
- Deutscher Titel: Ausgeburt der Hölle
- Original-Titel: The Beast with a Million Eyes
- Alternative Titel: The Beast with 1,000,000 Eyes |
- Regie: Roger Corman/David Kramarsky/Lou Place
- Land: USA
- Jahr: 1955
- Darsteller:
Paul Birch (Allan Kelley)
Lorna Thayer (Carol Kelley)
Dona Cole (Sandy Kelley)
Dick Sargent (Deputy Larry Brewster)
Leonard Tarver („Him“ aka ‚Pervy‘ Bill)
Bruce Whitmore (voice of The Beast)
Chester Conklin (Old Man Webber)
Vorwort
Ich brauche diese Welt. Aus einer Entfernung von Millionen Lichtjahren rase ich auf euren Planeten zu. Bald wird mein Raumschiff auf der Erde landen. Bald werdet Ihr mich fürchten und hassen, denn ich suche eure Furcht und euren Hass! Ich, ein mächtiger Geist ohne Fleisch und Blut, brauche eure Welt. Zuerst gehören mir eure Gedanken. Die Vögel in der Luft, die Tiere im Wald, dann die Menschen, die einfachen Geistes sind. Sie alle werden meinem Willen gehorchen. Sie werden meine Ohren und meine Augen sein, bis eure Welt die meine ist. Und weil ich euer geheimstes Denken und alle eure Handlungen kenne, werde ich euch beherrschen bis zum Ende der Welt.
Diese Worte, mit schneidender Stimme aus dem Off vorgetragen, offenbaren gleich zu Beginn die furchtbare Bedrohung aus dem Weltraum, der sich die Menschheit in „Ausgeburt der Hölle“ (1955) gegenübersieht. Die Handlung setzt irgendwo in der heißen kalifornischen Provinz ein, wo Allan Kelley (Paul Birch) mehr schlecht als recht eine Dattelplantage am Leben erhält. Existenznot und Ödnis machen besonders seiner Gattin Carol (Lorna Thayer) zu schaffen. Allan will die gemeinsame Tochter Sandra (Dona Cole) aufs College schicken, wofür er über die Jahre eigens gespart hat, um ihr die Chance auf ein besseres Leben zu ermöglichen, doch Carol scheint ihr nicht einmal das zu gönnen. Obendrein ängstigt sie ihr Helfer (Leonard Tarver), der nie ein Wort spricht und dessen Namen die Kelleys nicht einmal kennen, weshalb sie von ihm nur als „Er“ sprechen. Gern beobachtet er die hübsche Sandra beim Baden.
Ein sonderbarer Summton, der die Kaffeekanne in Carols Hand zerspringen lässt, leitet grauenhafte Ereignisse ein. Wilde Tiere und sogar ihr Schäferhund Duke attackieren die Kelleys. Selbst „Er“ scheint bald von einer fremden Macht besessen zu sein…
Inhalt
„The Beast with a Million Eyes“ lautet der reißerische Originaltitel des ersten Science-Fiction-Films aus dem Hause American Releasing Corporation (ARC), der Produktionsschmiede von Roger Corman, Samuel Z. Arkoff und James H. Nicholson, die bald darauf in American International Pictures (AIP) umbenannt wurde und sich unter diesem Namen zur erfolgreichsten Independent-Produktionsfirma der Vereinigten Staaten entwickeln sollte. Große Budgets standen Corman und seinen Partnern nicht zur Verfügung, daraus machten sie das Beste – Billigproduktionen für die Teenager des Landes. Zuvor waren unter dem ARC-Banner das Krimidrama „The Fast and the Furious“ (1954) und der Bürgerkriegs-Western „Fünf Revolver gehen nach Westen“ (1955) entstanden, beide von Corman produziert, der bei letztgenanntem Film auch auf dem Regiestuhl gesessen hatte.
Anolis Entertainment hat die deutsche DVD von „Ausgeburt der Hölle“ 2016 als vierten Teil der Reihe „Die Rache der Galerie des Grauens“ veröffentlicht. Der vorzügliche Booklettext von Ingo Strecker verrät, dass die titelgebende Bestie mit den eine Million Augen ursprünglich gar nicht im Film zu sehen war, was das Publikum der Testvorführung verständlicherweise bemängelte. Da wäre ich aber auch enttäuscht gewesen! Corman engagierte Paul Blaisdell und gab ihm 200 Dollar für die Arbeit und noch einmal so viel für die Materialkosten. Der Illustrator schuf den „Kleinen Herkules“, auch „Herky“ getauft, eine 50 Zentimeter große Handpuppe – erste einer ganzen Reihe von Kreaturen, die Blaisdell für Corman herstellte. „Herky“ verkörperte allerdings nicht das böse Wesen aus dem Weltraum, sondern einen seiner durch Gedankenkraft beherrschten Sklaven.
Eine Version der Entstehung besagt, Produzent Roger Corman habe aufgrund von Differenzen mit der Gewerkschaft selbst die Regie übernommen, ohne im Vor- oder Abspann als Regisseur genannt zu werden. Laut einer anderen Variante war er mit der Regie von David Kramarsky nicht zufrieden, weshalb er ihn durch sich selbst ersetzte. So oder so: Eine außerirdische Bedrohung kann man fesselnder inszenieren, als Corman das in diesem Fall getan hat. Vielleicht war es die falsche Entscheidung, den Plot mit der oben zitierten Ansprache des körperlosen Wesens aus dem All zu Beginn gleich so ausführlich zu spoilern, andererseits stimmt das Gesagte das Publikum auch von vornherein auf wohliges Schauern ein. Wenn die Augen der vom Alien kontrollierten Wesen bedrohlich blitzen, ist das einerseits ein netter Effekt, wirkt aber andererseits wie die veraltete Tricktechnik, um die es sich wohl auch handelt. Ingo Strecker berichtet im Anolis-Booklet auch die Anekdote, Produzent James Nicholson habe vor einer Testvorführung eigenhändig das Filmmaterial an der Position der Augen eingeritzt, um diesen Effekt zu erreichen. Er findet sich allerdings nicht in der US-Kinofassung, sondern lediglich in der deutschen Version, die 1961 in die bundesdeutschen Kinos gelangte. Beide Fassungen finden sich in sehr guter Bild- und Tonqualität auf der natürlich längst vergriffenen Anolis-DVD, die auf dem Sammlermarkt zwischen 20 und 50 Euro zu finden ist. Ob je mit einer deutschen Blu-ray-Veröffentlichung zu rechnen ist, vermag ich nicht zu beurteilen.
Sogar eine Portion „Die Vögel“ gibt es, wobei ich Zweifel habe, dass sich Alfred Hitchcock davon zu seinem Tierhorror-Meisterwerk von 1963 inspirieren ließ. Dem begrenzten Setting, der überschaubaren Zahl der Darstellerinnen und Darstellern und der Tricktechnik sieht man an, dass Corman weniger als 30.000 Dollar zur Verfügung standen. Dennoch: Wer SF-Horror und billigem B-Kintopp etwas abgewinnen kann, wird seine Freude haben.
Die in ihrer Unzufriedenheit kaltherzig gewordene Ehefrau Carol bringt eine gute Portion familiäre Spannung in die Handlung, sodass wir mit Ehemann Allan und Tochter Sandra, aber irgendwann auch mit der gesamten Familie Kelley um ihr Schicksal bangen, auch wenn dem Finale etwas weniger „Family Values“ gut zu Gesicht gestanden hätten. Hier eine Spoilerwarnung für den Rest meines Textes! Die Stimme der außerdischen Wesenheit meldet sich erneut zu Wort und ihr Dialog mit Allan vermittelt uns die Erkenntnis, dass Liebe den Hass besiegt. Auch das aus Schrottteilen zusammengebastelte, etwa 1,40 Meter große Raumschiff des Aliens kommt nun ins Bild. Am Ende zeigt ein Adler den Kelleys, dass selbst in der Wüste auf bessere Zeiten gehofft werden darf.
Diese schöne Rezension kam von Volker Schönenberger vom Filmblog Die Nacht der lebenden Texte, der damit unsere neue Rubrik „Good Friends with Bad Taste“ eröffnet.
Text: © 2021 Volker Schönenberger
Szenenfotos & Covermotiv: © 2016 Anolis Entertainment GmbH
BOMBEN-Skala: 5
BIER-Skala: 5
Review verfasst am: 06.02.2021