Angel Town

 
  • Deutscher Titel: Angel Town
  • Original-Titel: Angel Town
  •  
  • Regie: Eric Karson
  • Land: USA
  • Jahr: 1990
  • Darsteller:

    Olivier Gruner (Jacques), Peter Kwong (Henry), Theresa Saldana (Maria), Frank Aragon (Martin), James Carrera (Chuwey Zamora), Gregory Cruz (Stoner)


Vorwort

Der Franzmann Jacques, mehrfacher Kickbox-Weltmeister, soll in Amerika die Olympiamannschaft auf Vordermann bringen (mir muss entgangen sein, dass Kickboxen olympisch geworden ist). Nebenher will Jacques aber auch noch studieren – sein Dekan hält den Muskelmann zwar ohne weitere Ansicht für eine intellektuelle Flachpfeife, und da könnte er durchaus nicht völlig falsch liegen, weil Jacques sich nicht wirklich Gedanken gemacht hat, wo er wohnen will, und die Studentenwohnheime sind voll. Eine verzweifelte Suche führt ihn in die Ghettos von East L.A., wo Maria Ordenez ihm eher reluktant ein Zimmer vermietet. Widerstrebend deswegen, weil sie korrekt voraussagt, dass die örtlichen Latino-Gangs, die das Viertel unter Kontrolle haben, ein Weißbrot wie Jacques nicht gerade mit offenen Armen aufnehmen werden.

Zumal die Ordenez-Familie eh Ärger mit der Gang von Angel hat. Angel wünscht nämlich gerne den Beitritt von Marias Sohnemann Martin zur Gang, doch der will nicht. Er hat dafür auch gute Gründe, denn sein Vater war ein strikter Gang-Opponent und wurde daher vor einigen Jahren aus grundsätzlichen Erwägungen totgeschossen.

Jacques hat ein paar unangenehme Begegnungen mit der Gang, die er aber mit seinen Kickbox-Skillz für sich positiv bestreiten kann. Die Gang wird sauer – bei einer versuchten Home Invasion kommt es zu einem größeren Handgemenge. Jacques und Martin müssen fliehen und Martins Oma verscheidet an einem Herzanfall. Jacques versteckt Martin bei seinem alten Kampfsport-Kumpel Henry.

Die Gang ist nun endgültig nicht mehr gut auf Jacques zu sprechen, verübt ein Drive-By-Attentat auf ihn und schwört auch Rache an Martin und Maria…


Inhalt

Olivier Gruner, einer der europäischen legitimen Kampfsportler, die sich nach JCVDs Durchbruch auf den Weg nach Hollywood machten, debütierte relativ high-profile gleich mit einer Hauptrolle in einem Kinofilm – eben „Angel Town“. Er musste also nicht Jean-Claudes Weg gehen und sich über Komparsenauftritte und Nebenrollen zum Star hangeln – dafür hob aber halt seine Karriere nie über den Status eines „B-Bodys“ hinaus ab. „Angel Town“, wohl ursprünglich mal sogar als JCVD-Vehikel vorgesehen, ist allerdings kein sonderlich eindrucksvoller Showcase für die Fähigkeiten seines Stars.

Das liegt in erster Linie am Drehbuch, das nur die üblichen Klischees eines Gang-Action-Films abarbeitet und ohne einen einzigen „flash of inspiration“ daherkommt. Es gibt die üblichen tragischen Ereignisse, die unseren Held motivieren, er hat einen jugendlichen Schützling, einen besten Freund, und eine äußerst vage angedeutete romantische Beziehung zur leading lady. Nichts davon ist sonderlich gut geschrieben, nichts ist originell – auch die halbherzigen Versuche, Jacques über einige kurze Flashbacks in seine Jugend ein wenig charakterlichen Tiergang zu geben, wirken eher als hätte der Schreiberling, ein gewisser S. Warren, der hier seinen singulären Filmcredit verdient, gehört, dass man sowas in einem modernen Actionfilm erwartet, aber nicht wirklich Ahnung gehabt, wie man sowas einigermaßen plausibel in ein Script reinprügelt.

Stichwort „reinprügeln“ – letztlich ist „Angel Town“ ein Actionfilm, auch wenn er sich das Deckmäntelchen einer Anti-Gang- und Anti-Gewalt-Message umhängt (letzteres wirkt bei einem im Endeffekt doch tumben Schlägerfilm immer herzlich geheuchelt), und da kommt’s auf die Action an. Oliver Gruner ist sicherlich ein Guter – er ist als Schauspieler nicht sooo schlecht (und schlägt sich in den dramatischen Szenen für einen first-timer ganz wacker) und als Kampfsportler eine große Nummer, aber sein Debütfilm krankt daran, dass er keinen echten Gegner hat. Die klassische Martial-Arts-Film-Formel, die deswegen „klassisch“ ist, weil sie funktioniert, läuft auf einen Showdown zwischen würdigen Kontrahenten hinaus (außer bei Steven Seagal), d.h. der Held hat einen Gegner, der ihm an Kampffähigkeit mindestens gleichwertig, wenn nicht überlegen ist, was den finalen Sieg dann emotional um so befriedigender macht. „Angel Town“ hat sowas nicht – Angel, der Bandenchef, ist kein beeindruckender Kämpfer, sondern ein Arschloch mit Knarren und einem Haufen underlings, die ihm zu Willen sind. There’s no challenge there (weshalb der Film den Schlusspunkt auch Martin setzen lässt) – auch in den vorhergehenden Kämpfen ist Jacques seinen Feinden immer Lichtjahre überlegen und kann’s daher mit ganzen Rudeln von stirnbandtragenden Latinos aufnehmen.

Auch damit könnte ich noch leben, wenn die Action zumindest gut inszeniert wäre, aber Eric Karson (der immerhin Chuck Norris in „Octagon“ vor der Linse hatte und als Dokumentarfilmer seine Karriere begann) ist kein besonders guter Actionregisseur – das sind meistens nicht die optimalen Einstellungen, die optimalen Schnitte, um die Fights richtig flüssig und hart wirkend zu machen, wenn sie schon nicht sonderlich „competetive“ sind. Der Schnitt (und Tonschnitt) ist generell ein Problem von „Angel Town“ – die Schnittentscheidungen sind gerne mal merkwürdig und die Tonspur beschallt ebenso gerne Dinge, die nicht im Bild sind (es irritiert schon mächtig, wenn eine Verfolgungsjagd per pedes mit quietschenden Reifen und aufheulenden Motoren untermalt wird. Ja, ich verstehe, dass das in dem speziellen Fall z.B. symbolisieren soll, dass Angels Goons versuchen, mit ihrer Karre den flüchtenden Jacques und Martin den Weg abzuschneiden, aber es ist eine solche Diskrepanz zwischen visual und audio cue, es reißt aus dem Film heraus).

Das Acting ist auch nicht gerade gut – Gruner kommt tatsächlich als bester Schauspieler aus „Angel Town“ und er tastet sich gerade mal als Neuling an die Thematik ran. Theresa Saldana („The Night Before“) müsste es eigentlich können (sie wurde 1996 für ihre Rolle in der Drama-Serie „Der Polizeichef“ für den Golden Globe nominiert), zeigt aber hier nur eine blahe, farblose Klischeevorstellung. Frank Aragon als Martin ist ebenfalls so … non-descript, dass er als Sympathieträger total ausfällt (die Rolle als „production manager“ für die Hausbau-Reality-Show „Extreme Makeover“ liegt ihm wohl mehr). Tony Valentino und Gregory Cruz sind als Fieslinge ebenfalls fürchterlich un-überzeugend. Auch Cruz ist jemand, der’s offenbar noch gelernt hat – er staubte später eine permanente Rolle in „Saving Grace“ ab. Peter Kwong (beliebt aus „Big Trouble in Little China“ oder „Auf der Suche nach dem Goldenen Kind“) sollte eigentlich auch die nötige Expertise mitbringen, aber auch er ist langweilig. Eine Mini-Rolle als Chauffeur von Gregory Cruz hat der junge Mark Dacascos – ich würd ihm die Blu-Ray trotzdem nicht gerade zum Signieren hinhalten…

„Angel Town“ ist als Film eine ziemliche drüge Angelegenheit – mit 105 Minuten auch viel zu lang für das bisschen Plot, das er zu erzählen weiß, mit zu wenig und unspektakulärer Action, um den Fan des Haudrauf-Films zufriedenzustellen und einer recht verlogenen Moral ist es ein eher enttäuschendes Debüt für Olivier Gruner, der zwar das Beste am Film ist, aber seine Fähigkeiten etwas später in „Nemesis“ deutlich gewinnbringender einsetzen konnte. You can skip this one.


mm
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