Antigang

 
  • Deutscher Titel: Antigang
  • Original-Titel: Antigang
  • Alternative Titel: The Squad | The Sweeney: Paris |
  • Regie: Benjamin Rocher
  • Land: Frankreich
  • Jahr: 2015
  • Darsteller:

    Jean Reno (Serge Buren), Alban Lenoir (Cartier), Caterna Murino (Margaux), Oumar Diaw (Manu), Stefi Celma (Ricci), Sebastien Lalanne (Genoves), Thierry Neuvic (Becker), Jakob Cedergren (Kasper)


Vorwort

Serge Buron ist der Chef einer berüchtigten Spezialeinheit der Pariser Polizei – sein Team ist erfolgreich, aber seine Methoden… unkonventionell und daher auch bei unpopulär. Cops, die zu einer Razzia von Haus aus den Baseballschläger mitbringen und für die ein ins Koma geprügelter Verdächtiger genauso gut ist wie ein ordnungsgemäß verhafteter, können nur vor sich hin prügeln, wenn jemand seine schützende Hand über sie hält. Derjenige welcher ist nun allerdings grad an einem Herzinfarkt verschieden und sein Nachfolger ist niemand anderes als der Schreibtischhengst, Vorschriftenreiter und Bürokrat Becker, der von Buron und seinen Methoden nun eher so mittelmäßig viel hält. Pikant wird die Sache dadurch, dass Serge auch Beckers attraktives Frauchen Margaux, fröhlich mitprügelndes Mitglied seiner Einheit, beschläft und, wenn’s nach ihm ginge, diese Affäre auch öffentlich machen möchte.

Serge erhält einen Tipp, dass bei einer obskuren Privatbank, die primär von korrupten Scheichs und halb- bis ganz kriminellen Ostblock-Oligarchen zu Geldwäschezwecken benutzt wird, eine größere unautorisierte Abhebung vorgenommen werden soll. Serge und sein Team checken die Lage, entdecken aber erst mal außer ausgeprägter Arroganz seitens der Banker wenig handfestes. Dafür wird wenig später ein brutaler Überfall auf einen Juwelier verübt, bei dem eine Kundin kaltblütig exekutiert wird. Die Handschrift verweist auf den lang gesuchten Geldschrankknacker Kasper, der sich, wie’s der Zufall so will, auch gerade in Paris rumtreibt. Auf ihre bewährt rustikale Art schlagen Serge und seine Einheit zu und machen Kasper und ein Rudel zwielichtiger Gesellen, mit denen der Ganove sich umgibt, dingfest. Leider Gottes ist Kasper und seiner Crew auf Teufel komm raus nichts nachzuweisen und weil Serge ohne stichfeste Beweise zur Festnahme schritt, können die Fieslinge 24 Stunden später als unbescholtene Bürger die Gastfreundschaft der Staatsmacht wieder verlassen. Lag Serge mit seinem Verdacht falsch?

Langweilige Ermittlungsarbeit – eigentlich nich‘ so das Ding von Serges Truppe – deutet darauf hin. Die erschossene Kundin hing zuvor mit einem bekannten russischen Ex-Söldner und Gangster zusammen, auf dessen Profil der Überfall auch ganz gut passen würde. Hat der vielleicht bei günstiger sich bietender Gelegenheit eine Mitwisserin ausgeschaltet? Es ist, meint Becker, jedenfalls eine bessere Theorie als die mit Kasper, aber auch eine, die Serge und sein Team ganz gewiss nicht mehr ausbaldowern sollen, weil ihre Einheit aufgelöst wird. Wenig später wird erneut ein Juwelier überfallen. Die ausgebootete Spezialeinheit dreht während des Einsatzes Däumchen, bis Margaux eine überraschende Erkenntnis liefert – die erschossene Kundin/Komplizin hat bis vor kurzem in der bewussten Bank gearbeitet. Sollten die Juwelierüberfälle nur als Ablenkungsmanöver dienen? Serge und seine Leute jedenfalls sind davon überzeugt – und tatsächlich: während Becker am Tatort des Juwelierüberfalls nur eine lang gedrehte Nase findet, finden sich Serge & Co. mitten in einem heftigen Feuergefecht mit den Gangstern, das sich durch die halbe Stadt zieht – mit fatalen Konsequenzen für die Spezialeinheit und Serge persönlich…


Inhalt

Cop-Filme aus Frankreich sind eigentlich eine sichere Bank – die Baguetteschubser mögen vielleicht nicht mit jedem Film das Rad neu erfinden, aber sie haben ein Händchen für solides Ensemblekino mit starken Action-Sequenzen – nicht von ungefähr ist der Franzosenthriller ja auch ein fester Bestandteil der FFF-Programmierung. Bei „Antigang“ liegt die Sache allerdings etwas anders als bei „Sphinx“ oder „The Connection“ – es handelt sich hier um das Remake eines nur drei Jahre älteren britischen Thrillers namens „The Sweeney“ (hierzulande als „The Crime“ gelaufen), der wiederum ein Re-Imageing einer 70er-Jahre-TV-Serie gleichen Namens (im ZDF Anfang der 80er als „Die Füchse“ versendet) war. Man ist ja nun eher gewöhnt, dass er anglo-amerikanische Sprachraum sich bei franko-europäischen Stoffen bedient, aber warum soll’s nicht auch mal umgekehrt laufen, auch wenn der enge zeitliche Zusammenhang und die relativ spärlichen Drehbuchänderungen die Operation vielleicht nicht als zwingend notwendig erscheinen lassen. Aber es gibt einem grantelnden Jean Reno einen schauspielerischen Verwendungszweck und dagegen ist aus rationalen Gründen wenig einzuwenden.

Ganz interessant ist auch die Personalie des Regisseurs – Benjamin Rocher hatte es bislang primär mit untotem Gesocks. Zwei höchst unterschiedliche Zombie-Filme gehen auf sein Kerbholz – der von Genrefreunden durchaus als Action-/Horror-Hybrid wohlgelittene „La Horde“ und die spaßige Fußball-ZomCom „Goal of the Dead“, für deren soliden Unterhaltungswert ich mich allemal verbürgen kann. Was macht Rocher (außer sich die Kugel zu geben, hehe) nun also mit einem dezidiert nicht-phantastischen Stoff, dafür aber einem sichtlich höheren Budget?

Die Antwort auf diese bange Frage ist – so und so… wie so oft ist alles eine Frage des Standpunkts. Sieht man’s von der Warte des Feinschmeckers, der von jedem Film Innovationen, Originalität oder Drang zum Experiment erwartet, dann ist „Antigang“ eine Enttäuschung, denn der Streifen ist ein routinierter, aber auch sehr konventioneller Cop-Thriller. Sicherlich spielt da auch rein, dass ein Remake an und für sich wenig Originalitätspunkte verbuchen kann, speziell, wenn seine Story auch recht dicht am Original bleibt (gravierendeste Änderung ist, dass das Äquivalent von Serge im britischen Film nicht mit der Frau seines Chefs, sondern der eines internen Ermittlers, der die Umtriebe der Einheit prüfen soll, schläft. Macht aber natürlich im Kontext des Films recht wenig Unterschied), aber auch visuell und dramaturgisch bedient „Antigang“ die Beats, die man beim Durchlesen der Inhaltsangabe erwarten kann – als routinierter Thrillerkucker kann man auch ohne das Original gesehen zu haben, da und dort ein vorsichtiges „vorhersehbar“ in seinen Bart murmeln. Geht man mit einer niedrigeren Erwartungshaltung heran und erhofft sich nicht mehr als einen unterhaltsamen, professionell gearbeiteten Film, kann man mit „Antigang“ allemal zufrieden sein. Rocher erweist sich als versiert im Umgang mit den finanziellen und technischen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen. Der Streifen macht einen sehr schnittigen, stylischen Eindruck auf Hollywood-Niveau (vielleicht ist da auch ein Kritikpunkt, da man vom europäischen Actionthriller ein wenig mehr Räudigkeit erwartet, andererseits sind die Franzosen durchaus auch Freunde eines gepflegten Stils – für „gritty“ sind dann doch eher die Briten zuständig).

Rocher schlägt, auch wenn der Film kein durchgängiges Feuerwerk an Action und Shoot-outs ist, ein hohes Tempo an, möglicherweise sogar ein bisschen zu forsch, denn bei knapp 87 Minuten Nettolaufzeit wünscht man sich da und dort, der Film würde sich auch mal erlauben, etwas tiefer auf die Nebenfiguren einzugehen, auf die Dynamik innerhalb der Einheit. etwas deutlicher machen, warum das Team eine so verschworene Gruppe ist, die füreinander durchs Feuer geht – dies auch, weil der Streifen, wie bei Franzosen-Thrillern üblich, formidabel besetzt ist und auch die Darsteller von Parts, die im „big picture“ etwas untergehen, mehr Chancen verdienen, sich in den Vordergrund zu spielen. Strukturell schulden „Antigang“ (was übrigens ein vermutlich unbeabsichtigt hübsch doppeldeutiger Titel ist – „Antigang“ bezieht sich natürlich darauf, dass die Einheit gegen Bandenkriminalität im Einsatz ist, aber kann auch so gelesen werden, dass wir es mit einer Gang von Antihelden zu tun haben, denn das sind sie zweifellos – Typen, die das „moralisch“ Richtige mit zweifelhaften „ethischen“ Methoden tun) und sein britisches Vorbild sicher einiges dem Michael-Mann-Klassiker „Heat“ – insbesondere die Sequenz des großen Banküberfalls und dem sich auf ein ganzes Stadviertel ausdehnenden shoot-outs kann eine enge Verwandschaft zu „Heat“ nicht verleugnen; „Antigang“ und auch „The Crime“ konzentrieren sich in der Erzählung allerdings auf den Cop-Strang und lassen die gleichwertige Schilderung der Gangster unter den Tisch fallen (was etwas schade ist, denn Kasper wird als eine Art ikonischer Gegner Serges aufgebaut, aber bis auf ein-zwei nebenbei hingeworfene Dialogbrocken wird nicht wirklich klargestellt, ob und wenn ja, welche Vergangenheit es zwischen Serge und Kaspar gibt. Und ohne eine dramaturgisch gleichwertige Figur auf der Bösewichter-Seite wirkt der Film in seiner Intention etwas ungleich gewichtet).

Wie gesagt, darüber kann man sich Gedanken machen, muss es aber nicht – der Streifen hat eine ordentliche Energie, ist erfreulich ernsthaft gehalten und verzettelt sich nicht mit Nebenschauplätzen – „fettfrei“, nennt das der geschätzte Kollege Wortvogel ja gerne -, und formal-handwerklich macht Rocher sicher niemand viel vor.

Der Cast, ist wie schon erwähnt, bis auf Reno international nicht unbedingt bekannt, aber ausgezeichnet. Reno selbst scheint den Übergang zu „Altersrollen“ nahtlos hinzukriegen – sein grumpeliger Serge, der sich mit seiner Rolle als „Dinosaurier“ nicht abfinden will (und sich auch deswegen in eine Affäre mit der viel jüngeren Margaux stürzt, aber auch klaglos akzeptiert, dass Becker ihn später deswegen verprügelt), mag nicht der gehaltvollste Part seiner Karriere sein, erlaubt ihm aber, seine gesamte unerschütterliche Präsenz auszuspielen. Alban Lenoir brachte Rocher von „Goal of the Dead“ mit – auch hier kann überzeugen, speziell in einer brachialen MMA-lastigen Kampfszene mit Jess Liaudin („The Wrestler“, „Night Fare“). Die James-Bond-erprobte Caterina Murino („Casino Royale“) gefällt als Margaux ebenso wie Stefi Celma und Thierry Neuvic („Sherlock Holmes – Spiel im Schatten“). Jakob Cedergren („Dark Horse“, „Trigger Happy“, „Nordlicht“) ist ebenso mindestens adäquat als Kasper, sein Charakter hätte halt ein wenig mehr Fleisch vertragen können.

Die Blu von Universum Film ist technisch makellos, aber sehr dünn ausgestattet.

Wer den modernen französischen Cop-Film mag, der wird auch an „Antigang“ seine Freude haben, auch wenn der Streifen nicht die kritische Schärfe eines „Poliezei“ hat, sondern sich als konventioneller Actionfilm spielt. Aber es muss ja auch nicht zwanghaft jeder Film irgendeinen Anspruch, eine Message vertreten, es reicht eben auch gerne mal, einfach nur spannend zu unterhalten, und das kriegt „Antigang“ problemlos hin.

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 6


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