Auf bösem Boden

 
  • Deutscher Titel: Auf bösem Boden
  • Original-Titel: Auf bösem Boden
  • Alternative Titel: On Evil Grounds |
  • Regie: Peter Koller
  • Land: Österreich
  • Jahr: 2007
  • Darsteller:

    Aleksandar Petrovic (Romeo), Birgit Stauber (Julia), Kari Rakkola (Der Verrückte), Faris Endris Rahoma (Der Makler), Andreas Slovanek (alter Bulle), Peter Richter (junger Bulle), Margit Ziemssen (Hippie), Paul König (Hippie)


Vorwort

Theoretisch sollte es möglich sein, ein Haus zu kaufen, ohne dabei mittelschweres Blutvergießen anzurichten, aber wenn beide Vertragsparteien schwer einen an der Waffel haben, kann’s daran scheitern. Romeo (der am liebsten jeden, der ihm über den Weg läuft, aus grundsätzlichen Erwägungen verprügeln möchte) und Julia (die durchaus nix dagegen hat, mal eine gescheuert zu bekommen) sind ein durchgeknalltes Pärchen, verbunden durch die Leidenschaft für rauen Sex, auf der Suche nach einer Heimstatt, der schmierige Makler, der ihnen ein versifftes Loft in einer wahren Müllhalde von Fabrik andrehen will (und Julia gefällt’s… „es ist unser Dreckloch“), schickt sich bei der Übergabe der vereinbarten monetären Gegenleistung an, Romeo zu killen. Der sieht sich aus puren Selbstschutzerwägungen gezwungen, den Makler zu meucheln. Dass er die Leiche in den Kofferraum der eigenen Schleuder packt, gefällt Julia gar nicht – er soll den Kadaver gefälligst entsorgen. Romeo hat keine bessere Idee, als den Verblichenen direkt vor dem mehr oder weniger erworbenen Loft zu vergraben. Bei dieser Tätigkeit kommt ihm allerdings „der Verrückte“ (und rein technisch gesehen der Verkäufer des Lofts) in die Quere… ehe Romeo sich’s versieht, hat der Madman ihn bis zum Hals in die selbst geschaufelte Grube gesteckt. Uns Romeo muss einsehen, dass er in die Hände eines Psychopathen geraten ist und seine einzige Hoffnung, aus der Nummer lebend rauszukommen, ist Julia – doch auf deren Erscheinen spekuliert auch der blutrünstige Verrückte…


Inhalt

Ich geb’s zu – als mein alter Freund Hartboxen-Ede, mittlerweile unter die Publisher gegangen, neulich meinte, es wäre kein Problem, von „Auf bösem Boden“ ein Rezi-Exemplar abzustauben, sagte ich (umsonst ist mir bekanntlich nichts zu teuer) selbstredend ja, war aber gelinde skeptisch. Eine österreichische Independent-Horror-Produktion? Ich kenn ja genügend deutsche Horror-„Indies“, und eher oft als selten verflucht sich Schreiber dieser Zeilen wegen seiner Chronistenpflicht, wenn er wieder 70 Minuten kostbare Lebenszeit damit verschwedet hat, ein paar Hohlbratzen dabei zuzukucken, wie sie im Wald mit Kunstblut rumsuppen. Besteht da Grund zur Veranlassung, dass es das wilde Bergvolk von südlich der Zugspitze besser machen könnte?

Wenn ich schon so anfange, haben die Leser, die mich kennen, wohl schon den Verdacht, dass ich nach Sichtung von „Auf bösem Boden“ eines Besseren belehrt war. Ja, die Ösis können’s, auch für wenig Geld und trotz finanzieller Unterstützung durch eine echte Filmproduktionsfirma und Fördergelder des Landes Niederösterreich de facto bestenfalls semiprofessionell. Mit einem Budget von so um 65.000 Euro stellte Regisseur Peter Koller mit seinem ersten abendfüllenden Spielfilm ein Werk auf die Beine, das sich gewaschen hat.

Und das zuerst natürlich, weil der Film ein wildes, abgefahrenes, völlig geisteskrankes Skript hat, das einfallsreicher ist als es 95 Prozent aller „unabhängigen“ Genre-Filme im deutschsprachigen Raum zustande bringen. Oberflächlich könnte man meinen, es wieder nur mit einem beliebigen Psychopathen-Metzler zu tun zu haben, aber weit gefehlt – okay, natürlich *ist* Psychopathen-Horror ein Bestandteil des Films, doch es ist nur eine Zutat zu einem Menü, dass man am ehesten als „Natural Born Killers“ (durchgeknalltes Liebespärchen) meets „The Devil’s Rejects“ (over-the-top-Psychopathen) meets „Looney Toons“ (cartoon violence) mit einer Prise Italo-Western-Feeling (Antihelden, Szenerie, Stimmung) bezeichnen könnte. Wohl dem, der sich darunter etwas vorstellen kann. Im Endeffekt ergibt das eine brachiale, bösartige schwarze Komödie, die als solche – und das ist vielleicht die größte Überraschung – auch funktioniert (und das, obwohl Koller – leider – mit einem meiner persönlichen No-nos, einer ausführlichen Kotzszene, einsteigt. Zum Glück bin ich niemand, der nach dem allerersten Eindruck entscheidet…). Das Drehbuch braucht keine großartigen Plotentwicklungen, es lebt von der Konfrontation eines Rudels mehr oder noch mehr gemeingefährlicher Bekloppter; einziges großartiges Plothole, das mir auffiele, wäre, wie Julia Romeo findet (wo sogar der Verrückte und Romeo kurz vorher thematisiert haben, dass sie ja gar nicht wissen kann, wo er ist). Ansonsten braucht die Plotte keine Shakespeare-artigen Gehirnklimmzüge und funktioniert in ihrem schlichten Anspruch wunderbar. In Punkto Humor halten sich Situationskomik und Cartoon-Slapstick die Waage, der ein oder andere sight gag ist mir etwas übertrieben (z.B. wenn der Verrückte bei einem Anruf bei Julia, den die als obszönen Anruf missversteht und scherzhafterweise „geil“ reagiert, sich einen von der Palme wedelt und, ehm, regelrecht explodiert, if you catch my drift.)

Selbstredend ist der Film nicht perfekt – das Pacing ist „uneven“, wie man so schön auf Englisch sagt. Die ersten 20 Minuten sind mit das beste, was ich im deutschsprachigen Indie-Bereich bislang gesehen habe, danach (als die eigentliche Story einsetzt), ist die Erzählstruktur gelegentlich etwas holprig und so ganz glücklich werde ich nicht mit einigen Flashback-Sequenzen, die verdeutlichen sollen, wie einerseits Romeo und Julia und andererseits der Makler und der Verrückte (die Komplizen sind) zueinander gefunden haben; gerade bei der Romeo-/Julia-Beziehung hätte mich etwas mehr Background gefreut (speziell hinsichtlich der Vorbereitung des Endes). Der Streifen ist in seinem Mittelakt etwas „unrhythmisch“, aber da die Laufzeit mit 83 Minuten inkl. Abspann angenehm kurz gehalten wurde (länger hätte man die Geschichte nicht dehnen können oder sollen), stört das nicht genug, um den aktionsgeladeneren Schlussakt entscheidend aufzuhalten. „Auf bösem Boden“ rollt trotz der gelegentlichen Tempo-Probleme im Mittelteil flott genug dahin, um kurzweilig zu unterhalten. Mein „pet peeve“, dass auch dieser Film (zumindest durch Verwendung entsprechender Nummernschilder) völlig unnötigerweise so tut, als würde er in den USA spielen – was angesichts der nicht mal ansatzweise kaschierten (und charmanten) Ösi-Dialekte natürlich relativ, eh, unsinnig ist…

Handwerklich kann der Streifen trotz des mageren Etats durchaus überzeugen – bis auf die Tatsache, dass in ein-zwei Nahaufnahmen überdeutlich wird, dass das „Loch“, in dem Romeo steckt, eine mit Brettern abgedeckte Grube ist (und die Bretter deutlich vibrieren, wenn jemand drüber läuft), gibt’s technisch keine Probleme. Koller bedient sich für den Film eines angemessen dreckigen, grobkörnigen Grindhouse-Looks, der Gewalttätigkeit angemessen.

Die Kamera bedient mit Marcus Stotz einer von drei Teutonen-Exporten und jemand, der sein Handwerk versteht. Stotz fotografierte bereits den action-concept-Martial-Arts-Klopper „Kampfansage – Der letzte Schüler“ (und auch zwei Folgen der RTL-Serie „Post Mortem“) und schwingt momemntan die Kamera bei „Kopf über Zahl“, in dem sich ein Gutteil der deutschen Schauspieler-Elite (Heinz Hoenig, Martin Semmelrogge, Ralf Richter, Mark Keller, Claude-Oliver Rudolph, Jana Pallaske) verdingt. Unter den Einschränkungen des knappen Budgets und den dadurch bedingt gelegentlich etwas statischen Shots liefert Stotz hervorragende Arbeit ein, die die apokalyptisch-düstere (und eben Spaghettiewestern-angehauchte) Atmosphäre der Location stimmungsvoll einfängt und so einen hübschen Kontrast zur absurd-komischen Story bildet (und ja, trotzdem harmoniert die Kameraarbeit mit den Cartoon-beeinflußten Elementen der Geschichte).

Die Musik von Malcolm Kemp und Stefan Kusch trägt mir in den Comedy-Sequenzen vielleicht etwas zu stark auf (und klingt dann gelegentlich nach „Klamottenkiste“), die Italo-Western-artigen Cues und Incidentals sind dagegen ausgezeichnet und stimmungsförderlich.

Trotz der fehlenden Jugendfreigabe ist „Auf bösem Boden“ kein Schlachtfest (dieses Rating verdankt der Film sicherlich eher der nihilistischen Grundeinstellung und dem Fehlen an „positiven“ Protagonisten). Die dosiert eingesetzten Make-up-Effekte halten jeden professionellen Vergleich aus, die ebenfalls sparsam (und manchmal etwas aufgesetzt wirkenden) Visual FX von Peter Hacker („Der Teufel von Rudow“, „Kampfansage – Der letzte Schüler“), der den gleichen Job schon für Kollers vorangegangenen Kurzfilm „Skrypt“ erledigte, sind akzeptabel, aber auch nicht mehr.

Zu meiner gelinden Überraschung sind die schauspielerischen Leistungen ausgesprochen gut. Aleksandar „Sascha“ Petrovic, einer der Amateure im Cast, dessen bisherige Schauspielerfahrungen auf Kollers Kurzfilm „Skrypt“ beschränken, hat als durchgeknallter Romeo Spaß ohne Ende und lässt den Zuschauer durchaus daran teilhaben – seine trockenen Kommentare kommen genau im richtigen Tonfall; es ist richtiggehend schade, dass er über den Großteil der Laufzeit immobilisiert ist und nur eingeschränkt mit den anderen Aktiven zusammen agieren kann. Auf jeden Fall aber eine große Performance. Birgit Stauber ist, im Gegensatz hierzu, Profi und war immerhin schon Hauptdarstellerin in der grandios gefloppten RTL-Serie „Wilde Engel“, hat aber auch mit Horror in Ittis „Legion of the Dead“ schon einschlägige Erfahrungen gesammelt. Sie balanciert auf dem schmalen Grat von „straight“ und „völlig durchgeknallt“, wobei mir der Kontrast zwischen diesen beiden Extremen etwas zu scharf ist und der Wechsel dann eben zu hart. Aber insgesamt geht ihre Leistung schon sehr okay. Ein Glücksfall ist der Finne Kari Rakkola (einige kleine TV-Rollen und demnächst an der Seite von Herman van Veen – ! – in der österreichischen Mystery-Produktion „Katharsis“ zu sehen) als „Verrückter“. Rakkola absolviert den gesamten Film im total-overacting-Modus und das ist genau das, was der Film braucht, um deutlich zu machen, dass man ihn eben nicht ernst nehmen *soll*. Rakkola lässt in den „Charakterszenen“ die Gesichtszüge nach allen Regeln der Kunst entgleisen und ist genau richtig in den cartoon-artigen Gewalt- und Actionszenen. Groß. Hysterisch komisch ist auch Faris Endris Rahoma, eigentlich nur als „Production Coordinator“ vorgesehen (bis dem Regisseur aufging, dass er über alles Casten und Proben vergessen hatte, die Maklerrolle zu besetzen und dann halt Rahoma, weil ständig greifbar, herhalten musste). Andreas Slovanek und Peter Richter, Laiendarsteller in den Polizisten-Rollen, halten sich wacker.

Bildqualität:
Dark Shadows Films legt „Auf bösem Boden“ im Alive-Vertrieb in einer 2-DVD-Edition vor, die zeigt, wo der Hammer hängt und wie man einen Film auf DVD präsentieren muss. Die Bildqualität (anamorphes 2.35:1-Widescreen) ist gut – nicht spektakulär, was auch gar nicht nötig ist ob des erwähnten beabsichtigt grobkörnigen Looks, aber mit soliden Schärfe- und Kontrastwerten, guter Kompression (da der Hauptfilm sich seine DVD nur noch mit dem Trailer teilen muss) und ohne Verunreinigungen oder Masteringfehler. Einzig ein leichtes Ruckeln bei tracking- und/oder dolly shots macht sich bemerkbar und führt zu Abzügen in der B-Note.

Tonqualität:
Der Film lässt sich auf Deutsch (bzw. Österreichisch :-)) in Dolby Digital 5.1 und 2.0 (Stereo) genießen (optional sind englische Untertitel verfügbar). Die Tonspuren sind rauschfrei, dank einer professionellen Nachsynchronisation perfekt verständlich und zwischen Dialog, Effekten und Musik sehr angenehm abgemischt.

Extras:
Hier punktet die Scheibe (die schon mal in einem schicken Pappschuber geliefert wird) praktisch ohne Ende. Disc 1 bietet neben dem Trailer noch einen Audiokommentar, auf Disc 2 gibt’s Extras satt (insgesamt so gut 2 Stunden). Herzstück ist ein launiges, informatives und vor allem ausführliches Making-of, so wie ich mir das vorstelle und wünsche (90 Minuten). Ein Schwung deleted scenes folgt, jede eingeleitet durch ein Statement des Regisseurs zum Wie, Warum & Warum-rausgeflogen der Szene (hier fehlt mir nur eine Play-All-Funktion). Ein kurzes Gag-Filmchen über die „Abenteuer des Captain Clap“ und Outtakes folgen, ehe als krönender Abschluss noch Kollers Kurzfilm „Skrypt“ (ein eher surrealer 15-Minüter, entstanden für ein paar hundert Euro, der aber schon zeigt, dass Koller ein Talent ist). Sauber – und da ist das ausführliche 20-seitige Booklet, in dem Peter Koller seine Eindrücke von erster Idee bis Post-Produktion schildert, noch gar nicht eingerechnet…

Fazit:
Rob Zombie meets Tex Avery (um mal einen griffigen quotierbaren Cover-Spruch loszuwerden). Das wird sicherlich nicht jedem gefallen (Moralisten, Philanthropen, Happy-End-Fanatiker und Gutmenschen sollten den Film meiden), aber wer politisch unkorrekten schrägen, gewalthaltigen Slapstick-Cartoon-Humor mag, sollte hier unbedingt mal reinschauen. Im Low-Budget-Bereich, gerade aus diesen Breiten, gibt’s kaum Unterhaltsameres. Natürlich ist „Auf bösem Boden“ in gewisser Weise gewollter Trash, aber professionell gewerkelter Trash, der von Leuten gemacht wurde, die Spaß an dem haben, was sie tun, ohne dabei eine „scheiß drauf, ist eh Trash“-Mentalität zu entwickeln. Mir hat’s gefallen und ich empfehle gerne weiter.

4/5
(c) 2008 Dr. Acula


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