Berlin Syndrome

 
  • Deutscher Titel: Berlin Syndrome
  • Original-Titel: Berlin Syndrome
  •  
  • Regie: Cate Shortland
  • Land: Australien
  • Jahr: 2017
  • Darsteller:

    Teresa Palmer (Clare), Max Riemelt (Andi), Matthias Habich Erich), Lucie Aron (Elodie), Emma Bading (Franka), Christoph Franken (Peter), Lara Marie Müller (Silke)


Vorwort

Clare, eine australische Backpackerin, kommt in Berlin an – bewaffnet mit ihrer Kamera durchkreuzt sie Berlins abgewrackteste Ecken. Nach einem Besuch in einer kleinen Buchhandlung trifft sie Andi, einen jungen Lehrer. Man ist sich sympathisch und trifft sich, nachdem Clare beschließt, dass man Dresden – ihr nächstes Reiseziel – ja auch ein paar Tage später ankucken kann, wieder, feiert und endet in Andis Schlafzimmer…

Als Clare am nächsten Morgen aufwacht, ist Andi schon zur Arbeit und die Wohnungstür abgeschlossen. Ein Versehen, entschuldigt sich Andi am Abend, er hatte doch den Schlüssel auf den Tisch legen wollen. Am nächsten Tag verschärft sich das Spiel – der durchaus vorhandene Schlüssel mag alles mögliche sperren, aber nicht die Tür, die Fenster lassen sich nicht öffnen und bestehen aus verstärktem Sicherheitsglas. Da ist auch nix mit mal eien Scheibe einschlagen. Außerdem hat Andi die SIM-Karte aus Clares Handy entfernt… Es verdichten sich doch die Anzeichen, dass uns Andi mit Clare eine längerfristige Beziehung eingehen will und Clare dahingehend nicht wirklich gefragt wird…


Inhalt

Auch das, was Cate Shortland uns hier vorsetzt, ist sicher nicht die neueste Geschichte der Welt – der Psychopath, der seine Flamme gefangen nimmt, auf das sie irgendwann verflucht noch mal einsieht, dass sie ihn auch liebt, das ist mittlerweile ein Topos, aus dessen Beiträgen sich ganze single-issue-Festivals stricken ließen (und das, wenn wir „nur“ bei Pedro Almovodar und „Fessle mich“ anfangen).

Insofern also auch in Berlin nix neues und vor dem Festival hatte ich durchaus den Verdacht, „Berlin Syndrome“ könnte mein kleiner, privater Hassfilm der FFF-Nights werden, aber dann wurde ich doch angenehm überrascht.

Es stimmt schon – „Berlin Syndrome“ ist kein perfekter Film (schon allein, weil er mindestens 25 Minuten zu lang ist. Es gibt keinen dramaturgischen Grund, für diese Geschichte tatsächlich zwei Stunden zu brauchen). Ein Subplot um Andis Vater, die Andis Charakter mehr Tiefe geben soll und zumindest andeutungsweise seine Klatsche zu erklären versucht (wobei diese Erklärung schon arg hanebüchen ist – ich weiß nicht, ob das auch im zugrundeliegenden Roman schon ist, aber als Drehbuchautor hätte ich in dem Aspekt dann auf Werktreue gepfiffen und dem Punkt, also Andis Motivation, ein bisschen mehr Futter gegeben), Aber es funktioniert doch deutlich mehr als nicht. In ihren gemeinsamen Szenen stimmt das character interplay von Andi und seiner Gefangenen, Clare selbst ist eine Heroine, mit der man sich identifizieren, mit der man mitfiebern kann, weil sie sich nicht blöd, sondern fast immer situationsbedingt richtig verhält (dass sie scheitert, ist nicht ihre Schuld, sondern dem Umstand geschuldet, dass Andi die ganze Nummer nicht zum ersten Mal durchzieht und mehr oder weniger an alle Eventualitäten gedacht hat).

Natürlich lebt der nicht teuer produzierte Film in erster Linie von seinen exzellenten Hauptdarstellern. Teresa Palmer („Warm Bodies“) bringt nicht nur die sympathische Natürlichkeit ihrer Landsfrau Nicole Kidman in jungen Jahren mit, sondern hat auch kein Problem mit den, sagen wir mal, eher körperlichen Aspekten der Rolle, und Max Riemelt, der sich langsam zu einem deutschen Genre-Experten entwickelt („Wir sind die Nacht“, „Urban Explorer“, „Sense8“) bringt das richtige Maß mit, um manchmal geradezu erschütternd likeable, dann wieder abgrundtief finster zu sein. Matthias Habich („Der Untergang“, „Duell – Enemy at the Gates“) hat als Andis Vater nicht sonderlich viel zu tun, erledigt den Job aber mit großer Routine.

Was man auch irgendwie in die Bewertung einrechnen muss – die Location. Auch wenn Shortland und ihr D.O.P. Germain McMicking mit geübtem Blick finstere Ecken in Kreuzberg, Neukölln oder Prenzlberg suchen, um Berlin den Hauch einer verruchten, gefährlichen Metropole a la Caracas oder Kalkutta zu verleihen, funktioniert dieser Kunstgriff halt für deutsches Publikum (und erst recht für Berliner Publikum, das genügend der Straßen aus eigener Anschauung kennt) nur eingeschränkt.

Trotzdem – ein Film, der deutlich besser ist als von mir erwartet (und den ich vielleicht auch mehr „respektiere“, weil er aus der Thematik ne Menge an good character stuff rausholt, als „innig mag“), und, gäbe es so etwas wie eine deutsche Genre-Film-Kultur, Riemelt als ihr Aushängeschild definieren sollte (und den Kannibalenkrampf „Urban Explorer“ steckt „Berlin Syndrom“ als „Berlin-Horror“ aber mit verbundenen Augen in die Tasche).

3,5/5
(c) 2017 Dr. Acula


mm
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