Azumi

 
  • Deutscher Titel: Azumi
  • Original-Titel: Azumi
  • Alternative Titel: Azumi - Die furchtlose Kriegerin | Azumi: The Movie |
  • Regie: Ryuhei Kitamura
  • Land: Japan
  • Jahr: 2003
  • Darsteller:

    Aya Ueta (Azumi), Yoshi Harada (Master Gessai), Kenji Kohashi (Hyuga), Hiroki Narimiya (Ukiha), Yuma Ishigaki (Nagara), Minoru Matsumoto (Saru), Kazuki Kitamura (Kanbai), Jo Odagiri (Bijomaru Mogami)


Vorwort

Japan, zur Zeit der Shogun-Kriege. Die Armeen von Fürst Tokugawa haben den rivalisierenden Clans um den Fürsten Tomotoyi gerade heftig aufs Haupt geschlagen. Allerdings befürchtet man, dass nicht alle Warlords die Herrschaft des Tokugawa-Regimes anerkennen werden und der Krieg damit nicht vorbei sein wird. Also wird Samurai Gessai beauftragt, ein Team von Attentätern zusammenzustellen, um die problematischen Warlords zu eliminieren. Wie bei Reformvorhaben der Bundesregierung scheint man’s so richtig eilig mit dem Killerteam nicht zu haben (vielleicht wollen die Oberen auch nur Gessai aus dem Weg haben), denn der Meister sucht nicht einfach Sieben Samurai-mäßig ein paar kompetente Schwertkämpfer zusammen, sondern bildet sein Team von Kindesbeinen an über lange lange Jahre hinweg aus (vermutlich sterben die Warlords an Altersschwäche, bevor die Attentäter unfallfrei eine Toilette aufsuchen können). Sei’s drum, endlich ist es soweit, die Mission beginnt. Z ur allgemienen Stimmungshebung, Motivation und Herausbildung der richtigen Attentäter-Gene lässt Gessai seine Schüler sich mal gegenseitig abschlachten, um mit den fünf Überlebenden in den Kampf zu ziehen (seine Methoden sind fragwürdig). Talentiereste Killerin ist die Waise Azumi, die mit ihren Freunden schnell aus dem ersten Warlord Schaschlik macht. Warlord Nummer 2 ist schon eine erheblich härtere Nuß, denn er hat einen fähigen General in Kanbai, der wiederum einen ressourcenreichen Berater in Saru und der Warlord selbst ein folgenlos killbares Double. Bis die Attentäter herausgefunden haben, dass sie einer listenreichen Schelmerei ihres Kontrahenten aufgesessen ist, hat der längst seine eigenen Killer auf sie angesetzt…


Inhalt

Ryuhei Kitamura genießt spätestens seit seinem Zweitlingswerk Versus in gewissen Kreisen (wenngleich mir eher unverständlicherweise, wenn man NUR sein abendfüllendes Zombiegemetzel ins Kalkül zieht) Kultstatus und, obwohl mir Versus bekanntlich nicht so gefiel, ich war schon gespannt, was Kitamura aus einer Manga-Vorlage machen würde – dass der Kerl visuelles Talent in Tüten hat, ist sogar dem Kostverächter yours truly klar. Also stand Azumi auch relativ schnell fest auf der FFF-Liste. Ähnlich wie gestern bei Old Boy verließ ich das Kino irgendwie nicht ganz befriedigt – klar, Azumi ist ein x-mal besserer Film als Versus (was ich, um auf dem Thema mal wieder ganz dezent rumzureiten, für ein so großes Kunststück auch wieder nicht halte), aber Kitamuras Schwächen im Bereich Storytelling und Dramaturgie treten erneut heftig zu Tage (und vielleicht sogar noch heftiger als bei Versus, weil der ja gar nicht erst versuchte, eine Geschichte zu erzählen).

Fangen wir beim Script an – wenn’s um eine Manga-Realverfilmung geht und noch dazu um eine, die im schönsten Feudalzeitalter Nippons spielt, ist vom westlichen Kulturhorizont aus gesehen das schlimmste zu befürchten. Dafür spielt sich Azumi allerdings recht straight und nachvollziehbar – die Story nimmt keine unvorhersehbaren Schlenker, Abzweigungen oder Sackgassen, sondern bleibt geradlinig. Wie üblich im fernöstlichen Film dreht sich der zentrale Konflikt der Titelfigur um die guten alten Frage Freundschaft oder Loyalität, nichts ausnehmend neues, aber altbewährt. Dank der epischen Laufzeit von weit über zwei Stunden bedeutet das aber auch, dass wir mit relativ viel Charakter-Szenen behelligt werden und die sind nun mal Kitamuras Stärke nicht. Der Erzählrhythmus wirkt gelegentlich (da erzähle ich den Asia-Kritikern sicher auch nichts grundlegend neues) holprig, der Film verliert ein ums andere Mal seinen Drive, seine Dynamik – er ist schlicht und ergreifend um mindestens zwanzig Minuten zu lang (um’s zu relativieren: gelangweilt habe ich mich nicht, aber mehr als einmal wollte ich dem Film schon einen Tritt in den metaphorischen Hintern geben). Ein Mißverhältnis des Films ist wohl auch, dass Azumi dafür, dass sie der Titelcharakter ist, relativ lange im Hintergrund bleibt, um erst im (zugegeben äußerst memorablen) Finale so *richtig* die zentrale Rolle zu übernehmen; ein weiteres Problem ist auch, dass ihre Gefährten vergleichsweise substanzlose Kameraden sind – da fahren die Schurkengestalten schon besser, die sind eigentlich differenzierter als die Helden (wobei’s hüben als auch drüben durchaus gelungene kleine Momente gibt) – gnadenlos over-the-top und mein besonderer Liebling ist zweifellos Jo Odagiris Bijomaru – einen enthusiastischeren Psychopathen hab ich schon lang nicht mehr gesehen…

Wichtiger als die Story ist allerdings wohl die Action. Azumi ist aus gerade geschilderten Gründen kein Nonstop-Schlachtefest, aber natürlich wird das Schwergewicht dennoch auf die gewalttätige und blutverlustreiche Metzelszenen gelegt. Mit Ausnahme einiger auftretender Ninjas (everything’s better with Ninjas) bleibt die Action zwar comichaft übersteigert, aber vergleichsweise bodenständig, was Martial Arts angeht und dank der Kitamura-typischen hyperenergetischen, man könnte auch sagen, hektischen, Kameraführung und Choreographie der Schwertkämpfe sind diese streckenweise ein wenig unübersichtlich; auch wird nicht in Gore gewatet, wer nur auf herumfliegende Körperteile wartet, wird sicher nicht ganz auf seine Kosten kommen. Kitamura ist mit Sicherheit auch ein trefflicher Stilist, aber er ist auch einer von der Sorte Stilisten, die in ihre Stilsicherheit ein wenig selbstverliebt sind. Wenn Kitamura mal eine besonders freche Einstellung gelungen ist, gerät er zu leicht in die Versuchung, das Stilmittel zu Tode zu reiten (ein vertikaler 360-Grad-Kameraschwenk wie im Schlußfight ist sicherlich selten bis nie dagewesen und spektakulär, aber dreimal innerhalb einer Minute ist das dann doch ein wenig übertrieben). Wie so viele Vertreter gerade des neuen asiatischen Kinos sollte auch Kitamura das „weniger-ist-manchmal-mehr“-Prinzip beherzigen (das gilt sowohl für die Lauflänge des Films an sich als auch optisch-visuelle Spielereien, die zwar zeigen, dass er ein ganz doll hipper Regisseur ist, aber dem Unternehmen Film an sich manchmal mehr im Weg stehen als sie ihm nützen). Allerdings muss man dem Film insofern zugute halten, dass die flippigen Kamerafuchsereien das Comichafte des Films verstärken – der Streifen spielt sich fast schon wie ein klassischer Superhelden-Film (wenn ein solcher denn extrem gewalttätig und blutig wäre), will sagen, Azumi in ihrem blauen Kimono, der schon aussieht wie ein Superhelden-Dreß, geriert sich fast schon als asiatische Wonder Woman mit Hattori-Hanzo-Schwert…

Sei’s drum – wenn Azumi in die Pötte kommt, ist die Action, Kitamuras over-the-top-Style hin oder her, oft spektakulär und meist sehenswert. Der Schlußfight, in dem Azumi als finsterer Racheengel durch eine gegnerische Armee pflügt, dass Uma Thurmans Kill Bill-Massaker zu einer lockeren Trainingseinheit verkommen lässt (um einen gern genommenen Vergleich aufzugreifen. Hab nie behauptet, dass ich originell bin), zählt sicher zum eindrucksvollsten, was das Actionkino in letzter Zeit hergegeben hat (interessant, dass sowohl Old Boy als auch Azumi mit exzellenten einer-gegen-ganz-viele-Gegner-Szenen aufweisen können und sie beide völlig unterschiedlich, aber beide auch extrem sehenswert, lösen). Die Special Effects (die über „normale“ Make-up- und Bluteffekte hinausgehen) sind nicht sehr zahlreich und technisch eher schlicht, aber zumindest eine Szene im Schlußfight habe ich SO auch noch nicht gesehen…

Zwei weitere kleine Schwachpunkte: der Film krankt auch unter seinen nicht gerade opulenten Production Values – da viele der Kampfszenen in Wäldern stattfinden, fühlte ich mich doch ein ums andere Mal an den praktisch budgetfreien Versus erinnert, wirkliches eye candy gibt’s selten. Ebenfalls störend wirkt die oft deplazierte Musik, die für sich stand alone vielleicht gar nicht so schlecht wäre, aber im Kontext des Films viel zu oft nicht funktioniert (aber wenigstens ist es kein permanentes Techno-Gedüdel wie … in Versus). Da ich aber in vielen asiatischen Filmen die Musik bemängele, mag das ganz einfach auch an unterschiedlicher Rezeption unterschiedlicher Kulturkreise liegen.

Großes Schauspielerkino ist Azumi nicht – die meisten Rollengestalten sind zu wenig tiefgründig oder zu klein, um ihre Darsteller vor größere Aufgaben zu stellen, wobei die jugendlichen Heldengestalten durch die Bank wesentlich überzeugender geraten als z.B. ihre ungefähren Altersgenossen in Battle Royale II. Yoshio Harada als Meister Gessai, ein Genreveteran (Lady Snowblood 2) liefert eine no-nonsense-Vorstellung, Jo Odagiri hab ich schon weiter oben hervorgehoben – der Mann ist ein echter Bringer und ich prophezeihe ihm eine große Zukunft als japanischer Gary Oldman (auch wenn ich mir die ganze Zeit gedacht habe, in einem Low-Budget-US-Remake müsste den Christopher Lambert spielen. Sind bestimmt die Haare schuld). Zu Aya Ueta, offensichtlich einem japanischen Popsternchen, als Azumi – ich hätte normalerweise mit ihr in der Rolle ein leichtes Problem, wenn ich nicht wüßte, dass wir in einer Comic-Verfilmung sind und Comics ja in vollkommen anderen Universen spielen, und da kann dieses zierliche Persönchen dann auch zum schwertkämpfenden Wirbelwind werden, so that’s fine with me. Im übrigen unterstütze ich die These des Hausrockers, dass es in Japan Geheimlabors geben muss, in denen süße Schnuckis am Fließband geklont werden. Auch Aya Ueta möchte man am liebsten mit nach Hause nehmen und liebhaben (I’m in love…).

Azumi ist also besser als Versus, aber immer noch nicht der Beweis, dass Kitamura einen *wirklich guten* Film in petto hat. In Charakterszenen geht ihm als Regisseur sichtlich die Puste aus, aber den Mut, überflüssigen Ballast zu streichen, hatte er hier, ganz offensichtlich im Bemühen, im Gegensatz zum plotlosen Versus eine richtige Geschichte zu erzählen, auch nicht, in Actionszenen tendiert er zu sehr dazu, zugunsten einer hier zumindest einigermaßen passenden „look-what-I-can-do“-Atittüde zu überziehen. Unterhaltsam ist das alle mal, richtig großes Kino aber noch nicht, dafür ist der Film einfach zu uneinheitlich im Tempo (die Fähigkeit eines Kitano, beinhart-brutale Action mit leise-lyrischen Passagen so abzuwechseln, dass das Gesamtergebnis rund und stimmig bleibt, hat Kitamura – noch? – nicht). Anders ausgedrückt – als DVD ’nen Rental auf alle Fälle wert, für Fans des asiatischen Swordsplay-Kinos sicher auch einen Kauf, aber ein Muss isses nicht.

Einen finsteren Gruß schenke ich hiermit in aller Deutlichkeit den Arschlöchern im Publikum der Berliner FFF-Vorstellung, die sich jetzt hoffentlich für ganz besonders cool halten, dass sie mindestens der Hälfte der restlichen Besucher den Film ziemlich vermasselt haben. Neben Simultandolmetschen der englischen Untertiteln, Johlen und Applaudieren bei jeder noch so minimalen Blutszene (wie alt seit ihr eigentlich? 12? 13? Und wenn ja, wie seid ihr reingekommen?) bis hin zu Beleidigungen an diejenigen Zuschauer, die mahnende Worte an sie gerichtet haben, hatten die die ganze Bandbreite drauf. Ich hab nix gegen ein bissl Stimmung im Kino, aber Vollspackos wie ihr gehört vor den Fernseher, wo ihr euch den lieben langen Tag Zombies unter Kannibalen und Fantom Kiler ansehen könnt und dem Rest der Menschheit nicht auf den Sack geht. Wenn so ein Riesenarsch mal zufällig in meiner Schlagdistanz sitzen sollte, kann er sich an dieser Stelle schon mal warm anziehen – ich kann da furchtbar intolerant werden. Hatte bei FFF-Besuchern eigentlich eine gewisse Grundintelligenz vorausgesetzt, aber das war wohl ein Trugschluß.


mm
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