Bone Daddy

 
  • Deutscher Titel: Bone Daddy
  • Original-Titel: Bone Daddy
  •  
  • Regie: Mario Azzopardi
  • Land: Kanada/USA
  • Jahr: 1998
  • Darsteller:

    Rutger Hauer (William H. Palmer), Barbara Williams (Judith/Sharon), R.H. Thomson (Marshal Stone), Joseph Kell (Peter Palmer), Robin Gammell (Cobb), Blu Mankuma (Trent), Mimi Kuzyk (Kim), Wayne Best (Rodman), Daniel Kash (Rocky)


Vorwort

Aus dem ehemaligen erfolgreichen Gerichtsmediziner William Palmer ist ein Bestsellerautor geworden, dessen true-crime-Romane sich verkaufen wie die warmen Semmeln. Jahre nach seinem Ausstieg aus dem Ermittlungsgewerbe veröffentlicht er nun einen Roman über den „Bone Daddy“, einen nie gefassten Serienmörder. Kaum ist das Buch auf dem Markt, geht Palmer seines Agenten Rocky verlustig. Aber er bekommt ihn zurück – in Einzelteilen. Fein säuberlich aus dem lebenden Objekt entnommene und in ausgesuchte Seiten Palmers Romans gewickelte Knochen werden geliefert – der „Bone Daddy“ ist wieder da. Oder ist es doch nur ein Nachahmungstäter?
Palmer gelingt es, zur überschaubaren Begeisterung der Polizeioberen und seines Sohns Peter, der mittlerweile selbst als Gerichtsmediziner die Knochensäge schwingt, sich als Berater in die polizeilichen Ermittlungen einzuschleusen. Die leitende Beamte Judith (oder Sharon, je nach Sprachfassung) kapriziert sich auf die Top-Verdächtigen der Jahre zurückliegenden Ermittlung, speziell auf Mort Franks, seinerzeit Palmers Rivale um den Posten des Chef-Gerichtsmediziners und justament kurz vor den ersten Bone-Daddy-Morden von Palmer wegen „beruflicher Differenzen“ gefeuert – nebenher pflegte Palmer aber noch eine Affäre mit Franks Frau… Dummerweise ist aus Franks mittlerweile ein seniles Alzheimer-Wrack geworden, so dass er als Verdächtiger ausfällt. Der Killer meldet sich telefonisch bei Frank und kündigt Judith als nächstes Opfer an. Der wird aber nur der traurige, entkernte Rest von Rocky vor die Tür gelegt. Judith verdächtigt Peter Palmer, der als zurückgewiesener, es dem alten Herrn nie recht machender Sohn (und Scheidungskind und langjähriger Bettnässer) genau ins Täterprofil passen würde. William Palmer wehrt sich mit Hand und Fuß gegen die Verdächtigung, aber in des Sohnemanns Heimstatt findet sich reichlich eindeutiges Beweismaterial…


Inhalt

Theoretisch müsste man Jonathan Demme böse sein – der spektakuläre Erfolg von „Das Schweigen der Lämmer“ zog nicht nur einige qualitativ deutlich unterlegene Se- und Prequels nach sich, sondern auch die üblichen Legionen mehr- oder mindertalentierter Trittbrettfahrer, die dafür Sorge trugen, dass raffinierte psychopathische Serienkiller im Dutzend billiger Leinwände und Fernsehschirme dieser Welt heimsuchten. Natürlich gab’s auch positive Erscheinungen wie „Sieben“ und in geringerer Güte „Copykill“ oder „Resurrection“ (das letzte ernsthafte Lebenszeichen von Russell Mulcahy UND Christopher Lambert), aber der breite Rest dieser Nachahmer hatte schon seine liebe Müh und Not, sich wenigstens das Prädikat „Durchschnitt“ zu verdienen.

Wo irgendwo ein schneller Dollar zu verdienen war, war auch die Kushner/Locke Company, die Mitte der 90er u.a. etliche Charles-Band-Produktionen (wie The St. Francisville Experiment) unter die Leute brachte, nicht weit, und hielt es für nötig, der Welt einen weiteren bösartigen Killer auf den Hals zu hetzen. „Bone Daddy“ entstand nach einem Drehbuch des mittelprächtigen Fernsehschreiberlings Thomas E. Szollosi (dessen größte Ruhmestat es sein dürfte, für zwei Staffeln Story Editor beim „A-Team“ gewesen zu sein und in dieser Zeitspanne auch acht Folgen persönlich verantwortete, außerdem schrieb er zwei „Outer Limits“- und zwei „Star Trek: Voyager“-Folgen) unter der Federführung des mittelprächtigen Fernsehregisseurs Mario Azzopardi (der sich hauptsächlich bei „Outer Limits“, der „Kung fu“-Neuauflage, „Highlander“, „Stargate SG-1“ und „Total Recall 2070“ herumtrieb, aber auch die Zeit fand, 1995 einen TV-Film namens „Die einzige Zeugin“ in Deutschland zu fabrizieren). Die Starpower erschöpfte sich dann in der Verpflichtung von Rutger Hauer, der aber, nachdem er zuvor einige Filme für Albert Pyun absolviert hatte (namentlich den gar nicht mal so schlechten „Blast“ und den trostlosen Cyborg-Heuler „Omega Doom“) erstens nicht wirklich viel Geld verlangt haben kann und zweitens wohl sowieso nicht sonderlich wählerisch war. Gedreht wurde dann aus Kostengründen einmal mehr in Toronto, das trotz massivem stock-footage-Einsatz nicht wirklich nach Chigao aussieht, und außerdem dem Film, um zumindest schon mal das vorwegzunehmen, den typisch kanadischen „sieht-nicht-ganz-nach-FILM-aus“-Look verpasst.

Nun gut, „sieht nicht ganz nach Film aus“ ist vielleicht ganz angemessen, denn Szollosis Script ist auch eins von der Sorte „liest sich beinahe wie ein spannender Thriller“.
Es hat grundsätzlich alle notwendigen Zutaten, aber es verzettelt sich mächtig – im seinerzeit angesagten Bemühen, ja keine sympathische Figur zu haben, mit der ein Zuschauer ungefangen mitfiebern könnte, hat man wirklich jedem einzelnen Charakter psychologischen Ballast für tausende Therapiesitzungen, die Psychiater reich machen würden, mitgegeben: Palmer ist von seinem Sohn entfremdet, von seiner Ehefrau geschieden, wird allgemein von seinen Kollegen und ehemaligen Vorgesetzten als arrogantes Arschloch angesehen (und offenbar nicht zu Unrecht), hat Job-Rivalen eiskalt abserviert (und ihre Frauen flachgelegt), schlachtet seine kriminalistischen Erkenntnisse für schnöden Mammon aus (und ist, wenn ich die Auszüge aus seinem Buch, die man uns vermittelt, ins Kalkül ziehe, ein elend mieser Schriftsteller), und ist demzufolge logischerweise positiver Protagonist unseres Films – zur Hölle, der Knabe war mir so unsympathisch, *ICH* wollte ihn umbringen. Judith (oder Sharon, warum auch immer die deutsche Sprachfassung sie nun „Judith“ nennt, ist mir schleierhaft) leidet unter latenter Mißachtung und Geringschätzung durch ihren Boss und schleppt das Trauma mit sich herum, aufgrund unangebrachten Heldenmuts vor ein paar Jahren im Streifendienst ihres ungeborenen Kinds verlustig gegangen zu sein. Und das sind nur die Hauptfiguren und zieht sich wie ein roter Faden auch durch die Charakterisierungen der Nebencharaktere (Polizeichef Cobb ist ein Volldepp, der grundsätzlich jede Idee, die seine Untergebenen haben, für blöde hält, Rocky, der entkernte Agent, ist in der einzigen Szene, in der wir ihn in „Aktion“ erleben, ein Drecksack, Palmers PR-Manager ein widerlicher Kotzbrocken, Peter, Palmers Sohn, eine Nulpe, dem man wünscht, er wäre auf einer Gesamtschule ab und zu, also ungefähr dreimal täglich, verprügelt worden usw. usf.).

Bei dieser Revue der angeschrammten Psychen verliert das Script des öfteren den Fokus, sprich das Augenmerk darauf, dass ursprünglich Sinn der Übung mal ein harter Serienkillerreißer war (dementsprechend aufgesetzt wirken dann auch die gelegentlich – *sehr* gelegentlich – eingestreuten Härten). Szollosi vergisst, Aktion ins triste Spiel zu bringen; es ist erkennbar, dass er versucht, das Pferd von der polizeilichen Ermittlungsseite (und damit der grundsätzlich zumeist eher langweiligeren) Seite aufzuziehen, was daran scheitert, dass seine Figuren nicht wirklich viel *ermitteln* (ich will ja nichts sagen, aber die Glanztat, Franks zu lokalisieren, der im friggin‘ Telefonbuch steht, ist jetzt nicht gerade Columbo-verdächtige Detektivpuzzelei), sondern sie mehr oder weniger darauf warten, ob und ggf. was „Bone Daddy“ vielleicht noch so treibt (so versucht offensichtlich niemand aktiv, den entführten und fortschreitend zerlegten Rocky zu *finden*). Das Dumme ist halt, dass bei Serienkillerfilmen die interessanteste Figur im Allgemeinen nunmal der *Serienkiller* ist, und über den erfahren wir kaum etwas – man schmeißt uns zwar eine Fuhre red herring-Verdächtiger hin, die plausible Motive haben könnten (d.h. so ungefähr zwei, und einen dritten hab ich mir selbst gebacken, da konnte das Script gar nicht mal so viel dafür) und es demzufolge nach Genre-Logik ja gar nicht sein können – ergo muss ein „überraschender“ Schlusstwist her. Dass ein solcher kommt, wird keinen Menschen verblüffen, wie er kommt, naja, das ist zumindest halbwegs erträglich; wenigstens zaubert Szollosi nicht eine völlig neue Figur aus dem Hut, sondern eine solche, die man uns zumindest schon vorgeführt hat, ein echtes Motiv, das über „ist halt durchgeknallt“ hinausgeht, kann er uns aber nicht bieten. Anhand Hinweisungen aus der Handlung ist der Killer vom Zuschauer nicht zu identifizieren, allenfalls über Gesichter-Lotto („einer von denen muss es sein“). Angemerkt sei an dieser Stelle, dass ich Palmers Erkenntnis, der Täter könnte unmöglich sein Sohn sein, für gequirlten Kuhdung im Dreimonatspack halte (SPOILER: Palmer stellt fest, dass der wahre Killer seine Opfer mit anderem Stichmuster zunäht als sein Sohn es gemeinhin in der beruflichen Praxis zu tun pflegt. Dem messe ich allerdings absolut keine Beweiskraft zu, denn „er macht’s normalerweise SO und nicht SO“ dürfte keiner echten kriminologischen Untersuchung standhalten. Man kann’s ja auch absichtlich anders machen, gelle?).

Mario Azzopardi inszeniert „Bone Daddy“ dann weitestgehend auch auf dem Niveau eines mittelmäßigen TV-Films, also ganz so, wie man’s anhand seiner Vita erwarten konnte. Da ist kein echter Druck dahinter, da kommt keine Spannung, kein Tempo auf, weil es ihm nur selten gelingt, aus den Dialogszenen, die uns die Charaktere und ihre Motivationen näher zu bringen. Da sind kaum echte Einfälle zu vermerken, das ist alles auf diesem öden, zehntausendmalgesehenen Fernsehniveau, wobei man wieder feststellen muss, dass gute Folgen aus „härteren“ Crime-Serien wie „Bones“ oder „CSI“ die biedere Optik und den betulichen Erzählrhythmus von „Bone Daddy“ wegfegen. Danny Nowak („Crackerjack“, Chained Heat II, „Children of the Corn VII“ – VII? Ich hab echt gedacht, nach dem sechsten Teil wäre da Schicht im Schacht gewesen…) fotografiert das alles zwar recht anständig, aber eben uninspiriert und, ich wiederhole mich, auf dem Niveau durchschnittlicher TV-Kost; für einen Film, der bis mir das Gegenteil bewiesen wurde für einen Kinoeinsatz gedacht war, ist das einfach langweilig. Erst in den letzten zehn Minuten, wenn sich Azzopardi daran erinnert, dass er streng genommen einen Serienkillerfilm machen wollte und die üblichen Genre-Klischees abarbeitet, kommt zwar keinerlei Originalität, aber wenigstens ein wenig Pfeffer, ein wenig Gusto in die Inszenierung – zu spät, um dem Film im Ganzen noch weiterhelfen zu können, aber wenigstens ein befriedigender Showdown für die geduldige Klientel, die sich bis dahin durchgekämpft hat. Wie schon angedeutet, hilft dem Streifen sein „typisch kanadischer“ Look auch nicht gerade weiter.

Erwähnenswert sind die Make-up-Effekte – da der Knochenvater sich einer ausgesprochen kruden Tötungsmethode (nämlich eben der Extraktion von Knochen aus lebendigen Opfern) bedient, gibt’s hier wenigstens ab und an (leider zu selten, um wirklich zu beeindrucken und Horrorfans nachhaltig zu begeistern) sehenswerte Tüfteleien, ausbaldowert von Matthew Dewilde (Jill Rips, „Warriors of Terra“) und Allan Cooke (Land of the Dead, „Shadow: Dead Riot“, „Jack Brooks: Monster Slayer“), die ich in der Form noch nicht gesehen habe. Wäre schon irgendwie nett gewesen, hätte Azzopardi auf den Horror-Teil seines Films mehr Wert gelegt als auf die Seelennöte seiner Protagonisten.

Lobende Erwähnung sollte noch der Score von Mark Kilian („The Skulls III“) und Christophe Beck („Pink Panther“, „Garfield: A Tail of Two Kitties“) finden, der prinzipiell alle richtigen Knöpfe drückt, aber einen etwas spannenderen Film verdient hätte.

Freuen wir uns wenigstens darüber, dass der Film uns keinen hippen Teenie-Cast vorsetzt, sondern Damen und Herren gesetzteren Alters, gegen die ich mich regelrecht jung fühle. Rutger Hauer himself laboriert an einer Rolle, die ihm nicht wirklich zu liegen scheint und die er daher auch mit möglichst geringem mimischen Aufwand zu absolvieren versucht (das lernt man vermutlich unfreiwillig bei Pyun). Ich schätze Hauer als Schauspieler wirklich sehr, aber so richtig nach vergossenem Herzblut sieht seine Performance hier nicht aus. Schon auffälliger agiert Barbara Williams (die übrigens in einem Bit-Part in dem von „Dr. Freex“ vom „Bad Movie Report“ geschriebenen „Forever Evil“ debütierte und ansonsten hauptsächlich aus der Charles-Bronson-TV-Filmreihe „Family of Cops“ bekannt sein könnte) als erfahrene, trotzdem aber unsichere und anfällige Polizistin. R.H. Thomson (Bugs, „Population 436“) geht erst im Finale aus sich heraus und bleibt selbst dann noch relativ farblos, Joseph Kell („MythQuest“) agiert mit dem Charisma einer weggeworfenen Aktentasche, Robin Gammell („Airport 80 – Die Concorde“, „Rituals“) ist in der unwichtigen Rolle des Polizeichefs zumindest unterhaltsam.

Bildqualität: MCP-DVDs sind selten Grund zu Begeisterungsstürmen, und die für „Bone Daddy“ macht keine Ausnahme, ist aber wenigstens für das Label noch im oberen Bereich angesiedelt. Hinter der 4:3-Vollbildangabe verbirgt sich ein Letterbox-Transfer von ungefähr 1.85:1-Aspect Ratio mit mittelmäßigen Schärfe- und Kontrastwerten, aber immerhin frei von Defekten und Verschmutzungen – wenn man an Releases wie Feuerwalze oder Crash denkt, ist das schon regelrecht erstaunlich.

Tonqualität: Huch, ein Dolby-Surround-Logo? Auf einer MCP-Disc? Die normalerweise bestenfalls ein „Stereo“ ziert? Hollaho. Dafür ist es halt auch nur der deutsche Ton mit einer mit Ach und Krach durchschnittlich zu nennenden Sychronfassung. Die ist immerhin rauschfrei und klar, recht angenehm abgemischt, auch wenn Soundeffekte und Nebengeräusche arg heruntergeregelt sind.

Extras: Immerhin der Trailer. Immerhin.

Fazit: Ich hatte mir von „Bone Daddy“ zwar keine Großtaten versprochen, aber zumindest dank der Mitwirkung des altgedienten Recken Rutger Hauer und dem eigentlich nicht ganz totzukriegenden Thema (und dem erwähnt interessanten modus operandi des Killers) einen leidlich unterhaltsamen Thriller versprochen. Geboten bekam ich dann aber dann doch nur einen drögen Fernsehkrimi mit seltenen Splattereinlagen, der am Ende niemanden richtig zufriedenstellen dürfte. Für Freunde des gewöhnlichen Kriminalfilms dürfte die Sache dann doch etwas zu spekulativ sein, für diejenigen, die wie ich einen harten Thriller sehen wollen, ist das Ganze einfach viel zu langweilig, viel zu bedeutungslos-psychologisierend und optisch zu einfallslos. Aus dem Thema hätte man mehr machen können, ja müssen – aber dafür sind dann halt Genossen wie die Kushner-Locke Company und Mario Azzopardi falschen Ansprechpartner. Daher das Schlusswort: kann man gestrost verpassen.

2/5
(c) 2006 Dr. Acula


mm
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