Body Melt

 
  • Deutscher Titel: Body Melt
  • Original-Titel: Body Melt
  •  
  • Regie: Phillip Brophy
  • Land: Australien
  • Jahr: 1993
  • Darsteller:

    Gerard Kennedy (Det. Sam Phillips), Andrew Daddo (Johnno), Ian Smith (Dr. Carrera), Regina Gaigalas (Shaan), Vincent Gil (Pud), Neil Foley (Bab), Anthea Davis (Slab), Matthew Newton (Bronto), Adrian Wright (Thompson Noble), Jillian Murray (Angelica Noble), Brett Climo (Brian Rand), Lisa McCune (Cheryl Rand), Nick Polites (Sal Ciccone), Maurie Annese (Gino Argento), William McInnes (Paul Matthews), Suzi Dougherty (Kate), Bill Young (Willie)


Vorwort

Auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern hat eine australische Firma, die „Gesundheitsfarmen“ betreibt, ein neues Super-Vitaminpräparat „Vimuvil“ entwickelt und plant dieses in der hübschen kleinen Vorort-Siedlung Homesville von Melbourne heimlich zu testen. Ein Chemiker, der ob der unkontrollierbaren Nebenwirkungen des Mittelchens Gewissensbisse bekommt und die Versuchkaninchen warnen will, wird von Marketingchefin Shaan mit einer Überdosis des Präparats gespritzt und verstirbt als sabberndes, aufplatzendes Wrack bei einem Autounfall. Während die Polizei den mysteriösen Todesfall aufzuklären versucht, die Teenager Sal und Gino, die von Shaan in die Gesundheitsfarm einbestellt wurden (um dort heimlich Tests an ihnen vorzunehmen) in die Hände einer mutierten (Out-)Backwoods-Sippe fallen und Dr. Carrera und Shaan weiterhin am Feldversuch werkeln, müssen’s die harmlosen netten Leute aus Homesville ausbaden – Halluzinationen und ekliger Nasenschleim sind die ersten Symptome, ehe die Körper der mit Vimuvil Behandelten allerlei spontane Deformationen mit stets fataler Folge unterfallen…


Inhalt

Peter Jackson ist schuld. Nachdem der 1992 mit „Braindead“ einen Film abgeliefert hatte, der nicht nur blutig wie sau und irre lustig war, sondern auch noch durchaus jenseits jeglicher Splatter-Werte als *guter* Film zu gelten hat, der seinem Regisseur zu einer gigantomanischen Karriere verhelfen sollte, war’s klar, dass sich Epigonen finden würden, die unter der Maßgabe, mit „Fun-Splatter“ könnte ja mit überschaubarem Kapitaleinsatz gut Kohle scheffeln, aufs gleiche Pferd setzten – so auch ein paar hundert Kilometer westlich von Neuseeland, in Australien, wo, im Lande der Kängurus, Koalas und Aborigines ein gewisser Phillip Brophy auf die Idee kam, einen Schwung selbstverfasster Kurzgeschichten (vier an der Zahl) in einem Film zu verwursten. Das Resultat heißt „Body Melt“, versucht sich in die Tradition so legendärer (ähem) melting movies wie „Der Planet Saturn lässt schön grüßen“ oder „Street Trash“ zu stellen, und hinterließ in der „Szene“ keinen gesteigerten Eindruck.

Und auch, wenn man mir das bezüglich eines Low-Budget-Splatterfilmchens nicht glauben mag, dass „Body Melt“ letztlich nicht funktioniert, liegt einmal mehr hauptsächlich an der Story – was beweist, dass auch, wenn man eigentlich „nur“ ein wenig rumsuppen will, eine Geschichte der Sache durchaus dienlich ist. Brophy adaptierte vier eigene Short Storys (ob die ursprünglich thematisch verwandt waren, ist mir unbekannt, aber auch ziemlich gleich) und schafft sich damit das nur schwer zu umschiffende Problem, diese in den Rahmen *einer* schlüssigen Geschichte unterzubringen, ohne Aussicht auf Erfolg. Im Begleitmaterial gibt sich Brophy sehr stolz, dass sein Streifen stolze 36 Sprechrollen aufweist, aber jedem, der ein bisschen Ahnung von der Materie hat, dürfte schmerzlich klar sein, dass das für einen Fun-Splatter, der sich mit Müh & Not gerade eben so über die Latte der abendfüllenden Spielzeit (75 Minuten ohne Abspann) hievt, mindestens zwei Dutzend zu viel sind. Bei der knappen Laufzeit und der Fülle an theoretisch wichtigen Charakteren kann sich schlechterdings keine einzige Figur richtig entfalten, es fehlt an durchgängigen Protagonisten, statt dessen verliert sich „Body Melt“ in Subplots und –plötchen, die noch nicht mal zwangsläufig etwas mit der Hauptgeschichte zu tun haben müssen (bzw. wenn’s dann nachträglich noch so hingebogen wird, diese Verbindung verkrampft und aufgesetzt wirkt), zerfällt in kurze Episoden, eine Nummernrevue ohne Zusammenhang, weil Brophy schlicht und ergreifend die Übersicht fehlt, die verschiedenen Szenen und Szenarien, zwischen denen munter im Minutentakt hin- und hergeschaltet wird, ein einen echten Narrative zu packen.

Brophy versucht, mit dem „framing device“ der Polizeiermittlungen ein wenig Struktur in den Film zu bekommen, scheitert aber, weil manche seiner Vignetten ohne echte Berührung mit dem, was man im jugendlichen Leichtsinn mal „Haupthandlung“ nennen könnte, auslaufen (Sal und Gino werden von den Outback-Hinterwäldlern gekillt, ohne dass sie jemals mit der „richtigen“ Story Kontakt haben – außer, dass der Chef des Backwood-Clans kurz vor Toresschluss noch zu einem ehemaligen Mitentwickler der Superdroge gemacht wird und für deren schmoddrige Folgen verantwortlich ist; die Figur Paul Matthews, die anfänglich so aufgebaut wird, als könnte sie eine Hauptfigur sein, verabschiedet sich schon ungefähr zu Filmhalbzeit nach einigen eher sinnfreien Zwischenszenen). Er will einfach zu viel von dem, was er sich halt irgendwann mal als „coole Idee“ ausgedacht hat, in den Film packen, ohne wirklich zu überlegen, ob man nicht vielleicht einen Handlungsstrang intensivieren sollte, dafür irgendeinen bedeutungslosen Nebenplot ganz eliminieren könnte – schade, denn passable Ideen stecken in „Body Melt“ durchaus drin. Der Ansatz, als Aufhänger der Story eine Satire auf den Fitness- und Bodybuilding-Steroid-Wahn herzunehmen (die offizielle Todesursache der Opfer ist nämlich laut dem Pathologen akute „Hypergesundheit“), ist durchaus tauglich, aber er bleibt völlig unterentwickelt; letztlich ist es für den Film an sich ziemlich egal, ob ein chemischer Kampfstoff außer Rand und Band gerät, irgendwelche fiesen Viren unsere Figuren infizieren oder eben Vitaminpillen aus der Gratisprobierdose der Auslöser der Katastrophe sind, mehr als ein paar halbseidene Gags fallen Brophy zu einem Thema, das sich für die satirische Überspitzung regelrecht aufdrängt, nicht ein.

Man kann sich auch drüber streiten, ob es geschickt-beabsichtigte Irreführung des Zuschauers oder doch einfach ein Resultat schlampiger Drehbucharbeit ist, wenn der Streifen letztlich drei Möglichkeiten als Ursache für das Geschleime und Geschmoddere anbietet – reine Fehlentwicklungsleistung der Auftraggeber, Sabotage durch den Backwood-Chef und, wuah, auch noch die Tatsache, dass die Gesundheitsfarm (in der das Produkt auch hergestellt wird) auf einer alten Giftmüllkippe errichtet wurde (Öko-Kritik!ELF!). Zudem hält sich der Film auch nicht an selbst aufgestellte Regeln (1. Halluzinationen, 2. Nasensekretion, 3. Groteske Körperzerstörungen), weil manche Opfer schon direkt nach Phase 1 den Löffel reichen, andere wiederum nie Halluzinationen haben o.ä. Schon doof, wenn ich explizit (in diesem Falle nicht nur in der Tagline, sondern auch quasi in der ersten wichtigen Szene) einen festen Rahmen postuliere, mich aber dann in der Folgezeit nicht drum kümmere… das IST dann einfach „lazy writing“ (gleiches gilt für den Umstand, dass zu Filmbeginn ein ziemliches Bruhei darum gemacht wird, dass der überdosierte Chemiker sich zur Linderung seiner Symptome mit Haushaltsreiniger zuschüttet, aber niemand auch nur eine hingeschluderten Grund dafür findet…).

Es muss auch gesagt werden, dass „Body Melt“ für einen Film, der vom Selbstverständnis her Fun-Party-Splatter sein *will*, nur selten lustig ist (es sei denn natürlich, man findet verunstaltete Backwoods-Mutanten mit überschaubaren mentalen Fähigkeiten per se komisch; den eigentlich naheliegenden Schluss, hier Verbindungen zu den tumben Muskelmännern der Gesundheitsfarm herzustellen, zieht Brophy nicht), es ist offensichtlich die Sorte Fun-Splatter, bei der „Splatter“ als „Fun“ genügen muss und nicht, wie bei Jacksons „Bad Taste“ und „Brain Dead“ oder Raimis „Tanz der Teufel 2“ auch der Kontext humorig ist. Nicht, dass man mich falsch versteht – ich halte es für absolut legitim, über einen grotesken Latex-Effekt zu lachen, aber als alleiniges definierendes Merkmal einer „Komödie“ ist mir das zu billig.

Aber es ist nicht alles schlecht an „Body Melt“ – für einen sicherlich nicht teuren Streifen hat er einen wirklich guten Look, beginnend bei der klebrig-zuckerbäckrigen Gestaltung der Homesville-Siedlung, direkt aus dem Fiebertraum eines 50er-Jahre-Disneyregisseurs über die insgesamt ansehnlichen Production Values bis zu den liebevollen Kostümen (die dem Film auch eine von insgesamt drei Nominierungen für den Australian Film Institute Award 1994, den Aussi-Oscar, einbrachten. Letzlich gewann „Body Melt“ in dem Jahrgang, in dem „Muriels Hochzeit“ abräumte, keinen Blumentopf, auch nicht für die anderen nominierten Diszplinen Schnitt und Sound Design, aber es spricht schon mal Bände, dass sich die Jury einen Splatterfilm überhaupt nominierte. Das ist ungefähr so, als würde Ittenbachs nächstes Werk für den Bundesfilmpreis vorgeschlagen). Während die Kameraführung mittelprächtiges Niveau auslotet, ist der Schnitt – wie auch vom AFI erkannt – aller Ehren wert, aber aufgrund des völlig unstrukturierten Drehbuchs hat der Streifen keinerlei Dramaturgie, springt von einem Schauplatz und Charakter zum nächsten und kann daher schlechterdings nie Spannung entwickeln; anstatt eines richtigen dramatischen Finales hört der Film dann konsquenterweise auch eher einfach auf; es gibt keinen Showdown, keine „standout“-Sequenz als Höhepunkt, sondern einfach noch mal ein wenig Geschmoddere (nicht mal innerhalb des Films von herausragender Stellung), ein obligatorisches Kicker-Ende und dann ist Schluss – eine eher unspektakuläre Antiklimax (aber auch wieder eben folgerichtig, weil es keine Dramaturgie gibt, die auf ein zündendes Abschlussfeuerwerk hinarbeiten würde). Brophy hangelt sich halt irgendwie von Splatterszene zu Splatterszene, wobei die erste Filmhälfte in der Hinsicht auch noch arg zurückhaltend ist (und von daher mit ihren ständigen Schauplatzwechsel schon an den Stil einer Soap oder Telenovela erinnert) und erst in Halbzweit Zwo effekttechnisch aufgedreht wird.

Die FX selbst sind nicht verkehrt – es gibt zwar, zugegeben auch mit 15 Jahren mehr Genreerfahrung im Rücken, kaum wirklich absolute Killer-FX, und lustigerweise steht das titelgebende „Körperschmelzen“ effektmäßig gar nicht so im Mittelpunkt wie man glauben sollte, aber es ist schön schleimig-schmoddrig mit einigen interessanten Ideen (wie einer Killer-Plazenta – die möchte man Tom Cruise wünschen – oder einem in sich zusammensinkenden Kopf). Technisch sind das nicht unbedingt Effekte, bei denen man mit ungläubigem Staunen und einem „wie-ham-die-das-nur-gemacht“-Raunen auf den Lippen vor der Glotze sitzt, aber durchaus professionell genug gearbeitet und eklig genug sind, um im Rahmen dessen, was sie bringen sollen, zu funktionieren; komischerweise drückt sich „Body Melt“ aber um einige mögliche FX-Shots (SPOILER: Als Dr. Carrera sich die Rübe wegballert, wird z.B. schamhaft weggeblendet). Ersatzweise gibt’s dafür full frontal nudity von Regina Gaigalas und auch einen (allerdings nicht echten) Schniedelwutz in einer Obduktionsszene.

Für den Soundtrack war Brophy größtenteils selbst zuständig; er kleistert den Film großflächig mit (ziemlich genau zwei) drum’n’bass-lastigen Rave-Stücken zu (die sind zwar nicht schlecht, wenn man auf die Art Musik steht, aber eben arg repetetiv).

In Punkto Darstellern ist Brophy seinen meisten Rivalen auf dem Gebiet des Low-Budget-Schmodders deutlich voraus, denn er griff beherzt im weiten Fundus durchaus namhafter australischer TV-Darsteller zu. Gerard Kennedy war fast 300 Folgen lang in der Krimiserie „Division 4“ beschäftigt und gehörte zur Belegschaft der „Fliegenden Ärzte“ – der Karriere schadete die Mitwirkung in „Body Melt“ nicht, er blieb weiter gut im Rennen und war u.a. noch in der juvenile-SciFi-Serie „Thunderstone“ und der australischten aller Seifenopern, „Nachbarn“ (in der auch Kylie und Jason Donovan debütierten) zu sehen. Hier spielt er mit stoischem Ernst den ermittelnden Detective. Ian Smith, gleichfalls seriös als Dr. Carrera, verdingte sich über Jahre im australischen Original von „Hinter Gittern“ und gehört mittlerweile seit 22 (!) Jahren zur Stammbelegschaft von „Nachbarn“. Regina Gaigalas, die ihren sicherlich gebodybuildeten Körper, wie gesagt, auch vollständig unbekleidet vorzeigt und ein überzeugendes Miststück abgibt, blickt ebenfalls auf Auftritte in „Nachbarn“ zurück. Adrian Wright absolvierte neben dem obligatorischen Serienstint in „Prisoner“ (wie „Hinter Gittern“ auf dem 5. Kontinent heißt) auch gelegentliche Kinoausflüge („The Lighthorsemen“, „Sky Pirates“). William McInnis ergatterte in der Folge noch eine Hauptrolle in der populären australischen Polizeiserie „Blue Heelers“, Bill Young (Pathloge Willie mit dem besten Gag des Films) kam in der auch in Deutschland gelaufenen Cop-Serie „Water Rats“ unter; größtenteils also ein Ensemble aus Profis, die wissen, was sie tun und demzufolge auch ordentliche Leistungen abliefern (andererseits – wenn die schauspielerischen Leistungen mit das besten an einem Funsplatterfilm sind, klingt das irgendwie auch nicht *richtig*).

Bildqualität: Mir liegt die DVD-Fassung von Marketing-Film vor, die den Streifen in solidem, aber nicht herausragendem 4:3-Vollbild präsentiert. Die Farben kommen gut zur Geltung, die Schärfewerte sind gut durchschnittlich, dito der Kontrast. Die Kompression ist recht gut, der Print selbst mit einigen kleineren Verunreinigungen verunziert.

Tonqualität: Deutscher und englischsprachiger O-Ton liegen in Dolby 2.0 vor. Da ich australischen Akzenten eher skeptisch gegenüberstehe, habe ich die sauber synchronisierte deutsche Tonspur gewählt, die rauschfrei ist, im Dialog- und Musikmix klar ist, aber in Sachen Sound-FX steigerungsfähig ist (angesichts der AFI-Award-Nominierung für das Sound Design schade).

Extras: Nichts großartiges – ein Musikvideo, das ein paar Filmszenen zu der Rave-Musik des Films montiert (nicht das obige), ein paar „production notes“ auf Texttafeln und den Originaltrailer.

Fazit: „Body Melt“ hat mich nicht offensiv genervt – der Streifen ist schnell genug vorbei, um nicht ernstlich weh zu tun, professionell gewerkelt, für das Genre gut gespielt und mit einer Fuhre krude-schleimiger FX gesegnet, aber er ist halt auch nicht mehr als ein einziger dramaturgischer Reinfall, der nur durch seine Schmoddereien lebt. Als *FILM* ist „Body Melt“ eine Katastrophe und macht ausgesprochen deutlich, wo die Unterschiede in der Begabung von Phillip Brophy und Peter Jackson liegen – PJ vergaß bei „Braindead“ eben nicht, dass auch Funsplatter erst einmal eine Story braucht. Sein australischer Rivale setzt nur Szenen mehr oder weniger zufällig aneinander, das mag recht kurzweilig sein und in Party-Runde durchaus mal Laune machen, aber denkwürdig, memorabel oder, kurz gesagt, ein guter Film ist „Body Melt“ nicht.

2/5
(c) 2009 Dr. Acula


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