Bloodfight

 
  • Deutscher Titel: Bloodfight
  • Original-Titel: Fainaru faito - Saigo no ichigeki
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  • Regie: Shuji Goto (als Shuzy Gott)
  • Land: Hongkong
  • Jahr: 1989
  • Darsteller:

    Yasuaki Kurata (Masahiko Kai), Simon Yam (Ryu Tenmai), Meg Lam (Suzie Wong), Anzu Lawson (Milly McKenzie, als Cristina Lawson), Bolo Yeung (Chang Lee), Shinya Ono (Hiuga), John Ladaslski (Jack O’Brien), Stuart Smith (John, als Stuart Smita)


Vorwort

1988 brachten unsere Freunde von Cannon einen kleinen Kampfsportfilm mit einem noch weithin unbekannten belgischen Karatekämpfer namens Jean-Claude van Damme in die Kinos. Der Film kolportierte die wahre Geschichte von Frank Dux, einem amerikanischen Kämpfer, der als erster „Westerner“ ein geheimes und illegales Kampfsportturnier namens „Kumite“ gewinnen konnte. Der Streifen hieß BLOODSPORT, machte van Damme zum Star und erwies sich, bei einem mediokren Kinoeinspielergebnis von ca. 11 Mio. $ bei einem Budget von ca. 1 Mio. $ auf dem Videosektor als Renner.
 
Zwischenzeitlich wissen wir relativ sicher, dass alles, was Frank Dux behauptete, von seinen 56 knockout-Siegen in Folge, dem schnellsten Knockout aller Zeiten (0,12 Sekunden!) und seinem Kampfrekord von 321-1-7 bzw. 329-0-0, je nachdem, wann man Frank fragt, alles ebenso erstunken und erlogen ist wie seine angeblichen Geheimeinsätze für die CIA. Es gibt im Kampfsportbereich viele notorische Lügner, aber Dux ist der mit der wohl größten popkulturellen Durchschlagskraft.
 
Nun, anno 1988 wusste das noch niemand (außer jedem, der mehr als drei Gehirnzellen in Verbundschaltung legen und sich zusammenreimen konnte, dass ein Turnier über 60 -!- Runden x-mal mehr Teilnehmer bräuchten als je Menschen auf der Erde gelebt haben. Aber vielleicht ist das auch das Geheimnis des Kumite. You can take part without actually knowing about it, sort of like The Game) und wer’s wusste, dem war es wurscht, weil BLOODSPORT ein großartiger Film war, der das althergebrachte Genre des Kampfsport-Turnierfilms auf ein neues Level an Gewalt und Brutalität hievte. Und das war das, worauf WIR 1988 händeringend gewartet hatten, auch wenn wir’s selbst nicht wussten.
 
Klare Sache, bei vielen mehr oder minder geschäftstüchtigen Produzenten erschienen die sprichwörtlichen Glühbirnen über der Rübe – wenn man das Konzept von BLOODSPORT aufgreifen würde, könnte man sich, spätestens auf dem Videosektor, goldene Sackhaare verdienen. Die Rechnung ging, wie das bei Abkupferkünstlern ist, selten wirklich auf, führte aber zu einem wahren Flurry an neuen Kampfsportfilmen. An diesem Reibach wollte auch Yasuaki Kurata, ein japanischer „journeyman“, der sich zu diesem Zeitpunkt schon über 15 Jahre in Hongkong rumtrieb, in Filmen wie KARATO – FÜNF TÖDLICHE FINGER, FOUR RIDERS, WANG YU – DER KARATEBOMBER oder DIE TODESRÄCHER VON BRUCE LEE mitgespielt und dabei, schließlich ist die HK-Filmindustrie auf ihre Art auch nicht weniger rassistisch als Hollywood, primär als japanischer Bösewicht eingesetzt wurde (um in Hongkong auch als Japaner Helden spielen zu dürfen, musste man warten, bis Takeshi Kaneshiro  zum Star wurde. Selbst Yukari Oshima spielte unter ihrem japanischen Namen überwiegend Bösewichtinnenrollen, spielte sie eine „Gute“, dann meist unter ihrem adoptierten Kampfnamen Cynthia Luster). Jedenfalls witterte Kurata nach BLOODSPORT seine Chance – er hatte sich wohl schon länger mit dem Gedanken getragen, sich selbst zu produzieren, mit Bolo Yeung, der in BLOODSPORT einen memorablen Turn als Schurke hingelegt hatte, der ihn auch im Westen zur Genreikone machte (obwohl auch Bolo schon seit den frühen 70ern im Geschäft war und sogar mit Bruce Lee trainiert und über gemeinsame Projekte nachgedacht hatte), war er eh befreundet, was konnte also schiefgehen?
 
Und so kam 1989 BLOODFIGHT in die Videotheken – eins der ersten und ehrlichsten direkten BLOODSPORT-Rip-offs. Ähnlich wie KARATE TIGER war das der Auftakt zu einer Nicht-Reihe, in der skrupellose Videoanbieter unschuldige Kampfsportfilme, die nichts miteinander zu tun hatten, unter einen gemeinsamen Serientitel, der sich am Markt als erfolgreich bewährt hatte, gestopft wurden – im Gegensatz zu KARATE TIGER gaben die BLOODFIGHT-Distributoren aber nach „Teil 6“ auf…
 
Heute sind wir aber beim Original, den von Kurata produzierten und dem von seiner Vita her nicht sonderlich beeindruckenden japanischen Regisseur Shuji Goto (der auch mit Box- und Karate-Kompilationsfilmen zu bestechen versuchte) inszenierten FAINARU FAITO – SAIGO NO ICHIGEKI aka BLOODFIGHT…


Inhalt

Wir befinden uns in Hongkong, wo per Flugzeug oder Boot die Teilnehmer an der „Free Fighting World Championship 1989“ eintreffen – also unser Ersatz-Kumite, weder besonders geheim noch illegal – wie wir sehen werden, gibt es darüber sogar Berichterstattung in den Medien. Eine voice-over-Sprecher stellt uns einige der vielversprechenden Kandidaten vor, zuvorderst „die Kobra“, Chang Lee (Bolo Yeung, BLOODSPORT, BLOODBROTHER, SHOOT FIGHTER), amtierender Titelverteidiger/Champion der Jahre 1987 und 1988. Die Konkurrenz ist zahlreich – da gäbe es z.B. einfallsreich benamsten „der Killer“ (Strong Kongo), einen gewissen „schwarzen Panther“, einen schwabbligen Sumotori„ den Riesen aus Surinam“ (eigentlich ein Pakistani, was auch aus seinen Tights mit der Beschriftung „Raja Lion“ nicht übermäßig schwer zu erschließen wäre, Muhammad Malik Khan) und diverse andere lustige Gesellen. Keiner Erwähnung wert findet der Sprecher den kleinen drahtigen Japaner mittleren Alters namens Masahiko Kai (Yasuaki Kurata himself).
 
Wir verfolgen gut zehn Minuten lang ohne Dialoge die Ausscheidungskämpfe – Kai kämpft sich erfolgreich durch die Runden bis ins Finale, während auf der anderen Seite des Brackets die Kobra aus ihren Gegnern Kleinholz macht. Im Semifinale (das Turnier scheint seltsam organisiert zu sein, gehen wir nach den Bildern, kämpft erst die linke Hälfte des Turnierbaumes, dann die rechte. Scheint mir ein wenig unfair zu sein) trifft Chang Lee allerdings auf den surinamischen Riesen und der stellt den vermeintlich vietnamesischen Muckiburschen vor unerwartete Probleme – der Riese ist, wie sich das für Riesen gehört, ungefähr 2,20 m groß, hat schätzungsweise Schuhgröße 75 und an allen Gliedmaßen die Reichweite eines Baukrans. Da muss auch eine vietnamesische Kobra erst mal eine erfolgversprechende Taktik finden… ob er die findet? Nun, erst mal verabschiedet sich der Film in einen seeehr seeehr langen Flashback.
 
Zwei Jahre früher. Masahiko Kai ist ein siebenfacher Weltmeister (in was-auch-immer. Der Film schweigt sich darüber aus, ob damit diese „Free Fighting“-WM gemeint ist oder Kai in irgendwelchen anderen Kampfkunstdisziplinen gewonnen hat), wie das gerahmte Foto an der Wand verdeutlicht. Der Maestro selbst hat aber offenkundig schon erheblich bessere Zeiten gesehen – er verbringt seine Abende damit, seine vergangenen Erfolge auf Video anzukucken. Das nervt seine heiße Frau Suzie (Meg Lam, SHAOLIN – DIE RACHE DER GELBEN TEUFEL, SHANGHAI POLICE, DER KLEINE DICKE MIT DEM SUPERSCHLAG), die sich vernachlässigt fühlt und sich deswegen ordentlich was auf die Lampe gießt. Ihre Vorwürfe gehen bei Masahiko links rein, rechts raus, und werden vermutlich auch dazwischen nicht von viel aufgehalten…
 
Am nächsten Morgen ist Masahiko in seinem selbstpersönlichen Gym zugange – auch hier ist momentan eher der Hund begraben (bzw. wäre es, wenn er vermutlich nicht drei Straßen weiter an einem Imbisstand gerade zu einer leckeren Mahlzeit verarbeitet würde), zahlende Kundschaft in Form eifriger Kampfsportschüler ist Mangelware. Deswegen ist Masahiko auch willens, einen gewissen John (Fuckin‘ Stuart Smith!!!, NINJA IN ACTION, NINJA: CHAMPION ON FIRE, COBRA VS. NINJA) aufzunehmen. John ist, wie sich unschwer auf den ersten Blick anhand seines Outfits mit Jeansjacke und Sonnenbrille identifizieren lässt, ein viertklassiger Straßenschläger aus der Dorfliga, aber for some reason or another sieht Masahiko in ihm Potenzial. Wenn Suzie doch bitte so freundlich wäre, sich um den neuen Schüler zu kümmern? Suzie fliegt der Draht aus der Perücke – dass ihr Göttergatte unter die Loser gegangen ist, mag ja noch angehen, aber um seine doofen Schüler kann er sich selbst kümmern und sie gepflegt am Allerwertesten usw. Endgültig angefressen von ihrem Ehemann verkündet sie an Ort und Stelle, ihn hiermit mit sofortiger Wirkung zu verlassen. Masahiko, der sich nicht zum letzten Mal als merkbefreiter Dödel outen wird, begreift das erst, als er John später in seine Wohnung bringt, dort erst eine störende Fehlmenge an Ehefrauen und dann einen Abschiedsbrief mit Scheidungsbekundungen vorfindet. Well, you win some, you lose some, und momentan scheint Masahiko wesentlich mehr an einem unterrichtbaren Schüler zu liegen als an einer mosernden Ehefrau. Kann man auch irgendwo verstehen. Masahiko führt John zunächst mal seine Greatest Hits auf Video vor, und der Schläger ist begeistert – das will er auch lernen.
 
Und wider Erwarten zieht John das harte Trainingsregiment auch brav durch. Dass sein Schüler trotzdem und vorrangig ein Arschloch ist und z.B. am Imbissstand, wo Kai sich gerne Nudeln einpfeift, den Standbetreiber übelst beleidigt, wird vom Sensei geflissentlich übersehen. Ein echtes Vorbild für uns alle. Also, beide jetzt, irgendwie.
 
Ein neuer Tag, ein anderer Straßenstand, wo ein hübsches Girl (Sindy Lim) mit ihrer Mutti Dumplings verkauft. Eine Gang unterklassiger Streetpunks (Masanari Nasu, Tadashi Sato, Masaru Yamashita, Kazuya Shimizu) bedient sich freimütig an der Auslage, ohne zu beabsichtigen, den hierfür ausgerufenen materiellen Gegenwert in barer Münze zu begleichen. Dies wird von unserem Dumpling-Girl verständlicherweise kritisch betrachtet, und weil in Hongkong jeder Nasenbär Kung-fu beherrscht, entwickelt sich umgehend eine amtliche Prügelei, die von dem Mädel trotz zahlenmäßiger Überlegenheit der Gang zumindest solange siegreich bestritten wird, bis sich John einschaltet. Der ist nun allerdings kein staatlich beglaubigter Beschützer der Witwer, Waisen und Streetfood-Verkäufer, sondern nebenberuflich Vorsteher der diebischen Deppenvereinigung und dank Masahikos freundlicher Unterweisung kann er mit dem Girl nun Schlitten fahren.
 
Der Sieg in der Schlacht schreit nach einer Siegesfeier in einem achtklassigen „Restaurant“, betrieben von Richard Fuu (KARATE TIGER 3, TAI-PAN). John gibt eine Runde aus – offenbar hat Masahiko ihn überreden können, an einem Turnier teilzunehmen (auch hier ist unklar, ob damit die Free Fighting Championship gemeint ist), und Berufsoptimist John ist sich sicher, mindestens den dritten Platz zu belegen (für ein von sich selbst ausgesprochen überzeugtes Arschloch ist er tatsächlich bescheiden). Seine Unterlinge, die zusammengerechnet mit Müh und Not den IQ einer hirntoten Hausstaubmilbe erreichen, sind fest davon überzeugt, dass John gewinnen wird. Beim Anstoßen geht der kostbare Gerstensaft fliegen und landet auf der an der Theke rumhängenden attraktiven Jungmaid Milly McKenzie (Anzu „Christie“ Lawson, SHADOW UND DER FLUCH DES KHAN, THE YOUNG AND THE RESTLESS, GUILTY PARTY). Angesichts schnuckligen Weibvolks vor der Pupille bekommt die Gang  einen kollektiven Ständer und erwägt umgehende Begrabschung. Doch Milly hat buddhaseidank einen Boyfriend – Ryu (Simon Yam, BULLET IN THE HEAD, NAKED KILLER, LARA CROFT – TOMB RAIDER: DIE WIEGE DES LEBENS), der die explosive Situation mit einer weiteren ausgegebenen Runde Bölkstoff und umgehender Verpissung seinerseits mit Milly unterm Arm zu entschärfen versucht.
 
Nun werden Straßengangs nicht deswegen Straßengangs, weil sie so gut auf non-violente Konfliktlösungen abfahren. John und seine Cronies verfolgen Ryu und Milly in eine dunkle Hinterhofgasse und fordern den Jungspund zum Kampf. Während Milly sich hinter einer Mülltonne parkt, schneit (vermutlich vom Restaurantbesitzer herbeigerufen) Masahiko vorbei und schaut sich das Treiben an, ohne einzugreifen. Billigen wir ihm als benefit of doubt zu, dass er den Grund und Anfang des Hauens nicht gesehen hat und sich deswegen nicht sicher sein kann, wer denn angefangen hat und wer hier auf der hellen Seite der Macht einzuordnen ist, andererseits könnte man schlicht aus dem Umstand „fünf gegen einen“ schließen, dass es nicht unbeding der „eine“ war, der hier unbedingt Dresche verteilen wollte. Andererseits kommt Ryu auch leidlich gut zurecht – er muss, bei der Übermacht verständlich, zwar auch einstecken, aber es gelingt ihm schlussendlich, die sowieso unfähigen Idioten in die Flucht zu schlagen und auch John ausreichend aufs Maul zu hauen, um sich unbürokratisch als Sieger der Angelegenheit fühlen zu können. Masahiko kümmert sich immerhin mit ein paar warmen Worten um Milly und gibt sich nicht unbeeindruckt ob Ryus kampfsportlicher Qualitäten. Ryu kunftet kurz angebunden aus, dass ihm sein Vater den Stil beigebracht habe, dann klemmt er sich erneut Milly unter den Arm und verduftet.
 
Etwas später wirft Ryu auf einem Basketball-Court ein paar Bälle, wird dabei aber von Masahiko beobachtet. Der weise Teacher teilt mit, dass ihm Johns Angriff furchtbar leid tue, er seinen Schüler deswegen auch per Sahara-Express in die Wüste geschickt habe und er die vakante Azubi-Position angesichts Ryus nicht wegzudiskutierendem Talent nun gern an ihn weitergeben möchte. Ryu ist uninteressiert – sein Sport ist Basketball (auch wenn er,  zumindest nach dem, was wir sehen können, da jetzt nicht gerade die Reinkarnation von Michael Jordan ist), abgesehen davon studiert er auf Stipendiumsbasis und möchte seinen Doktor machen. Kampftechnisch hat er genug Tricks auf Lager, um Milly beschützen zu können, und das reicht ihm, also…
 

 
Masahiko Kai gehört zu den Burschen, für die ein „nein“ allenfalls eine unverbindliche Empfehlung darstellt. Und so beginnt Kai – dargestellt durch eine gar lustige Montage – Ryu zu stalken. Egal, wo Ryu hingeht, und sei’s das Klo im Supermarkt, Kai ist da und klimpert verführerisch mit den Wimpern. Ryu bleibt eisern.
 
Doch es kommt bekanntlich immer erstens anders als man zweitens denkt. Eines schönen Abends spaziert Ryu mit Milly durch den Park und verklickert ihr, dass Masahiko mit seinem Vorhaben, ihn zum Fighter umzuerziehen, auf soliden chinesischen Granit beißt, als es im umgebenden Gebüsch raschelt… es sind John und seine Arschgesichter mit dem dringlichen Wunsch nach einem Rematch. Ryu gelingt es, die Angreifer lange genug auf Distanz zu halten, damit Milly die hübschen Beine in die Hand nehmen kann und flüchtet, aber…
 
… was dann wenig später bei Masahiko an die Tür klopft, ist ein amtlich zu Brei geschlagener Haufen menschlichen Fleisches mit vager Ähnlichkeit zu Ryu. Masahiko baut mit seinem Verbandskasten Ryu notdürftig wieder zusammen, doch als der Bursche nun flehentlich darum bittet, in die höheren Level der Kampfkunst eingeweiht zu werden, ist es nun der Sensei, der blockt.  Warum?
 

 
Und Masahiko hat seine STAR-WARS-Filme gesehen… und er weiß, Ryu will nur lernen, um an John und den Gesichtsbaracken blutige Rache zu üben. Also gibt’s nun eine gar lustige Umkehrung der vorherigen Montage. Nunmehr ist es Ryu, der Masahiko auf Schritt und Tritt verfolgt und seinen mitleidheischendsten Hundeblick aufsetzt. Hach, romantic comedy, was für’s Herz.
 
Da wir sonst mit dem Film ja nicht weiter kämen, haben Ryus Stalkertechniken schlussendlich Erfolg, der Meister erklärt sich bereit, ihn zu unterrichten. Wir erreichen damit den offiziellen „eine-Trainingsmontage-nach-der-anderen“-Part des Films, gelegentlich unterbrochen durch die philosophischen Exkurse des Meisters, die allerdings nicht sehr philosophisch sind. Der Gipfel seiner fernöstlichen Weisheit ist wohl seine Aussage, dass das Kämpfen eine Kunst sei und deswegen nicht auf die Straße gehöre. Was umgerechnet bedeutet, dass „sich gegenseitig auf die Glocke hauen“ seiner Ansicht nach nur unter den kontrollierten Bedingungen eines legitimen sportlichen Wettbewerbs zulässig ist. Während Ryus Arbeitskollege im japanischen Restaurant Hiuga (Shinya Ono) dessen neuen Outlook auf das Leben durchaus wohlwollend begleitet, ist Milly alles andere als begeistert, erst recht, als nach längerem (und ich meine LÄNGEREM) Training Ryu sich breitschlagen lässt, sich für die Free Fighting-Weltmeisterschaft einzuschreiben. Milly stellt Ryu zur Rede, aber der gibt kund, dass ihm das Training Spaß mache und die WM ja eben das ist, was ich ein paar Zeilen weiter oben schrob, nämlich ein fairer sportlicher Wettstreit, was sollte da denn schon passieren? Ryu hat noch nie einen Turnierfilm gesehen, schätze ich.
 
Ryu und sein Trainer gehen die Konkurrenz auschecken, und damals wie heute heißt diese Konkurrenz Chang Lee, die vietnamesische Schlange. Chang Lee hat natürlich auch sein eigenes Dojo und im Gegensatz zu dem auf eher traditionell-rustikale Methoden setzenden Masahiko pflegt er seine Muckis mit dem neuesten und teuersten, was der Markt an Fitnessfoltermaschinen hergibt. Ryu geht beim Anblick seines potentiellen Rivalen ordentlich die Muffe, was seinem Sensei nicht verborgen bleibt. Das wäre nun der geeignete Zeitpunkt für die Große Emotionale Ansprache ™, die den An Sich Selbst Zweifelnden Schüler ™ auf den Pfad der Tugend und Erleuchtung ™ zurückführt, aber Masahiko ist bekanntlich ein Volleimer und so muss Ryu *sich selbst* die Motivationsrede halten.  Damals, nämlich, als er im zarten Alter von sechs Jahren von seinem Dad zu seinem ersten offiziellen Kampf gegen einen Neunjährigen angemeldet wurde (Vollkontaktfighting für Preteens, yay!), ging ihm auch die Düse, aber es gelang ihm, den Älteren zu besiegen. Zur Belohnung gab’s ein Stirnband, und das will Ryu im Turnier zu Ehren des Papas tragen. Hurra. Das muss dann auch reichen.
 
Milly versucht es, da bei Ryu gegen die Wand gelaufen, beim Sensei – sie fürchtet um Ryus Leben, aber auch Masahiko ist ganz „ist nur Sport, da kann gar nix passieren“ und bügelt Millys Befürchtungen leger ab.
 
Und so sind wir dann endlich bei den Free Fighting World Championships 1987 angekommen. Wie nicht anders zu erwarten pflügen Ryu und Chang Lee weitgehend konkurrenzlos durch ihre jeweiligen Seiten des Brackets, wobei sich vor allem Ryus finishing move, ein vernichtender Head Kick, der u.a. „den Killer“ mit einer sehenswerten Delle im Schädel auf die Matte schickt, als gewinnbringend erweist. Das Finale lautet also Ryu gegen Chang Lee. Bei der Pre-Fight-Massage in der Umkleide hat Ryu einen Angst-Rückfall, und erneut lassen Masahikos Motivationskünste deutlich zu wünschen übrig. Und natürlich müssen wir noch dafür sorgen, dass Chang Lee als Richtig Schön Evil ™ rüberkommt. Wie machen wir das? Einfach… Chang greift vor dem Finalfight zur Flasche und lötet sich so einen halben Liter Whiskey ein. Ehrlich gesagt – das wird für mich seine nachfolgenden kampfsporttechnischen Leistungen eher noch beeindruckender machen, denn 2 bis 3 Promille sollten sich eigentlich einigermaßen nachteilig auf die Feinmotorik auswirken, ganz abgesehen davon, dass Chang Lee wohl Probleme haben sollte, welchen von den drei Ryus, die vor seinem fuselgetrübten Auge rumhüpfen, er auf die Fresse hauen sollte…
Im Auditorium, das, wie üblich bei solchen fernöstlichen Spektakeln, weniger daran interessiert ist, sportliche Höchstleistungen zu genießen als ein paar Millionen Hongkong-Dollar beim Wetten umzusetzen, befinden sich auch Milly und Hiuga. Die haben nichts zu lachen, denn selbst einem stockbesoffen über die Kampfmatten torkelndeb Chang Lee hat Ryu nicht wirklich effektive Techniken entgegenzusetzen. Chang Lee prügelt Ryu kreuz und quer über die Matte – man kann Ryus Nehmerqualitäten beeindruckend finden (oder furchtbar blöde), aber das Ende vom Lied ist absehbar. Mit einer Art Torture Rack-Move bricht Chang Lee den letzten Widerstand seines Gegners und lässt ihn dann bewusstlos auf die Matte sinken.  Weil Chang Lee aber BÖSE ist und es sicher nicht als Motivation für einen Deppen wie Masahiko ausreicht, dass sein Schüler zum Krüppel geschlagen wurde, reicht das noch nicht – Chang Lee packt den Bewusstlosen am Kragen (was Masahiko, vorbilicher Sekundant und Trainer, der er ist, JETZT zum Anlass nimmt, das Handtuch zu werfen!) und – CRAAASNAPPCK – bricht ihm das Genick. In einer Blutlache (da Genickbrüche offensichtlich dazu führen, dass das Opfer seinen kompletten Lebenssaft ausscheidet) krepiert Ryu vor den Augen seiner terrifizierten Freundin. Und weil Chang Lee ein echter Dreckskerl ist, reißt er Ryu noch das Stirnband von der Birne und schwenkt es als Trophäe. Den Kadaver mit einer altersschwachen Ambulanz ins Krankenhaus zu karren halte ich für einigermaßen unnötig. Milly muss sich eine anderweitige Mitfahrgelegenheit organisieren. In irgendeiner Abstellkammer hat man die Leiche aufgebahrt und Masahiko sitzt mit trauriger Mine davor. Milly hat für seine melodramatischen Entschuldigungsversuche keinen Sinn, nein, aus ihrer Sicht ist der Trainer direkt verantwortlich dafür, Ryu in den Tod geführt zu haben – „Sie haben ihn ermordet!“ Rein faktisch sicher nicht vollkommen haltbar, aber moralisch-ethisch nicht unvertretbar.
 
Wie es die Gesetzmäßigkeiten des B-Films so vorsehen, wird Masahiko durch die Ereignisse in eine schwere existentielle Krise gestürzt und schlägt infolgedessen die erfolgreiche Laufbahn eines Vollzeit-Alkoholikers ein. Und, bei allen Göttern, die sich hierfür zuständig fühlen, ist Kurata mies darin, einen Betrunkenen zu spielen… Aber sei’s drum. Sein neuer bester Freund ist also die Flasche, und obwohl sein bevorzugter Imbissstandbesitzer versucht, ihm ins Gewissen zu reden, ist der Absturz in die tiefste Gosse nicht aufzuhalten. Eines schönen Tages sieht Suzie, mittlerweile neu mit einem reichen Pinkel verheiratet und im Rolls-Royce  über Hongkongs Boulevards cruisend, ihren Ex auf der Straße herumtorkeln. Sie lässt ihren Chauffeur anhalten – aber nicht, um ihm Worte des Beistands und des Trostes zu spendieren, sondern um ihn tüchtig zu beleidigen. Nun gut, die Wahrheit kann eigentlich per Definition nicht beleidigend sein, und dass Masahiko einen ekelhaften Anblick bietet und Suzie ausgesprochen froh sein kann, den Meister abgeschossen zu haben, lässt sich nun mal nicht verleugnen.
 
Wenn Kai nicht durch die Gegend torkelt (als mittlerweile fast zwei Jahre amtierender Profi-Säufer sollte er doch in der Lage sein, wie jeder anständige Alkoholiker eine Fassade des massenkompatiblen Verhaltens aufzubauen), kraucht er in sein Gym und plärrt dort nach seinem „Freund“ Ryu. Das Sumpfen im Selbstmitleid – Masahiko hat es erfunden und perfektioniert.
 
 
Was brauchen wir jetzt also dringend? Einen neuen Charakter. Enter nicht the Dragon, sondern Jack O’Brien (John Ladalski, DER RECHTE ARM DER GÖTTER, KARATE TIGER 3 – DER KICKBOXER, PLATOON TO HELL). Nicht, dass wir es bis jetzt gewusst hätten, aber Jack ist offenbar ein alter Freund und Partner unseres Self-Pity-Suhlers. Aber sein Besuch ist kein Freundschaftsdienst, vielmehr ist er in offiziellem Auftrag unterwegs. Der Free-Fighting-Verband hat Jack beauftragt, Masahiko zu suchen (wenn sie nie in seinem Gym gekuckt haben, haben sie wohl nicht SEHR gesucht), denn aus mir völlig schleierhaften Gründen wäre der Verband bereit, seine Lizenz wieder in Kraft zu setzen.

 
Angesichts des Anblicks, der sich ihm bietet, halt auch Jack das für einen überschaubar komischen Witz, denn wer würde sich schon von Kai trainieren lassen, oder, noch schlimmer, falls der gefallene Krieger auf die Idee kommen sollte, höchstpersönlich wieder in den Ring zu steigen, wer würde ihn trainieren wollen? (Andere Scherzfrage am Rande: Warum sollte ein siebenfacher Weltmeister, der selbst lange genug als Trainer tätig war, einen Trainer brauchen?). Eine vernünftige Antwort kann Jack von Masahiko eh nicht erwarten, denn der ist viel zu sehr mit seinem Dideldum-Delirium beschäftigt als dass die verbleibenden Gehirnzellen Jacks Aussage überhaupt verarbeiten und mit einer Reaktion würdigen könnten.
 
Anderswo, auf’m Friedhof. Milly besucht mit einem Blumenstrauß das Grab ihres dahingerafften Geliebten. Dort meditiert auch bereits Hiuga vor sich hin und wird von Milly prophylaktisch verdächtigt, Stifter der schon anderweitig auf dem Grab herumliegenden Flora zu sein. Hiuga widerspricht – das Geblümel wurde von Masahiko gespendet. Grund genug für Milly, das Grünzeug eigenfüßig von der Grabplatte rupfen zu wollen, aber Hiuga rät zum Einhalt. Würde sie die Blumen entfernen, täte das Masahiko ganz doll traurig machen. Milly stellt sich nun wie ich die Frage, warum sie sich über den Seelenfrieden eines Hardcore-Säufers gesteigert einen Kopf machen sollte, aber es ist nun an Hiuga, uns über uns bislang unbekannte Dinge zu unterrichten. In den gemeinsamen Arbeitspausen im Restaurant habe Ryu Hiuga nämlich vermittelt, dass Masahiko für ihn ein „Vater“ gewesen wäre. Das hält Milly nun verständlicherweise für Lötzinn der extrem billigen Sorte, aber  Hiuga erklärt – beim Training mit Hiuga habe Ryu sich endlich wieder wie damals in seiner Kindheit, als er mit seinem nun schon längst verstorbenen Vater geübt habe, gefühlt, und das habe Ryu extrem viel bedeutet. Dieser als schwer emotional überwältigende Punkt gedachte Rhabarber hätte eventuell Eindruck geschunden, hätte der Film die Ersatzvater-Sohn-Beziehung bis dato auch nur andeutungsweite angeteasert, so aber bleibt’s rein bei einem „aha, irgendwie müssen wir jetzt die Kurve dazu kriegen, dass Milly Masahiko in die Spur bringt, also erfinden wir schnell noch was“-Moment.
 
Zu meiner gelinden Überraschung haben wir noch nicht das letzte von John & His Moronic Morons gesehen. Die sind nach wie vor einigermaßen rachedurstig (warum auch immer, denn die letzte Konfrontation mit Ryu haben sie ja siegreich bestritten) und sind zu dem Schluss gekommen, dass Masahiko im Zustand „voll wie die Strandhaubitze“ ungefähr auf dem Level liegt, den sie realistischerweise verkloppen können. Aber auch im Vollrausch und ohne wirklich zu wissen, was er tut, ist Masahiko in der Lage, das Quintett dämlicher Dumpfbacken ordentlich auseinanderzunehmen.
 
JETZT haben die Herrschaften natürlich einen Grund, sauer zu sein, und als sie am nächsten Tag in ihrem „Fuck-You“-Jeep durch die Gegend eiern, läuft ihnen der wieder/immer noch hackedichte Masahiko vor den Kühlergrill. Ein kleiner Rechtsschwenk, und Masahiko wird brutal angefahren, eh, zieht sich eine kleine Schnittwunde am Arm zu. Nichtsdestoweniger ist das aus Sicht der Gang der Totale Terror-Triumph und Grund genug, sich johlend vom Acker zu machen, während der verletzte Masahiko sich irgendwie in sein Gym schleppt. Wo er prompt von Milly aufgesucht wird, die, wie Suzie zuvor, zutiefst angeekelt von seinem tiefen Fall in die Gosse ist. Die Kritik an seinem neuen Lebensstil ficht Masahiko nach wie vor nicht an, bis Milly ihre Trumpfkarte auspackt – das Gedenken an Ryu! Wie könnte Ryu, wenn er noch leben täte, seinen geliebten Meister noch ehren, sähe er ihn als dieses menschliche Wrack, als einen, der aufgegeben habe?

This, of course, does the trick within a millisecond. Einen harten Umschnitt später (der Film lässt Millys Ansprache nicht mal zwei Sekunden Zeit, um überhaupt zu wirken) ist Masahiko bereits knochentrocken und ready to rock.

 
Und in einem Film, der bislang sicher keinen Mangel an Montagen hatte, steigen wir in die nächste ein… es wird trainiert! Jack fungiert als Masahikos offizieller Trainingspartner, und der Streifen pullt hier einen soliden ROCKY IV, in dem er nun ausführlich Masahikos altertümliche Trainingsmethoden den modernen Fitness-Technologie, die Chang Lee anwendet, gegenüberstellt. Ich bin besonders beeindruckt von Masahikos Ausflug in eine Stahlhütte, wo er sich einen Metallcontainer wieder und wieder gegen den Bauch dengelt. Chang Lee wird im Vorfeld der Meisterschaften dann auch dazu interviewt, wie er dazu steht, dass er dereinst einen Gegner getötet habe. „Alles ist drin“, krächzt Chang Lee, denn so ist’s nun mal beim Free Fighting, und „ihn“, den wird er dahin schicken, wo „der Andere“ schon ist.
 

 
Und damit sind wir dann ENDLICH mit unserem Flashback fertig und können, gut fünfzehn Minuten vor Toresschluss, zurück in die relative Gegenwart jumpen. Wie wir uns düster erinnern, war, als wir die Gegenwart zuletzt verließen, war Chang Lee im Halbfinale mit dem Riesen von Surinam beschäftigt. Noch hat keiner der Kämpen einen messbaren strategischen Vorteil – Chang Lees Speed wird durch des Riesen Reichweite neutralisiert.  Irgendwann fällt aber auch bei Chang Lee das Fünf-Yuan-Stück und er erkennt, wo der Riese angreifbar ist – wer anderthalb Meter lange Beine hat, der wird tief fallen. Chang Lee shoots for a takedown, wie’s im MMA-Jargon so schön heißt, und sobald er den Riesen aufs Kreuz gelegt hat, ist der Rest nur noch Formalität. Das Finale steht also und heißt Masahiko vs. Chang Lee.
 
Chang Lee vertraut für den großen Endkampf nicht allein auf seine kämpferischen Fähigkeiten. He’s EVIL, you remember. Also zerdeppert er backstage eine Flasche und in kleine, feine Scherbenraspel. That will definitely not play a role in the final fight.
 
Das Publikum steht wie ein Mann hinter der vietnamesischen Kobra. Naja, vielleicht abzüglich Milly, Hiuga und Jack, aber selbst die ebenfalls auf der Tribüne sitzende Suzie nebst Gatten setzt keinen müden Pifferling auf Kai, schon gar nicht bei Quoten von 9:1. Chang Lee verspricht seinen Fans: „Ich töte ihn!“ und führt dann anfänglich eher dünne, dann aber doch überzeugende Chants seines Namens an. Und, weil Chang Lee genau weiß, wer ihm da entgegentritt, bindet er sich als tödlichste Beleidigung noch das seinerzeit von Ryu erbeutete Stirnband um den Wanst.
 
Damit also Ring frei zur letzten Runde… die Geschichte scheint sich zu wiederholen. Masahiko markiert ausgesprochen überzeugend ein Bodenaufwischgerät, Chang Lee prügelt ihn nach Belieben durch die Gegend und schleudert ihn auch demonstrativ von der Planche. Für die Kobra stellt sich eigentlich nur die Frage, in welcher Reihenfolge er Masahikos Organe pulverisieren will und nach zwei-drei Minuten ist der Japaner reduziert auf ein winselndes blutiges Häufchen Elend. Anders ausgedrückt – Kai ist mehr oder minder fertig mit sich und der Welt. Doch da durchläuft die spärlichen Reste der ehemals Gehirn zu nennenden Masse die Erinnerung an Millys „Ryu-würde-sich-schämen-sie-aufgeben-zu-sehen“-Ansprache, rappelt sich auf und mounted zur Verblüffung des bereits Chang Lees ruhmreichen Sieg feiernden Auditoriums ein kurzes Comeback. Chang Lee reagiert ungehalten darauf, nun selbst gehauen zu werden und greift zu Plan B. Ihr erinnert euch an die Glasscherben? Die hat der fiese Fiesling fieser- und voraussehenderweise neben dem Ring deponiert, um nun seinen rechten Kampfhandschuh darin zu baden…
 

 
Damit hat sich Masahikos Comeback erst mal erledigt – ein Punch mit der Glassplitterfaust hat die Wucht eines thermonuklearen Sprengkopfs und schickt Masahiko spektakulär in die nicht vorhandenen Seile. Abe wie wir als Freunde japanischen Pro Wrestlings kennen, haben japanische Kämpfer eine unschlagbare Geheimwaffe… FIGHTING SPIRIT!!! Masahiko ist jetzt „in da zone“, wo jeder Faustschlag, jedes in den Magen polternde Knie seines Gegners Masahikos eigene Kampfpower verstärkt! Der Fight degeneriert in einen offenen Schlagabtausch, und irgendwann ist Chang Lee mürbe genug geschlagen, um mit einem letzten hammerharten Headkick auf die Bretter und ins Land der Träume geschickt zu werden.  In seiner Rage packt Masahiko den Kopf seines gefällten Gegners, um streng biblisch Genick um Genick walten zu lassen, doch er besinnt sich eines Besseren, zieht nur das Stirn-cum-Bauchband ab und steht schweigend im Ring, während das Publikum in Anerkennung seiner Leistung eine standing ovation zelebriert. Und sogar Suzie klatscht vorsichtig und milde lächelnd in die Hände, wenn ihr neuer Macker grad nicht hinkuckt…   Erst nach einer Minute oder so begreift Masahiko, was er eigentlich geleistet hat, und reckt die Arme im Triumph nach oben…
 
ENDE. Okay, noch nicht ganz, der Abspann läuft zwar schon, aber der Film noch weiter. Masahiko schließt sein Gym permanent und ist bereit, ein völlig neues Leben, mutmaßlich ohne Kampf, anzufangen, und lässt dabei auch Milly, die ihn zufällig vorbeigehen sieht und versucht, mit ihm zu sprechen, stehen…
 

Auf dem Papier hat BLOODFIGHT alle Zutaten, die ein zünftiger Randaleklopper zu seinem Glück braucht – vor der Kamera steht eine Handvoll legitmer Badasses mit genügend Kampfsport-Expertise, das Drehbuch gewinnt sicher nicht mal die abgegriffene Kopie eines Originalitätspreises, hakt aber zuverlässig alles an plot points ab, was ein Film diesese Sujets braucht, um 90 Minuten zu füllen, von den dramatischen Charaktermomenten bis zu den knüppelharten Kampfszenen.

Und doch – die Wiedersichtung brachte es erneut an den Tag, als Film funktioniert BLOODFIGHT auf keiner Ebene. Warum nu?

Fangen wir beim Buch an. Autoreneintagsfliege Yoshiaka Kashigawa, mutmaßlich ein Kurata-Kumpel, hat BLOODSPORT wohl sicher gesehen und mitgeschrieben, was die Beats sind, aber verstanden, verstanden hat er leider nichts. Ich kann durchaus noch mit der Struktur des Films leben – mit dem 89er-Turnier anzufangen, um gleich mal zum „good stuff“ zu kommen, den die chronologische Erzählung praktisch bis zum Ende des zweiten Akts aufgeschoben hätte, ist für einen Actionklopfer, der sein Publikum im DTV-Bereich finden sollte, sicher kein unvernünftiger Ansatz. Streiten kann man aber schon mal über den Zeitpunkt, an dem der Film die Gegenwart verlässt und in den Flashback umschaltet – MITTEN IN EINEM KAMPF! Abgesehen davon, dass Chang Lee von Bolo Yeung gespielt wird und man den vermutlich nicht engagiert, um ihn in einem Vorrundenkampf ausscheiden zu lassen, wissen wir zu diesem Zeitpunkt „offiziell“ ja noch nicht mal, wer der Villain des Rührstücks ist, und die Dramaturgie der Montage ließe bis dahin auch locker zu, dass Raja, der Riese, der Bossgegner sein könnte. Wir wissen also noch nicht mal, gegen wen Kai – von dem wir auch noch nicht mal wissen, dass er der Held ist – im Finale antreten muss. Dramaturgisch sinnvoll wäre es gewesen, Chang Lee seinen Kampf erst mal gewinnen zu lassen und dann, in Vorbereitung des großen Finalkampfes, die Vorgeschichte Paroli laufen zu lassen, wie Hotte Hrubesch sagen würde.

Im Endeffekt ist das aber auch nicht das große Problem, das große Problem heißt Masahiko Kai und ist unser Held. Und als solcher ist er eine der unmögbarsten Pappnasen, auf deren Seite zu sein jemals ein Film von uns gefordert hat. Kai ist ein Idiot. Ein selbstsüchtiger Idiot, der – da hat Milly im Filmverlauf völlig recht – an allem, was passiert, schuld ist, und am Ende auch nicht wirklich als „geläutert“ rüberkommt, sondern als Heuchler. Seinem Schüler Ryu hat er eingeredet, dass Rache als Kampfmotiv unlauter ist, aber alles, was er selbst nach seiner Wieder-Selbstfindung tut, ist nichts anderes als Rache zu üben. Da ist kein „Lernprozess“, da ist keine Lektion, keine Moral, die zu finden wäre, nichts, was Masahiko am Ende zu einem besseren Menschen machen würde – okay, er verzichtet am Ende darauf, seinen Gegner zu töten, aber das ist nichts, was ich ihm anrechnen würde, das unterscheidet höchstens den Cartoon-Schurken Chang Lee von einem halbwegs normalen Menschen… Im Prinzip wäre die Figur Kai gar nicht mal uninteressant – er ist praktisch schon gebrochen, als wir ihn (chronologisch betrachtet) kennenlernen, sein Dojo läuft mies, seine Ehe ist zerrüttet, und er selbst lebt nur noch in seinen früheren Erfolgen. Nur entwickelt das Script daraus kein echtes Drama (das hätte vielleicht noch klappen können, wenn der Film es mit John als Schüler durchgezogen und der sich zu einem echten Antagonisten entwickelt anstatt zu einem Pausenclown entwickelt hätte). Als er dann Ryu nach den anfänglichen Schwierigkeiten als Schüler annimmt, soll das nach dem Willen des Films eine Art Vater-Sohn-Beziehung darstellen, aber der Film zeigt das nie! Er behauptet das später in der Friedhofsszene, aber im Zusammenspiel von Ryu und Kai gibt’s keinerlei Indiz darauf, dass ihre Beziehung mehr ist als die eines ambitionerten Trainers und eines motivierten Schülers – wozu auch passt, dass Kai, im Gegensatz zu allen anderen weisen Kampfsport-Senseis des Genres, die philosophische Seite völlig außen vor lässt. Außer dem erwähnten „Kampf ist eine Kunst“-Monolog, der aber auch nur dazu da ist, um Ryu in die Weltmeisterschaft zu manöverieren, herrscht dahingehend tote Hose, was dann eben auch wieder die Intention, Kai als dieses große Vorbild Ryus hinzustellen, das er verehrt habe, konterkariert.

Aber das passt natürlich hervorragend in einen Film, der jeden emotionalen Plotpoint, jeden Charaktermoment, mit solcher Wonne versemmelt, dass man glauben sollte, es wäre Absicht oder Parodie gewesen. Keine einzige Szene, in der BLOODFIGHT versucht, eine emotionale Karte zu spielen, an die Feels zu appellieren, funktioniert. Weder die als große „bonding“-Moment gedachte Szene, in der Ryu über seine Kindheitsangst und die Überwindung dreselben spricht, noch später, nach Kais Abgleiten in die Trunksucht, die Konfrontationen mit Suzie und Milly. Das liegt an einer Kombination von drei Faktoren – dem schon erwähnten Script, das diese Situationen nie richtig aufbaut, der Unfähigkeit von Kurata, solche Szenen glaubwürdig zu spielen, und der holprigen Regie von Shuji Goto, der, offensichtlich im Bestreben, in den Charaktermomenten nicht zu sehr auf die dramaturgische Bremse zu treten, diese Szenen nie richtig ausspielen lässt, seine Akteure nicht reagieren lässt, sondern sofort, nachdem der vermeintlich emotionale Satz gesagt ist, wegschneidet. Da würde sich dann auch Dustin Hoffman schwertun, eine emotionale Verbindung zum Zuschauer aufzubauen.

Goto, der sich lustigerweise als „Shuzy Gott“ (Bruder von Karel?) kreditieren lässt, ist denn auch anderweitig als Regisseur eine ziemliche Niete. Die Charakterszenen sind übertrieben (was auch an Kuratas völlig schmerzbefreiten und in diesem Fall total unangebrachten Overacting liegt; man kucke sich nur die Szenen an, in denen er den Alkoholiker mimt. Er schauspielert da keinen Betrunkenen, er tut so, als würde er einen Betrunkenen spielen, so wie unsereiner, der zum Gaudium seiner Kumpel den torkelnden Suffkopp markiert. Ich erwarte da kein method acting, aber auch ein drittklassiger Actioncharge sollte wissen, dass ein „echter“ Alkoholiker nicht 24 Stunden am Tag mit der Schnapsflasche in der Hand durch die Stadt torkelt und lallt), die Kampfszenen überwiegend recht langweilig choreographiert, flach aufs Filmmaterial gebannt, oft schlecht geschnitten und, wenn man schon im Fahrwasser von BLOODSPORT, der das Genre des modernen Action-Kampfkunst-Splatters praktisch erfunden hat, nicht hart genug, sondern viel zu cartoonish, wenn die Kämpen von einem Schlag getroffen meterweit durch die Luft oder in die fünfte Reihe des Auditoriums fliegen. Ganz manierlich ist immerhin – wenn diese Idee sowohl früher als auch später besser umgesetzt wurde – der Kontrast der unterschiedichen Kampfstyles.

An der Stelle muss ich noch mal kurz zurück zum Buch springen und auf die Dialoge eingehen. Die sind erstens mal godawful und kranken an einer ganz speziellen Seuche… Kurata und seine Mitstreiter legten von Anfang an auf internationale Vermarktbarkeit wert und so wurde der Streifen, untypisch für Hongkong-produziertes Kino, auf Englisch gedreht. Problem: Nur eine Handvoll der Darsteller konnte (leidlich) Englisch sprechen, der Rest musste das phonetisch lösen. Die Originalfassung ist also ein Freudenfest der falsch ausgesprochenen Worte und hysterischen Akzente, aber ein anderer Aspekt schlägt sich bin in die deutsche Synchro durch. Wer kein native speaker ist, tut sich im Allgemeinen schwer damit, einem natürlichen Sprechrhythmus zu folgen – d.h. die meisten Aktiven sprechen ihre Lines sehr sehr langsam, weil sie halt hauptsächlich damit beschäftigt sind, sich nicht zu verhaspeln, und das überträgt sich naturgemäß auch auf die Synchro, denn der Synchronsprecher kann ja nun auch kein anderes Sprachtempo anschlagen als der Originalakteur. Ergo sind die Dialoge auch in der deutschen Fassung kreuzlangsam und klingen so, als wären alle Beteiligten praktisch permanent bemüht, nicht unterm Reden einzuschlafen. Das macht den Film jetzt nicht unbedingt mitreißender…

Spaß macht zumindest die Musik – das ist ein so dermaßen archetypischer 80er-Synth-Score, der könnte auch einen MIAMI-VICE-Klon beschallen. Ich hab ein Faible für diese Art Filmmucke – das ist nicht John Williams oder Jerry Goldsmith, aber es ist die Art Musik, die ein billiges B-Movie braucht. Nichts finde ich lächerlicher als pompöse Orchestral-Scores für Filme, die ein Budget von 98 Pfandflaschen haben. Diesem Film fehlt nur eine rührselige Canto-Pop-Ballade, dann wäre der Soundtrack perfekt.

Schon erwähnt habe ich, dass Kurata als Schauspieler furchtbar ist, praktisch nie den richtigen Ton für seine Performance trifft. Zum „Glück“ wird er aber nicht für seine dramatischen Leistungen bezahlt (bzw. bezahlt sich in diesem Fall selbst), sondern für seine Kampfkunst. Die ist ordentlich, aber auch nicht spektakulär. Was natürlich auch wieder ein Problem ist, wenn selbst dem dümmsten Dummbeutel im Publikum klar ist, dass sein großer Gegner, der unvergleichliche Bolo Yeung, schlicht und ergreifend BESSER ist und den Kampf am Ende nur verliert, weil’s halt so im Drehbuch steht. Bolo himself lässt seinen Körper und seine Kampfkunst sprechen (was auch gut ist, denn er hat nicht wirklich eine Stimme, die seinem Status als Martial-Arts-Badass entspricht. Mehr Donald Duck als James Earl Jones, if you catch my drift). Die Mädels sind furchtbar (auch wenn aus der Lawson zumindest noch eine gut gebuchte TV-Nebendarstellerin in den USA wurde), aber zwei Positiva sind in Sachen Schauspieler noch zu vermelden, wenn auch aus völlig unterschiedlichen Gründen…

Stuart Smith ist ’ne Kanone. Also eine Kanone in Sachen „bad acting“, wie jeder bezeugen kann, der einen seiner Beiträge zum Thema „Euroninja“ gesehen hat. Und wie der Trash-Connoiseur befriedigt feststellt, das lag nicht daran, dass er für Ninjafilme nicht seine vollen darstellerischen Leistungen ausgepackt hat, sondern weil er’s nicht besser kann. Seinen John spielt Smith EXAKT wie einen seiner Ninja-Charaktere… das passt eigentlich überhaupt nicht in einen Film, der sich irgendwo schon… naja… ernst nimmt, aber es macht ungeheuer viel Spaß, Smith beim Chargieren zuzusehen.

Und da gibt’s noch Simon Yam. Der war zu dem Zeitpunkt noch keine sonderlich große Nummer (und hatte sich auch seinen englischen Vornamen noch nicht zugelegt) und spielte bis dato auch primär Zweite-Reihe-Bad-Guys, aber hier deutet er an, warum er ein paar Jahre später zu einem bankablen Star wurde, der’s sogar nach Hollywood schaffte (wenn auch in dem doofen zweiten TOMB-RAIDER-Film). Er ist ungeheuer likeable (ganz besonders im Kontrast zur dahineghenden Flachbirne Kurata) und er überzeugt auch in seinen Kampfszenen. Ich will nicht so weit gehen, dass BLOODFIGHT eine star-making-performance Yams ist, aber ich bin mir sicher, der Film hat doch einiges dafür getan, dass Produzenten ihm größere (und good-guy-)Rollen zuschanzten.

BLOODFIGHT ist in der Platinum Cult Edition von DigiDreams als BluRay-/DVD-Kombi erschienen. Die Bildqualität ist okay, vielleicht, alte PCE-Seuche, etwas zu heftig gefiltert, aber das ist immer noch gut brauchbar. Die Tonqualität ist nicht überragend, aber auch praktikabel. Als Extras gibt’s neben diversen Trailern ein Interview mit Kurata, wahlweise Deutsch übersetzt oder auf japanisch. Dazu gibt’s noch ein knappes Booklet mit Text von Nando Rohner. Nicht das allerfetteste Package, aber was will man bei einem auch in Hongkong nie als etwas anderes als ein kleiner B-Reißer geplantem Film auch erwarten? Zwölf Audiokommentare und acht Stunden Making-of? Wohl eher nicht.

So, und jetzt kommt mein wahrscheinlich überraschendes Fazit. Ich hab die letzten drei A4-Seiten weitgehend dazu verwendet, BLOODFIGHT madig zu machen und das, wie ich glaube, durchaus nachvollziehbarer Weise. Und doch, wenn Ihr Euer Auge noch etwas nach unten schweifen lasst, steht da eine beinahe positive Bewertung. Ja, das wird jetzt schwer zu erklären, aber… BLOODFIGHT mag objektiv gesehen kein guter Film sein, doch er ist SO grundehrlich in seiner Attitüde, nichts anderes sein zu wollen als ein schnelles, billiges BLOODSPORT-rip-off, das nicht behauptet, irgendetwas neu zu erfinden oder der bewährten Idee einen neuen Aspekt hinzuzfügen, dass ich ihm irgendwie einfach nicht böse sein kann. Manchmal ist ehrliches Klauen das Sympathischte, was ein Filmemacher tun kann…

© 2020 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 7

BIER-Skala: 6


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