Cannibals – Welcome to the Jungle

 
  • Deutscher Titel: Cannibals - Welcome to the Jungle
  • Original-Titel: Welcome to the Jungle
  •  
  • Regie: Jonathan Hensleigh
  • Land: USA
  • Jahr: 2007
  • Darsteller:

    Sandy Gardiner (Mandy), Callard Harris (Colby), Nick Richey (Mikey), Veronika Sywak (Bijou)


Vorwort

Eigentlich wollte Mandy mit ihrer alten und seit Jahren nicht mehr gesehenen Freundin Bijou auf den Fidschis nur locker Urlaub machen, doch die Ferienflirts mit den aufgegabelten Mannsbildern Mikey und Colby bringt das Viererpack auf eine reichlich doofe Idee – man könnte doch, wo man eh nix besseres zu tun hat, auf Neu-Guinea nach dem 1961 verlustig gegangenen Milliardärssohn Michael Rockefeller suchen, ihn im Idealfall finden, filmen und interviewen und sich mit dem dann programmgemäß einstellenden Reibach gepflegt zur Ruhe setzen. Bei Licht betrachtet ein Einfall, den man nur mit dreikommachtpromille einigermaßen vernünftig finden kann, aber ein solcher, der sofort in die Tat umgesetzt wird. Kaum in Papua-Neuguinea angekommen, wird die Band beinahe von Straßenräubern erschossen und weil Mikey eine blöde Sackfresse ist, vermasselt er auch noch den legalen Grenzübertritt auf die indonesische Seite der Insel, wo Rockefeller sich Augenzeugensichtungen nach seit 40 Jahren rumtreiben soll. Notgedrungen muss per pedes in die Berge gezogen werden, wo sich bald herausstellt, dass die Interessenlagen der Pärchen sich doch diametral entgegengesetzt gegenüberstehen – während Colby und Mandy die Sache relativ ernsthaft angehen wollen, sehen Mikey und Bijou den Trip als ungezwungene Ausrede, sich jeden Abend volllaufen zu lassen, sich bis in die Puppen im Zelt zu wälzen und allgemein hauptsächlich Spaß zu haben (wofür ich mir ehrlich gesagt geeignetere Orte denken könnte). Klar, dass es zu Konflikten, die von gegenseitigen Verarschungen bis zu offen ausgetragenen Streitereien kommt. Nach einigen Tagen haben Mikey und Bijou die Schnauze von den spießigen Reisegefährten voll, klauen deren wesentliche Ausrüstung und Verpflegung und verpissen sich auf einem Floß, um den weiterhin angestreibten monetären Erfolg der Expedition nur noch durch zwei teilen zu müssen. Nur blöd, dass man sich mitten in Kannibalen-Land befindet und die Burschen haben Kohldampf…


Inhalt

Ich bin bekanntlich eh nicht der große Freund von Kannibalen-Filmen und halte, an dieser Meinung wird nicht gerüttelt, Martinos „Slave of the Cannibal God“ (hier auch ausführlich besprochen) für den einzigen Genrebeitrag, den man sich ansehen kann, ohne davon Pickel zu kriegen (for a jolly good laugh meinetwegen noch „Zombie Holocaust“). Wenn jetzt ein Hollywood-Filmer wie Jonathan Hensleigh („The Punisher“) independent geht, um ein „inoffizielles Remake“ von Deodatos Klassiker (den Status kann ich ihm leider nicht absprechen) „Cannibal Holocaust“ zu drehen, kann man das gut finden, muss man aber nicht (immerhin anerkenne ich das Bemühen, mal ein anderes 70er/80er-Horrormotiv aufzugreifen als das des mittlerweile erfolgreich wieder zu Tode gerittenen Zombie-Revivals). Der Streifen, der im Original als „Welcome to the Jungle“ firmiert und auch unter diesem Titel beim FFF 2007 lief (der Verleihtitel wurde auf „Cannibals – Welcome to the Jungle“ abgeändert, höchstwahrscheinlich um Verwechslungen mit dem The Rock-Vehikel „The Rundown“, der hierzulande eben als „Welcome to the Jungle“ vermarktet wurde, zu vermeiden – gute Idee, das hätte sonst peinliche Folgen haben können, wenn Papa für Filius in die Videothek geht…), versucht sich wie das große Vorbild an einem dokumentarischen Approach – wir erleben die Geschichte anhand der von den Protagonisten geschossenen Videobänder mit. Was schon das erste Problem darstellt: grundsätzlich hab ich mit dem dokumentarischen Ansatz kein Problem, auch wenn sich mir nicht wirklich erschließt, welchen Gewinn es für den Film an sich darstellt; es stört mich vielmehr, dass es kein „framing device“ gibt, dass die handgeschossene Footage in einen gewissen Kontext setzt (wie es „Cannibal Holocaust“ und sogar „Blair Witch Project“ tat – letzterer nicht nur durch das Brimborium „außenrum“, sondern auch durch eine schlichte vorgeschaltete Texttafel a la „die Bänder wurden gefunden“). Dieser Kniff fehlt hier völlig, so dass man sich schon fragt, wie zum Teufel man als Zuschauer überhaupt, um im Story-Sinne zu bleiben, an das Material rankommt, das von Rechts und Links wegen irgendwo im Dschungel auf Neu-Guinea unter einer Palme vor sich hin verrotten sollte.

Die Story selbst bedient all das, was man befürchten konnte – von den knapp 78 Minuten Laufzeit (inkl. Abspann) verbringen wir 52 Minuten (bis sich die erste Kalkleiste mal schemenhaft am Ufer erblicken lässt), mit dem nervtötenden Herumgezicke vierer Hohlbratzen, die sich wie die sprichwörtlichen Vollpfosten benehmen (und sich dann auch noch wundern, wenn reflexartig jeder „native“ versucht, sie umzubringen). Hossa. Zugegeben – von den vier Protagonisten sind speziell Mikey und Bijou, und das ist auch so gewollt, extrem nervig – Colby und Mandy sind dagegen regelrechte Non-Entitäten (Colby darf sich ein wenig mit Mikey um den Posten des Alphamännchens streiten, Mandy dagegen… die ist halt irgendwie mit dabei) – und führen sich so spastig auf, dass ich mich ernstlich frage, warum Colby, wenn ihn das Gesaufe seiner Gefährten denn so stört, nicht einfach zum probaten Mittel greift und die mitgebrachten Alkoholvorräte vernichtet. Ansonsten treiben sie halt das übliche – streiten, nerven, sich überfallen lassen, Soldaten provozieren, Eingeborenen-Gräber schänden, (genre-gesetzlich vorgeschriebene) Missionare für Idioten halten yadayadayada.

Strukturell besteht die grundlegende Schwierigkeit von solchen Mockumentarys, dass wir als Zuschauer alle wissen, worauf die Sache hinausläuft, aber der Showdown (bzw. überhaupt erst der Konflikt mit in diesem Falle Kannibalen) bis in den Schlussakt hinausgezögert werden muss – d.h. die ersten beiden Filmdrittel gibt’s keine nägelbeißende Spannung oder irgendwelche Ruppigkeiten, sondern nur character stuff und mehr oder minder, meist minder, interessante Episoden, die uns hauptsächlich daran erinnern, dass Papua-Neuguinea nicht das ideale Tourismusgebiet ist (I’d gathered that before).

Wie üblich verfehlen die Blair-Witch-Kopisten auch noch dessen zentrales Erfolgsgeheimnis (ich erwähnte es schon im Review zu „St. Francisville Experiment“) – wir hatten vier klar definierbare Perspektiven, weil jeder der Charaktere seine eigene Kamera und damit seine eigene „Bildsprache“ hat. Hier haben wir zwei Kameras (pro Pärchen eins), aber die „Bildsprache“ ist identisch: man weiß oft nicht, aus wessen Perspektive gerade gefilmt wird – und da darüber hinaus der Schnitt viel zu glatt, zu „polished“ ist, wird die Illusion von „rohem“ Videomaterial gnadenlos zerstört (da wird dann schon lustig mit Schuss-Gegenschuss gearbeitet, was aus der Situation der Charaktere gar nicht funktionieren kann, weil sie angeblich von der selben Kamera gefilmt werden). Deswegen meine obige Anmerkung: der Film gewinnt nichts aus dem „dokumentarischen“ Flair, weil er das nicht richtig durchzieht; für aneinandergestoppelte „wilde“ Aufnahmen ist alles zu edel, zu gutes Filmmaterial (und merke: ein paar Tropfen Spritzwasser auf der Linse do a successful mockumentary not make), die Kameraeinstellungen sind zu perfekt, wirken nicht authentisch – wird jemand, der gerade einen Freund aufgespießt gefunden hat, geradezu liebevoll die Leiche abfilmen, damit wir auch ja alle blutigen Details erkennen können? Und, wo ich gerade dabei bin, die Dialoge wirken auch nicht immer natürlich.

Bleibt als einziges Merkmal von „echten“ Aufnahmen eigentlich nur der Verzicht auf Musik. Toll.

Dann stellt sich eigentlich nur noch die Frage nach dem Gore-Gehalt, womit Kannibalenfilme ja gemeinhin in ihren letzten 20 Minuten die erste langweilige Stunde zu übertünchen gedenken. Tja. Leider auch hier nicht gerade Fehlanzeige, aber auch kein gore galore – das resultiert auch z.T. aus dem Documentary-Approach, weil die eigentlichen Killszenen nicht gezeigt werden können, da es ja gerade die „camera operators“ sind, die verhackstückt werden. Es bleiben uns also nur die Resultate. Die sind zwar nicht von schlechten Eltern (abgetrennte Gliedmaßen sowohl solo in der Landschaft als auch fehlend am Restkörper) – okaye prosthetics und blutig-sudelige Make-ups, aber bis auf einen (wirklich eindrucksvollen) Effekt ist da nichts wirklich memorables dabei (schlußendlich ist die KJ-Freigabe sicher gerechtfertigt, aber hartgesottene Horror-Kucker werden nicht sonderlich begeistert sein – auf Gekröse der gedärmfressenden Art verzichtet der Film total).

Zu den Darstellern – gegen die kann ich nicht viel vorbringen. Sandy Gardiner und Veronika Sywak (letztere sowohl die „erfahrenste“, was schauspielerische Meriten angeht, als auch diejenige, die mich durchaus mal besuchen dürfte, hehe) sind hübsch anzuschauen, Callard Harris (Colby) ist das typische Männermodel-Face, das man heutzutage im Biz wohl braucht, Nick Richey ist der etwas mehr down-to-earth-orientierte Typ. Im Rahmen der Anforderungen erledigen alle einen recht guten Job (für die Schwächen ihrer Charaktere und Dialoge können sie ja nicht wirklich was).

Bildqualität: Galileo legt „Cannibals“ in einem erlesenen (und daher für den „mockumentary“-Anspruch viel zu glatten) anamorphen 1.85:1-Widescreen vor. Kräftige, lebendige Farben, gute Kontrastwerte, perfekte Schärfe (wir erkennen: das kann dem angestrebten Ziel sehr hinderlich sein). Aber so kann man das zumindest durch den Beamer jagen (und weil die Handkamera nicht so zappelig ist wie zu erwarten/befürchten, würde einem da nicht mal schlecht).

Tonqualität: Vier Tonspuren gibt’s – deutscher und englischer Ton jeweils in Dolby 2.0 und 5.1 (wobei die 2.0er-Spuren schamhaft vom Cover unterschlagen werden). Der Ton ist ausgezeichnet (auch hier: viel zu gut eigentlich), wobei ich exklusiv den originalsprachigen 5.1er-Transfer (mit optionalen deutschen Untertiteln) angetestet habe.

Extras: Mal abgesehen vom wirklich todschicken und extrem blickfangenden 3D-Holo-Cover leider tote Hose, lediglich ein Trailershow wird vorgelegt. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das Rezi-Exemplar eine Verleihscheibe ist und das anstehende Verkaufsexemplar das existierende Making-of beinhalten wird. Alles andere wäre aber dusslig…

Fazit: Sorry, aber „Cannibals – Welcome to the Jungle“ hat mich nicht überzeugt. Die Renaissance des Kannibalen-Genres wird man damit (hoffentlich?) nicht einläuten können. Jonathan Hensleigh verlässt sich zu sehr darauf, dass nicht verstandene inhaltliche Anklänge an „Cannibal Holocaust“ und die Inszenierung im „Blair Witch“-Stil darüber hinwegtäuscht, dass sein Film letztlich keine einzige neue Idee aufweist. Und das Wiederkäuen alter Stiefel mag zumindest diesem Horrorfan nicht recht schmecken. Die Italiener kaschierten ihre müden Plotten wenigstens mit Kübeln von Gore und schafften es manchmal sogar, weniger platte Figuren ins Rennen zu schicken. Nicht offensiv SCHLECHT im Sinne von „den ertrag ich nur im schnellen Vorlauf“ (dafür ist der Film mit 78 Minuten auch zu kurz – die Coverangabe übertreibt mit „88 Minuten“ mal wieder schamlos), aber irgendwie halt einfach blah. Wie so oft – schade um das schnieke Artwork.

2/5
(c) 2007 Dr. Acula


mm
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