Assault on Precinct 13

 
  • Deutscher Titel: Assault on Precinct 13
  • Original-Titel: Assault on Precinct 13
  • Alternative Titel: Das Ende | Assault - Anschlag bei Nacht |
  • Regie: John Carpenter
  • Land: USA
  • Jahr: 1976
  • Darsteller:

    Austin Stoker (Ethan Bishop), Darwin Joston (Napoleon Wilson), Laurie Zimmer (Leigh), Martin West (Lawson), Tony Burton (Wells), Charles Cyphers (Starker), Nancy Kyes (Julie)


Vorwort

Anderson, ein ghettoisierter Vorort von Los Angeles. Nach einem Waffendiebstahl geht die Polizei mit aller Härte gegen die Gang „Street Thunder“ vor – sechs Mitglieder der Gang beißen ins Gras. Die Anführer der Gang leisten daraufhin einen Blutracheschwur; ohne Rücksicht auf eigenes Leben soll Vergeltung geübt werden. Wer die Opfer sind, ist irrelevant… Der frischgebackene Lt. Bishop tritt seinen Dienst an; anstelle der erhofften Action wird er allerdings dazu verdonnert, die letzte Nacht in einem eigentlich schon verlegten Polizeirevier in Anderson auf die letzten Umzugskartons und die wenigen verbliebenen Angestellten (zwei Tippsen und den alternden Sergeant Chaney) aufzupassen. Special Officer Starker hat die ehrenvolle Aufgabe, drei Gefangene zu überführen, darunter den zum Tode verurteilten Mörder Napoleon Wilson. Einer der drei Gefangenen ist allerdings krank, was Starker zu einem Zwischenstopp in Bishops Revier veranlasst, um dort ärztliche Hilfe anzufordern. Lawson, ein ganz normaler Durchschnittsbürger, verfährt sich, mit Tochter Kathy im Gepäck, auf der Suche nach seiner Schwester, in Anderson. Kathy wird allerdings mit dem Fahrer eines Eiswagens erstes Opfer der Gang-Rache. Lawson tötet mit der Pistole des Eiswagenfahrers einen der Gangster und flüchtet sich anschließend ins Polizeirevier. Die Gang bläst zur Attacke auf das Revier – nach dem ersten Angriff sind Chaney, Starker, der kranke Gefangene und alle Begleiter des Gefangenentransports tot. Nicht genug für die Gang, die das Revier belagert – Bishop und Wilson müssen zusammenarbeiten, wenn sie und die anderen Eingeschlossenen die Nacht überleben wollen…


Inhalt

Nach dem Überraschungserfolgs seines satirischen SF-Debüts „Dark Star“ bekam John Carpenter von der kleinen Produktionsfirma CKK freie Hand, einen Film frei nach seinem Gusto machen zu dürfen – mit der dezenten Einschränkung eines schmalen Budgets von gerade mal 100.000 Dollar. Western- und Howard-Hawks-Fan Carpenter wollte einen Western drehen und verlegte angesichts der finanziellen Zwänge einfach Motive des Hawks-Western „Rio Bravo“ in die Gegenwart. Was in 20 Tagen Drehzeit mit einem Rudel unbekannter character players aus B-Filmen und Fernsehserien entstand, erwies sich schnell als Klassiker des modernen Action-Thriller-Kinos – hart, kompromisslos, auf das Wesentliche reduziert.

Carpenter bedient sich hier erstmals eines seiner Lieblingsmotive – die Belagerung einer kleinen, zusammengewürfelten Gruppe durch eine „unwirkliche“, tödliche Bedrohung; eine Formel, die er später in „The Fog“, „The Thing“, „Prince of Darkness“ und nicht zuletzt „Ghosts of Mars“ (eigentlich wirklich nicht mehr als ein mit offenen SF- und Horrorelementen versetztes Remake von „Assault“) wieder aufgriff (2007 gab es bekanntlich dann noch ein offizielles Remake, das allerdings die geradlinige, minimalistische Plotte des Originals durch einen Verschwörungs-Plot aufbläht, zuvor verfilmten findige Franzosen eine Art unautorisiertes Remake mit „Nid de Guepes“).
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Und ehrlich – minimalistischer als Carpenter (drehbuchschreibtechnisch agierend unter dem Pseudonym John T. Chance, eine Hommage an „Rio Bravo“, wo John Waynes Charakter so hieß), kann man storymäßig nicht arbeiten – ein überschaubarer Cast (die Hälfte der speaking roles wird mit der ersten Attacke der Gang eh weggeballert), eigentlich nicht mehr als eine Location und der Zeitablauf einer Nacht. Und dennoch ist „Assault“ kein reiner Ballerfilm; Carpenter gestattet sich eine vergleichsweise lange Setup-Phase (die eigentliche Belagerung beginnt etwa gen Filmmitte), ohne dass vorher Langeweile aufkommt; wir lernen die Protagonisten kennen (den diensteifrigen Bishop, der bitter enttäuscht ist, in seiner ersten Einsatz-Nacht einen derart langweiligen Job zu haben; Wilson, der keineswegs der Typ „unschuldig Verurteilter“ oder „Killer mit dem goldenen Herzen“ ist, obwohl er „charmante“ Züge etnwickeln kann; Leigh, die – für 1976 überraschend – selbständige Powerfrau, die sowohl Männern Kaffee holen, ihnen aber später notfalls auch die Rübe wegballern kann; und natürlich den Katalysator der Ereignisse, Lawson, den braven Familienvater, der durch das ultimative Schockerlebnis zum Killer wird, um danach praktisch katatonisch aus der Handlung genommen zu werden). Carpenter erweist sich in dieser Phase als Meister der Suspense – exemplarisch lässt sich das am, wenn man so will, „Herzstück“ und der wohl berühmtesten Szene des Films festmachen, dem Mord an der kleinen Kathy am Eiswagen. Als Zuschauer ahnen wir früh, dass in dieser Szene etwas schreckliches passieren wird (wir sehen nämlich vorab die Gang-Chefs auf der Suche nach praktikablen Opfern, etablieren, dass der Eisverkäufer bewaffnet ist und trennen Kathy von ihrem Vater); das setup dieser Szene ist quälend – und der scheinbaren Erlösung (Kathy kauft sich erfolgreich ihr Eis) folgt dann der Leberhaken (sie bemerkt, dass der Eisverkäufer, selbst wegen des immer wieder vorbeirollenden Wagens der Gang leicht paranoid, die Sorte verwechselt hat, geht zurück und – PÄNG). Effektiver kann man das nicht inszenieren.

In der zweiten Filmhälfte, wenn die Belagerung dann im vollen Gang ist, weicht die Suspense naturgemäß der Action, die angesichts des mageren Budgets fulminant gefilmt ist und deren Bildsprache sicherlich ikonographisch geworden ist. Wer hier – was durchaus vorkommt – ernstlich herumkrittelt, dass die Motivation der Gang unklar und ihre strategischen Methoden zweifelhaft sind, muss sich sagen lassen, dass er den Punkt, den Carpenter machen will, nicht versteht. Es geht gerade um eine gesichtslose, nicht greifbare, scheinbar unmotivierte Bedrohung, den blanken, namenlosen Terror („Assault“ ist sicherlich einer der ersten Filme, der sich das Prädikat „Terrorfilm“ redlich verdient), bei dem es völlig unwichtig ist, ob die todesverachtenden Angreifer nun Gang-Mitglieder, Indianer, Außerirdische vom Planeten Xtlon oder Zombies sind (wenn man so will, borgt Carpenter sich das Szenario nicht nur von „Rio Bravo“, sondern auch von „Night of the Living Dead“). Es ist gerade die augenscheinlich unmotivierte, sinn- und grundlose Gewalt, die Carpenter thematisiert (und wenn man so will, kann man „Assault“ auch als Vorboten seiner „apokalyptischen Trilogie“, die nach Carpenters eigener Aussage aus „Das Ding“, „Fürsten der Dunkelheit“ und „Die Mächte des Wahnsinns“ besteht, sehen, denn eine „Endzeit“-Stimmung ist unverkennbar, vielleicht vergleichbar mit dem ersten „Mad Max“-Film, in dem die gesetzlose prä-apokalyptische und die „heile“ Welt noch nebeinander existieren, die Ordnung noch nicht aufgehoben, aber bereits im Auflösungszustand befindlich ist). Konsequent endet der Film auch nicht mit einem klassischen Klischee-Happy-End (wie es z.B. das 2007er-Remake tut), sondern ambivalent.
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Es überrascht jedenfalls nicht – trotz der zeitgenössischen kontroversen Aufnahme -, dass „Assault“ Carpenter den Weg ins „richtige“ Hollywood weiter ebnete – in kurzer Folge drehte er anschließend die TV-Filme „Das unsichtbare Auge“ und „Elvis“ sowie seine Genre-Klassiker „Halloween“, „The Fog“ und „Die Klapperschlange“ – Carpenters zweifellos sowohl künstlerisch als auch kommerziell erfolgreichste Karrierephase.

Nicht zu unterschätzen ist die Wirkung des elektronischen und (in Übereinstimmung mit dem Restfilm) extrem minimalistischen Soundtracks, aus der Feder des Regisseurs selbst und eigentlich nur aus zwei zentralen Themes und incidentals bestehend. Das in seiner monotonen Schlichtheit majestätisiche Titelthema ist für sich allein ein Klassiker geworden und wurde in der Welt der elektronischen Musik und des Hip-Hop oft gesampled (ein herausragendes Beispiel ist sicherlich der Dancetrack „Megablast“ von Bomb the Bass, der seinerseits als Titeltrack des legendären shoot’em-ups „Xenon 2: Megablast“ diente).
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„Assault“ lässt es auch nicht an kompromissloser Härte mangeln – neben zahlreichen knackigen Erschießungen ist’s natürlich vor allem die schon erwähnte „Eiswagenszene“, die im Gedächtnis bleibt. Die allmächtige MPAA fand die Szene gar nicht lustig und drohte mit dem kommerziell vernichtenden X-Rating. Carpenters Verleih empfahl dem Regisseur schließlich, der MPAA eine geschnittene Fassung für ein R-Rating vorzulegen, an die Kinos aber die ungeschnittene Version mit der vollständigen Eiswagenszene zu schicken. Der Trick war erfolgreich (was auch nicht wirklich für die MPAA spricht).

Und obwohl „Assault“ auf den ersten Blick nicht nach Schauspielerkino aussieht und die rekrutierten Akteure ebenso wenig nach großer thespischer Kunst riechen, so leistet der Cast Erstaunliches… Austin Stoker („Roots“, „Time Walker“ – mit dem hiesigen Co-Star Darwin Joston, „Mach 2“ – mit dem hiesigen Co-Star Charles Cyphers) verkörpert die (beileibe 1976 noch nicht selbstverständliche) Rolle des afro-amerikanischen leading man glaubwürdig und schnörkellos, überlässt die erste Geige aber zwanglos dem sträflich unterbewerteten Darwin Joston („Time Walker“, „The Fog“), der seine Performance des lakonischen Anti-Helden nach eigener Aussage an Charles Bronson in „Spiel mir das Lied vom Tod“ anlegte und immer wieder ein kleines, verstecktes darstellerisches Highlight setzt (mein Favorit ist sein sekundenkurzer begeisterter Blick, als Bishop ihm erstmals ein Gewehr reicht und wir ganz kurz einen Hinweis darauf bekommen, dass in Wilson doch mehr an Psychopath steckt als wir zunächst vermutet haben). Laurie Zimmer überzeugt als kämpferische Leigh – ihre Filmkarriere war seltsamerweise sehr kurz, was die französische Dokumentarfilmerin Charlotte Szlovak 2003 zu einem Film namens „Do You Remember Laurie Zimmer?“, der die Suche Szlovaks nach der Schauspielerin im heutigen L.A. schildert, inspirierte. Lawson wird gemimt vom routinierten TV-Akteur Martin West („General Hospital“), der einige eindrucksvolle Szenen hat, bevor der „Schock“ ihn aus der Handlung reißt. In Nebenrollen verdingen sich Tony Burton („Duke“ in „Rocky II“ bis einschl. „Rocky Balboa“, „Cyber-Tracker 2“) als Wilsons Mitgefangener und -kämpfer Wells, der später von Carpenter gerne wieder genommene Charles Cyphers („Halloween“, „The Fog“, „Die Klapperschlange“) als Starker und Nancy Kyes née Loomis („Halloween I-III“, „The Fog“) als weinerliche Julie. Veteran Henry Brandon (der u.a. im Serial „Drums of Fu-Manchu“ die personifizierte gelbe Gefahr spielte und schon mit Laurel & Hardy filmte – außerdem war er das live action model für Captain Hook in Disneys „Peter Pan“) spielt den Veteranen-Sergeant Chaney.

Bildqualität: Der deutschen DVD-Veröffentlichung hat sich e-m-s angenommen und bietet zwei Alternativen; der geneigte Fan kann eine Single-DVD oder eine Doppel-DVD erwerben, die sich im Bonusmaterial (d’oh) unterscheiden. Beiden gemein ist ein angesichts des Alters und Budgets des Films bemerkenswerter anamorpher 2.35:1-Transfer, der aus dem vorhandenen Material das Optimum herausholt und frei von Verschmutzungen und Defekten ist. Schärfe- und Kontrastwerte sind sicherlich nicht ganz mit einer aktuellen Major-Superbit-HD-Veröffentlichung zu vergleichen, aber aller Ehren wert.

Tonqualität: Satte vier Tonspuren werden geboten – neben dem (von mir selbstredend präferierten) Original-Ton im ebenso originalen Mono (was fraglos etwas dumpf wirkt und in den Dialogen mit leichtem Rauschen zu kämpfen hat), stehen drei deutschsprachige Tonspuren zur Auswahl. Neben einer Neusynchronisation in dts und Dolby 5.1 gibt’s auch die ursprüngliche alte Synchro in Dolby 2.0 (da ich nicht reingehört habe, kann ich weder zur Qualität noch zu Unterschieden etwas sagen. Verklagt mich). Deutsche Untertitel, die aber an der Synchronfassung (ob alt oder neu – what do I know?) kleben, werden mitgeliefert.

Extras: Beide Versionen bieten einen Audiokommentar von John Carpenter sowie ein 23-minütiges Interview mit John Carpenter und Austin Stoker. Dazu finden sich der Originaltrailer, die alte deutsche Vorspannsequenz, US-Rundfunkspots und eine Artworkgalerie. Die 2-DVD-Edition packt auf dem zweiten Silberling noch eine gut einstündige Dokumentation und eine Trailershow dazu.

Fazit: „Assault – Anschlag bei Nacht“ ist, um’s kurz zu machen, schlicht und ergreifend ein Meisterwerk, ein hervorragendes Beispiel dafür, dass echtes Talent, wie es Carpenter damals noch im Übermaß besaß, aus den Limitierungen eines geringen Budgets eine Tugend machen kann. „Assault“ ist minimalistisches Terrorkino vom Feinsten, eine fulminante Komibination aus Action, Spannung und blankem Horror – das Genre auf die blanken Notwendigkeiten heruntergerechnet und perfektioniert; nicht von ungefähr wurde der Film zu einer oft kopierten, aber nie erreichten (auch nicht von Carpenter selbst). Blaupause für das Subgenre des „Belagerungsfilms“ (und ratet mal, wo Tarantino die „soll-ich-die-letzten-zwei-Kugeln-für-uns-aufheben?“-Dialogsequenz aus „From Dusk Till Dawn“ her hat…). Ich wüsste nicht, was an diesem Film zu verbessern wäre – an all time classic!

5/5
(c) 2008 Dr. Acula


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