Castle Freak

 
  • Deutscher Titel: Castle Freak
  • Original-Titel: Castle Freak
  •  
  • Regie: Stuart Gordon
  • Land: USA
  • Jahr: 1995
  • Darsteller:

    Jeffrey Combs (John Reilly), Barbara Crampton (Susan Reilly), Jessica Dollarhide (Rebecca Reilly), Jonathan Fuller (Giorgio), Massimo Sarchielli (Giannetti), Elizabeth Kaza (Agnese), Luca Zingaretti (Forte), Helen Stirling (Duchessa), Alessandro Sebastian Satta (JJ), Raffaella Offidani (Sylvana)


Vorwort

Unerwartete Nachrichten für die amerikanische Durchschnittsfamilie Reilly – eine italienische Gräfin hat den Löffel geschmissen und uns John Reilly ist tatsächlich der letzte Abkömmling der ollen Adelslinie (seines Zeichens Sohn der gräflichen Schwester, ohne dass Frau Mama ihre edle Abkunft in Amerika an die große Liberty Bell gehängt hätte) und hat nun ordentlich geerbt. Leider keine Penunze, gehörte die Duchessa zum verarmten Adel, aber immerhin ein recht voluminöses Schloss in der italienischen Pampa. John packt also Kind (die erblindete Rebecca) und Kegel (sein Eheweib Susan), um sich den Erbhof mal anzusehen und mit dem Anwalt Giannetti zu beratschlagen, wie man die Hütte baldmöglichst in zählbare Moneten verwandelt.
Nebenher würde John den Familienausflug auch gerne dazu nutzen, das amtlich zerrüttete Verhältnis zu Susan zu kitten. Man muss nämlich wissen: John hat vor zwei Jahren einen Autounfall gebaut, bei dem Rebecca sich ihre Blindheit eingehandelt hat UND der fünfjährige Sohnemann JJ in die ewigen Jagdgründe auffuhr. Susan macht John persönlich für dieses und offenkundig jegliches weitere Elend der Welt verantwortlich und lässt den Männe darob insbesondere nicht mehr ran. Klare Sache, dass das John a) in den Suff und b) den Arm der nächstbesten italienischen Bordsteinschwalbe treiben wird.
Aber noch sind wir nicht ganz so weit – was nämlich unsere fröhlichen Reillys nicht wissen, ist, dass sie nicht nur ein stolzes Schloss geerbt haben, sondern noch einen allgemein unbekannten Bewohner desselben. Die alte Gräfin hielt nämlich in den Katakomben des Schlosses eine ominöse missgebildete Kreatur in Ketten. Und die hat sich aus ihrem Gefängnis befreit… Rebecca ist die erste, die vermutet, dass die Familie im Schloss nicht allein ist, aber natürlich werden ihre diesbezüglichen Beteuerungen für Hirngespinste eines lädierten Teenie-Hirns gehalten.
Nun, zurück zu John und seiner nuttigen Bekanntschaft. Johnny schleppt die Dirne ins Schloss ab und verschießt sein Pulver dort sehr schnell. Pech für ihn, dass die Dame des horizontalen Gewerbes postkoital spurlos verschwunden und die Polizei John ob des Umstandes, als letzter mit ihr gesehen worden zu sein, für chronisch verdächtig hält. Natürlich ist John unschuldig, fristet das Girl doch mittlerweile ein kurzes Rest-Dasein im Kellergemach des Schlossfreaks, der bei John abgekuckt hat, was man mit so einem nackten Weibsstück so macht, aber ein paar Feinheiten nicht so ganz verstanden hat – wenn man einem Mädel in die Brüste beißt, dann sollte der Hintergedanke dabei nicht unbedingt das Fressen sein.
Während sich die Eheleute Reilly weiterhin angiften, die Haushälterin des Schlosses (und Giannettis Schwester) verschwindet (weil sie dummerweise dem Monster begegnet ist), verfällt John zunehmend dem Wahnsinn – überall wittert er Erscheinungen von JJ, erst recht, nachdem das Foto des angeblich mit fünf Jahren verblichenen Gräfinsohns Giorgio erstaunliche Familienähnlichkeit mit JJ aufweist. Giannetti setzt ihn zudem darüber in Kenntnis, dass seine Mutter nicht wie bislang gedacht die Schwester der Gräfin, sondern die Gräfin selbst war. Als die Polizei auf der Suche nach der verschwundenen Nutte nun doch das Schloss durchsucht – unpraktischerweise gerade, als Susan John mitsamt Rebecca verlassen wollte, aber polizeilich daran gehindert wird -, entdeckt sie zwei übel zugerichtete Leichen – und John, eh schon halb hysterisch und daher nicht unbedingt vertrauenswürdig, wandert erst mal in Gewahrsam. Zwischen den handgreiflichen Verhören zieht John zwar die korrekten Schlüsse (leichte und auch schwere Schläge in die Fresse erhöhen also doch das Denkvermögen), mithin, dass Giorgio nicht als Kind starb, sondern von der Gräfin als persönliches „fuck you“ an seinen Vater gefangen gehalten und gefoltert wurde und nun als mordgieriges Monstrum umhermeuchelt, aber es könnte schon zu spät sein – denn Giorgio interessiert sich sehr stark für Rebecca…


Inhalt

Ein weiterer Mosaikstein aus dem Bild „als Full Moon mal Ambitionen hatte und damit auf die Nase fiel“ – auch „Castle Freak“ war einst für einen Kinoeinsatz konzipiert worden, geriet aber in das Chaos des Ende des Paramount-Vertriebsdeals und wurde schließlich als DTV-Premiere und unter komplett eigenständiger Full-Moon-Vermarktungsägide veröffentlicht (die Laserdisc kam, wenn ich mich nicht ganz irre, mit Unterstützung von Pioneer auf den Markt). Charles Band versuchte damit, die unter Empire-Ägide bereits zweimal erfolgreich besuchte Formel „Lovecraft + Stuart Gordon + Jeffrey Combs + Barbara Crampton = WIN!“ ein drittes Mal abzugrasen – wobei die Idee dazu wohl hauptsächlich von Stuart Gordon kam. Als der nämlich zum Projekt stieß, bestand das, wie bei Full Moon nicht unüblich, bis dahin nur aus einem Titel und einem Poster, und, wie Gordon sich im Interview auf der Blu-Ray erinnert, war es Charlie Band herzlich egal, was genau Stuart Gordon zu drehen gedachte, so lange ein „Castle“ und ein „Freak“ drin vorkämen.

Mit Dennis Paoli als ausformulierendem Drehbuchautoren entschied Gordon sich dafür, Inspiration bei der Lovecraft-Geschichte „The Outsider“ zu suchen und zu finden. Die Story gehört nicht zum Cthulhu-Mythos, sondern steht wohl am stärksten von allen Lovecraft-Geschichten in der Gothic-Tradition von Edgar Allan Poe; ein kurzes Traktat über eine Person, die ihr ganzes Leben ohne menschlichen Kontakt in einem Schloss gelebt hat, eines Tages den Übergang in eine andere Welt findet, dort auf andere Menschen trifft, die panisch vor ihm flüchten, weil er, wie er in einem Spiegel erkennt, grausam entstellt ist. Er versucht, in seine Welt zurückzukehren, doch die Tür ist verschlossen, er hat also nur eine Art Einsamkeit gegen eine andere, schlimmere eingetauscht. Das ist zwar durchaus kraftvolles Garn, aber eher wenig filmisch und ganz gewiss zu zerebral für eine Full-Moon-Produktion. Ergo bleibt aus der Lovecraft-Vorlage in Script und Film eigentlich nur das Motiv des jahrzehntelang Eingeschlossenen, der sich eines Tages befreit, übrig, und aus dem psychologischen Drama wird eine simple Monstergeschichte. Aber, immerhin, es ist eine stringente, in sich weitgehend schlüssige Geschichte, und damit hat „Castle Freak“ schon ganzen Legionen von Full-Moon-Produktionen einiges voraus…

Paolis Script kombiniert den Monster-Horror mit dem Auseinanderbrechen einer Familie – dysfunktionale Familien sind nun einmal ein beliebtes Trope des Horror-Genres, erlaubt es doch dem „Bösen“ nach Wahl in schon vorhandene Risse in der vermeintlich heilen Welt einzudringen und diese zu vergrößern. Dem „Castle Freak“-Buch gelingt dies erstaunlicherweise (erstaunlich deswegen, weil Full Moon nunmal ein funktionierendes Drehbuch mit Charakteren, die sich wie echte Menschen verhalten, eindeutig bestenfalls als Bonus, keinesfalls aber als zwingend notwendig erachtete) ziemlich gut. Verlust, Schuldzuweisungen und Schuldgefühle bringen eine zusätzliche psychologische Ebene ins Spiel, die gewisse Verhaltensweisen plausibel macht – dass Susan und John mit allenfalls mäßigem Erfolg vor Rebecca (die blind, aber nicht blöd ist) Eitel Freude Sonnenschein vorgaukeln, dass Susan von John auf einer ganz körperlichen Ebene angewidert ist (obwohl, das muss man auch sagen, der Unfall nicht wirklich Johns „Schuld“ war. Es war eben das, was es war, ein Unfall, wie er passiert), John sich durch die Zurückweisung gekränkt und frustriert einer Nutte an den Hals schmeißt oder Susan John trotz erster gegen ihn Verdächtigungen schmählich im Stich zu lassen gedenkt. Auch die Positionierung des Castle Freaks als tragisches Monster funktioniert weitgehend – er ist ein Wesen, das in seinem Leben nur Gewalt, Erniedrigung und Gefangenschaft erlebt hat und demzufolge in seinen Versuchen, das zu imitieren, was es von John „lernt“, praktisch alternativlos zu gewaltsamen „Lösungen“ kommen muss (exemplarisch eben, als es John beim Sex mit der Nutte beobachtet und das vermeintlich Gelernte dann bei der gleichen Person blutig-missverstehend umsetzt). Nicht alles allerdings, was das Script postuliert, funktioniert – die Enthüllung, dass John quasi des Monsters Bruder ist, führt dramaturgisch nicht zum Lustgewinn, es ist ein hin- und weggeworfener plot point, aus dem Paoli und Gordon nichts entwickeln, und der, wenn man ehrlich ist, auf dem Boden des Schneideraums hätte sein Schicksal erfüllen sollen. Auch die Parallelen zwischen JJ und Giorgio wirken ein wenig gezwungen, ein krampfhafter Versuch, Johns Zustand ambivalenter zu machen (was allerdings insofern nix bringt, als wir als Zuschauer ja von Anfang an wissen, dass es das bewusste Monster gibt und sich uns daher die Frage, ob John vielleicht eine amtliche Vollklatsche entwickelt, nicht in der gleichen Form stellt wie den Charakteren im Film – also einer der Fälle, in denen „suspense“ im Hitchcock-Sinn verschenkt ist).

Das Script ist also, im Großen und Ganzen, in Ordnung und sicherlich eins der besten, das Full Moon je verfilmte. Dass der Film dann trotzdem kein Burner wurde, sondern sich allenfalls in der „yeah, it’s okay“-Kategorie einordnet, liegt zum Großteil an Stuart Gordon, den ich, seinem Standing in der Szene zum Trotz, immer noch nicht für einen sonderlich guten Horror-Regisseur halte – seine für mich besten Filme sind die, in denen er relativ bis recht weit weg vom Genre operierte: „Stuck“ und „Edmond“ (und, soweit ich dem Buschfunk trauen darf, weil ich den tatsächlich noch nicht gesehen habe, wohl auch „King of the Ants“). Auch „Castle Freak“ ist wieder mal relativ tranig inszeniert. Der Film profitiert zweifellos vom location shooting (Drehort war ein Schloss, dass Charlie Band einige Jahre vorher bei seiner Expansion nach Italien gekauft und zu seinem Familienstammsitz gemacht hatte) und der phasenweise bemerkenswerten Kameraarbeit von Mario Vulpiani („Puma-Man“, „Die verrücktesten 90 Minuten vor Christi Geburt“, „Das große Fressen“, „Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?“), aber Gordon fehlt wie öfter mal in seinen Filmen der rechte Zug, das richtige Pacing, das optimale Timing – zumal „Castle Freak“ im Vergleich zu „Re-Animator“ und „From Beyond“, die die Special-FX-Arbeit bis ins Absurde steigerten, in der Hinsicht vergleichsweise zurückhaltend, „realistisch“ ist, und seine blutigen Einlagen sehr dosiert einsetzt (reichte natürlich trotzdem, um der ungeschnittenen Fassung in den USA ein „R“ zu verweigern; die aktuell kursierenden DVD- und Blu-Auflagen beinhalten allerdings den 95-Minuten-Unrated-Cut). Die sparsamen Blut-Szenen sind dann aber doch ordentlich ruppig und das (anatomisch korrekte, ähem) Ganzkörper-Nackt-Make-up für den Freak, unter dem übrigens „Pit and the Pendulum“-Hauptdarsteller Jonathan Fuller steckt, ist ebenfalls für das Budget einer Full-Moon-Produktion ordentlich (an der Stelle mus sich anmerken, dass die sexuelle Komponente des Freak-Gelüstes nach der offenkundig minderjährig sein sollenden Rebecca schon ein wenig … heikel riecht). Was man jedenfalls konstatieren wird – Full Moon hätte öfter mal versuchen sollen, sich am italienischen Gothic Horror zu orientieren, das wäre etwas gewesen, was der Laden mit seinen Budgets und seiner technischen Kompetenz hätte stemmen können.

Richard Bands Score zitiert wieder mal eifrig Bernard Herrmann – nicht ganz so plagiierend wie bei „Re-Animator“, aber doch merklich und dabei ohne große memorable Themes (erwähnte ich, dass ich Richard Band für einen überschätzten Komponisten halte?).

Jeffrey Combs überzeugt in der Hauptrolle – es ist eine etwas andere Rolle als man von ihm gewohnt ist, nicht der überdrehte Freak, sondern der gebeutelte Familienvater, was eine etwas andere schauspielerische Herangehensweise bedingt. Combs beherrscht aber auch diese feinere Klinge und stellt unter Beweis, dass er nicht nur ein guter Horror-Schauspieler ist, sondern ein guter Schauspieler period. Die Crampton ist adäquat (wenn auch in diesem Film sehr zugeknöpft) – ihr Charakter wächst einem nicht unbedingt ans Herz, aber es ist ja durchaus ein Punkt des Scripts, dass sich die Reillys auseinandergelebt haben und beide ihre menschlichen Schwächen gehegt und gepflegt haben. Fuller muss als Castle Freak nicht mehr als growlen, Jessica Dollarhide kann mich als Rebecca gar nicht überzeugen (klar, wer „blind“ spielt, spielt automatisch „steif“, aber es ist sehr sehr hölzern und emotionslos). Der italienische Routinier Massimo Sarchielli („Die Nackte und der Kardinal“, „Das Vatikan-Komplott“, „Der Sizilianer“), Elisabeth Kaza („Iron Warrior“, „Schiff der Träume“, „Ein Haus in der Toskana“) und Helen Stirling („Schiff der Träume“ – ist wohl der einzige Full-Moon-Film mit zwei Fellini-Alumnis, „Wettlauf nach Bombay“) bilden das Kontingent erfahrener europäischer character actors für die tragenden Nebenrollen, Raffaella Offidani („The Smile of the Fox“, „Voyeur“) sorgt für die notwendige Freizügigkeit.

Die Blu-Ray von 88 Films bietet einen ordentlichen HD-Transfer, den Ton wahlweise im Original-Stereo oder 6-Kanal-Upmix, ein kurzes Videointerview mit Stuart Gordon, natürlich die passende „Video Zone“ und als besonderen Gag „The Evil Clergyman“, die kurze Lovecraft-Adaption mit Combs, die ursprünglich Teil des Anthologiefilms „Pulse Pounders“ werden sollte und von Full Moon auch als Einzel-DVD veröffentlicht wurde (mehr als VHS-Workprint-Quality gibt’s natürlich auch hier nicht).

Fazitös: „Castle Freak“ hat mir bei der Neusichtung nach gut zwanzig Jahren ein gutes Stück besser gefallen als damals, als die Erde noch jung war und Dinosaurierer über die Prärie streiften (aka 1995) – auch wenn der Streifen nicht viel mit Lovecraft zu tun hat und noch weniger mit den exaltierten FX-Sudeleien von „Re-Animator“ und „From Beyond“, so hat er doch ein ziemlich gutes Script und bietet eine durchaus beachtliche Performance von Jeffrey Combs in einer eher untypischen Rolle, sowie ordentliche FX. Natürlich hätte die Nummer deutlich flotter inszeniert werden können, aber als mal komplett ernsthafter Monsterhorror geht „Castle Freak“ ganz okay – man sollte halt kein Meisterwerk erwarten, sondern „nur“ einen ordentlichen, passablen B-Horror.

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 6


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