Blut, Blei, Bullen & Benzin

 
  • Deutscher Titel: Blut, Blei, Bullen & Benzin
  • Original-Titel: Blood, Guts, Bullets and Octane
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  • Regie: Joe Carnahan
  • Land: USA
  • Jahr: 1998
  • Darsteller:

    Joe Carnahan (Sid French), Dan Leis (Bob Melba), Carlos V. Hernandez (Diaz Carbajal), Dan Harlan (Danny Woo), Karla Cave (Dottie Woo), James Salter (Raymont Phelbs), Ken Rudulph (FBI Agent Jared), Michael A. Saumure (Vernon Cash), Hugh McCord (Mr. Reich), Kellee Benedict (FBI Agent Littel), Davie Pierini (Bill)


Vorwort

Die Gebrauchtwagenverkäufer Bob und Sid sind am Ende – auf ihrem Hof stehen nur noch unverkäufliche Schrottkarren, ihr Lieferant Ray sieht sich außerstande, irgendwelche brauchbaren Gefährte heranzuschaffen, der Vermieter schickt die Räumungsankündigung, und was immer sich als Kunde zu ihnen verirrt, wird mit tödlicher Sicherheit durch irgendeinen ungünstigen Umstand abgeschreckt und die Arme von Don Woo, dem örtlichen Gebrauchtwagenmogul gleich nebenan, getrieben. Die Pleite ist unabwendbar, aber Bob und Sid kriegen’s nicht mal über’s Herz, Don Woo, der die Steuerprüfung am Hals und nach Kenntnis seiner früheren Angestellten genug Dreck am Stecken hat, zu verpfeifen.

Als die Lage hoffnungslos, aber nicht ernst erscheint, meldet sich Ray mit einem Strohhalm. Da gäbe es einen 63er Pontiac Le Mans Cabrio, und wenn Bob und Sid nur zwei Tage auf das Auto aufpassen, winkt eine Prämie von einer schlappen Viertelmillion Dollar. Natürlich sind Bob und Sid nicht naiv genug, um nicht zu durchschauen, dass an der Sache ein gewaltiger Haken sein muss und der sich höchstwahrscheinlich im verschlossenen und von ihnen ja nicht zu öffnenden Kofferraum des Wagens ruht. Aber am Ende beißt die Maus keinen Faden ab – die Jungs *brauchen* den Zaster, und zwar schnell, und anderweitig ist keine Rettungsleine in Sicht und so kann Sid sich durchsetzen und den Deal vereinbaren. Kontaktmann Vernon warnt die Jungs aber noch mal ausdrücklich – das Herumfummeln am Fahrzeug ist explizit untersagt und zur Bekräftigung dieses kleinen Wunsches sind Kofferraum und Zündung mit einer Bombe verkabelt. Außerdem wird jemand aus sicherer Deckung darauf achten, dass mit der Mühle kein Schindluder getrieben wird.

Der Pontiac wird angeliefert – was Bob und Sid nicht ahnen, ist, dass der Wagen eine heftige Blutspur, die bis nach Lateinamerika reicht, hinter sich her zieht und das FBI in Form des cleveren Agenten Jared schon längst davon ausgeht, dass das Auto bzw. seine Fracht Ursache und Motivation der scheinbar sinnlosen Mordserie an allerhand Gangster- und Söldnergezücht darstellt.

Inzwischen reden sich – nachdem Sid sich durch fortgeschrittene Stupidität eine Kugel seitens des Aufpassers ins Bein eingefangen hat – Bob und Sid erfolgreich ein, dass die ganze Nummer nur irgendein hinterlistiges Ablenkungsmanöver sein muss, bei dessen finaler Auflösung sie als Sündenböcke für irgendwelchen kriminellen Unfug die Angeschissenen sein werden. Und wenn sie eh schon am Arsch sind, können sie ja vorher wenigstens noch probieren, ihren unbekannten Auftraggeber ordentlich abzuzocken. Der Plan: die Kiste mehr oder weniger heimlich vom Hof schaffen und sich ihre Herausgabe durch eine zünftige Verdreifachung ihres Honorars versüßen zu lassen. Es stellt sich schnell heraus, dass das so ziemlich die dümmste Idee war, die Bob und Sid jemals hatten, denn in solchen Dingen versteht Mr. Reich, der vollkommen moralinfreie Oberhenchman des geheimnisvollen Auftraggebers, nun überhaupt gar keinen Spaß…


Inhalt

Man kann sich darüber streiten, ob der Einfluss der Busenkumpel Quentin Tarantino und Robert Rodriguez auf junge Independent-Filmemacher nun ein Segen oder doch eher ein Fluch war. Fakt ist jedenfalls, dass Tarantino und natürlich vor allem Rodriguez bewiesen, dass man mit praktisch budgetfreien, dafür mit Profanitäten, Brutalitäten und Popkultur-Referenzen gespickten Gangsterballaden nicht nur ordentlich Kohle machen, sondern sich auch für höhere und finanziell erheblich besser ausgestattete Aufgaben empfehlen konnte. „Tarantino-Klone“ sind demzufolge praktisch ein Genre für sich selbst und überfluteten in den 90ern und 00er Jahren den Markt wie die sprichwörtliche Seuche.

Zu dieser Vogue gehört auch „Blut, Blei, Bullen und Benzin“ (erstaunlicherweise rollt der deutsche Titel mit der Killer-Alliteration wesentlich besser von der Zunge als das Original) von Joe Carnahan, dessen Erfolg dann auch maßgeblich dazu beitrug, dass Carnahan ein paar Jahre später mit üppigem Budget und einem von Ryan Reynolds angeführten Superstarensemble „Smokin‘ Aces“ in die Kinos bringen konnte. Bei der komplett unbekannten Besetzung (in der Carnahan mit Sid für sich eine Hauptrolle reserviert hat) und einem Etat von gerade mal 7.300 Dollar drängt sich als offensichtlicher Referenzpunkt natürlich Rodriguez‘ ungefähr gleich „teurer“ „El Mariachi“ auf – allerdings dann halt doch nur hinsichtlich der Kosten, denn wo Rodriguez aus der Not seiner finanziellen Engpässe eine Tugend machte, viel improvisierte, sich von seinen Locations beeinflussen ließ und insgesamt seinen Film einen gleichermaßen lyrischen wie dem Italo-Western geschuldigten Ton verlieh, orientiert sich Carnahan dann doch eher an „Reservoir Dogs“ mit kurzen Action-Spitzen und ansonsten ewig langen, wortreichen und sehr oft nicht wirklich etwas zur Sache der Geschichte beitragenden, aber zumindest unterhaltsamen (oder wenigstens als unterhaltsam intendierten) Dialogen.

Rein plottechnisch ist die Nummer natürlich nicht besonders gehaltvoll (das sind aber auch „Pulp Fiction“, „Reservoir Dogs“ oder „Desperado“ nicht), es ist die übliche „Loser-Typen geraten durch Zufall in eine blutige Gangsterfehde und sind mit der Situation heillos überfordert“, die wir in diesem Subgenre nun wirklich alle Nase lang sehen dürfen und die Carnahan nun auch nicht unbedingt originell abwickelt (höchstens mit dem Unterschied, dass seine Protagonisten sich noch ne Spur dümmer verhalten als der Genredurchschnitt und sich damit noch vehementer in die Kacke reinreiten). Ebenso ist die Auflösung weder besonders überraschend (nur ziemlich dämlich) und die blutige Geschichte des Pontiac und des erzbösen Mr. Reich, die immer wieder in Flashbacks und -sideways eingebaut werden, gerne im stilvollen s/w, ist auch nicht speziell gehaltvoll und – natürlich auch dem geringen Budget und der fehlenden fachlichen Expertise der Filmemacher für „richtige“ Special FX auch nicht SO blutig wie der Titel es verspricht.

Carnahan bedient sich immerhin eines netten Kniffs, um das Tempo, obschon so waaaahnsinnig viel im Hauptplot nicht passiert, hoch erscheinen zu lassen und unterteilt den Film in zwei- bis fünfminütige Episödchen, die sich jeweils per eigener Kapitelüberschrift vorstellen. Das tut zwar eigentlich für den Film nicht wirklich was zur Sache (außer, dass Harnahan sich vielleicht zwei Minuten Filmmaterial spart, weil er so lange die jeweiligen Überschriften einblenden kann) und macht nicht immer großartig Sinn, täuscht aber dadurch eine gewisse Rasanz vor, die der Film per se gar nicht hat.

Zugegeben, es gibt einige genuine funny moments (z.B. als das FBI eines von Reichs Opfern aus dem Müllcontainer eines Motels klaubt, dessen Besitzer auf dem Geschäftsschädigungsaspekt herumreitet und während der Debatte ein Forensiker ständig sowas wie „hab den rechten Fuß!“ ins Gespräch plärrt), dazu natürlich die obligatorische wir-referenzieren-irgendwelche-Popkultur-ohne-dass-es-was-mit-dem-Film-zu-tu-hat-Szene, in der Bob und Vernon sich über eventuelle schwule Gefängniseskapaden von Johnny Cash auslassen, und mehr Hintergrundwissen über die halbkriminelle Gebrauchtwagenverkäuferszene der Staaten als man jemals wissen wollte (ich habe das Gefühl, dass Carnahan da durchaus eigene Erfahrungen hat einfließen lassen).

Filmisch machen sich die beschränkten Mittel doch arg bemerkbar – das Filmmaterial ist sehr grobkörnig und lässt den Film ungefähr 20 Jahre älter erscheinen als er ist, ohne dass er sich als eine explizite Grindhouse-Hommage verstünde. Tatsächlich sehen die s/w-Einsprengsel sogar besser aus als das Farb-Material – wäre vielleicht clever gewesen, den ganzen Film in s/w zu drehen, wie es beispielsweise das Bruce-Campbell-Vehikel „Running Time“ oder „Clerks“ es taten – Ultra-Low-Budget-Filme, die jetzt nicht jemanden vom visuellen Einfallsreichtum eines Rodriguez hinter der Kamera haben, können von dem rauer, grober wirkenden s/w-Look eigentlich nur profitieren, weil das für mich zumindest deutlich besser wirkt als schlechte Farbaufnahmen, die mich immer eher an Tante Wandas Super-8-Home-Movies aus den 70ern erinnern.

Es überrascht mich daher schon ein wenig, dass der Film für Carnahan Eintrittskarte in die Welt der Major-Produktionen sein konnte, denn wiewohl ich ihm Talent für’s Dialogschreiben nicht absprechen möchte, ist das von der handwerklich-inszenatorischen Seite jetzt nicht so bemerkenswert, dass man ein Jahrhunderttalent erkennen könnte, wie’s bei Rodriguez und dem „Mariachi“ oder Tarantino bei dem (allerdings schon wesentlich reiferen) „Reservoir Dogs“ war. Der Film hat eine gewisse Energie, die aber weniger vom Plot als vielmehr von den Dialogen (und speziell den rapid-fire-Wortgefechten von Bob und Sid) getragen wird – meistens, wenn der Film in den Subplot der FBI-Ermittlungen von Jared umschaltet (und wo sich die Budgetbeschränkungen noch deutlicher bemerkbar machen, so z.B. wenn Carnahan bei einer großen Einsatzbesprechung nur sehr eingeschränkt überzeugend tarnt, dass Jared der einzige Akteur ist, der tatsächlich am Set präsent ist und seinen Vortrag einem aus Luft und Liebe bestehenden Publikum hält), gerät der Motor ins Stottern.

Zum Glück dauern diese Segmente aufgrund der Kapitel-Struktur ja immer nur ein paar Minuten und können den Film nicht ganz töten. Apropos „Töten“ – der Gewaltlevel ist trotz eines ordentlichen body counts nicht sonderlich hoch. Wie schon gesagt fehlen dem Film die technischen Mittel für wirklich rustikale Splatter-Effekte. Dafür leiht sich Carnahan bei Tarantino auch das Faible für obskure Soundtrack-Wahl und lässt eine Combo namens Mama’s Gravy einige Lounge-Jazz-Swing-Salsa-whatever-Tracks zelebrieren. Nicht ganz so stilvoll wie der Mambo, der Albert Pyuns Tarantino-Klon „Mean Guns“ durchzieht, aber ehrenwert.

Abstriche muss man natürlich auch bei den darstellerischen Leistungen machen. Carnahan und sein (nehme ich an) Kumpel Dan Leis sind als Sid und Bob immerhin sympathisch genug, um gewisses Interesse an ihrem Schicksal aufkommen zu lassen und haben, auch wenn sie keine schauspielerischen Großleuchten sind, immerhin recht gute Chemie, was auch nötig ist, da ja nun doch gut 80 % des Films aus Dialogszenen der beiden besteht. Ken Rudulph (Jared) schnitzte sich nach seinem hiesigen (unauffälligen) Filmdebüt eine kleine Nische als Reporter- oder Nachrichtensprecher-Darsteller, u.a. in sechs Episoden der satirischen Fake-News-Fernsehserie des „Onion“. Hugh McCord („Fugitive Hunter“) ist ganz eindrucksvoll als eiskalter Killer Mr. Reich (mit einer gewissen Matthias-Hues-Vibe). Der Rest des Ensembles rekrutiert sich höchstwahrscheinlich aus Freundes- und Bekanntenkreis Carnahans (theoretisch wäre der „highest profile actor“ Eric Lutes, aber der in der IMDb verlinkte hatte Stints in „Frasier“, „Caroline and the City“ und „Ally McBeal“ und wäre mir also ein bis drei Nummern zu groß für „regional filmmaking“. Außerdem spielte der in Weird Als „I Lost on Jeopardy“-Video mit… und ist da sicher 30 Jahre älter als der Charakter hier. Also spekuliere ich unbefangen auf zufällige Namensgleichheit und IMDb-Murks) und spielt dann auch ungefähr auf dem zu erwartenden Level. Keiner sumpft bis auf das Niveau eines Schnaas-Splatterfilms ab, aber für irgendwelche echten dramatischen Aufgaben empfiehlt sich auch keiner…

Die Bildqualität der DVD von Filmconfect ist mäßig, was aber schon dem minderwertigen Ausgangsmaterial geschuldet sein dürfte (1.78:1 anamorph). Die deutsche Synchronfassung ist nicht so schlimm wie befürchtet, ich bevorzugte dann aber doch lieber die englische Originalfassung, die ganz gut verständlich ist und auch mit optionalen deutschen Untertiteln (die gelegentlich neben der Spur liegen) genossen werden kann.

Als Extras gibt’s nur eine Trailershow.

Summa summarum – keine Entdeckung, kein Meilenstein, keine vergessene Indie-Perle, sondern eine lockere No-Budget-Fingerübung, die man durchaus als Generalprobe für den großen „Smokin
Aces“ sehen kann, aber natürlich weder dessen „star power“ noch seinen Einfallsreichtum durch besondere Indie-Kreativität wettmachen kann. „Smokin‘ Aces“-Fans und generell Freunde des gepflegten Tarantino-Rip-offs können mal reinschauen, aber ein Muss ist es nicht…

© 2018 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 7

BIER-Skala: 4


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Thomas Hortian
5. Juni 2018 1:05

Schade, dass es keine Fingerübung zum tollen N.A.R.C. gewesen ist. Hat er eigentlich sonst noch einen guten Film gedreht? Als Regisseur scheint der ja eine ziemliche Eintagsfliege gewesen zu sein. Ich bin mal gespannt, ob DEATH WISH was taugt, das Script stammt ja von ihm…