Avalon

 
  • Deutscher Titel: Avalon
  • Original-Titel: Avalon
  •  
  • Regie: Mamoru Oshii
  • Land: Japan/Polen
  • Jahr: 2001
  • Darsteller:

    Malgorzata Foremniak (Ash), Wladyslaw Kowalksi (Game Master), Jerzy Gudejko (Murphy), Dariusz Biskupski (Bischof), Bartek Swiderski (Stunner), Katarzyna Bargielowska, Alicja Sapyrk


Vorwort

In nicht allzu ferner Zukunft in einem unbezeichneten Land – die Zeiten sind schlecht, das Leben ist trist, echtes Fleisch und frisches Gemüse sind Luxusartikel. Die einzige Ablenkung für die unterpriviligierten Massen stellt das illegale Virtual-Reality-Spiel „Avalon“ dar. Ash ist einer der Stars des Spiels – obwohl ehedem einem Team angehörig, schlägt sie sich nun als Solo-Kriegerin durch das bleihaltige Szenario. Von ihrer ehemaligen Teamkameraden Stunner bekommt sie einen Hinweis – im Spiel gibt es einen „Geist“, und wer den erwischt, erhält Zugang zu einem geheimen Spezial-Level. Der Haken an der Geschichte ist, dass bis jetzt niemand aus diesem Level wieder mit intakter Denkmurmel wieder zurückgekehrt ist (so auch ihr alter Team-Boss Murphy, der hirntot in einem Krankenhaus vor sich hinvegetiert). Ungeachtet der Risiken nimmt Ash die Herausforderung an, auch wenn das bedeutet, wie sich herausstellt, dass sie auf die Unterstützung eines Teams angewiesen ist. Mit einem undurchsichtigen Bischof (eine Charakterklasse im Spiel) geht Ash die „Geisterjagd“ an, doch stellt sich zunehmend die Frage – was ist Spiel, was Realität?


Inhalt

Trau keinem Japaner, wenn er Filme macht, vor allen Dingen, wenn er nicht im heimischen Nippon dreht, sondern in Polen mit polnischen Darstellern. Es ist in der Tat eine eher kuriose Zusammenstellung – japanische Kreativ- und Effektmeister scheuchen polnische Schauspieler durch ein Szenario, das sich als Mischung aus „Matrix“ und „eXistenZ“ vorstellt, ohne die hochoktanige Action des ersteren noch den existentialistisch-philosophischen Approach des zweiteren Films zu erreichen.

Die Grundidee ist einmal mehr recht reizvoll und würde theoretisch das ein oder andere interessante Vexierspiel um verschachtelte Realitätsebenen erlauben, nur leider, und das ist bei japanischen Filmemachern ja auch nicht ganz so selten, entscheidet sich Regisseur Mamoru Oshii bei der Frage „Form oder Inhalt“ mit sicherer Hand immer wieder und ausschließlich für die Form – mit fatalen Folgen für die Story des Films und ihren Unterhaltungswert. Die Geschichte ist in sich unschlüssig, verworren und versponnen und einfach schlecht konstruiert – was schon mal beim Spiel „Avalon“ an sich anfängt – ungeachtet diverser mythologischer Bezüge zur Artus-Sage, die der Film auch in schöner Regelmäßigkeit anspricht, handelt es sich bei dem Spiel um ein schlichtes Ballerspiel ohne eine eigene, hm, wie soll man’s ausdrücken, „Ideologie“. Die Story deutet an, dass es innerhalb des Spiels ähnlich Rollenspielen unterschiedliche Charakterklassen wie Diebe, Krieger und Bischöfe gibt, ohne dass in den Spielsequenzen irgendwelche Unterschiede zwischen diesen auffallen würden – es ballern alle ohne Unterlass aus großkalibrigen Wummen. Auch zu sammelnde „Erfahrungspunkte“ werden als Plot-Punkt angerissen, ohne vertieft zu werden. Auch anderweitig werden dem geneigten Zuschauer immer wieder Informationsbrocken ohne Wert hingeworfen – die Tatsache, dass das Spiel „illegal“ ist, hat keinerlei Relevanz für den Handlungsfortgang (im Gegenteil, für ein „verbotenes“ Spiel ist „Avalon“ so populär, dass Spielsequenzen in speziellen Game-Clubs sogar als Hologramme für’s staunende Volk vorgespielt werden), Verschwörungstheorien um die eine geheimnisvolle Gruppe namens „neun Schwestern“, die vielleicht oder auch nicht mit den Programmierern des Games identisch wird, tauchen auf und verschwinden wieder. Gen Filmmitte versucht die Story eher unvermittelt, unvorbereitet und weitestgehend konfus, das Auseinanderbrechen Ashs vormaligen Teams zu einer zentralen Plotfrage zu stilisieren (und folgt dann auch dieser Richtung weitestgehend) und wer den finalen Plottwist nicht auf Kilometer am Horizont schimmern sieht, sollte sich mal die Brille putzen. Daneben stören schlichte kleinen Fehler wie die Tatsache, dass der (unschwer zu erkennen in Warschau gedrehte) Film zweifellos in einem europäischen Land (mit entsprechend europäischen Bewohnern) spielt, Bücher aber mit japanischen Einbänden versehen sind – und dass die Computertechnologie der nahen Zukunft tatsächlich solch unpraktische und unübersichtliche Benutzerinterfaces kreiiert, möge Bill Gates verhindern. Nun ist ein konfuser, undurchschaubarer Plot nicht immer das schlechteste – Cronenberg nutzte bei „eXistenZ“ den verwirrenden Plot meisterhaft dazu, den Zuschauer auf eine spannende Suche nach dem richtigen „Realitätsfaden“ zu schicken, „Avalon“ ist leider Gottes beinahe über die komplette Laufzeit todlangweilig, was eine direkte Folge des „style-over-content“-Konzepts seines Regisseurs ist. Dialoge werden äußerst sparsam eingesetzt, scheinbar (und tatsächlich) bedeutungslose Szenen in epischer Breite ausgewalzt und auch die auf dem DVD-Blurb reißerisch herausgestellten „spektakulären Kampfszenen“ erweisen sich als Schuß in den Ofen, da es sich ausschließlich um Sequenzen innerhalb des Spiels handelt und das sind stupide, hirnlose Ballereien ohne Sinn und Verstand (da es dem „Spiel im Film“ an einer eigenen oder auch nur mit der des Films korrelierenden Storyline mangelt, lassen einen die entsprechenden schußwaffenintensiven Auseinandersetzungen seltsam unberührt) – aber wenigstens nicht auf HD gedreht, es wird einem also nicht schlecht dabei…

Allerdings kann auch ein gerüttelt Maß an Actionszenen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Plot einerseits zu undurchschaubar ist, andererseits ihm die Substanz fehlt. Konsequenz: Irgendwann hat man keine Lust mehr, die Story durchschauen und verstehen zu wollen und wird von dem nicht wirklich munteren Treiben angeödet.

Visuell ist der Streifen zweifellos beeindruckend – Oshii und sein polnischer Kameramann Gzregorz Kedzierski kleckern nicht, sondern klotzen – die Kameraführung ist opulent, die Farbgebung konsequent – sicher 90 % des Films sind in einem monochrom-erdfarbenen Look gehalten, bei dem jedes kleine Aufblitzen von Farbe schon ein Ereignis ist. Kollege Computer steuert allerhand CGI-Firlefanz bei – und einiges an den computergraphischen Spielereien ist tatsächlich bemerkenswert. Auf großer Leinwand (der Film schreit nach Breitwand, ist aber ersichtlich nur auf 1.85:1 gedreht) kann die gekonnte Fotografie und der durchaus elegante Einsatz von digitalen Hexereien die inhaltliche Leere und Konzeptionslosigkeit sicher ein wenig übertünchen, im Pantoffelkino verliert der betriebene Zinnober aber doch einiges an seiner optischen Wucht – im Endeffekt sieht „Avalon“ auf dem Fernsehschirm erheblich mehr nach Videospiel aus als der Regisseur es sich wohl gewünscht hat – zumal selbst die Actionszenen vergleichsweise schwerhändig inszeniert wirken, sie haben keine rechte Dynamik und entwickeln schon überhaupt keine eigenständige Charakteristik, ihnen fehlt jegliche dramatische Wirkung. Eine fesselnde Dramaturgie, ein erzählerisches Konzept, das ist, was „Avalon“ fehlt und woran auch visuelle Spielereien und teils wunderschöne Bilder nichts ändern können – wenn der Film versucht, Butter bei de Fische zu geben und seine diversen CGI- und Kameramätzchen storytechnisch durch angedeutetes „was-ist-Realität“-Wischiwaschi zu unterfüttern, wird’s dann eben eher unbeholfen (der Bischof hält zur Filmmitte eine bemerkenswert idiotische Rede zur Rolle seiner „auserwählten Gruppe“ im Spiel, die man dreimal zurückspulen und noch mal anhören kann und trotzdem nicht begreifen wird, was zum Geier er eigentlich damit sagen will). Musikalisch ist ein großes symphonisches Theme bemerkenswert, das als Intro auf einer Rhapsody-CD auch nicht fehl am Platze wäre, ansonsten hält sich auch der Soundtrack vornehm zurück.

Auch nicht wirklich zum Vorteil gereichen dem Film die polnischen Schauspieler – ich will nicht despektierlich klingen, aber abgesehen von Hauptdarstellerin Malgorzata Foremniak, die Ash mit einer gewissen lakonischen Antihelden-Einstellung portraitiert (und auch nett anzusehen ist), fehlt den sonstigen Akteuren einfach jedes Charisma, jeder Wiedererkennungswert. Die Gesellen wirken leider recht austauschbar (das geht soweit, das eine vermeintlich überraschende Enthüllung im Finale ziemlich flach fällt, weil man den Kerl einfach nicht erkennt) und agieren größtenteils einfach zu hölzern, zu „programmiert“ (vielleicht ist das ja ein Teil der Aussage des Films, aber es macht den Streifen nicht eben besser konsumierbar).

Bildqualität: Kinowelt präsentiert den Film im anamorphen 1.85:1-Widescreen-Format. Da hat man wenig zu meckern, sowohl die Majorität der monochromen Szenen als auch der Minderheitenanteil tatsächlichen „Farbfilms“ werden vom Transfer schön umgesetzt, wobei in den eher einfarbig orientierten Szenen auch der Kontrast zu überzeugen vermag, die Kompression eine tadellose Arbeit leistet und Detail- und Kantenschärfe auch gehobenen Ansprüchen genügen. Das Bild ist überdies frei von Störungen oder Verschmutzungen, lediglich mein United-Player meinte im oberen Bildbereich Verzerrungen darstellen zu müssen. DVD-ROM und Scott-Player hatten damit allerdings keine Probleme.

Tonqualität: Wir haben die Auswahl zwischen deutschem und polnischen Ton in Dolby Digital 5.1. Eine klarere Tonspur als die primär getestete O-Ton-Spur hab ich lang nicht mehr gehört – in den leisen Passagen kann man förmlich die berühmte Stecknadel fallen hören. Die Sprachqualität ist ausgezeichnet, die vom Cover angemerkten „genialen Soundeffekte“ leiden aber, wie auch der Score, unter der Drucklosigkeit der Tonspur – ein wenig mehr „Wumms“ vom Bass hätte da sicher nicht geschadet. Dennoch aber auch eine sicher überdurchschnittliche Performance.

Extras: Leider ist die Scheibe sehr mager ausgestattet. Lediglich der Trailer liegt in deutscher und polnischer Fassung vor, das vom Beiblatt angepriesene DVD-ROM-Spiel hab ich bis dato nicht gefunden.

Fazit: „Avalon“ ist schon eine ziemliche Enttäuschung – ich bin nämlich für Filme dieser Machart durchaus immer zu haben (schon allein, weil ich „eXistenZ“, mit dem „Avalon“ sicher enger verwandt ist als mit „Matrix“, heiliggesprochen habe), aber ich erwarte dann auch etwas mehr als nur tolle Bilder – wenn mir NUR Visuals reichen würden, könnte ich mir auch CGI-Demos auf’m PC ansehen und damit zufrieden sein. Wer sich als Filmemacher darauf einlässt, ein komplexes „Universum“ mit unterschiedlichen Realitätsebenen zu erschaffen, muss dann bitte auch den zweiten Schritt gehen und selbigem Leben in Form einer intelligenten Geschichte einhauchen. Das muss kein Rollercoaster-Actionride sein und kann durchaus seine ruhigen, langsamen, leisen Passagen haben, aber zumindest muss die Story das Interesse des Zuschauers wecken und erhalten können. „Avalon“ deutet immer nur an, dass irgendwo in dem visuellen Overkill eine reizvolle Idee stecken könnte (und sei’s die von „eXistenZ“), kann sich aber nie dazu durchringen, auch nur eine aufgeworfene Frage, nein, nicht zu beantworten, das verlange ich ja gar nicht, einfach auszuformulieren. Gepaart mit vernachlässigenswerten darstellerischen Leistungen (bis auf die Hauptrolle) hat das insgesamt 102 ziemlich ermüdende Minuten zur Folge. Ton abdrehen und bei ’ner Counterstrike-Party auf’n Beamer werfen, das ist so ziemlich das beste, was mir an Verwendungszwecken für diese DVD einfallen würde. Schade um das visuelle Talent, aber wie gesagt, beim Storytelling haben ja so manche japanischen Meister Probleme…

2/5
(c) 2006 Dr. Acula


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