter Beweis stellt, dass man non-lineare Erzählweise, vermeintlich belanglose Dialoge und brachiale Gewaltausbrüche in einen sinnvollen filmischen Kontext stellen kann, aber in keinster Weise verstanden hat, dass Tarantino einen anderen „Selbstzweck“ hat als Ittenbach und bei aller manchmal angebrachter Kritik WEISS, was Dramaturgie, was Struktur ist (denn nur, wenn man die elementaren Grundbegriffe filmischer Struktur und dramaturgischen Aufbaus verstanden hat, kann man daran gehen, sie kunstvoll zu brechen), kommt halt wieder nur Murks raus. „Chain Reaction“ ist optisch hui, inhaltlich einmal mehr pfui. Für die handwerkliche und technische Finesse und die Tatsache, dass ich zumindest nicht versucht war, die Scheibe vorzeitig aus dem Player zu rupfen, vergebe ich großzügige zwei DVDs. Die Hoffnung, einen auch inhaltlich zumindest tragbaren Film aus dem Hause Ittenbach sehen zu dürfen, habe ich allerdings wieder einmal zu Grabe getragen.

2/5
(c) 2009 Dr. Acula


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