Bruce Lee versus Gay Power

 
  • Original-Titel: Kung Fu contra as bonecas
  • Alternative Titel: Bruce Lee vs. Gay Power |
  • Regie: Adriano Stuart
  • Land: Brasilien
  • Jahr: 1975
  • Darsteller:

    Dionisio Azevedo, Mauricio de Valle, Nadir Fernandes, Luely Figueiro, Edgard Franco, Celia Froes, David Neto, Armando Paschoallin, Helena Ramos, Fabio Rocha, Adriano Stuart, Walter Stuart, Lucimar Vilar


Vorwort

Das wird jetzt wieder knifflig. Dieser brasilianische Streifen liegt mir nur in Originalsprache, ergo Portugiesisch, ohne Untertitel vor und wiewohl ich mir zutraue, die grobe Handlung aus jedem Film mit einer lebendigen Sprache herauszudestillieren, wird das schon kitzliger, wenn der Film, wie hier, eine beabsichtigte Komödie ist und mir demzufolge Feinheiten des sicherlich enorm intelligenten brasilianischen Humors entgehen… aber versuchen wir unser Glück.


Inhalt

Wir befinden uns irgendwo in der brasilianischen Pampa, die von einer auf Piraten gestylten Gangsterbande terrorisiert wird. Die Jungs sehen zwar so aus als könnten sie zusammengerechnet nicht bis drei zählen, tragen dafür aber hübsch bunte Kostüme (jeder in seiner eigenen Farbe) mit Rückennummern wie eine Fußballmannschaft. Die Bande, deren Anführer sich das rote Leibchen mit der Spielmacher-Nummer 10 reserviert hat, mag nicht überaus kompetent sein, gleicht dies aber durch den unbedingten Willen zum Morden, Brandschatzen und Vergewaltigen mühelos aus. Während die Piraten also vor sich hin piraten (und offenbar mit einem korrupten Bürgermeister o.ä., der sich als Henchman einen peitschenschwingenden Cowboy hält, vielleicht nicht unbedingt Geschäfte machen, aber sich zumindest halbwegs arrangieren), nähert sich eine mysteriöse Gestalt dem Orte der Handlung – „der Chinese“, ein drahtiger junger Bursche, der gerade eine offenbar ausschweifende Ausbildung bei einem schwarzen Kung-fu-Lehrmeister absolviert hat und nun ein Betätigungsfeld als Witwen- und Waisenbeschützer zu suchen scheint. Hierfür hat er sich ein Outfit zurechtgelegt, das jedem ernsthaften Shaolin-Fighter die Schamesröte ins Gesicht treiben würde – einen lächerlichen Hut, ein schickes rosafarbenes Leibchen mit „KUNG-FU“-Aufdruck, einen Fächer und ein Spielzeugsaxophon, auf dem er gelegentlich lustige Weisen tutet. Ich habe den ernsthaften Verdacht, dass der Bursche als Parodie auf „El Topo“ gedacht ist…

Nun, jedenfalls stört der Chinese empfindlich eine kombinierte Raubmordvergewaltigung der Piraten. Den alten Herrn haben die Piraten schon umgelegt, nun wollen sie dessen attraktiven Töchtling besteigen. Die versteht zwar mit ihren Hand- und Fußkanten durchaus umzugehen (begünstigt dadurch, dass die Piraten alle ne ungefähre Vorstellung davon haben, wie Capoeira aussieht, aber es nicht wirklich *können*), aber schon allein aufgrund der zahlenmäßigen Überlegenheit der Piraten ist des Chinesen Hilfe hochwillkommen. Die Piraten werden – auch dank des Chinesen Spezialmoves, dem schrecklichen Klötengriff – in die Flucht geschlagen.

Dies erzürnt den Kapitän der Piraten, aber nicht so sehr, dass er ernsthafte Gegenmaßnahmen ergreift. Muss er auch gar nicht, denn der Chinese legt sich leichtfertigerweise mit dem Peitschencowboy an und wird, da der ja mit den amtlichen Mächten im Bunde steht, festgenommen und ins Kittchen geworfen. Nachdem er dort einen cholerischen Anfall erleidet, verhilft ihm das Mädchen (tut mir leid, ich hab keine Namen, und die Leute reden sich grundsätzlich auch nicht mit Namen an) durch geschickten Einsatz ihrer körperlichen Reize zur Flucht.

Augenscheinlich hat sie sich als Gegenleistung für die Befreiung ausbedungen, dass der Chinese ihr bei der weiteren Rache an der Piratengang assistiert. Die veranstalten gerade eine größere Fête in einem Freudenhaus, die vom Chinesen und dem Mädchen prügelnderweise gestört wird. Der Kapitän entkommt allerdings ungeschoren, weil die Nutte, in deren Bett er sich gerade eben noch aufhielt, sich als die Mutter des Mädchens herausstellt und die familiäre Wiedervereinigung Rachepläne trumpft. Dafür hat der Chinese jetzt einen neuen Verehrer in Person der schwulen „Puffmutter“. Muss nicht hoffnungslos sein, denn der Chinese ist nicht nur seines T-Shirts wegens ein wenig tuntig unterwegs (wie auch der Piratenkapitän dreht er sich zwecks Prächtigung des Haarschopfs Lockenwickler ins Kopfgemüse).

Indes kommt es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bürgermeister und Peitschencowboy, worauf letzterer ersterem eine Machete durch die Plauze jagt und anschließend versucht, den Chinesen zu meucheln. Geht schief, statt dessen fängt er sich selbst eine Axt in der Brust ein.

Die verbliebenen Mitglieder des Gaunerclubs um den dahingeschiedenen Bürgermeister beaufsichtigen offenbar ein größeres Bauprojekt. Die Baustelle wird von den Piraten angegriffen, aber zum Glück sind der Chinese und seine Freundin zur Stelle, um das Gezücht aufzumischen (Klöten leben erneut sehr sehr gefährlich). Das Mädchen macht sich auf, um den Piratenkapitän zu verfolgen, aber der legt sich auf die Lauer und erschießt sie. Nun wird der Chinese ernstlich böse.

Zu den Dingen, die mir nicht wirklich bewusst waren, gehörte die Existenz einer „richtigen“ brasilianischen Exploitation-Kultur. Ja, klar, man kennt Coffin Joe, aber der war und ist ein Outsider, der außerhalb jeglichem „Mainstreams“ operiert und der nur schwer mit „Kommerz“ in irgendeiner Form in Verbindung gebracht werden kann. Mit Müh und Not fielen mir noch zwei-drei sleazige Frauenknaster ein, wie Osvaldo de Oliveras zynischer „Bare Behind Bars“ (Senor de Olivera bedient bei unserem heutigen Film übrigens die Kamera, was dann auch wieder beweist, dass die Exploitation-Szene auch in einem Flächenstaat wie Brasilien ein Dorf ist), aber seit ich neulich im Online-Katalog eines Bootleg-Vertickers blätterte, ahne ich, dass es zumindest in den 70ern und frühen 80ern wirklich so etwas wie einen brasilianischen B-Film in allen seinen Ausprägungen gab. Dann eben auch einen Film wie diesen, dessen Originaltitel sich in etwa als „Kung Fu gegen die Puppen“ übersetzen lässt und im englischsprachigen Raum eben als „Bruce Lee versus Gay Power“ „bekannt“ ist.

Ich hatte nicht wirklich eine Vorstellung davon, was ich zu erwarten hatte, aber die Neugier war geweckt und musste gestillt werden. Was ich aber wirklich *nicht* erwartet hatte, war eine Komödie. Nun ja. Es soll eine Komödie sein. Gut, wie gesagt, ich versteh die Sprache nicht, also entgeht mir da eine Ebene mehr als bei einem gewöhnlichen Film in einer mir nicht geläufigen Mundart.

Erkennbar ist natürlich, dass es sich um eine Parodie auf übliche Kung-fu-Film-Tropes handelt, und wohl auch im Besonderen auf die „Kung Fu“-Fernsehserie (durch die ständigen Flashbacks in des Chinesen Ausbildung und sicherlich höchst relevanten Ratschlägen seines Meisters), abgeschmeckt mit einer Prise Jodorowsky-Veralberung (die Ähnlichkeiten zwischen dem Chinesen und El Topo sind mir ein wenig zu prägnant, um bloßer Zufall zu sein; und manchmal hat man auch während des Films den Eindruck, so ungefähr abzüglich LSD sähe das aus, hätte Jodorowsky sich mal entschlossen, eine reinrassige Klamotte zu drehen).

Dafür spricht z.B., dass der Film absolut debilen Deppenhumor mit knackiger Gewalt mixt – da werden schon mal alte Frauen mit Kopfschüssen erlegt (und einem netten „PING“-Geräusch als Soundeffekt), blutige Schusswunden zelebriert und Äxte und Macheten als Mordwaffen benutzt – und wenn gekillt wird, dann (mit Ausnahme des geschilderten Soundeffekts) ist das auch nicht auf lustig getrimmt, sondern bitterer Ernst. Zwischen den Kills gibt’s dann Rumgealbere, miese Kung-fu-Kämpfe (selbst das Kung-fu unseres Chinesen ist nicht sehr impressiv – das Mädel beeindruckt mich da beinahe mehr, obwohl die sicher auch nicht mehr als zwei-drei Trainingsstunden spendiert bekam), Infantilitäten wie die farb-koordinierten Piraten mit Rückennummern, die in ihrem Camp schon mal Song-and-Dance-Einlagen zelebrieren (zum Glück nicht oft genug, um den Film als Musical zu qualifizieren, denn auch die Musik ist grausam), einen Polizeichef mit ständig verrückender Augenklappe (und einer Kappe, die nicht von einem Dienstwappen, sondern dem eines brasilianischen Fußballvereins geziert wird – Ehrensache, als später im Film literally die Kavallerie eintrifft, tut sie das unter der Vereinsfahne des „BFC“. Konnte leider nicht herausfinden, welcher Verein das ist), Piraten, die keine Ferngläser haben, sich aber einfach die Hand vor die Augen halten und das genau so funktioniert, einem vom Chinesen gefällten Piraten, der sich vor’m Abnippeln noch ein Autogramm geben lässt etc.

Klingt eigentlich gar nicht mal so unlustig, ist aber leider mit recht miesem komödiantischen Timing inszeniert, so dass die Gags nur selten richtig zünden (wie gesagt, Einschränkung, ich nix Sprache).

Das mit dem „Gay Power“… ich hatte schlimmeres befürchtet… viele der Figuren haben einen tuntigen Einschlag, aber das gilt für Fieslinge wie auch den Helden, also ist das mit dem „versus“ nicht so wörtlich zu verstehen, zumal (SPOILER) das Happy End des Films auch darin besteht, dass der Chinese mit seinem schwulen Fan weiterzieht…

Die Kampfchoreographie ist, as mentioned before, armselig, dafür gibt’s einen der dramatischeren Tode seit „Karate Girls“ „BEST DEATH SCENE EVER“, und die Schauspieler sind allesamt weitgehend talentfreie Nasenbären. Ich hab keine Ahnung, wer wen spielt, also werd ich keine große Einzelkritik aufziehen. Der „Chinese“ sieht einigermaßen aus wie ein das uneheliche Stiefkind von Bruce Lee und Jackie Chan und der Chefpirat erinnert mich an eine Mischung aus Ex-Big-Brother-Insasse Harry und einer etwas gepflegteren Ausgabe des Metal-Comedians Bembers.

Regisseur Adriano Stuart scheint seine Karriere auf solchen Genre-Spoofs aufgebaut zu haben, die IMDb listet Werke, die unschwer als Parodien/Varianten auf „Der weiße Hai“, „Die drei Musketiere“ und „Star Wars“ zu erkennen sind. Naja, jeder, wie er kann.

Hat mir das Ding (das sich mir in Form eines auf DVD-R gebrannten TV-Rips in passabler Qualität für die Sorte Film vorgestellt hat) nun Spaß gemacht? Ja, schon, auf seine eigenartige Weise – als Nicht-Brasilianer (oder wenigstens -Portugiese) wird man nicht permanent ablachen, aber es gibt immer wieder kuriose Momente oder schieren Wahnsinn, der zum Grinsen anregt. Ist aber schon eindeutig Programm für fortgeschrittene Trashologen, die sich von der Sprach- und der Humor-Barriere nicht abschrecken lassen…

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 9

BIER-Skala: 5


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