Centurion

 
  • Deutscher Titel: Centurion
  • Original-Titel: Centurion
  •  
  • Regie: Neil Marshall
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 2010
  • Darsteller:

    Michael Fassbender (Centurion Quintus Dias), Olga Kurylenko (Etain), Imogen Poots (Arianne), Andreas Wisniewski (Gratus), Dave Legeno (Vortix), Axelle Carolyn (Aeron), Dominic West (General Titus Flavius Virilus), Noel Clarke (Macros), JJ Feild (Thax), Lee Ross (Septus), David Morrissey (Bothos), Ulrich Thomsen (Gorlacon), Paul Freeman (Agricola), Liam Cunningham (Brick), Rachael Sterling (Druzilla)


Vorwort

Britannien im Jahr 117 nach Christus – die römische Invasion ist in etwa an der Grenze zum heutigen Schottland zu einem empfindlichen Stillstand gekommen. Die kriegerischen Pikten, mit denen die Römer es zu tun haben, halten nämlich wenig von klassischer Kriegskunst wie offener Feldschlacht, sondern zermürben die Invasoren mit Guerilla-Taktiken, so wie sie auch bei Nacht und Nebel die nördlichste römische Garnison angreifen und alles niedermetzeln – bis auf Zenturio Quintus, Sohn eines erfolgreichen Gladiatoren (und daher wohl Kampf-Kummer gewohnt), der aufgrund seiner piktischen Sprachkenntnisse für einen potentiell wertvollen Informanten gehalten wird – jedoch will er trotz Folter die Pläne des Gouverneurs Agricola nicht verraten…

Dabei wären die für Piktenkönig Gorlacon in der Tat hochinteressant – der Herr Gouverneur ist nämlich mittlerweile zum Schluss gekommen, dass auf dem undankbaren Posten am sprichwörtlichen Anus des Imperiums unter normalen Umständen kein Ruhm und keine Ehre zu verdienen ist, die man in der Heimat in klingende Münze, eh, ummünzen könnte, deswegen soll die neunte Legion unter Führung des eher rustikalen, aber bei seinen Legionären ausgesprochen beliebten Generals Virilus, doch bitte schön Gorlacon samt seiner Armee ausradieren. Kann doch nicht so schwer sein, oder? Und als besonderen Gunstbeweis gibt Agricola dem General noch die piktische (und stumme) Etain als Führerin mit. Beim Marsch in den Norden gabelt die Legion den von Pikten zum Zeitvertreib gehetzten Quintus auf und rettet ihm für den Moment das Leben, doch schon wenig später entpuppt sich Etain, wer hätt’s gedenkt, als verräterische Fiesmorchel und lockt die Legion in einen amtlichen Hinterhalt. Virilus wird entführt, nur eine Handvoll Legionäre (darunter ein Koch) überlebt das Massaker. Quintus übernimmt die Führung des Sprengels – die Legionärsehre gebietet es, den General zu befreien. Tatsächlich gelingt es Quintus‘ kleinem Trupp, in Gorlacons Hauptquartier einzudringen, doch die Befreiung des Generals scheitert, und zudem tötet einer der Römer eher versehentlich Gorlacons Sohn. Jetzt müssen die Römer die Hammelbeine hurtig in die Hand nehmen, denn diese Aktion verlangt nach Gorlacons Logik natürlich finsterste Blutrache, und Etain ist nur zu gern bereit, die Verfolgung aufzunehmen und spezielle piktische Gerechtigkeit walten zu lassen…


Inhalt

Neil Marshall. Ein talentierter Bursche, fraglos, aber noch hat mich keines seiner bisherigen Werke („Dog Soldiers“, „The Descent“, „Doomsday“) voll überzeugt; dennoch – Sandalenfilme (oder, sagen wir’s mal etwas neutraler, „historische Abenteuerfilme“) sind durchaus mein Ding und vielleicht kann’s Marshall ja besser, wenn er das phantastische Genre mal hinter sich lässt. Man kann ja hoffen.

„Centurion“ punktet schon mal grundsätzlich damit, einer der von mir bekanntlich geschätzten „Winterfilme“ zu sein – rotes Blut und weißer Schnee, das kontrastiert nun mal hübsch. Nach historischer Genauigkeit fragen wir mal lieber nicht, aber bei einem Streifen, der schon irgendwo in der Tradition der alten Sandalenklopper steht, ist es mir zumindest nicht wichtig, ob jeder römischer Legionär die richtigen Helme trägt oder der zweite Sekretär des Provinzgouverneurs den richtigen Namen hat. Wichtiger ist, wie in jedem Film, der Konflikt, den das Drehbuch postuliert, und die Charaktere, die ihn ausfechten. Insofern ist der hiesige Konflikt ein simpler, vielfach bewährter und unkaputtbarer – die Geschichte von der kleinen Soldatengruppe hinter den feindlichen Linien. Da macht’s eigentlich keinen großen Unterschied, ob man die Geschichte 1917 an der Westfront, 1943 in Russland oder 1968 in Vietnam ansiedelt – oder eben anno 117 in Britannien. Die Mechanismen sind die gleichen, nur die Kostüme sind anders. In der Hinsicht passt das bei „Centurion“ – die Charaktere in der Gruppe sind genau die, die man erwartet: wir haben grimmige, mißtraurische Veteranen, den Unerfahrenen (in dem Fall den Koch), der über sich hinaus wachsen muss, den verräterischen Egoisten und den quasi als Außenstehenden, als Neuling in die eingespielte Gruppe kommenden Helden, der die Führung und Verantwortung übernimmt; auf der anderen Seite haben wir erzböse, blutrünstige Barbaren, die aber, was mich auch gewundert hätte, da die Pikten ja die Rolle der britannischen Freiheitskämpfer übernehmen und ein britischer Regisseur wohl zumindest gewisse Sympathien für sie hegen sollte, genügend Background bekommen, um ihre Position – und auch ihre Unnachgiebigkeit – verständlich zu machen. Letztlich *sind* die Römer die Eindringlinge, die Aggressoren, und auch, wenn der Film auf ihrer Seite bzw. zumindest auf der Seite ihrer Frontschweine steht, so macht er schon klar, dass – wie auch noch zweitausend Jahre später – die wahren Schuldigen die sind, die sich hinter politischen Ämtern verstecken, kein persönliches Risiko eingehen, sondern ganze Armeen ind en Tod schicken, um sich einen politischen oder rein persönlichen Vorteil zu verschaffen.

Nun ist „Centurion“ trotz dieser Anklänge kein politisches Moralstück (wenngleich man unschwer Parallelen zu aktuellen Entwicklungen ziehen kann), sondern primär ein Abenteuer-Actionfilm, und zwar ein solcher, der in seiner Action-orientierten ersten Hälfte besser funktioniert… solange Marshall den Krieg an sich thematisiert, ist „Centurion“ durchaus packend, wirkt, wenn schon nicht realistisch, dann zumindest authentisch (die Authenzität wird ein wenig dadurch untergraben, dass die Dialoge für meinen Geschmack etwas zu modern sind. Die Jungs müssen nicht Latein reden, aber ein bisschen gestelzter, „antiker“, hätte man das gestalten können), und legt ein gutes Tempo vor, auch, da Marshall hier auch noch Gelegenheit hat, Schauplatzwechsel vorzunehmen, zwischen zwei Plotlinien umzuschalten und dadurch Leerlauf zu vermeiden. Halbzeit Zwo, in der sich „Centurion“ in die Gefilde des klassischen „Survival“-Films (Gruppe wird von Bösewichtern, ob nun übernatürlicher oder weltlicher Natur ist da ja egal, durch prinzipiell feindliche umweld gehetzt) verabschiedet, lässt dann doch deutlich nach, weil Marshall sich da in eine gewisse Sackgasse manöveriert – wenn schon, wie oben geschildert, der Kriegsfilm an sich keine große Unterschiede macht, *wann* er spielt, ist’s bei Survival-Filmen gleich noch wurschtiger, da auch „moderne“ Survival-Filme eben davon leben, dass die Protagonisten zu Barbaren „degenerieren“. Will sagen, ob nun eine Gruppe Urlauber von Hillbillies gejagt wird oder ein Haufen römischer Legionäre von piktischen Killerkommandos – it’s just about the same. Zudem muss Marshall den Streifen noch quietschend und krächzend zum Stillstand bringen, um mit Arianne die passende love interest für Quintus einzuführen, „Centurion“ erholt sich trotz eines rüden Schlussbattles nicht mehr so ganz von dieser Kaffeepause und schreitet dann zu einem vorhersehbaren „Twistende“ (EXTREMSPOILER: Quintus ist der einzige Überlebende, die Römer beschließen, ihn zu beseitigen, damit die schmähliche Schlappe der Legion vertuscht werden kann, er entkommt und kehrt zu Arianne in den Wald zurück. SPOILERENDE). Es sind, wie gesagt, durchaus bewährte Versatzstücke, die grundsätzlich funktionieren, aber das Script macht nicht wirklich etwas innovatives daraus.

Filmisch ist die Chose in Ordnung – Marshall ist fähiger Handwerker genug, um Ansehbares abzuliefern, auch wenn das Budget sicherlich nicht wahnsinnig üppig war (die Menge an Bauten und Kulissen ist überschaubar), sieht „Centurion“, auch dank einiger wirklich schöner Landschaftsaufnahmen, die auch auf Anhieb nicht unbedingt für „England“ (bzw. Schottland) gehalten hätte, recht hübsch aus, andererseits ist es, auch darüber muss man sich klar sein, größtenteils ein „Männer-laufen-durch-den-Wald“-Film und dagegen kann man durchaus mittlerweile allergisch gewesen sein. Die Kameraführung ist größtenteils gut, wenn auch nicht herausragend, in den Actionszenen regiert der „Private Ryan“-erprobte HD-Look und hyperaktive Zappelkamera – ich weiß nicht, wie’s Euch geht, aber… was nützten mir elaborate Schlachtchoreographieren, wenn ich aufgrund der epileptischen Anfälle des Kameramanns nicht *sehen* kann, was passiert? Es ist ein Gimmick, das man ab und zu gewinnbringend für das „mittendrin-statt-nur-dabei“-Gefühl einsetzen kann, aber es hat sich, für meine Begriffe, mittlerweile auch enorm abgenudelt, und ich wäre für Actionfilme, die die Action tatsächlich nachvollziehbar *zeigen*, auch mal wieder dankbar (der „Vorteil“ solcher Zappelcam-Gemetzel ist natürlich, dass man „härter“ werden kann – und „Centurion“ schlägt in dem Punkt ’ne ordentliche Harke -, weil die Splattereffekte ebenfalls nur sekundenkurz und verwackelt zu sehen sind) – fast folgerichtig, dass meine „Lieblingsactionszene“ der Zweikampf Etain-Virilus ist, bei dem eben nicht fünfhundert Statisten als graue Schemen von einem auf einen elektrischen Stuhl geschnallten Kameramann gefilmt werden, sondern nur zwei Kämpen, die’s sich zünftig geben.

Damit wäre schon gesagt – in Sachen blutiger Action legt „Centurion“ eine solide Hausnummer vor, spaltet Schädel und Gliedmaßen, dass es eine wahre Freude ist, aber eben meistens in solchen zappeligen Sequenzen, die kaum Gelegenheit bieten, in einem solchen FX-Shot zu „schwelgen“. Ich würde mich über eine KJ-Freigabe nicht wundern, in einer schwachen Stunde der FSK ist mit allen zugekniffenen Hühneraugen vielleicht aber auch ein liberales 16er-Rating drin.

Über die Hauptrolle dürfen wir Deutschen uns ein wenig mitfreuen – Michael Fassbender, der ausschließlich im englischsprachigen Reich tätige Deutsche (Inglourious Basterds, „Jonah Hex“, Eden Lake und demnächst der junge Magneto im nächsten „X-Men“-Film) erledigt als Quintus Dais einen guten Job – die Rolle ist sicherlich nicht *zu* fordernd (career soldier mit Verantwortungsbewusstsein, da gibt’s ’ne Schablone ‚für, sag ich mal), aber er ist sympathisch genug, macht in den Actionszenen einen guten Job und stinkt in den raren Charakterszenen nicht ab (wir Teutonen haben übrigens noch ’nen weiteren Vertreter im Cast, Andreas Wisniewski [[[Hush]], „Scorpion King 2“], in einer kleineren Legionärsrolle). Eine wirklich gute Vorstellung bietet Dominic West („Punisher: War Zone“, „300“, „Chicago“) als General Virilus – die unbändige Energie seiner Performance geht dem Film in der zweiten Hälfte, nach seinem Ausstieg aus der Geschichte, spürbar ab. Keine Einwände habe ich gegen die Ukrainerin Olga Kurylenko („Hitman“, „Max Payne“) als gnadenlose stumme Rächerin Etain und ihre Henchfrau Axelle Carolyn („Doomsday“), der Däne Ulrich Thomsen („Tell-Tale“, „The International“, „Adams Äpfel“) besticht in seinen knappen Auftritten als Pikten-König mit enormer Screenpräsenz. Imogen Poots (Chatroom, „28 Weeks Later“, „V für Vendetta“) müht sich, ist mir als Fassbenders love interest mit tragischem Background etwas zu blass. David Morissey („The Reaping“, „Mein Freund, der Wasserdrache“, „Basic Instinct 2“) und Liam Cunningham (Harry Brown, „Kampf der Titanen“, The Tournament) setzen in ihren Nebenrollen durchaus Akzente.

Fazit: Marshall bleibt sich treu – auch mit „Centurion“ liefert er keinen Überhammer ab, sondern einen Film, der mit der hübschen englischen Vokabel „serviceable“ gut umschrieben ist. Gute schauspielerische Leistungen, ordentlich harte, wenn auch unübersichtliche Action, ansehnlich fotografiert – das kann man sich gut ansehen, aber es ist, dank eines recht altbackenen Scripts und des dramaturgischen Hängers gegen Ende des zweiten Akts, eben auch nicht sonderlich bemerkenswert. Decent entertainment allemal, aber ein wirklicher Innovator wird Marshall wohl doch nicht mehr werden. Solider Querdaumen.

3/5
(c) 2010 Dr. Acula


mm
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