Bruce Lee – Die Tigerkralle

 
  • Deutscher Titel: Bruce Lee - Die Tigerkralle
  • Original-Titel: The Real Bruce Lee
  • Alternative Titel: Die unbesiegbare Todeskralle |
  • Regie: Larry Dolgin, Jim Markovic
  • Land: Hongkong/USA
  • Jahr: 1979
  • Darsteller:

    Bruce Lee, Bruce Li, Dragon Lee, Min Kyu Choi


Vorwort

Bruce Lee wird 1940 als Sohn chinesischer Auswanderer in San Francisco geboren. Schon wenige Monate später kehrt die Familie nach Hongkong zurück, wo Bruces Vater, selbst erfolgreicher Filmschauspieler, die Karriere des Juniors in Gang setzt. Bruce spielt Kinderrollen in einigen Spielfilmen und geht beim legendären Wing-Chun-Kung-Fu-Meister Ip Man in die Lehre. Da Bruce allerdings die strikten Regularien des klassischen Kung-Fu für wenig praktikabel hält, beendet er die Lehrzeit und geht (allerdings, was der Film elegant verschweigt, aufgrund verschiedentlichen Ärgers mit Straßebanden) in die USA, wo er Kung-Fu-Unterricht gibt und an seinem eigenen Stil bzw. „dem Stil ohne Stil“, der später mal Jeet Kun Do heißen wird, feilt. Die Fernsehserie „Green Hornet“ macht ihn populär – zurück in Hongkong arbeitet er mit dem Produzenten Raymond Chow an seinen Kinofilmen, die ihn zum Megastar machen. Bruce verkehrt jetzt mit der High Society aus Politik, Wirtschaft und Gangstertum, doch als er einen Drogenskandal aufdeckt, wird’s den Kriminellen eindeutig zu bunt.


Inhalt

Gebt’s zu, bis zum letzten Satz klang die Inhaltsangabe nach seriöser (wenn auch geschönter) Bruce-Lee-Biographie, aber am Ende ist’s doch wieder „nur“ Bruceploitation, und das sogar von der besonders dreisten Art – angesichts der Vita der drei Hauptverantwortlichen überrascht’s allerdings nicht, dass „Die Tigerkralle“ von allen billigen Ausreden, am Andenken Bruce Lees mitzuverdienen, einer der schäbigsten ist.

Sehen wir uns die Gesellen mal an… als Regisseure fungieren Larry Dolgin und Jim Markovic. Dolgin schrieb in der Folge englische Dialoge für importierte Heuler wie „Deported Women of the SS Special Section“ , „Emmanuelle Goes To Cannes“ und „Mad Mission III“, übersetzte und schnitt Export-Fassungen von Bare Behind Bars und „Amazon Jail“, lieh so manchem Italo-Schmarren wie „Kampf um die 5. Galaxis“, „Die Hölle der lebenden Toten“ oder „Ein Turbo räumt den Highway auf“ seine Stimme als Synchronsprecher, wenn er nicht gleich kleine Rollen in Streifen wie „Top Line“ (dem lustigen Franco-Nero-Trasher), „Rent-a-Cop“, „Robot Jox“ oder Ancient Warriors übernahm – ein verdieneter Schundologe mit Gütesiegel also, aber nicht gerade mit der Expertise gesegnet, eine Dokumentation über Leben und Werk des Kung-Fu-Königs zu erstellen.
Die bringt auch Jim Markovic nicht mit, der die US-Version von Zombi Holocaust zusammenfummelte, als Editor an „Klassikern“ wie „Forced Entry“, Flucht aus gnadenloser Hölle oder „The Executioner“ schnippelte und daran scheiterte, der „Sleepaway Camp“-Reihe einen vierten Teil hinzufügen (das Material, das er drehte, ist in uneditierter Form mittlerweile erhältlich). Auch nicht gerade ein Spezialist – wer kam auf die Idee, die beiden zusammenzuspannen?

Niemand anderes als Exploitation-Legende Dick Randall (Söldner des Todes, Fröhliche Weihnacht, „Pieces“, „Die außerirdischen Besucher), der relativ spät, aber nicht zu spät, auf den Trichter kam, am Bruce-Lee-Kuchen auch noch zu knabbern und neben diesem heute zu besprechenden Film noch den Genre-Klassiker „Bruce Lee – Seine Erben nehmen Rache“, „Bruce kehrt zurück“ und „Bruce Lee – King of Kung Fu“ produzierte. Ein Biopic sollte es also werden; da begreiflicherweise niemand von Bruce Lees Weggefährten dieser trostlosen Troika Rede und Antwort stehen wollte, das Ding aber ersichtlich als „echtes“ Bruce-Lee-Werk vermarktet werden sollte, verfielen Randall und seine Mitstreiter auf eine Idee, die ich in anderem Zusammenhang bereits mal „clever“ genannt habe – aus Filmausschnitten des zu würdigenden Stars eine Biographie zu konstruieren.
Wie gesagt, der Einfall ist gar nicht mal schlecht (später baute Ted Newsom auf solche Weise die drollige Ed-Wood-Doku „Look Back in Angora“), nur sind Bruce Lees Filme eins mal ganz sicher nicht, nämlich autobiographisch. Das hält einen skrupellosen Produzenten natürlich nicht auf und so ergibt sich bei „Die Tigerkralle“ letztlich ein Film, der zu vielleicht 20 % aus aus dem Zusammenhang gerissenen, neu synchronisierten Clips aus Lees Filmen, zu weiteren 15-20 % aus endlos recycleten Archivaufnahmen, 30-40 % neu synchronisierten Ausschnitten aus anderen Bruceploitern (namentlich dem von Joseph Kong gedrehten und immer wieder gern auf RTL II laufenden „Die Pranke des Leoparden“ mit Bruce Li, der als 1964 entstandenes unfertiges Lee-Original ausgegeben wird – und dessen Vorspann unbefangen als der des „Hauptfilms“ benutzt wird) und 20-30 % (wohl) komplett neu gedrehtem Material, das sich vom Szenen-set-up vage an Motive aus „Todesgrüße aus Shanghai“ und (natürlich) vor allem „Game of Death“ anlehnt und hauptsächlich Dragon Lee ins rechte (hihi) Bild rückt (sehr hübsch ist auch eine Coda, in der behauptet wird, Bruces Freunde hätten sich entschlossen, *diesen* Film zu drehen, nachdem ein gewisser Chu Wan, angeblich Bruces bester Freund, sich dazu bereit erklärt habe, die Hauptrolle zu übernehmen).(Update: Ich hab mich darüber informieren lassen, dass der „Showdown“ der „Tigerkralle“ – und auch das Schlangen-Fu – komplett aus dem Dragon-Lee-Klopper „Enter the Game of Death“ stammt, womit erwiesen wäre, dass unser hiesiger Film vermutlich keinen einzigen originalen, neu gedrehten Frame aufweist).

Dass das nicht klappen kann (im Sinne von „einen schlüssigen, nachvollziehbaren Film ergeben“) ist klar, schon allein, weil vor allem Dragon Lee zwar die Gestik und Mimik des großen Vorbilds drauf hat, ihm aber nicht wirklich ähnlich sieht, auch nicht, wenn man ihn in einen orangenen Trainingsanzug packt (ja, für einen original-gelben hat’s nicht gereicht, den trägt Bruce Li in der „Leoparden“-Footage auf). Der lächerliche Versuch, Lees Biographie zu einer Räuberpistole umzudichten, in der er (unausgesprochen, aber impliziert) durch die „Aufdeckung eines Drogenskandals“ im Hongkong-Jetset von den Triaden auf’s Korn genommen wird (was soweit geht, dass die „Leoparden“-Footage als „basierend auf einer wahren Begebenheit“ ausgegeben wird und mit dem neuen Dragon-Lee-Material „fortgesetzt“ wird), regt selbstredend ausschließlich die Lachmuskeln an (vor allen Dingen dank einer der besten Lines der Filmgeschichte – einem der Henchmen der Bösen fällt nach dem x-ten gescheiterten Versuch, Bruce mittels gedungener Kung-Fu-Strategen zu meucheln, doch mal ein, dass eine gezielte MPi-Salve das Problem elegant lösen könnte, doch sein Chef bügelt ihn mit einem entwaffnenden Argument ab: „Das bringt nichts!“ Woo!).

Unterbrochen wird die Storyline in schöner Regelmäßigkeit durch von einem Erzähler zugequasselte und größtenteils aus anderen Dokumentationen bereits bekannte Trainingsfootage und Fotos, zu denen extrem simplifizierte Statements aus Lees eingebaut werden (recht beliebt bei den Filmemachern ist auch der berühmte Fight Bruce Lee vs. Chuck Norris, der ungefähr dreimal eingespielt wird); ein Highlight des Humors ist sicherlich auch das, was uns als Originalaufnahmen aus „Green Hornet“ verkauft wird – extremst billig nachgestellt mit Bruce Li, dem man mal schnell eine Kato-Maske auf die Stirn genagelt hat, und der sich irgendwo auf einem Parkplatz in Hongkong mit ein paar mindertalentierten Schlägern prügeln darf. Großartig!

Was den Streifen dann auch für Lee-Komplettisten ernsthafter Natur unbrauchbar macht, ist, dass die deutsche Fassung radikal von den ursprünglichen 93 Minuten auf knapp 75 zusammengestrichen wurde (die IMDb listet für die britische Version sogar satte 118 Minuten Spielzeit. Das glaub ich unbesehen allerdings nicht); auf der Strecke blieben dabei die potentiell interessanten, da raren Szenen aus Lees Kinder- und Jugendfrühwerken, also genau das, was einen Film dieser Sorte zumindest für Hardcore-Sammler lohnenswert machen könnte; aber das hat wohl schon der ursprüngliche deutsche Video- oder Kinovertrieb zu verantworten (Mill Creek hat in seiner 50-Martial-Arts-Classics-Box eine 100-Minuten-Version zu bieten. Mal sehen, vielleicht hol ich mir den Schlonz mal, da ist viel hübscher Bruceploitation- und Ninjakrempel drauf).

Wie üblich ist der Soundtrack höchstwahrscheinlich komplett geklaut – er schwankt jedenfalls zwischen traditionellem Martial-Arts-Score und einem hysterischen Discofunk-Theme (das allein ungefähr ca. 20 Minuten des Soundtracks bestreitet).

Was die Choreographie der „neuen“ Szenen angeht, so sind diese Kampfszenen natürlich mehrere Lichtjahre von der Klasse eines weggeworfenen Bruce-Lee-Outtakes (und die kann man ja in den diversen „Game of Death“-Resteverwurstungen ausgiebig bewundern) entfernt, aber durchaus spaßig. Sowohl Bruce Li als auch Dragon Lee dürfen sich in, eh, „Hommagen“ an die Pagoden-Sequenz aus „Game of Death“ durch einen Turm mit diversen, unterschiedlichen Kampfstilen anhängenden Kontrahenten kloppen (Lis Szenen sind dabei lustiger, er hat es u.a. mit einem fetten Sumotori und einem amerikanischen Boxer, den er in ungefähr 10 Sekunden in den Staub schickt, zu tun), Bruce Li hat zudem einige der beliebten 30-gegen-einen-Kämpfe zu absolvieren, dafür aber langweilt Dragon mit einer ausschweifenden Sequenz, in der er einen Art „Drunken Snake“-Stil „entwickelt“ (die Schlange wird dafür auch ordnungsgemäß abgefüllt). Wie schon gesagt – Dragon mag dem echten Lee nicht sonderlich ähnlich sehen, punktet aber durch die recht authentische Gestik und seine faszinierenden Kampfschreie…

Bildqualität: Für die mir vorliegende DVD zeichnet kein Label verantwortlich – als „Die Tigerkralle“ erschien der Streifen schon einmal bei Elfra, so dass ich (auch aufgrund des Packungsdesigns) mal locker vermute, dass Best Entertainment hier die Elfra-Lizenz zweitauswertet. Der verwendete Print (4:3-Letterbox, lässt sich aber auf 16:9-Equipment brauchbar skalieren) ist schauderhaft – neben den, hüstel, „Handlungskürzungen“ und der Entfernung (vermutlich) mancher gröberer Härte (der Publisher gibt für diesen Film FSK 12 an, aber FSK 16 ist richtig), die manche Szene mittendrin enden lässt, erfreuen zahlreiche Filmrisse, vor allen Dingen in den eingestreuten „dokumentarischen“ Passagen, das Herz – es gibt Phasen, in denen man vom Erzähler grundsätzlich nur Halbsätze hört, weil der Rest irgendwo in einem Bahnhofskino verschmurgelte… Die Bildqualität selbst ist mit „entsetzlich“ wohlwollend beschrieben, neben Verschmutzungen, Laufstreifen und physischen Defekten stört noch so mancher Digial-Artefakt das Sehvergnügen.

Tonqualität: Ausschließlich deutscher Ton, der sich Dolby 2.0 schimpft. Kurios ist übrigens an der DF, dass die drei „Lees“, obschon eine Person „darstellend“, wenn ich das richtig überhöre, von drei verschiedenen Sprechern synchronisiert werden.

Extras: Das Cover gibt zwar „Kapitelanwahl“ und „Bildergalerie“ an, die sucht man aber vergebens. Mir liegt die Scheibe übrigens in der „2 for 1“-Double-Feature-Reihe vor, die so manchen Supermarktgrabbeltisch bevölkert. Als Zweitfilm wird die Dokumentation „König des Kung Fu“ beworben, hinter dem entsprechenden Menüpunkt findet sich aber – juchu – nur NOCHMAL „The Real Bruce Lee“ unter dem Titel „Die unbesiegbare Todeskralle“, ansonsten aber völlig identisch. Jucheisassa. Ich hab ja wenigstens nur 2 Euro für den Spaß bezahlt, der Schaden hält sich ergo in Grenzen, aus Prinzip sauer bin ich aber trotzdem.

Fazit: Wer von dieser DVD-Veröffentlichung eine seriöse Auseinandersetzung mit Leben und Werk des größten aller Kampfkünstler erwartet, liegt natürlich im völlig falschen Bett (zu empfehlen sind an dieser Stelle in erster Linie folgende Filme: „Bruce Lee – Die Legende“, eine Doku, die Raymond Chow 1976 realisierte, und der auf Linda Lees Memoiren basierende „Dragon – Die Bruce Lee Story“ mit Jason Scott Lee. Beide sind, da „offizieller“ Natur, zwar beschönigend, beruhen aber zumindest ansatzweise auf der Realität…). Als besonders mieser Exploitation-Job kann „The Real Bruce Lee“ aber voll, äh, „überzeugen“ – durch die hanebüchene Mischung schlichtweg irgendwo geklauter Originalaufnahmen, Szenen aus anderen Bruceploitern und völlig neu gedrehter Footage und der krampfhafte Versuch, diese drei Komponenten auch noch in eine (völlig fiktive, aber als „real“ verkaufte) Actionfilmhandlung zu zwängen, garniert mit pseudophilosophischen „Lehren“ des Meisters (die sich wahrscheinlich einer der Autoren aus den Fingern gesogen hat), hat die Chose für Fans der gepflegten Bruce-Lee-Ruhmesschändung einen immensen Unterhaltungswert, an dem vor allem die unübertreffliche Unverfrorenheit, das schnell eben hingerotzte neue Zeug als „authentisch“ und echt zu verkaufen, beeindruckt. In diesem Sinne: Empfehlung des Hauses, dass der Film in der deutschen DVD-Fassung dann auch noch gekürzt wie Hölle ist und aussieht wie schon dreimal ausgekotzt, passt ja auch wie die Faust auf’s Auge…

4/5
(c) 2011 Dr. Acula


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