Burke & Hare – Wir finden immer eine Leiche

 
  • Deutscher Titel: Burke & Hare - Wir finden immer eine Leiche
  • Original-Titel: Burke and Hare
  •  
  • Regie: John Landis
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 2010
  • Darsteller:

    Simon Pegg (William Burke), Andy Serkis (William Hare), Jessica Hynes (Lucky), Isla Fisher (Ginny), Tom Wilkinson (Dr. Knox), Tim Curry (Dr. Monro), David Hayman (McTavish), Ronnie Corbett (McLintoch), Michael Smiley (Patterson)


Vorwort

Edinburgh 1828 – die schottische Kapitale ist Heimstatt zweier weltberühmter anatomisch-chirurgischer Fakultäten: die Schule des konservativen Dr. „Im Zweifel absägen“ Monro und dem fortschrittlichen Anatomen Dr. Knox. Beide Lehrstätten liegen nicht nur lehrtechnisch im Wettstreit, sondern prügeln sich auch um die einzig legal verfüg- und sezierbaren Leichen, die von gehängten Verbrechern. Monro gelingt es mittels politischem Einfluss, Knox von dieser Versorgungsquelle auszuschließen und die von Knox ersatzweise engagierten Grabräuber schleppen nur minderwertige Leichenqualität an… Dieweil stehen die ausgewanderten iren Burke und Hare vor finanziellen Problemen – ihr alle Zipperlein kurierendes irisches Wundermoos wird von der kritischen Menge ohne weiteres als verschimmelter Käse und wenig heilkräftig entlarvt, zudem stirbt noch Logiergast Donald weg, bevor er seine nächste Miete entrichtet hat. Hares Weib Lucky befiehlt ultimativ die Entsorgung des Kadavers. Ein Zufallstreffen im Pub später sind Burke und Hare die neuen offiziellen Leichenlieferanten von Dr. Knox. Fünf Pfund pro Kadaver sind ein ordentliches Stück Mammon, und das können die armen iren gut gebrauchen. Nur, dass zur Lieferung von Leichen entsprechende Tote notwendig sind und die wachsen nicht auf Bäumen. Bei Luckys älterem Logiergast Joseph etwas nachzuhelfen, lässt sich noch ohne größere Gewissensbisse bewerkstelligen – der neue Reichtum verleiht Burke und Hare auch die Eintrittskarte in die bessere Gesellschaft, wo Burke gleich mal sein Herz an Ginny verliert, eine junge Schauspielerin, die davon träumt, „MacBeth“ nur mit weiblichen Darstellern auf die Bühne zu bringen und dringend einen Mäzen sucht…
Nur weil jemand tot ist, heißt das noch lang nicht, dass er nicht widerspenstig sein kann.

Es muss also gemordet werden, und das im Akkord, denn Knox hat erhöhten Leichenbedarf, will er doch dem bald eintreffenden König eine „Karte des menschlichen Körpers“ präsentieren. Dem örtlichen Obergangster McTavish sind die Aktivitäten des Duos aber nicht entgangen und auch die Miliz in Form des kleinwüchsigen (und so einiges kompensierenden) Captains McLintoch hat wohl spitzgekriegt, dass sich die Fälle vermisster Personen frappierend häufen…


Inhalt

Stell dir vor, es sind FFF-Nights und der Doc geht nicht hin. Das lag daran, dass mich aus dem diesjährigen Programm nur ein einziger Film ansprach, und von dem ging ich (zutreffend) aus, dass er sich recht bald in Scheibenform bei mir vorstellen würde – eben „Burke & Hare“, das Comeback-Vehikel von John Landis, dem legendären Regisseur von „American Werewolf“, „Blues Brothers“, „Kentucky Fried Movie“ und „Die Glücksritter“ (aber auch von Stallones „Oscar“, „Beverly Hills Cop III“ und „Blues Brothers 2000“), der seit 1998 (und „Die Again“) nicht mehr für’s Kino gearbeitet hat, sondern sich mit TV-Arbeiten für „Masters of Horror“, „Fear Itself“ und „Psych“ sowie Dokumentationen über Wasser hielt.

Ein Script von Nick Moorcroft und Piers Ashworth, bislang nicht wirklich durch hochgeistige Ware aufgefallen (beide arbeiteten an der Neuauflage der „St. Trinians“-Klamotten, Ashworth hat zudem den dem Vernehmen nach recht grusligen dritten Teil der „Goal!“-Fußballtrilogie zu verantworten), äußerst locker basierend auf dem realen Fall der Massenmörder Burke und Hare, die tatsächlich 1828 in Edinburgh ihr Unwesen trieben (und ernsthaft 1972 von Armitage verfilmt wurden; aber zahlreiche Filme lassen sich auf diesen Fall zurückführen, zuletzt auch I Sell the Dead), lockte Landis über das große Wasser nach Schottland und versammelte ein großartiges Schauspielerensemble – Simon Pegg und Andy Serkis (der für den ursprünglich vorgesehenen Ex-„Dr. Who“ David Tennant einsprang – gute Entscheidung!) als Heldenduo (denn dass Burke und Hare hier keine klassischen Schurken abgeben würden, war klar) und eine Fülle großer Namen in kleinen und kleineren Nebenrollen (wir werden später noch darauf eingehen).
Tragisch – bei Burke kommt der „interruptus“ noch lang vor dem „coitus“.

Was Landis an dem Script angesprochen haben muss (neben der Rückkehr nach England, wo sein vielleicht wegweisendster Film, „American Werewolf“, entstand), liegt auf der Hand – Landis‘ beste Filme sind geprägt vom schwarzen, makabren Humor und bei einer komödiantischen Aufarbeitung einer skurrilen Mordserie ist der überhaupt nicht zu vermeiden. Das Autorenduo erledigt jedenfalls einen guten Job beim freien Fabulieren auf der Grundlage einiger Fakten; aus den Titelfiguren werden lebendige, sympathische Charaktere. Auch wenn sie streckenweise als naiv gezeichnet werden, stellt das Buch sie nie bloß, macht nie Karikaturen oder Comic-Figuren aus ihnen – nicht in den (wenigen) Slapstick-Einlagen, nicht bei ihren absolut nicht unproblematisch verlaufenden Mordversuchen, nicht mal bei Szenen, die peinlich werden könnten (wenn z.B. Hare und seine Frau während heftigem Geschlechtsverkehr Geschäftsmöglichkeiten besprechen), und schon gar nicht in Punkto der sich zart anbahnenden Liebesgeschichte zwischen Burke und Ginny.

Damit einher geht allerdings auch – und das mag je nach Gemütslage eine milde Enttäuschung darstellen -, dass „Burke and Hare“ keine auf Lacher-pro-Minute zurechtgebogene Komödie ist, sondern sich eben auch für nicht per se lustige (ich will nicht soweit gehen, sie „dramatisch“ zu nennen) Momente Zeit nimmt und gen Ende hin sogar (folgerichtig, da die Autoren eben nicht ganz an den historischen Tatsachen vorbeikommen) einen Schlenker in Richtung Tragödie nimmt; skurrile Nebenfiguren wie der Polizeichef mit dem Napoleon-Komplex (und immerhin ZWEI Beamten, wobei die Tauglichkeit des einen aufgrund seiner ständigen Ohnmachtsanfälle sanft in Zweifel gezogen werden darf), Fuß(-ab)-Fetischist Monro oder auch Knox, der vorgeblich der aufgeklärte moderne Mediziner, aber bei Licht betrachtet auch nur ein selbstsüchtiger Egomane mit Showman-Allüren („I present you… a quadruple dissection!“) ist, sowie die spritzigen Dialoge halten die Chose aber am Laufen und sorgen, wenn schon nicht für Schenkelklopfer en gros, dann doch wenigstens für permanent gute Laune.

Also alles Eitel Freude Sonnenschein? Leider nicht und das liegt, so leid es mir tut, vor allem an John Landis. Ich weiß nicht, was in den letzten 10-12 Jahren passiert ist, aber womöglich hat Landis bei all seinen Fernseharbeiten das Gespür für’s „Kinematische“ verloren. Landis‘ Inszenierung ist flach, uninspiriert, überraschungsfrei – fernsehmäßig halt. Obschon die Locations hübsch gewählt sind, Zeit- und Lokalkolorit gut getroffen werden und auch Kostüme und Requisiten keine Wünsche übrig lassen, atmet der Film in seiner visuellen Präsentation den Muff einer BBC-Produktion aus den 70ern. Da ist kein „zing“ dahinter, keine optische panache, kein Drive, und das ist für eine prägende Gestalt des Genrekinos der späten 70er und 80er Jahre eine echte Enttäuschung. Das ist viel zu sehr schlichtes point-and-film – mal zitiert Landis die Bildsprache von Stummfilm-Gagreels (wenn Burke und Hare mal ein Fass, in das sie eine Leiche gestopft haben, abhanden kommt), ohne dass es zum „look’n’feel“, zur Atmosphäre des Films passen würden (und vor allen Dingen ist diese Bildsprache eher statischer natur), dann fällt ihm für eine Dialogszene nichts besseres ein als schlichtes Schuss-Gegenschuss (Filmhochschule, 1. Semester); das Gefühl, einen visuellen Gag zu setzen, einen Lacher auch filmisch vorzubereiten, scheint ihm abhanden gekommen zu sein; oder anders ausgedrückt – während die Darsteller durchaus das Gefühl vermitteln, die Zeit ihres Lebens am Set verbracht und richtig dicken Spaß mit ihren Rollen zu haben, wirkt Landis‘ Regie wie die eines gelangweilten Auftragsarbeiters, der keine rechte Lust an der ganzen Operation zu haben scheint (dagegen spricht, dass Landis sich bemühte, alte Mitstreiter wie Curry und Agutter für kleine Rollen zu gewinnen). Denkbar wäre ansonsten vielleicht noch, dass Landis sich nicht über das Ensemble stellen wollte und sich deswegen zurückhielt, aber das erscheint mir nicht sonderlich glaubhaft; eher dann schon die Hypothese, dass Landis „it“ einfach nicht mehr hat (bei seiner „Masters of Horror“-Episode „Deer Woman“ fiel ihm ja auch nicht auf, dass ihm der komplette Schlussakt fehlt).

Die Tatsache, dass „Burke & Hare“ optisch wenig hermacht, stimmt um so bedenklicher, hält man sich vor Augen, dass mit John Mathieson hinter der Kamera ein Vollprofi, gerade für GROSSE Bilder, steht – er fotografierte „“Gladiator“, „Hannibal“, „Königreich der Himmel“ und „Robin Hood“ (unschwer zu erkennen: er ist Ridley Scotts Go-To-DOP). Der müsste es eigentlich können, was eben nur wieder dafür spricht, dass Landis eher fragwürdige Entscheidungen traf.

Der Musik hätte ich etwas mehr Mut zu Anachronismus gewünscht. Joby Talbot („Son of Rambow“, „Per Anhalter durch die Galaxis“) hangelt sich mit den obligatorischen Dudelsackstücken (ja, inklusive „Amazing Grace“) und einem ansonsten zwar gefälligen, aber nicht sonderlich memorablen Score über die Laufzeit (schade, denn der Nachspann, in dem zuerst die Proclaimers-Hymne „500 Miles“ und dann ein schräges Dudelsack-Ambient-Folk-Pop-Stück angestimmt wird, deutet an, wie’s auch ginge).

„Burke & Hare“ ist letztlich kein Horrorfilm – der Streifen gönnt sich ein paar blutige Effekte und Einblicke in die menschliche Anatomie, das ist aber natürlich stark auf den schwarzhumorigen Effekt hin ausgerichtet. Die Mordtaten der Protagonisten bleiben betont unblutig.

An den Schauspielern liegt’s nicht, die leisten hervorragende Arbeit. Sympathiebolzen Simon Pegg (seit Spaced und Shaun of the Dead offensichtlich gut im Futter stehend) zelebriert seine Paraderolle als liebenswerter Loser und spielt sich mit Andy Serkis (man freut sich ja immer, wenn man den Kerl mal SEHEN darf; seine bekanntesten Rollen sind ja die Motion Captures in „Herr der Ringe“ und King Kong), der den „Denker“ des Killerduos mit Gusto spielt, die Bälle hervorragend zu. Isla Fisher, die ich bislang nicht wirklich auf der Rechnung hatte (angesichts einer Vita mit „Scooby Doo“, „Die Hochzeits-Crasher“ und „Shopaholic“ nicht so verwunderlich) ist bezaubernd, Jessica Hynes (mit Pegg schon in „Spaced“ und „Shaun of the Dead“ am Start) holt aus ihrer Rolle als Mrs. Hare das Maximum. Tim Curry stiehlt jede seiner Szenen in seiner Trademark-Rolle als durchaus charmanter Widerling, Tom Wilkinson („Batman Begins“) lässt ebenfalls keine Wünsche offen und mit den Nebenrollen und Cameo-Auftritten kann man ein spot-the-star-Spielchen bestreiten: Ronnie Corbett (großartig als kleinwüchsiger Milizchef), Stuart McQuarrie („28 Tage später“), Christopher Lee, Ray Harryhausen, Michael Winner, Jenny Agutter… the list goes on.

Bildqualität: Die Blu-Ray von Ascot Elite lässt bildtechnisch nichts anbrennen – der 2.35:1-Widescreen-Print ist blitzsauber, wie sich das für einen aktuellen HD-Release gehört.

Tonqualität: Deutscher und englischer Ton in DTS-HD 5.1 – der O-Ton ist, wie üblich, wegen der hinreißenden Dialektarbeit zu bevorzugen (zumal, wenn ich nach den deutschen Untertiteln gehe, die Synchronfassung so manchen Wortwitz verdirbt).

Extras: Deleted scenes, B-Roll, Trailer, Impressionen von der Premieren-Feier, Outtakes und ein ausführlicher Block Videointerviews mit allen wesentlichen Beteiligten. Komischerweise kein „echtes“ Making-of und kein Audiokommentar.

Fazit: Ich wollte „Burke & Hare“ lieben – als schwarze Komödie von der Insel passt der Streifen ideal in mein filmisches Beuteschema, es spielen jede Menge Leute mit, von denen ich mich ohne weiteres als „Fan“ bezeichnen würde, und, hey, John Landis führt Regie… Im Endeffekt erweist sich leider Landis‘ tranige Inszenierung als die große Schwäche des Films und bei allem Bemühen können ein gutes Script und ein blendend aufgelegtes Darstellerensemble nicht alles retten. Besser als der thematisch und auch filmisch vergleichbare „I Sell the Dead“ (der dafür aber phantastische Elemente bietet), aber leider eben nicht das triumphale Comeback einer Genre-Legende, sondern nur ein ansehbares, nicht herausragendes Alterswerk. Dennoch unverzichtbar für Simon-Pegg-Fans, und das sind wir ja hoffentlich alle…


mm
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