- Deutscher Titel: Buster Keaton - The Ultimate Collection Vol. 1
- Regie: Roscoe Arbuckle, Edward F. Cline, Buster Keaton
- Land: USA
- Jahr: 1917-23
- Darsteller:
Buster Keaton, Phyllis Haver, Babe London, Renée Adorée, Edward F. Cline, Joe Keaton, Joe Roberts, Roscoe „Fatty“ Arbuckle, Al St. John, Josephine Stevens, Arthur Earle
Vorwort
Drei Kurzfilme:
„Die lustige Ballonfahrt“ – Ein junger Mann, der in einem Vergnügungspark vergeblich (und mit schmerzhaften Folgen) weiblichen Anschluss sucht, landet durch widrige Umstände in einem Ballon. Er bruchlandet in der Prärie – da der Ballon gut ausgerüstet ist, hat er allerhand Ausrüstung für Fischfang und Jagd dabei, bleibt aber auch hier ausnehmend ungeschicklich und erfolglos. Außerdem kreuzen sich seine Wege mit denen einer etwas kompetenteren Naturliebhaberin…
„Der Tagträumer“ – Um die Hand seiner Geliebten zu gewinnen, muss unser junger Held, der dem potentiellen Schwiegervater als rechter Nichtsnutz erscheint, dringend Geld verdienen. Doch egal, was er anfasst, ob als Gehilfe in einer Tierklinik, als Straßenreiniger oder als Theaterdarsteller, stets löst er Katastrophen aus…
„Der Metzger-Junge“ – Fatty Arbuckle arbeitet in einer Lebensmittelhandlung und muss sich mit den verschiedensten Tücken (und Kunden) herumschlagen, z.B. mit Buster, der einen Eimer Melasse kaufen will.
Inhalt
„The Great Stoneface“ Buster Keaton, „der Mann, der niemals lachte“, mit seinem unverwechselbaren Hut, ist von allen Stummfilm-Komikern der möglicherweise „Beste“ und gleichzeitig „Unterschätzteste“, zumindest aber im Vergleich zu Charlie Chaplin, Harold Lloyd, Laurel & Hardy etc. derjenige, dessen Werke dem breiten Publikum am wenigsten geläufig sein dürften. Seine heute kritikerseits als Klassiker einstuften Meisterwerke „The General“ oder „Der Navigator“ werden wenig gesehen – auch wenn Keatons aufwendige Actionsequenzen und elaborate Stunts beispielsweise das direkte Vorbild für Jackie Chans spezifischen Stil sind.
Auf aberle-mediens „Buster Keaton The Ultimate Collection Vol. 1“-DVD finden sich drei von Busters Kurzfilmen, aus filmhistorischer Sicht eine interessante Kombination, alldieweil sich sein allererster Filmauftritt überhaupt (im „Metzger-Jungen“) und zwei seiner letzten selbstproduzierten und -geschriebenen Kurzfilme darauf befinden (es folgten noch einer 1923. Keaton kehrte nach dem Flop von „The General“ und „Steamboat Bill jr.“ und dem damit verbundenen Ende seiner künstlerischen Selbständigkeit zwangsweise unter der Ägide von Charles Lamont und „Educational Films of America“ zum Kurzfilmformat zurück).
Den Auftakt macht „Die lustige Ballonfahrt“ aka „The Balloonist“ von 1923, wie oft bei Keatons eher gag- denn plotorientierten Kurzfilmen weniger eine narrative Erzählung, sondern eine Aneinanderreihung mehr oder weniger gelungener Scherze, wobei Keaton in diesem Film weniger auf Slapstick denn auf Situationskomik und prop-basierte Gags setzt. Nicht alles davon zündet, einiges aber schon (und zumindest einen halsbrecherischen Stunt hat Keaton sich wieder ins Script geschrieben – er krabbelt an einer Ballonhülle hinunten in den Korb, der keinen Boden hat). Der „romantische Subplot“ fügt sich recht harmonisch ins Gesamtprozedere ein, insgesamt fehlt dem Short für seine gut 25 Minuten Laufzeit etwas Substanz – es liegt nahe, dass Keaton sich in dieser Phase der Karriere seine besten Ideen für seine anstehenden Langfilme aufhob. Insgesamt aber ein brauchbares Segment.
„Der Tagträumer“ aka „Day Dreams“ datiert von 1922 und liegt nach allen mir zur Verfügung stehenden Informationen nur noch in einer unvollständigen Fassung vor (und zudem in dieser DVD-Version auch ohne die Zwischentitel, was den Schlussgag völlig unverständlich bzw. verdammt harsch wirken lässt). Das Gimmick des Streifens ist, dass Busters hochtrabende Briefe, welchen tollen Beruf er jetzt ausübe, nur Euphemismen für die Handlanger- und Gehilfenjobs ist, die er tatsächlich ergattert. Im Klartext heißt das aber auch, dass „Day Dreams“ noch weniger Plot hat als „The Ballonist“, sondern nur die an sich nicht weiter zusammenhängenden Job-Episoden mit einem framing device zusammenklammert. Highlight und Herzstück des Films ist die „Theater“-Episode, die in einer gigantischen Verfolgungsjagd kulminiert, in der schlussendlich ungefähr die halbe Polizei von L.A. den armen Buster durch die Stadt treibt und die wirklich einige gute, witzige Gags aufweist (wie Buster es schafft, im Schaufelrad eines Dampfers wie in einem Hamsterrad laufen zu müssen, ist sehenswert).
Der dritte Streifen ist die (leider) stark gekürzte Version von „The Butcher Boy“ von 1917 – ein Fatty-Arbuckle-Shot, in dem dieser Buster Keaton erstmals vor die Kamera holte (und mit dem „erstmals“ ist SO erstmals gemeint, dass Buster am Morgen des Drehtages noch nicht wusste, dass er in einem, geschweige DEM Film mitspielen würde). Obschon die hier vorliegende Schnittfassung natürlich hauptsächlich bestrebt ist, Busters Szenen intakt zu halten (und die sind in der Tat großartig und zeigen schon das enorme Talent des Komikers), glänzt hier auch Fatty Arbuckle mit einigen exzellenten Gags – dass der Film mit dem Äquivalent einer großen Tortenschlacht endet, ist halt der Zeitgeist von 1917…
Die drei Filme werden für ihr Alter in anständiger Qualität präsentiert – es gibt selbstredend da und dort jump cuts und einiges an Beschädigungen und Verschmutzungen, aber es bleibt alles ansehbar. Ärgerlich ist, wie gesagt, der Verzicht auf die Zwischentitel, die unnötigen „aufkopierten“ Eindeutschungen von englischen Texten und der billige, nonstop über alle drei Filme dudelnde Bontempi-Soundtrack, der noch dazu mit einigen Cartoon-Soundeffekten „aufgepeppt“ wurde. Da sind mir die Hanns-Dieter-Hüsch-nachvertonten „Klamottenkiste“-Varianten ja lieber…
Als Bonus-Feature gibt’s it „Something in Her Eye“ einen Oliver-Hardy-Kurzfilm vom 1915 (damals war er noch als „Babe Hardy“ unterwegs), in dem ein Staubkorn im Auge einer jungen Frau, das sie zu unkontrolliertem und von der Männerwelt selbstverständlich falsch als einladend interpretiertem Zwinkern nötigt, dazu führt, dass sie auf einmal drei Verehrer (darunter Hardy) und einen schießwütigen Vater am Hals hat. Dieser Short ist bildqualitätsmäßig schlechter in Form als die Keaton-Filme, hat aber dafür zumindest die englischen Zwischentitel.
Darüber hinaus gibt’s eine (elendiglich unprofessionelle) Trailershow auf andere aberle-medien-Großtaten.
Fazit: Es sind sicherlich nicht die allerbesten Keaton-Kurzfilme, die hier gewürdigt werden, aber zumindest aus historischer Sicht (wie oben dargelegt) interessante. Dieweil keiner der drei Filme völlig geglückt erscheint (soweit man das hinsichtlich „Day Dreams“ und „The Butcher Boy“ anhand der fragmentarischen Erscheinung beurteilen kann), so hat doch jeder einen Schwung guter Gags, die Keatons Genie zumindest andeuten.
Die Präsentation könnte deutlich liebevoller ausfallen – ein „originalgetreuerer“ Soundtrack, Verzicht auf die kindischen Soundeffekte und dafür der Rückeinbau von Zwischentiteln wären mir wesentlich lieber als die jetzige Form. Allein deswegen mag ich die Scheibe nicht wirklich weiterempfehlen (auch die Aufmachung in Form eines lieblos gestalteten Slimcase gefällt mir nicht) – da gibt es bessere Keaton-Kompilationen auch für kleines Geld.
2/5
(c) 2012 Dr. Acula