Cello

 
  • Deutscher Titel: Cello
  • Original-Titel: Chello hongmijoo ilga salinsagan
  • Alternative Titel: Cello |
  • Regie: Woo-Cheol Lee
  • Land: Südkorea
  • Jahr: 2005
  • Darsteller:

    Hyeon-a Seong (Hong Mi-Ju), Da-an Park (Kim Tae-Yeon), Ho-bin Jeong (Jun-ki), Jin Woo (Kyung-ran), Na-woon Kim (Sun-ae), Joo-na Lee


Vorwort

Die begabte Cellistin Mi-Ju hat nach einem (noch) nicht näher spezifizierten Unfall den Bogen an den Nagel gehängt, eine Familie gegründet und den weniger rock’n’rollenden Lifestyle einer Lehrerin gewählt. So großartig läuft’s aber nicht – ihr aktueller Job ist ein aushilfsweiser, und um den in eine permanente Anstellung umzuwandeln, hintet die Chefetage, könnte es sich anbieten, beim Uni-Dekan Schönwetter zu machen, z.B. ihm beim Autokauf behilflich zu sein (?) oder das Konzert der jungen Cellistin Kim zu besuchen – was Mi-Ju beinahe genauso aus der Fassung bringt wie die unverhohlene Drohung einer von ihr schlecht benoteten Schülerin, sich für die Zerstörung ihres Lebens fürchterlich zu rächen (Momang. Also selbst wenn man durch ’ne Prüfung rasselt… normalerweise kostet einen das doch höchstens ein Jahr zusätzliche Lernerei und ’nen neuen Anlauf?), und der dekorativ im Reifen ihres Protz-BMW deponierte Schraubenzieher scheint ein deutliches Indiz dafür zu sein, dass es sich dabei nicht um eine leere Drohung handelt.
Zuhause läuft’s für Mi-Ju etwas besser – ihr Ehemann und ihre zwei entzückenden Töchterchen haben Mami ganz doll lieb und Schwägerin Kyung-ran, die mit im Hause lebt und demnächst ihren derzeit in den USA weilenden Verlobten zu ehelichen gedenkt, macht auch keine Probleme. Dass Tochter Jin mit vielleicht zehn-zwölf Jahren ihre Periode bekommt, ist zwar etwas früh, aber nicht weiter besorgniserregend, schon eher ihre gleichzeitig entbrennende Leidenschaft für’s Cellospiel. Mi-Ju kauft ihr ein Instrument (und lässt sie dann in ihrem Zimmer ohne Noten oder einen Lehrer vor sich hin sägen. Kein Wunder, dass Jins Cellosoli der Velvet-Underground-„drone“-Schule folgen), wird aber ihrerseits davon überfahren, dass ihr Göttergatte eine (nach diversen Selbstmordversuchen verstummte) Haushälterin eingestellt hat. Creepy, creepy.
Ein durchschnittlicher badmovies.de-Leser nach vollständigem Durchleidens eines Cello-Konzerts. (Streitet es nicht ab. Ich kenn‘ Euch!)
Lehrerspinde sind doch erheblich langweiliger als Schülerspinde. Meistens.

In der Tat lassen sich die programmatischen unheimlichen Ereignisse nicht lumpen – Mi-Ju hat des Nächtens, ähm, sagen wir mal „Erscheinungen“, der Familienhund geht hops, in ihrem Uni-Spind findet Mi-Ju eine verwesende Taube, aber richtig lustig wird’s mit Kyung-rans Tod, einem vermeintlichen Selbstmord nach dem Anruf ihres Verlobten aus New York, der die Hochzeit abblies. Ein Anruf, der, wie die Polizei herausfindet, niemals stattgefunden hat…
Mi-Jus Ehemann kommt das Verhalten seiner Holden – als sie Jin böse anfährt, weil die ein bestimmtes Cellostück gespielt hat – langsam, aber sicher, sehr sehr komisch vor und unter Druck räumt sie ein, dass bei dem Autounfall, der ihre Cello-Karriere beendet hat, Tae-Yeon, eine Mit-Studentin und stets die Zweitbeste nach Mi-Ju, ums Leben kam. Was Mi-Ju begreiflicherweise nicht ausbuchstabiert, ist, dass sie fürchtet, Tae-Yeon würde sich jetzt aus dem Jenseits an ihr rächen. Da mag was dran sein – als Jin ihre kleine Schwester vom Balkon stürzen lässt, vertuscht Mi-Ju den Unglücksfall vor ihrem Mann. Und das ist nicht der einzige Punkt, in dem sie es mit der Wahrheit nicht so ganz genau nimmt…


Inhalt

Asiahorror. Das ist bei mir so’ne Sache. Ich will nicht – wie üblich – zu lange darauf herumreiten, dass asiatischer und westlicher Kulturkreis sich auch im Hinblick darauf, was als „angsteinflössend“ empfunden wird, stark unterscheiden, aber meine Erfahrungswerte sind halt so: das meiste, was an asiatischem Horror abgefeiert wird, finde ich höchstens erschreckend un-erschreckend. Ringu, „The Grudge“, „A Tale of Two Sisters“, das ist sicher alles hochgradig kompetent gemacht, aber nur selten für mich wirklich „scary“. Mag daran liegen, dass Asiahorror oft darauf setzt, nur mit Stimmungen und Imagery zu operieren und nachvollziehbare Storylines, schlüssige Geschichten, mit Anfang, Mittelteil, Ende und so’n Zeuch, bestenfalls als nachrangig, normalerweise als überflüssig erachten (von den Extrem-Gore-Filmchen Marke „Toyko Gore Police“ etc. will ich an der Stelle nicht reden. Das ist alberner, äh, Kinderkram für ein Debilpublikum). Nightmare Detective, „One Missed Call“, mit Einschränkungen der erste „Ring“, das sind die, die funktionieren, der Rest… ist nett gefilmte Langeweile.

Und trotzdem… seit ich vor einigen Monaten mal ein Review über „Cello“ (beim Kollegen Laughlin von Braineater, wenn ich nicht irre) gelesen habe, war ich dezent neugierig. Nicht SO neugierig, dass ich aktiv Maßnahmen zur Filmerlangung einleitete, aber immerhin neugierig genug, um, als mir der Film aus einem der letzten Sponsoren-Pakete entgegenpolterte, die Scheibe auf den Stapel „BALD kucken“ zu legen.

Was K-Horror angeht, ist meine „Erfolgsquote“ noch geringer als bei den Genossen aus Japan – „A Tale of Two Sisters“ z.B., geb ich zu, hab ich nicht durchgestanden. Ich habe zwar eigentlich den Anspruch an mich selbst, jeden Film, den ich anfange, auch bis zum Ende zu kucken, andererseits hab ich auch nur ’ne Lebenserwartung von 75-80 Jahren, da darf man dann auch mal „nöö, das muss jetzt echt *nicht* sein“ sagen. Regie- und Drehbucheintagsfliege Lee Woo-cheol arbeitet also, trotz meiner vorhandenen Grundneugier, gegen das Handicap des über der Stop-Taste schwebenden Daumens. Und das macht er… überraschend gut.

Ja, klar, es ist schon richtig, wie bei den meisten asiatischen Gruselfilmen (Horror ist ja eigentlich ein zu starkes Wort) darf man am Ende der Reise nicht wirklich ernsthaft darüber nachdenken, ob alles, was man da gerade gesehen hat, nun wirklich Sinn ergibt oder nicht, aber ich hatte zumindest das Gefühl, eine Story gesehen zu haben, die verfolg- und nachvollziehbar war (ich rechne den obligatorischen Twist und die darauf folgenden letzten fünf Filmminuten mal großmütig ab. Das ist nicht von Shalalamadingdong-mäßiger Dussligkeit und verleidet nicht die 90 Minuten davor, aber es hätte halt nicht sein müssen…). . Was womöglich nun wieder daran liegt, dass Lees Prämisse unschwer auf dem alten E.C.-Grundprinzip, der Rache aus dem Jenseits für begangenes Unrecht basiert, und das ist erprobt, bewährt, nicht exklusiv auf einen Kulturkreis anwendbar und, sofern mit einem Mindestmaß an Kompetenz angegangen, eigentlich unkaputtbar. Lee geht an diese Thematik mit deutlich asiatischem Flair heran – anstatt, wie’s bei „uns“ üblich wäre, mit der Missetat anzufangen, deckt er die Karten erst spät auf, lässt den Zuschauer, genau wie die Protagonisten, im Unklaren über das „Warum“. Er deutet an, streut leise Hinweise, entwickelt seine Hauptfigur (man kann Lee vorwerfen, dass ihm seine Nebenfiguren ziemlich schnurz sind – Mi-Jus Ehemann hat, wenn ich das nicht gänzlich verpennt habe, nicht mal einen Namen, obschon er eine wichtige Rolle spielt, die Kinder haben keine echte Persönlichkeit und auch Kyung-ran ist eigentlich nur da, damit’s ein „cannon fodder“-Opfer gibt, bevor der „Geist“ sich direkt an Mi-Jus unmittelbare Familie hält). Der letzte Punkt ist Lees Hauptaufgabe – Mi-Ju „startet“ ihren character arc als das designierte „unschuldige Opfer“. Damit Lees Plot funktioniert, müssen wir zum dritten Akt aber *mindestens* die berühmten „berechtigten Zweifel“ an ihrer Integrität und Glaubwürdigkeit haben. Das gelingt gut, bringt allerdings naturgemäß das Problem mit sich, dass unsere Hauptfigur zunehmend „unlikeable“ wirkt (an der Stelle würde es dann helfen, wenn die Nebenfiguren etwas definierter, etwas besser ausgearbeitet wären).

Aber es funktioniert – weil das zugrundeliegende Mystery interessant ist und Lee, auch wenn er in Tradition des neuen asiatischen Gruselkintopps die Geschichte langsam, bedächtig entwickelt, sich nicht nur auf ein-zwei BUH!-Momente verlässt (wiewohl er bei zumindest einem Image nicht bestreiten können wird, hier ein der Sadako-Fernseher-Szene vergleichbares Bild schaffen zu wollen), sondern tatsächlich intensive, spannende Szenen zu schreiben und zu inszenieren. Kyung-rans Abgang, die, eh, Auseinandersetzung der beiden kleinen Töchter, Mi-Jus Konfrontation mit ihrem Ehemann und der „Showdown“ mit Jin, das sind durchaus packend gestrickte Szenen. Und auch hier löst sich Lee etwas von den offensichtlichen Vorbildern Nakata und Shimizu – er ist sich nicht zu schade für einige drastische, blutige Make-ups. In einem Genre, das Blutleere quasi zur eigenen Kunstform erhoben hat, ist es regelrecht erfrischend, wenn ein Regisseur dann doch die etwas gröbere Kelle auspackt…

Anyway, „Cello“ mag ein zurückhaltendes Tempo vorliegen, entwickelt aber dennoch beeindruckende Sogwirkung. Lee kennt keine Tabus (Tiere und Kinder sind fair game), lässt sich zudem einiges an Kameratricks und -kniffen einfallen, um vermeintlich statische Szenen aufzubrechen, und zieht die Spannungsschraube geschickt an. Der Twist kurz vor Toresschluss ist, wie schon erwähnt, herzlich unnötig, aber nicht explizit ärgerlich – ohne würde mir der Film sicher besser gefallen, es wirkt ein wenig nach einem Twist um des Twists willen, weil Horrorfilme heutzutage am Ende eben noch mal alles auf den Kopf stellen *müssen*, egal, ob die Story befriedigend abgeschlossen ist oder nicht.

Wie bei koreanischen Filmen gewohnt, gibt’s handwerklich grundsätzlich nichts auszusetzen – „Cello“ sieht vielleicht etwas weniger geschniegelt aus als man es von den superstylish-gelackten K-Blockbustern a la“Shiri“ oder Arahan gewohnt ist, was aber auch an der nicht gerade herausragenden DVD-Umsetzung liegen kann. Kameraarbeit (mit einem Faible für starke Konzentration auf die Bildmitte) und Schnitt bewegen sich auf solidem Niveau mit ein paar netten Einfällen, einige Details (wie dass Mi-Ju es nicht mal geschafft hat, die Spracheinstellungen ihres BMW-Bordcomputers umzustellen, das Auto kommuniziert auf Deutsch…) finde ich recht amüsant, und die Atmosphäre ist insgesamt angenehm creepy, unheimlich und bei aller Fantasterei immer noch glaubwürdig (da die Story durchaus die Möglichkeit offen lässt, dass alles nur eine mördermäßige Psychose der Protagonistin ist).

Der Score ist, dem Thema angemessen, klassisch orientiert und cello-zentriert. Nicht gerade ohrwurmverdächtig, aber völlig passend. Die FSK 16 geht angesichts der Handvoll Sudeligkeiten in Ordnung.

Die schauspielerischen Leistungen könnten durch die Bank etwas besser sein – ja, wir haben ein Rudel durchaus attraktiver K-Babes zu bekucken (die allerdings züchtig bekleidet bleiben, bäh), Seong Hyeon-a erledigt zwar prinzipiell einen passablen Job, die Bandbreite zwischen „überraschtes Opfer“, „kalter Lügnerin“ und „verzweifelt Wahnsinniger“ abzubilden, aber irgendwie ist sie mir, obwohl das teilweise sicher gewollt ist, etwas *zu* distanziert, zu „unrelatable“, zu abweisend. Park Da-an als ihre übernatürliche Widersacherin (plus ihre real-körperliche Inkarnation in Flashbacksequenzen) ist okay – ihre „Geistererscheinung“ ist ein bissl sehr Standard-Goth, doch praktikabel, in den Flashbackszenen ist sie, eh, lebhaft.
Jeong Ho-bin dürfte Mi-Jus Ehemann spielen (doch der Schlag soll mich treffen, wenn ihn jemals jemand mit dem Charakternamen Jun-ki angeredet hat). Asia-Allesseher könnten ihn aus „Legend of the Shadowless Sword“ kennen. Seine Darstellung hier ist (wenn er spielt, wen ich glaube dass er spielt) ist mir etwas zu farblos.
Die Darstellerin der älteren Tochter Jin ist durchaus creepy (wenn sie auch, wie auch Park Da-ans finale Geister-Erscheinung, gewisse verwandschaftliche Beziehungen zu Sadako nicht verleugnen können wird), die jüngere Tochter dagegen nervtötend.

Bildqualität: Hierzulande wird „Cello“ von (u.a.) Evolution vertrieben. Der verwendete anamorphe 1.78:1-Print ist leider nicht sehr überzeugend, grieselig, in Schärfe und Kontrast allenfalls durchschnittlich und auf HD-Equipment kein Augenschmaus. Das ginge deutlich besser.

Tonqualität: Ausschließlich deutscher Ton in Dolby Digital 5.1 EX. Die Synchro ist grundsätzlich in Ordnung (auch wenn ich dem Synchronautoren gerne den Unterschied zwischen einem „Antiquitätengeschäft“ und einem „Antiquariat“ nahebringen würde) und passend besetzt, O-Ton-Fetischisten kucken aber (ebenso wie Freunde des gepflegten Untertitels…) in die Röhre. Ob die Tonspur unbedingt auf 5.1 EX hochgejazzt werden musste, ist zweifelhaft – so arg viel denkwürdiges tut sich an Musik und Effekten nicht.

Extras: Trailershow (entgegen Coverangabe nicht mit dem „Cello“-Trailer).

Fazit: Ich hatte eigentlich trotz meiner Grundneugier damit gerechnet, „Cello“ auf den Haufen „langweiliger Asiakram“ werfen zu müssen, aber, surprise, der Streifen entpuppte sich als solides Stück atmosphärischer Grusel-Horror-Kintopp, technisch ordentlich und gelegentlich sogar einfallsreich gewerkelt, bis auf den Schlusstwist plausibel geschrieben (wer, und ich hab dahingehend einige Reviews gelesen, Probleme damit hat, der Story zu folgen, sollte sich vielleicht ein anderes Betätigungsfeld suchen. Telefonbücher abtippen o.ä.) und okay, wenn auch verbesserungsfähig gespielt. Ein-zwei „harte“ Sequenzen mehr hätten vielleicht nicht geschadet, nichtsdestotrotz lasse ich mich trotzdem als gemeinhin von J- und K-Horror eher unbeeindruckter Reviewer zu einer Empfehlung hinreißen lassen. Wer ohnehin auf „Ringu“ & Co. steht, dürfte sowieso angetan sein, da Lee sich durchaus im dortigen Zitatenschatz bedient, aber auch diejenigen, denen „The Grudge“ und Konsorten zu langweilig sind, dürfen mal reinschauen. „Cello“ ist sicherlich kein Tempoburner, keine Splattergranate, doch wer ein Faible für, na, sagen wir mal, atmosphärischen 70er-Jahre-Grusel hat, könnte positiv überrascht werden.

3/5
(c) 2012 Dr. Acula


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