Carriers

 
  • Deutscher Titel: Carriers
  • Original-Titel: Carriers
  •  
  • Regie: Alex Pastor, David Pastor
  • Land: USA
  • Jahr: 2009
  • Darsteller:

    Lou Taylor Pucci (Danny), Chris Pine (Brian), Piper Perabo (Bobby), Emily VanCamp (Kate), Christopher Meloni (Frank), Kiernan Shipka (Jodie), Mark Moses (Doctor), Dylan Kenin (Tom), LeAnne Lynche (Rose), Jan Cunningham (Passagier)


Vorwort

Wieder einmal hat eine Seuche den überwiegenden Teil der Menschheit dahingerafft. Irgendwo in Amerika sind die Brüder Danny und Brian mit Brians Freundin Bobby und der irgendwo aufgegabelten Kate mit ihrem geklauten Mercedes, den sie „Road Warrior“ getauft haben, unterwegs – das Ziel: ein Strand, an dem Danny und Brian in unbeschwerten Jugendzeiten regelmäßig ihre Ferien verbracht hatten, und wo sie sich nun in einem schon vor der Katastrophe verlassenen Hotel einigeln wollen, bis die Krankheit (oder die Menschheit, whatever comes first) ausgestorben ist. Zwecks besserer Überlebenschancen haben sie einige Regeln aufgestellt, die vor allen Dingen den (freilich nach Möglichkeit zu vermeidenden) Kontakt mit Infizierten angeht – z.B. keine Hilfsbereitschaft zeigen, weil den Kranken eh nicht zu helfen ist. Das geht so lange gut, bis sie auf Frank und seine – infizierte – Tochter Jodie treffen. Frank bittet eigentlich nur um ein wenig Sprit, um zu einem Seuchenkontrollzentrum durchzukommen, von dem er über Funk gehört hat. Beim hektischen Ausweichmanöver schrottet Brian den Road Warrior. Notgedrungen müssen sich die beiden Grüppchen zusammenschließen – Frank muss zu seiner Tochter in den notdürftig abgedichteten Kofferraum steigen (ist ein Kombi, also noch halbwegs menschenwürdig). Das Seuchenkontrollzentrum erweist sich als vollständiger und totaler Schuss in den Ofen, doch die Nachwirkungen einer schockierenden Entdeckung (und Jodies schwache Blase) bieten dem wenig leutseligen Brian eine günstige Gelegenheit, Frank und den Seuchenherd Jodie loszuwerden. Nur doof, dass sich Bobby in einem unbeobachteten Moment schon bei Jodie angesteckt hat und diese Tatsache nach Kräften vertuscht. In einem Golfresort stößt das Quartett auf einen Trupp unfreundlicher Survivalisten, die aus verständlichen Erwägungen gern die Mädels behalten würden – doch bei optischer Überprüfung zeigt sich Bobbys Infektion. Schon bald müssen harte Entscheidungen getroffen werden und wird eine brüderliche Beziehung auf die fieseste aller möglichen Proben gestellt…


Inhalt

Generell mal für alle FFF-Reviews – eine allgemeine SPOILER-Warnung. Ich versuche, mich einigermaßen zu beherrschen, aber wie üblich werden manche Aspekte der Filme nicht diskutierbar sein, ohne den ein oder anderen Plottwist o.ä. zu verraten.

FFF-Auftakt 2009 – ist lange her, dass ich mal bei der Opening Night war… „Carriers“, eine „Weltpremiere“ im Rahmen des FFF, wurde als „anspruchsvoll“ angekündigt. Hm. Ich weiß ja nicht. Wenn „anspruchsvoll“ bedeutet, dass ein Film erkennbar von denkenden menschlichen Wesen (im Gegensatz zu unterbelichteten Gorepansen) angefertigt wurde, dann ist „Carriers“ wohl wirklich anspruchsvoll.

„Originell“ hat keiner behauptet – und da liegt dann der Hase eher im Pfeffer. Lobenswert ist beim Debütwerk der spanischen Pastor-Brüder, die nach zwei Kurzfilmen direkt den Sprung nach Hollywood geschafft haben, dass auf den üblichen „Infizierten=Zombies“-Kram, der mittlerweile auch dem wohlmeinendsten Genreanhänger gelinde aus den Ohren raushängt, verzichtet wurde. Infizierte sind krank und sterben irgendwann mal, Punkt. Infizieren kann man sich durch Übertragung von Körperflüssigkeiten (Blut, Speichel) – da die Infizierten aber nicht gezielt Jagd auf Gesunde machen, hab ich ein kleines Grundsatzproblem mit der Prämisse – ich kaufe sie einfach nicht. Die Krankheit scheint von der extrem *schwer* übertragbaren Sorte zu sein und bei aller Freundschaft, zugekniffenen Augen, weil sonst die Plotte nicht funktionieren würde, und ins Kalkül gezogen, dass den hellsten Köpfen kein Gegenmittel einfällt, mag ich nicht so recht an den totalen globalen Zusammenbruch glauben (wenn man bedenkt, welche Hysterie bei vergleichsweise lächerlichen „echten“ Pandemien wie Vogel- oder Schweinegrippe ausbricht, kann ich mir nicht vorstellen, dass eine relativ langwierig zum Tode führende und eben nicht einfach zu übertragenden Krankheit wie dieser hier nicht erfolgreich Quarantänezentren etc. eingerichtet werden könnten, um die Seuche relativ frühzeitig zu isolieren).

Aber – und das ist der zentrale Punkt – die Krankheit, der Auslöser der Katastrophe, das ist ein Detail, dass die Gebrüder Pastor bestenfalls am Rande bis gar nicht interessiert. Es ist Backdrop, notwendige Voraussetzung, um die Situation zu schaffen, in die sie ihre Charaktere werfen wollen. Womit das Geheimnis von „Carriers“ gelüftet ist – es ist kein Horrorfilm (im Wortsinne), sondern ein Charakterdrama, und im Kern, ein coming-of-age-Drama. Danny, der jüngere Bruder, muss lernen, eigene Entscheidungen zu treffen, sich aus dem Schatten seines tatkräftigen (dafür halt wie üblich etwas einfältigeren und hitzköpfigen) Bruders zu lösen, auch wenn das ein schmerzlicher Prozess ist und ihn sogar von seiner einzigen anderen Bezugsperson (Kate) entfremdet; ein bisschen „Stand by me“ meets „Quiet Earth“ meets „28 Days Later“ (ohne „Zombies“), wenn man so will. Ein weiteres Thema ist die Frage, wie viel Menschlichkeit man sich in einer Extremsituation bewahren muss, kann oder vielmehr darf (die hartherzigen Regeln, die Brian aufgestellt hat, sind, wenn man alles mal Revue passieren lasst, völlig richtig; zu bedrohlichen Schwierigkeiten kommt es nur, wenn diese Regeln gebrochen werden [wobei ein weiterer mir Magenschmerzen bereitender Umstand ist, dass gerade in einem Film, der trotz aller Hitzigkeiten und Meinungsverschiedenheiten verhältnismäßig vernünftige Charaktere zeigt, die größtenteils vernünftige – wenn auch manchmal eben kaltherzige – Dinge tun, Auslöser des zentralen Plot-Ungemachs ein extremer Anfall von „human stupidity“ ist. Aber auf die menschliche Doofheit ist halt, da sind wir uns wohl alle einig, immer wieder Verlass).

„Carriers“ schlägt insgesamt eine eher gemächliche Gangart an, entwickelt seine kleine, fast schon intime Geschichte in bedächtigem Tempo, setzt nicht auf plakative Schocks (mehr als zwei-drei jump scares gönnen die Pastoren ihrem Publikum nicht), sondern auf die immer wieder bedrückende Stimmung schier endloser verlassener Highways, verlassener Häuser – wenn man so will, müht sich „Carriers“ atmosphärisch darum, eine Art Verbindung zwischen „Mad Max“ und „Road Warrior“ herzustellen (wofür auch die wohlmeinende Referenz spricht) – noch ist die Zivilisation nicht vergessen, aber schon bringt man sich für einen Kanister Benzin mit Freuden um, selbst wenn man einen Christus-Fisch am Rückspiegel hängen hat. Die Momente, in denen der Film sozusagen offen ausspricht, sich stärker am End-70er/-Früh-80er-Endzeit-Film (auch „Crazies“ lässt in einer Sequenz mal grüßen) denn am heute aktuellen infizierte-Pseudozombies-Horror zu orientieren, gehören zu seinen besten Augenblicken (auch weil hier gerne mal kurz trockener, schwarzer Humor serviert wird), seine weiteren Höhepunkte hat er in den leiseren Szenen (die Szene, in der Frank erleben muss, dass seine Hoffnungen auf ein Heilmittel vom letzten überlebenden Arzt zerstört werden, und ihre doppelt-eindringliche Konsequenz, ist zweifellos ein echtes Highlight). Zwischen diesen Höhepunkten schleicht sich aber ab und zu Leerlauf ein, wirkt eine eingestreute humorig gemeinte Passage (hier: die Golf-Erlebenisse unserer Helden) deplaziert, müssen gelegentlich mit sehr „gewollt“ (und dementsprechend eher gequält) wirkenden Spannungsszenen Konzessionen an Horror-Sehgewohnheiten eingegangen werden.

Insgesamt kann man den Pastoren aber ein sehr solides Regiedebüt bescheinigen – kleinere Schönheitsfehler seien jedem Erstling zugestanden, größtenteils haben die Regisseure ihren (selbst geschriebenen) Stoff im Griff und bekommen auch einen soliden Spannungsbogen – mit Durchhängern im Schlussakt, wo sie sich bekannter Genreklischees bedienen müssen – hin. Bemerkenswert: die Pastors kommen komplett ohne Gore aus (wobei das allerdings auch an einem Re-Edit für ein PG-13-Rating liegen kann), und – man vermisst ihn nicht. Sicherlich hätte man mit gutem (oder bösem, je nach Standpunkt) Willen Splatter unterbringen können, aber „Carriers“ braucht das nicht; der Film interessiert sich nicht für die Begleitumstände, sondern eben primär für seine Charaktere und ihre Beziehungen. Mehr als das unspektakuläre, aber durchaus effektive Make-up für Infizierte im Endstadium und ein paar Schusswunden muss da nicht aufgefahren werden.

Die schauspielerischen Leistungen sind nicht überragend, aber akzeptabel – Lou Taylor Pucci („Thumbsucker“, „Southland Tales“) fehlt’s mir etwas an Charisma. Ich will jetzt nicht verlangen, dass Leo di Caprio in Low-Budget-Endzeitdramen amtiert, aber es ist eine Rolle, die vom Typ her di Caprio liegen *würde*, und wenn man sich das vor Augen hält, erkennt man die unterschiedlichen Gewichtsklassen, in denen er und Pucci agieren. Es ist nicht schlecht, aber es fehlt das „gewisse Etwas“. Chris Pine, jüngst James T. Kirk in „Star Trek“, außerdem u.a. in „Smokin‘ Aces“ und „Plötzlich Prinzessin 2“ zu sehen gewesen, ist als großer Bruder Brian deutlich überzeugender – es ist zwar gewissermaßen der Punkt des Films, dass Brian seinen kleinen Bruder dominiert, und demzufolge sollte sich das auch im Acting durchaus niederschlagen, aber Pine spielt Pucci, obwohl seine Rolle die deutlich eindimensionalere ist, an die Wand. Piper Perabo („George und das Ei des Drachen“, „Freche Biester!“, „The Prestige“) und Emily VanCamp („Ring 2“, „Everwood“) spielen in ihren jeweiligen Beziehung-Paaren eindeutig die zweite Geige; Perabo ist etwas lebhafter als VanCamp, die dafür durch sympathische Natürlichkeit punktet. TV-Star Christopher Meloni („Law & Order: Special Victims Unit“) legt als Frank einen ziemlich eindrucksvollen Stint als verzweifelter Vater hin.

Fazit: Ein durchwachsener Auftakt für das FFF 2009 – „Carriers“ ist nicht *schlecht*, hat einige gute Ansätze, hält sich erfreulicherweise vom zu Tode gerittenen „28 Days Later“-&-Co.-Hype so weit entfernt wie es bei grundsätzlich vergleichbarer Ausgangsposition möglich ist und beweist, dass man tatsächlich diese Thematik noch ohne Gore, Splatter und „Unrated!!!ELF“-DVD-Versionen angehen kann, aber der letzte Funke will nicht überspringen. Mag daran liegen, dass die Pastors ihre Geschichte bewusst ein wenig spröde und „unmodern“ erzählen (allerdings bin ich für spröde und „unmoderen“ Filme immer empfänglich, das allein kann’s nicht sein), vielleicht auch daran, dass die Story an einigen entscheidenden Stellen vorhersehbar geraten ist und ihr im Schlussakt die Luft ein bisschen ausgeht, so dass Genreklischees herhalten müssen, oder vielleicht darna, dass Pucci in der Hauptrolle nicht das nötige schauspielerische Gewicht in die Waagschale werfen kann. Für Freunde der ruhigen Endzeit-Töne ist „Carriers“ allemal demnächst eine DVD-Ausleihe wert, aber ein „Ereignis“ (oder, seien wir ehrlich, ein richtiger Festival-Opener) ist’s dann leider nicht geworden. Wird ja vielleicht noch, die Pastors sind ja noch jung.

3/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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