Bully

 
  • Deutscher Titel: Bully
  • Original-Titel: Bully
  •  
  • Regie: Larry Clark
  • Land: USA
  • Jahr: 2001
  • Darsteller:

    Brad Renfro (Marty), Nick Stahl (Bobby), Rachel Miner (Lisa), Bijou Phillips (Ali), Michael Pitt (Donny), Kelli Garner (Heather)


Vorwort

Fort Lauderdale, Florida, in einem der berühmt-berüchtigten Suburbs der weißen Mittelklasse, hinter deren Heile-Welt-Fassaden sich Abgründe auftun. Z.B. für den End-Teenager Marty, der seit gemeinsamen Kindertagen von seinem besten und einzigen Freund Bobby nach Strich, Faden und allen Regeln der Kunst schikaniert wird. Ob er ihn in einem Schwulen-Club zum Strippen auf die Bühne schickt, ihn beleidigt oder einfach nur seine Aggressionen an seinem Kumpel schlagenderweise abbaut, Marty kriegt sein Fett ab. Könnte theoretisch bis ins Rentenalter so weitergehen und enden wie bei Jack Lemmon und Walter Matthau, doch da funkt Amor dazwischen. Lisa verliebt sich unsterblich in Marty und lässt sich davon auch nicht abbringen, als Bobby sie – von Marty unwidersprochen – vergewaltigt. Wenig später vergeht sich Bobby auch noch an Lisas bester Freundin Ali. Als Lisa entdeckt, dass sie schwanger ist und Marty darauf nicht mit gebotenem Enthusiasmus reagiert, fasst Lisa sich ein Herz und einen Plan – der Störfaktor in der Beziehung heißt Bobby, also muss er weg und da er sich nicht freiwillig in Luft auflösen wird, wird man da wohl gewaltsam nachhelfen müssen. Lisa rekrutiert Ali, deren dauerbekifften Freund Donny und die durchgeknallte Heather. Da unsere Teens leider keinen Schatten davon haben, wie man jemanden erfolgreich dauerhaft unter die Erde bekommt, versichern sie sich professioneller Hilfe eines Auftragskillers aus dem Gang-Millieu…


Inhalt

Wenn Skandalfilmer Larry Clark zuschlägt, pflegt nur selten noch Gras zu wachsen. Das mediale Gedöns rund um seinen Debütfilm „Kids“ Mitte der 90er und zuletzt „Ken Park“ (der in Australien mit entsprechendem Medienbegleitgewitter umgehend verboten wurde) dürfte allen eher Art-House-orientierten Filmfreunden noch bestens geläufig sein. „Bully“, der genau zwischen diesen beiden verruchten Werken entstand und auf einer wahren Begebenheit basiert, ist zweifellos die bislang mainstreamtauglichste Arbeit des hauptamtlichen (und in diesem Job dem Vernehmen nach legendären) Fotografen, dessen realistische Fotobände Leute wie Coppola oder Scorcese inspirierten.

Auch wenn Larry Clark sich mit „Bully“ vergleichsweise zurückhaltend gibt, bleibt dennoch noch breiten Raum für das, was ich, hiermit oute ich mich als vorurteilsbelastet, meiner bescheidenen Ansicht nach seine Hauptmotivation als Filmemacher ist – junge Menschen (sozusagen Jugendliche, hehe) ausführlich bei kopulierenden Tätigkeiten abzubilden. Wenngleich Clark in „Bully“ keine real gefilmten Masturbationen zeigt oder alle Nase lang einen seiner Darsteller einen Schniedel vor die Kamera halten lässt (meiner Meinung nach sind diese Szenen von Clark wohl kalkuliert – zeig einen Penis in einem Nicht-Pornofilm, der Skandal ist vorprogrammiert, die seriöse Filmkritik und selbsternannte Zensoren laufen Amok, und du hast als Regisseur völlig kostenlose Gratis-Publicity, die dich auf die Titelseiten der einschlägigen Gazetten bringt. Ich, da spreche ich allerdings nur für mich selbst, halte das nicht für ein Zeichen künstlerischen Mutes, sondern um Skandalgeilheit um des Skandals Willens), besteht ein Großteil vor allem der ersten Filmhälfte aus Teenagern beiderlei Geschlechts vor, während oder nach dem Geschlechtsverkehr (oder einfach so. Offensichtlich telefonieren amerikanische Teenager gern nackend). Naheliegend, dass die durchaus kraftvolle Geschichte da zu kurz kommt – Martys „Martyrium“ unter der tyrannischen Fuchtel des herrschsüchtigen Bobby wirkt größtenteils nicht wirklich dramatischer als das, was Kids selbst auf hiesigen Pausenhöfen erleben dürften (naja, vielleicht mal abgesehen vom Strippen in Schwulenbars), vielmehr stellt sich dem neutralen Beobachter (sprich mir) die Sache eher so dar, als ob erst durch das Eindringen von Lisa in die harte, aber irgendwo auch herzliche „Männerfreundschaft“ die Lage eskaliert (okay, das kann durchaus gewollt und im richtigen Leben so gewesen sein).

Ein Problem ist, dass Clark sichtlich nicht wirklich an den psychologischen Seiten der Story interessiert ist – wieso Marty die miese Behandlung jahrelang stillschweigend erduldet (und nicht mal Einspruch erhebt, als Bobby seine Freundin vergewaltigt), bleibt ebenso undeutlich wie die Frage, warum Bobby eigentlich derart verhaltensgestört ist (es wird angerissen, dass Bobby aus einem „vorbildlichen“, ordentlichen, ein wenig spießigen Elternhaus kommt, erfolgreicher Schüler ist und von seinem Vater schon auf die Manager-Karriere vorbereitet wird, während sich Martys Background mit „vernachlässigter und unverstandener Loser“ erschöpft). In gewisser Weise ist das natürlich der Punkt, den Clark machen will – Eltern finden in „Bully“ größtenteils nicht statt, sie sind nur nebensächliche Teilnehmer am Leben ihrer Kinder, die sich nicht wirklich dafür interessieren, was ihre Sprößlinge so treiben – nach Clarks Ansicht erschöpft sich das Freizeitvergnügen der Kids auf Sex, Drogen und (zumindest, was einen Charakter angeht) Videospiele. Clark bleibt dabei aber zu sehr an der Oberfläche, geilt sich an den offenherzigen Bildern auf und vergißt dabei, die Motivationen der Figuren zu hinterfragen – dies gilt auch für die Frage, warum den Kids Mord als einzig gangbarer Ausweg erscheint. Als Psychostudie ist „Bully“ daher ungeeignet und funktioniert dadurch am ehesten als „Doku-Thriller“ – wenn die Kids erst mal den Mordplan gefaßt haben und an seine Umsetzung gehen, gewinnt der Film zumindest an plakativer Spannung (auch weil Clark nun nicht mehr alle drei Minuten Gelegenheit hat, seine Darsteller auszuziehen und in Sexorgien zu jagen). Seinen stärksten Moment hat der Film zweifellos bei der Schilderung des Mordes selbst, als den Teens schlagartig klar ist, dass „einen Menschen umbringen“ nicht wirklich so ’ne cool-lässige Sache ist, wie sie sich vorher eingeredet haben.

Mangelnde handwerkliche Kenntnisse kann man Clark nicht vorwerfen – der Film hat einen sehr slicken Look (vielleicht stellenwiese zu slick for its own good), der mit der vulgären Sprache und den Sex,- Drogen- und Gewaltdarstellungen gar nicht mal so unpassend kontrastiert (hm, ist „kontrastieren“ ein Wort? Fragt mal den Kollegen Duden, ich bin zu faul zum Nachkucken). Ein wenig mehr Tempo ODER, wahlweise, Tiefgang hätte dem Streifen aber nicht geschadet – mit seiner vorliegenden Lauflänge von 107 Minuten ist „Bully“ als erhellendes Drama zu substanzlos und als schnörkelloser real-life-Thriller zu ausufernd. Der Hip-Hop-lastige Soundtrack fügt sich harmonisch ins Gesamtbild ein.

Nicht zu unterschätzen sind die darstellerischen Leistungen eines blendend aufgelegten Ensembles hoffnungsfroher Jungschauspieler. Als pathetischer Loser Marty brilliert Brad Renfro (der Welt bekannt als Steppke aus der kassenknüllenden Grisham-Verfilmung „Der Klient“ an der Seite von Susan Sarandon) und Nick Stahl, der spätere John Connor aus „Terminator 3“ und an künstlerisch gehaltvollere Filmware nicht zuletzt durch den famosen „In the Bedroom“ gewöhnt, gibt einen recht überzeugenden, wenngleich etwas zu „weichen“ Bobby ab. Rachel Miner legt in ihrer ersten großen Filmrolle als Lisa eine par-force-Vorstellung ab und Bijou Phillips („Almost Famous“) leistet in der Schlüsselrolle der Ali ebenfalls beachtliches. Bemerkenswert auch Leo Fitzpatrick (Larry-Clark-Entdeckung für „Kids“) als harter „Hitman“, der die Kids bei der Mordtat anleitet.

Bildqualität: Meine beiden DVD-Player offenbarten erstaunliche Unterschiede im Umgang mit diesem Sunfilm-Release. Während mein United-Player den Film zwar in perfekter Bildqualität auf die Mattscheibe bannte, aber pünktlich zum Layerwechsel seinen Dienst quittierte und erst drei Kapitel später wieder anspringen wollte, hatte mein alter Scott-Player keine Abspielprobleme, zeigte sich dafür aber in Punkto Bildquali als nicht konkurrenzfähig. Macht mir als Reviewer das Leben natürlich schwer, denn wem soll ich nun glauben? Just the facts also – Sunfilm offenbart den Film in anamorphem 1.85:1-Widescreen mit lebendigen, frischen Farben, guten Kontrastwerten und einer brauchbaren, wenn auch nicht spektakulären Detail- und Kantenschärfe. Mit der Kompression kommen meine Player unterschiedlich gut zurecht – der billige United bearbeitete sie klaglos, beim Scott löste sich das Bild doch schon bei relativ niedrigen Zoomfaktoren in seine pixeligen Bestandteile auf. Nachzieheffekte machen sich allerdings auch hier nicht bemerkbar, störungs- und verschmutzungsfrei ist der Print sowieso.

Tonqualität: Deuscher und englischer Ton liegen jeweils in in zwei verschiedenen Varianten vor, die deutsche Synchro (die allerdings die Dialoge doch deutlich abschwächt) kann man in Dolby Digital 5.1 oder Dolby Surround geniessen, die englische Originalfassung muss neben dem Dolby 5.1-Mix mit einer schlichten Stereo-Variante vorlieb nehmen. Insgesamt sind die deutschen Tonspuren deutlich lauter und trotzdem differenzierter, die O-Ton-Fassungen kommen ein wenig breiiger. Großartige Surround-Effekte sollte man natürlich nicht erwarten.

Extras: Die Scheibe ist erfreulich gut ausgestattet – neben Bio-/Filmographien für die wichtigsten Beteiligten, dem Original-Trailer und einem gut siebzehn Minuten langen unkommentierten Behind-the-Scenes erfreuen ausführliche Videointerviews mit allen wesentlichen Darstellern und Larry Clark das Herz des Cineasten (insgesamt deutlich über 45 Minuten). Zwar kommen die Interviews nicht ohne die übliche gegenseitige Lobhudelei aus, offenbaren aber doch einige unterschiedliche Ansätze und Interpretationen der diversen Darsteller und vor allem Brad Renfros Geständnis, mit Larry Clarks, ähem, offenherzigen (sprich: kopulations- und nacktheitsfreudigen) Stil nicht wirklich glücklich zu sein (was insofern überrascht, als Renfro auch als Co-Produzent tätig war), verschafft ihm bei mir Anerkenntnispunkte. Die übliche Trailershow rundet die Bonus-Features ab.

Fazit: Vermutlich bin ich einfach nicht das richtige Publikum für Larry Clarks wüste Teenage-Problemfilme, jedenfalls kann ich schon mit dem vergleichsweise zugänglichen „Bully“ nicht wirklich viel anfangen. Mein Hauptkritikpunkt ist der oben angesprochene, dass Clark zugunsten seines skandalumwitterten persönlichen Stils die eigentliche psychologische Dramatik der realen Geschichte verfehlt und der Streifen letztlich nicht dafür im Gedächtnis bleiben wird, dass er sich fundiert und mitfühlend mit den Abgründen des Teenager-Seelenlebens in gesichtslosen Vorstädten auseinandersetzt, sondern, seien wir mal genauso oberflächlich wie Clark selbst, als Film mit haufenweise nackten Teens beiderlei Geschlechts, die’s miteinander treiben. Ein Film, ohne dessen Kenntnis ich mindestens ebenso gut hätte weiterleben können, wem „Kids“ gefallen hat (sofern man von „gefallen“ in diesem Zusammenhang reden kann), wird wahrscheinlich auch „Bully“ gut finden. Ich belasse es bei einer neutralen Wertung, cuz it’s just not my cup of tea. Technisch gesehen scheint die DVD von Sunfilm leichte Macken zu haben (siehe oben unter Bildqualität).

2/5
(c) 2006 Dr. Acula


mm
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