Bis auf’s Blut

 
  • Deutscher Titel: Bis auf's Blut
  • Original-Titel: Jusei: Last Drop of Blood
  • Alternative Titel: Last Drop of Blood |
  • Regie: Yasushi Akimoto
  • Land: Japan
  • Jahr: 2003
  • Darsteller:

    Takaaki Ishibashi (Nagiwara), Reiko Takashima, Naoki Hosaka, Tamao Sato, Shuji Kashiwabara, Moritake Kinashi, Guts Ishimatsu, Keizo Kanie, Renji Ishibashi, Koichi Ueda, Kenji Kodama, Takeshi Yamato


Vorwort

Es ist aber auch zu blöd – gerade wollen zwei rivalisierende Yakuza-Clans ein Freundschaftsbündnis schließen, da wird just während der formalen Zeremonie ein Attentat auf die großen Bosse verübt. Otanake, der weise Führer seiner Gruppe, überlebt zwar, ist aber temporär ausgeschaltet und lässt seine diversen Unterführer heftig drüber grübeln, was die korrekte Antwort auf diesen Affront ist. Abwarten, was passiert? Unauffällig herausfinden, wer hinter dem Anschlag steckt? Oder vielleicht doch einfach mal den prophylaktischen Gegenschlag gegen die üblichen Verdächtigen ausrufen? Guter Rat ist für Nr.2-Mann Shimizu teuer, zumal ein naseweiser-bauernschlauer Kommissar (der irgendwie fast überhaupt gaar nicht wie Inspektor Columbo wirkt) nicht aufhört, die Yakuza mit Sticheleien zu triezen. So versucht der Kommissar auch, Nagiwara, einen ausgestiegenen Otanake-Yakuza, der mittlerweile glücklich verheiratet ist und seine Miete als Vertreter für Sanitärprodukte verdient, zu privaten Ermittlungen anzustiften. Nagiwara blockt aber ab – er will sein neues Leben nicht aufgeben. Dieweil erfährt Shinji Sakura, alter Freund von Nagawara und auf der mittleren Management-Ebene der Otanakas, dass der Anstifter der Attentats vermutlich im eigenen Clan zu finden ist. Tatsächlich wird beim versuchten Transfer des Bosses vom Krankenhaus in ein „safehouse“ ein erneuter Anschlag verübt. Shinji und Otanake kommen zum Schluss, dass der Verräter niemand anderes als Shimizu ist. Otanake sieht’s gelassen – er will seinen Clan auflösen und den Mitgliedern überlassen, ob sie aussteigen oder mit Shimizu weiterarbeiten. Shinji allerdings beschliesst, auf eigene Faust zu handeln und Shimizu sowie seinen Komplizen Nakata auszuschalten. Damit bringt er sich allerdings selbst auf die Abschussliste und Nagiwara muss nun doch noch seine Wummen auspacken und auf einen persönlichen Rachefeldzug gehen – denn der wahre Schuldige ist noch nicht gefunden…


Inhalt

Ich bin, ehrlich gesagt, kein großer Fan von Yakuza-Thrillern – das mag daran liegen, dass ich auch mit „westlichen“ Mafia-Thrillern nicht wirklich viel anfangen kann. Das Innenleben der organisierten Kriminialität ist, fragt mich nicht warum, eine Subkultur, die auf mich keinen speziellen Reiz ausübt, völlig egal, ob das nun Yakuza, Cosa Nostra, Camorra oder Triaden sind (wobei Triaden zumindest den Vorzug haben, dass das in wunderbarem Heroic Bloodshed HK-style enden kann). Das hindert mich, inkonsequent und rückgratlos, natürlich nicht, mir entsprechende DVDs zu kaufen, wenn sie mir auf’m Supermarkt-Grabbeltisch für den Gegenwert von zwei Schokoriegeln und ’ner Pulle Billigbier entgegenspringt.

„Bis auf’s Blut“ bzw. „Last Drop of Blood“ (wie sich der Film in der Uncut-Variante nennt) ist ein Werk des Regisseurs Yasushi Akimoto, der seines Zeichens wohl, eh, bedeutender und bekannter als Comic- und Romanautor sein dürfte – auf seinem Mist wuchs z.B. die literarische Vorlage für Takashi Miikes „One Missed Call“. „Last Drop of Blood“ entstand auf etwas kuriose Weise – Akimoto wurde von einer Internet-Firma angesprochen, einen Film exklusiv für’s Netz zu kurbeln. Akimoto sagte unter der Bedingung zu, dass der Film mindestens Kino-Niveau haben sollte. Dummerweise ging die Firma im Zuge des Zusammenbruchs der New Econonmy pleite und es dauert ein Weilchen, bis ein „gewöhnlicher“ Verleiher sich des Projekts annahms und es zu Ende führte.

Akimoto wollte außerdem keinen „gewöhnlichen“ Yakuza-Film drehen, weswegen er die Hauptrolle des Nagiwara mit Takaaki Ishibashi, einem Comedian, der international durch seine Auftritte in den Indianer-von-Cleveland-Sequeln „Major League II“ und „Major League III“ bekannt wurde, besetzte. Er entschied sich, die Sache eher von der dramatischen als der aktions- und spannungsgeladenen Seite aufzuziehen und stellt quasi, jetzt wird’s philosophisch-arthousig, zwei „Lebensentwürfe“ gegenüber – seine wesentlichen Protagonisten sind Shoji Nagiwara und Shinji Sakura, beide ungefähr im gleichen Alter. Nagiwara ist aus der Yakuza ausgestiegen (ich dachte immer, das geht gar nicht? Hab ich zumindest aus den anderen Yakuza-Filmen gelernt…), um ein „normales“ Familienleben zu führen, auch wenn ihn sein langweiliger Vertreter-Job nicht ausfüllt (worauf der Kommissar mit Freuden herumreitet), während Sakura seine Loyalität uneingeschränkt dem Clan überschrieben hat und sogar nicht unbedingt der Person, sondern der dahinter stehenden Idee (als Otanaka vermeintlich aufgegeben hat, kämpft Sakura alleine weiter) – was natürlich nicht ohne Melodrama abgeht (da Sakura eine kleine Schwester hat, zu deren Abschlussfeier er unbedingt erscheinen will, obwohl er vorher ein wenig zu killen hat).
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Im Endeffekt kommt, rein storytechnisch, aber leider nicht viel ‚bei rum. Wir pendeln zwischen Nagiwaras langweiligem Leben (wobei wir nur einmal * wirklich * bei seinem langweiligen Job sind, als er einen nervigen Kunden abfertigt; ansonsten wird er mehrfach am Arbeitsplatz vom Kommissar besucht), wobei sich nicht wirklich aufdrängt, ob er nun auch mit seinem Beziehlungsleben zufrieden ist (die Ehe scheint mehr, hm, auf Gewohnheit zu basieren, auch wenn Nagiwara sich bei einer Gelegenheit mit ein paar Schlägern, die seine Frau belästigt haben, prügelt). Das Problem ist, dass nie klar wird, warum Nagiwara angeblich dieser kick-ass-badass-motherfucker ist, der, wie’s der Kommissar meint, als einziger den ganzen Schlamassel aufdröseln könnte – er führt nicht nur ein langweiliges Leben, er *IST* langweilig. Gäbe es nicht ab und an mal einen Hinweis, dass seine ehemaligen Yakuza-Kollegen ihn immer noch respektieren (was ich an und für sich für unglaubwürdig halte – wird eine so auf Ehre und Loyalität getrimmte Subkultur wie die Yakuza sich auf respektvolle Weise mit einem Aussteiger befassen?) und er zumindest, wie schon gesagt, mal ein paar minderbemittelte Schlägertypen vertrimmen kann – aus seinem Charakter, aus der ganzen Anlage seiner Figur wird nicht deutlich, wer, was und warum er ist. Es mag wohl beabsichtigt sein (wie eben auch die Besetzung der Figur mit einem Komiker), dass Nagiwara nicht der typische harte Maxe ist, aber es untergräbt einfach die Wirkung des Finales, weil sein finaler Rachefeldzug trotz der Andeutungen einfach aus dem Nichts kommt.

Besser ergeht es Sakura, bei dem man zumindest ansatzweise erkennt, warum er seinem Clan so verbunden ist, dass er sogar die direkte Anweisung seines Chefs, die Sache mit dem Verrat aus den eigenen Reihen auf sich beruhen zu lassen, ignoriert, um die „Ehre“ des Clans wiederherzustellen. Für ihn ist der Clan die Familie, neben der nur noch, aber an zweiter Stelle, die kleine Schwester existiert. Keine ungeheuer neue Charakterzeichnung, speziell, wenn man die wesentlichen HK-Bloodshedder gesehen hat, aber zumindest ansatzweise nachvollziehbar.
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Völlig rätselhaft ist mir die Figur des Kommissars, die zwar alles und jeden kennt, aber nie aktiv in die Handlung eingreift, sondern vielmehr versucht, die diversen Charaktere in ihr wohlgefällige Aktionen zu manipulieren. Vielleicht fehlt mir da auch nur mal wieder der kulturelle Zugang. Und warum die Figur SO heftig an Inspektor Columbo angelegt ist (vom Trenchcoat über die Grimassen, Mannerismen und die Eigenheit, das, was er seinem Gesprächspartner eigentlich sagen will, nach smalltalkishem Geblubber mit einem „ach, was ich noch sagen wollte“ loszuwerden… immerhin erkannte der deutsche Verleiher eine Parallele, wo sie sich anbietet, und verpasste dem Kommissar auch die richtige, ergo Columbo- (oder zumindest extrem ähnliche) Synchronstimme.

Schlussendlich fehlt Script und Film aber jegliche Aussage – ja, ich erkenne, dass Akimoto ein eher pessimistisches Weltbild vertritt und zum Schluss kommt, dass ALLE korrupt und „untrustworthy“ sind, man sein Glück trotz allem Bemühen nie finden wird (das ist so ungefähr der Punkt, den Akimoto zumindest im begleitenden Interview als Ansatzpunkt des Films setzt). Man kann also, so lässt sich der Film verstehen, die Flinte gleich ins Korn werfen, denn es bringt eh alles nix. Ähnliches haben aber John Woo & Konsorten schon eindringlicher schildern können.

Zumal Akimoto nicht gerade der Regisseur ist, der der zähen Plotte Leben einhauchen kann. Die Eröffnungsszene des Attentats ist souverän gefilmt (auch wenn mich der extrem pferdegesichtige Attentäter einfach… irritiert. Ich hatte schon die Befürchtung, der wird zur Hauptfigur. Aber er wird schnell abserviert) und ab und an erlaubt sich der Film eine kleinere Actionszene (wobei ich mich allerdings bis kurz vor Schluss schon fragte, wo die vom Cover versprochenen „Shootout-Schlachten in bester Yakuza-Tradition“ bleiben), ohne aber sonderlich zu beeindrucken. Das Finale, in dem Nagiwara als Todesengel zum Rachefeldzug schreitet, KÖNNTE spektakulär sein, dürfte man es in der FSK-16-Version bewundern; die Kaufhausfassung ist gegenüber der von MiB vertriebenen Uncut-Fassung um satte fünf Minuten beschnitten und da sind wohl die bewussten „Shootout-Schlachten“ auf der Strecke geblieben; es schimmert durch, dass Akimoto in diesem finalen Gewaltausbruch vom Setup der Action und Dynamik der Kamera her ein paar gute, eindrucksvolle Ideen hat, aber die Schnitte, obwohl handwerklich sauber ausgeführt, lassen die gute Absicht nun mal im Regen stehen.
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Ein weiteres Manko ist der Look des Films, der – vermutlich noch der ursprünglichen Konzeption als Web-Film geschuldet – manchmal extrem nach billigem Video aussieht; nicht durchgängig, aber immer wieder und dann sehr störend. Es gibt durchaus einige memorable Shots (nicht immer tragen diese unbedingt etwas zum Film an sich bei, z.B. die durch Screenshot verewigte Einstellung des kerzentragenden Krankenschwester-„Chors“), dafür nervt der Film aber ab und an durch zappelige (Video-)Handkamera. Positiv dagegen ist der Score zu vermelden, der die Actionszenen mit treibenden Gitarren-Rave-Klängen unterlegt (und insgesamt sehr westlich geprägt klingt; nicht, dass das allein ein Qualitätsmerkmal wäre – es ist passend, durchaus dem Flow des Films angemessen und selbigen unterstützend).

Die darstellerischen Leistungen sind schwankend – mangels brauchbarer Credits (und tieferer Kenntnis japanischer Schauspieler) kann ich nur Ishibashi als Nagiwara zuordnen. Dessen Leistung überzeugt mich leider gar nicht. Einen Comedian als bewusste Brechung des Yakuza-Klischees einzusetzen ist ja eine brauchbare Idee (und sowas funktioniert in anderem Sinne z.B. bei Bill Murrays seriösen Rollen, weil Murray eben nicht nur ein guter Komiker, sondern einfach ein guter Schauspieler ist; bei Jim Carrey ist es ähnlich, wenn er den richtigen Regisseur hat), aber Ishibashi spielt den Nagiwara so „one-note“, so emotionslos-distanziert, dass mir einfach der ganze Punkt, den Akimoto wohl machen will, nicht nachvollziehbar erscheint. Nur in der Szene, in der er seinen lästigen Kunden anpisst, strahlt er ein wenig Leben aus, aber alles andere ist einfach langweilig heruntergeleiert. Besser gefällt mir der Darsteller des Sakura; der Columbo-Verschnitt als Kommissar ist witzig anzuschauen und sorgt für ein wenig (beabsichtige oder auch nicht) Auflockerung, den Peter-Falk-Imitator hat er jedenfalls drauf. Den Sinn der Figur sehe ich allerdings nach wie vor nicht.

Bildqualität: Mir liegt, wie gesagt, die FSK-16-Version aus dem Hause Carol Media vor. Diese präsentiert den Film in für Verhältnisse dieses Ramschlabels ansprechenden – entgegen der Packungsangabe nicht anamorphen – 1.85:1-Widescreen; dem Film an sich hätte es nicht geschadet, wenn man noch den ein oder anderen Filter draufgepackt hätte, damit das ganze eben etwas mehr nach KINO aussieht, aber dafür kann der Transfer, der ansonsten frei von Defekten und Störungen ist, ja prinzipiell nichts. Die Schärfewerte sind mittelprächtig, der Kontrast brauchbar, die Kompression ebenfalls im Mittelfeldbereich.

Tonqualität: Hier hat man nicht die Qual der Wahl – deutschen Dolby 5.1-Ton gibt’s und den haben wir gefälligst gut zu finden. Die Tonspur könnte etwas voluminöser sein, vor allem im Musik- und Effektbereich, die Sprachqualität ist gut und die Synchronfassung überraschend gut be- und umgesetzt.

Extras: Huch, es gibt welche! Wir vermelden neben einer Fotogalerie ein fünfminütiges, recht interessantes Video mit Akimoto, in dem jener einige interessante Tidbits über die Entstehung und die beabsichtigte Aussage des Films berichtet, das aber so aussieht, als wäre es nur ein Teil eines längeren Gesprächs. Des weiteren gibt es ein unkommentiertes Behind-the-scenes-Making-of (und treue leser Wissen – unkommentierte Making-ofs halte ich für sinnlose Verschwendung von Rohstoffen).

Fazit: „Bis auf’s Blut“ ist – in der 16er-Fassung – ein eher überflüssiger Film, der trotz allen guten Willens dem filmischen Yakuza-Mythos nichts wesentlich Neues oder wenigstens halbwegs Interessantes hinzufügt. Zwar wäre prinzipiell die Gegenüberstellung des „Aussteigers“ und des „loyalen Karrieristen“ nicht ohne Reiz, aber es bräuchte dann einen besseren, sprich versatileren Hauptdarstellers (der seinen „character turn“ nicht ausschließlich durch plötzlich gegelte Haare versinnbildlicht) und eines einfach interessanteren Scripts. So, wie sich der Film gestaltet, ist das eher ein Werbefilm für das Leben als Yakuza, da es so unendlich befriedigender wirkt als das eines freudlosen Daseins als Ehemann und gewöhnlicher Lohnlakai. Da die Cut-Fassung noch nicht mal mit blutigen Shootouts punkten kann (das Finale könnte in ungeschnittener Form durchaus juxig anzukucken sein), bleibt einmal mehr das vom Katholischen Filmdienst geborgte Schlusswort: Wir raten ab.

1/5
(c) 2008 Dr. Acula


mm
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