BloodBound

 
  • Deutscher Titel: BloodBound
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  • Regie: Ully Fleischer
  • Land: Deutschland
  • Jahr: 2009
  • Darsteller:

    Ingo Wendland (Victor), Torsten Knippertz (Stan), Götz Argus (Hagen), Isabel Florido (Sita), Kerstin Linnartz (Seherin), Andy Zingsem (Angul), Christof Maaß (Regin), Peter Nottmeier (Torben), Birgit Stauber (Barb), Markus Kirschbaum (Arvid), Carolin Gralla (Djeska), Alexander Gero (Karakow), André Dietz (Jarl), Maik Gisbert (Marek), Sven Post (Max)


Vorwort

Vic und Stan sind die Go-To-Leute für, sagen wir mal, im nicht ganz legalen Bereich operierende Geschäftsleute, die dringend mal einen kleinen Geldkoffer von A nach B transportieren müssen oder ihr ehrlich geklautes Eigentum von fiesen Schmeißfliegen zurückhaben möchten – Top-Kuriere, die es verstehen, mit ihren Schießeisen umzugehen und sich’s aufgrund ihrer Coolness auch schon mal erlauben können, einem Obermotz der Russenmafia eine kleine Erschwerniszulage aus dem Kreuz zu leiern, ohne von dessen Bodyguards durchlöchert zu werden. Aber auch für den besten Gangster-Kurier kommt einmal der Tag, an dem er in eine Sache verwickelt wird, die augenscheinlich zwei bis drei Nummern zu groß für ihn ist. Der Transport eines vermeintlich leeren Koffers führt nicht nur zu heftigem Bleiaustausch mit einer Gruppe bestens bewaffneter Störenfriede, die dieses Unterfangen sabotieren mögen, sondern auch zu Ungemach beim Abnehmer der Lieferung, als Stan in klarer Verkennung der Situation beim absolut falschen Kunden eine nachträgliche Gehaltserhöhung aushandeln will. Es kommt zu einem Handgemenge, in dessen Verlauf Stan verletzt wird, aber zunächst denken Vic und Stan sich nichts dabei.
Nach einem weiteren Routineauftrag, der Befreiung einer Nutte aus den Händen eines unsportlichen Konkurrenten ihres Zuhälters, werden die beiden von einer Art Spezialeinheit mit vorgehaltenen schweren Waffen zu einer freundlichen Unterhaltung eingeladen. Hagen, Anführer der Truppe, erklärt sich und die seinen als geheimen religiösen Orden der kämpferischen Sorte und möchte Vic und Stan für seinen Kampf gegen den Dämon Angul, lustigerweise der bewusste Empfänger des scheinbar leeren Koffers, gewinnen, alldieweil der, seit er vor hunderten von Jahren im Blut eines von ihm geplätteten Erzengels gebadet hat und dadurch unsterblich und -verwundbar wurde, nichts minderes als die Weltherrschaft anstrebt und dafür arglose Opfer in willfährige Dämonen verwandelt. Vic hat eigentlich keinen sonderlichen Nerv für Ammenmärchen, aber als sich Stan vor seinen Augen in einen von Anguls Dämonen verwandelt, muss er diese Einschätzung doch revidieren.
Da Stan offiziell dem Angul-Team beitritt und Vic versprochen hat, seinem Freund unter allen Umständen zur Seite zu stehen, entscheidet er sich für die Zusammenarbeit mit Hagens Leuten, denn nur Anguls Tod – der bekanntlich eher schwierig zu realisieren ist – kann Stan wieder zurückverwandeln. Dumm nur, dass in Hagens Truppe ein Verräter sitzt…


Inhalt

Mit stolzgeschwellter Brust präsentiere ich sowas wie ein Exklusiv-Preview eines Films, der sich stolz „der aufwändigste (brrr… ich hasse die neue Rechtschreibung) Independent-Film des Jahres“ nennt und damit durchaus Recht haben könnte (an dieser Stelle Dank an den Wortvogel und Ully Fleischer für Zurverfügungstellung des Screeners und Review-Genehmigung).

Ully Fleischer ist den Intimkennern deutscher Amateur-/Indiewerke dadurch bekannt, dass er die fünf besten Minuten, die jemals im Rahmen eines Jochen-Taubert-Films über Fernsehschirme flimmerten, auf dem Kerbholz hat, den Prolog des, ähm, auch sonst ganz tollen Sheeba – Die dunkelste Seite der Macht (übrigens zur überschaubaren Begeisterung Fleischers). Bereits da deutete sich an, dass Fleischer im direkten Vergleich zu seinen teutonischen Indie-Kollegen ganz offensichtlich auf einem ganzen Batzen Talents für visuell interessante Action-Inszenierung sitzt und mit dieser Vorkenntnis geht man dann doch mal vorsichtig optimistisch an das erste abendfüllende Werk des Maestros heran. „BloodBound“ ist offensichtlich schon seit längerer Zeit in der Mache (der vorhandene IMDb-Eintrag datiert den Streifen auf 2007 – und natürlich fällt mir erst jetzt auf, dass ich schon den Trailer auf der Blood Angel 2-DVD mit Geifern und Sabbern quittierte; diverse Quellen sprechen dafür, das mit der Produktion sogar schon 2003 begonnen wurde) und, um’s vorweg zu nehmen, diesem Film gelingt es, das zu sein, was Ittenbach (siehe Legion of the Dead) gern machen würde, aber nicht könnte, hinge sein Leben davon ab – ein wirklich cooler Action-/Horror-Hybride, was nicht zuletzt seit den enormen Erfolgen der „Underworld“- oder „Resident Evil“-Franchises kommerziell absolut hoffähig geworden ist, aber eben bislang auch anscheinend nur mit gigantomanischen Budgets in Hollywood realisiert werden konnte.

Da ich bekanntlich händeringend auf kompetente Genrebeiträge aus deutschen Landen warte, bin ich auch gewillt, die sicherlich nicht übermäßig originelle Story (erdacht von Fleischer und Michael Metzler, drehbuchmäßig ausformuliert von Fleischer) zu verzeihen – sie ist ein Konglomerat verschiedenster Einflüsse, lässt coole Ganoven auf nicht minder coole Dämonen (die selbstverständlich bevorzugt bodenlange Ledermäntel tragen) treffen, bedient sich einer Background-Mythologie, die nicht immer ganz schlüssig zu sein scheint (was genau Angul will, kommt nicht klar zum Ausdruck – Hagen meint zwar, der Dämon würde die Weltherrschaft anstreben, aber da der Oberfiesling nach mindestens tausend Jahren in der Hinsicht nicht wirklich entscheidend zu Potte gekommen zu sein scheint und der Dämon selbst auch andeutet, dass die Interessenlage sich möglicherweise ein wenig anders darstellt, muss das nicht unbedingt die reine Wahrheit sein; auch der Widerspruch, dass Hagen zunächst behauptet, von Angul umgewandelte Dämonen hätten keine Seele mehr, später aber davon redet, dass Angul über Stans Seele verfüge, kann dem Umstand geschuldet sein, dass Hagen eine eigene Agenda verfolgt, die nicht rein philanthropischer Natur ist, um Vic auf seine Seite zu ziehen), mindestens aber ein wenig vage bleibt (allerdings wurde christliche Mythologie und Symbolik schon ungeschickter in größere Werke eingebaut, vgl. den von mir eigentlich geschätzten Carpenter-„Masters of Horror“-Beitrag Cigarette Burns, der sich in der Hinsicht etwas weiter aus dem Fenster lehnt als es sinnvoll wäre).

Während die Dialoge nicht gerade weltbewegend sind und vor beherzter Benutzung erprobter Klischees nicht zurückschreckt, erweist sich Fleischer als überraschend kapabel, seinen (zahlreichen) Figuren distinkte Persönlichkeiten zu verleihen, ohne auf schlichte informed attributes zurückgreifen und/oder umständliche Expositionsdialoge einbauen zu müssen – weder Hagens Truppe noch Anguls Dämonenschar beschränkt sich darauf, wenigstens bei den „featured players“, auf austauschbares Kanonenfutter, das sind echte dreidimensionale Figuren, in der jeder seine „personality“ hat und in ihrem Rahmen folgerichtig agiert (einzig der character turn des Verräters in Hagens Team bereitet mir etwas Bauchschmerzen, weil mir da irgendwie eine entscheidende Szene zu fehlen scheint); auch das Verhältnis Vic/Stan erscheint glaubhaft (und das Fleischer auf die obligate Love Story kaltlächelnd verzichtet, findet mein Wohlgefallen) – Storytelling durch vernünftige Charakterführung ist nicht gerade das Spezialgebiet, in dem deutsche Indie-Strategen gewohnheitsmäßig positiv auffallen, um so erfreulicher, wenn es hier – ausgerechnet in einem Actionfilm – weitestgehend gelingt (nicht, dass internationale Low-Budget-Heuler da besser wären, ich erinnere mich schaudernd an Asylums Dracula’s Curse, der – auch mythologisch entfernt vergleichbar – herzlich gerne wäre, was „BloodBound“ ist, nämlich ein moderner Actionhorrorfilm).

Aber ist das Script – das, um mal wieder einen Anglizismus zu bemühen, absolut „serviceable“ ist – nicht charmante Nebensache, wenn wir einen deutschen (!) Independent(!)-Film vor uns haben, der Action satt von satten shoot-outs über Martial Arts bis hin zu swordsplay a la „Highlander“ beinhaltet – und das ganze auch noch ausgesprochen kompetent umsetzt? Ich meine ja! Was sich im „Sheeba“-Vorfilm schon vorsichtig in kleinem Rahmen angedeutet hat, beweist „BloodBound“ eindrucksvoll, im Independent-Bereich hab ich bis jetzt keinen besser inszenierten Actionfilm gesehen. Sicherlich wird niemand die Kampfchoreographie der Schwertkämpfe und des hand-to-hand-combat mit einer Hongkong-Produktion verwechseln, aber im Rahmen einer Indie-Produktion, die sicherlich mehr Geld gekostet hat, als man in einer Garage an der Wäscheleine aufhängen kann, für die sich aber bei action concept wohl niemand die Schuhe zubindet, ist das mehr als nur ansehenlich, sondern schon wirklich mitreißend – Fleischer bringt die notwendige Rasanz und Dynamik durch kurze Einstellungen mit schnellen Schnitten in die Action, ohne dass das Resultat so aussieht, als wolle man hier beschränkte Fähigkeiten der Aktiven vor und hinter der Kamera tarnen.
Der Look des Films ist angemessen düster, die Locations größtenteils überzeugend gewählt (lediglich das Finale in einer leerstehenden Fabrikhalle stört ein wenig – nicht, dass es nicht *passen* würde, aber es ist halt furchtbar unoriginell), der visuelle Stil insgesamt geprägt von kurzen Einstellungen und schnellen Schnitten; die Präferenz für Location-Drehs und der Verzicht auf billig-improvisierte Sets (und natürlich die Tatsache, dass das Setting insgesamt ausgesprochen urban ist und nicht wie die meisten Indie-Filme Feld, Wald und Wiese bevorzugt) verleiht dem Streifen für eine semiprofessionelle Produktion einen erstaunlichen scope; das könnte man durchaus im TV ausstrahlen und würde nicht negativ auffallen.

Aus dramaturgischer Sicht ist „BloodBound“ vielleicht zehn Minuten zu lang – im Mittelakt schleicht sich die ein oder andere storytechnische Länge ein, worunter besonders Hauptfigur Vic, der eine Zeitlang ziemlich aus dem Fokus fällt, ein wenig leidet, aber zum Finale hin zieht das Tempo wieder zu unverkennbarer Rasanz hin an.

Kostüme und Make-up (wobei die Idee, die Dämonen durch ihre Tribal-Tattoos visuell zu identifizieren und sie dadurch auch noch „unverwundbar“, zumindest für herkömmliche Bleispritzen, zu machen, anerkennenswert ist) sind eindeutig in der Bundesliga anzusiedeln, auch der Score und die verschiedenen verwendeten Songs wissen zu gefallen.

Beginnt der Streifen zunächst noch recht actionlastig mit reinem Geballere und massenhaft blood squibs, wird im Filmverlauf die Splatterschraube deutlich angezogen, diverse gut gemachte Prosthetics (gewerkelt von Co-Autor Markus Metzler) von abgetrennten Gliedmaßen, graphischen Einschüssen bis hin zu Körperspaltungen präsentiert, ohne in dumpfes Geschmoddere zu verfallen. Bei den visuellen Effekten von André Lorino, Stefan Ihringer und Stefan Engelbert verdienen sich die „Seelenaussaug“-Sequenzen Pluspunkte, Abzüge gibt’s für die nicht ganz überzeugenden FX für die „an den unverwundbaren Dämonen abprallenden Kugeln“ und den etwas übertriebenen Einsatz von post-production-Blutspritzereien, wenn mit Messern und anderen Stichwaffen hantiert wird. Das hätte man etwas realistischer hinbekommen können. Die annehmbare Auto-Explosion werkelten Studenten der Kölner KIST. FSK 18 ist übrigens ziemlich sicher…

Ein nicht unwesentlicher Vorzug von „BloodBound“ gegenüber seinen zahlreichen Indie-Mitbewerbern ist zweifellos der Umstand, dass Fleischer nicht nur seine fünf besten Kumpels oder die gleichen Nasen, die sowieso in jedem billigen Splatterfilm ihre Zinken vor die Kamera halten, engagierte (lustigerweise sind mit Eric Amerkamp und Ingo Trendelbernd zwar zwei Indie-Regulars am Start, aber beide gerade mal eben in Statistenrollen), sondern *richtige* Schauspieler, so mit Film- oder TV-Erfahrung, die ein bissl mehr Qualifikation einbringen können als „können sich mit Müh und Not ein paar Zeilen Dialog merken“. Und das hievt den Film gleich mal zwei oder drei Qualitätsstufen nach oben.
Ingo Wendland, der einen erstaunlich screen-präsenten und charismatischen leading man abgibt (und mich frappierend an jemanden erinnert, dessen Name mir natürlich nicht einfällt… grr. Nehmen wir mal als Anhaltspunkt eine Schnittmenge aus Matthew „Lost“ Fox und David „Akte X“ Duchovny) agierte in „Verbotene Liebe“, diversen Sat.1- und RTL-Produktionen und zahlreichen Werbespots; Torsten „Knippi“ Knippertz (Stan, nett überdreht, manchmal aber etwas zu gewollt „cool“ und nicht unbedingt mit den besten Lines des Scripts gesegnet) ist als Moderator bei DSF, N.TV oder dem Web-Magazin „fohlen.tv“ (für Borussia Mönchengladbach-Anhänger) zu sehen, spielte bereits verschiedentlich für Fleischer und badmovies.de-Fave Stephan Lenzen (und für Spike Lee).
Götz Argus (Hagen, anfänglich etwas gewöhnungsbedürftig, später aber durchaus mit dem nötigen Verve) war in der jüngsten Lucky-Luke-Realverfilmung (mit Til Schweiger) zu sehen, außerdem in „Speer & Er“, „SK Kölsch“, „SOKO Köln“ oder „Alles Atze“.
Peter Nottmeier kennt jeder aus „Switch“ und „Switch Reloaded“ und der zeigt hier, dass er nicht nur der wandlungsfähige Comedian und Parodist ist, sondern auch in einer ernsten Rolle (und mit erstaunlicher Matte) überzeugen kann.
Christof Maaß stellte sich einem breiten Publikum nicht nur durch Auftritte in der souverän unlustigen Axel-Stein-Comedy-Reihe „Axel will’s wissen“, sondern auch in ProSiebens amüsant gescheitertem Versuch, einen Spencer/Hill-Film ohne Spencer/Hill zu drehen, „Hammer & Hart“ (dort Hammer), vor und wuchert auch hier in der Rolle des Waffenexperten Regin mit seiner Physis.
Kerstin Linnartz, bekannt als Moderatorin bei GIGA und zwischenzeitlich u.a. in „Post Mortem“, „Half Past Ten“ oder „Angie“ zu sehen gewesen, Isabel Florido („Unter uns“, und mit „Moonlight Mountain“ von Timo Rose zumindest mit einschlägiger Indie-Erfahrung) und Carolin Gralla („Marienhof“) beweisen, dass man mit gutem Willen auch vernünftige Darstellerinnen für seinen Independentfilm gewinnen kann (speziell Florido gefällt).
Andy Zingsem ist ein angemessener Bösewicht, und selbst in Nebenrollen tummelt sich mit Markus Kirschbaum („SOKO Köln“) als Arvid, Rüdiger Schuster (Blood Angel 2) und dem mittlerweile durch die RTL-Soap „Alles was zählt“ zur deutschen TV-Prominenz zu zählenden André Dietz Professionalität allenthalben.
Bemerkenswert ist es, dass es Ingo Wendland in einem, wenn man so will, Ensemblefilm mit gutklassiger Besetzung schafft, den Streifen in positivem Sinne an sich zu reißen und, wie es sich für einen leading man gehört, seine Szenen zu dominieren.

Da mir eine Vorab-Screener-DVD vorliegt, heute mal keine detaillierte Technik-Besprechung, diese bleibt einem regulären Retail-Release vorbehalten.

Fazit: Hollaho. Da sag noch einer, dass sich Geduld nicht auszahlt – es kann sich lohnen, wenn man als Macher eines ambitionierten Indie-Films über ein paar Jahre hinweg am Ball bleibt und nicht mit einem unausgereiften Schnellschuss auf den Markt drängt. „BloodBound“ mag noch nicht DER große Action-Horror-Genrefilm aus deutschen Landen sein, aber er kommt verdammt nah ran (und wenn wir uns vor Augen halten, dass die unmittelbare Konkurrenz ungefähr so aussieht wie Virus Undead oder die letzte Ittenbach-Schmodderei, ist man gewillt, für „BloodBound“ einen Schrein zu errichten und eine allabendliche Anbetung durchzuführen) – bis auf kleine Schönheitsfehler im Mittelpart rasant und temporeich inszeniert, vorzüglich geschauspielert, und mit der nötigen zwingenden Härte versehen, ist „BloodBound“ eine kleine Offenbarung. Ully Fleischer kann sich’s nun auf dem Pantheon der von mir persönlich autorisierten deutschen Genre-Hoffnungsträger bequem machen (ist ja Platz genug da…) und dem geneigten Konsumenten kann nur gesagt werden – sobald das Ding veröffentlicht ist, unbedingt ordern. Wer braucht da noch das nächste „Underworld“-Sequel?

4/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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