An Evening of Edgar Allan Poe

 
  • Original-Titel: An Evening of Edgar Allan Poe
  •  
  • Regie: Ken Johnson
  • Land: USA
  • Jahr: 1970
  • Darsteller:

    Erzähler (Vincent Price)


Vorwort

Vielleicht waren wir dem ein oder anderen Leser in letzter Zeit hier zu anspruchslos (wobei – diese Website heißt “badmovies.de”, so what do you expect? Eric-Rohmer-Analysen?). Im üblichen Bestreben des Docs, es allen recht machen zu wollen, wenden wir uns heute also etwas ganz anderem zu – nicht nur, dass der heute zu untersuchende Film in Deutschland beinahe völlig unbekannt ist, nö, auch inhaltlich-filmtechnisch ist An Evening of Edgar Allan Poe keine biedere Alltagskost.

Edgar-Allan-Poe-Verfilmungen mit Vincent Price in der Hauptrolle werden ja oft und gern (und bis vor ein paar Tagen auch von mir) mehr oder weniger mit dem Kanon der Roger-Corman-Filme um The Tomb of Ligeia, The Raven etc. pp. Gleichgesetzt. Diese Filme gelten nicht zu Unrecht, trotz ihres recht laxen Umgangs mit der literarischen Vorlage, als Klassiker und Meilensteine des Gruselkintopps, sowohl die seriöse Filmkritik als auch das breite Publikum war und ist von Cormans mit verhältnismäßig kleinem Geld hergestellten AIP-Gruslern begeistert. Da mag es schon überraschen, wenn mit Vincent Price jemand, der es eigentlich wissen müsste, nicht etwa einen der Corman-Filme, sondern eben An Evening of Edgar Allan Poe als beste Poe-Produktion, an der er beteiligt war, einstufte.

MGM, deren verdienstvolle Midnite-Movies-DVD-Serie praktisch komplett in die DVD-Vitrine des aufgeklärten Genrekinofans gehört, ist es zu verdanken, dass nun auch ein breiteres Publikum beurteilen kann, ob Meister Price mit seiner Einschätzung recht hat, denn das Label packte den Film als Zugabe auf die DVD von The Tomb of Ligeia (und damit kann sich die liebe Leserschaft schon mal an zwölf bis dreizehn Fingern ausrechnen, dass die gute Ligeia innerhalb der nächsten fünfzig Jahre sicher auch hier besprochen wird).

Warum kennt aber nun eigentlich kaum jemand den Film, und, wo wir gerade dabei sind, wie kann man ein 53-Minuten-”Epos” als Film bezeichnen? Tja, liebe Freunde – des Rätsels Lösung ist relativ einfach: es handelt sich um einen Fernsehfilm, den AIP Anfang der 70er Jahre, also schon nach dem Abflauen der Poe-Welle, herstellte, zweifellos – wie ich die Geizkrägen Arkoff und Nicholson kenne – um noch schnell bestehende Rechte gewinnbringend zu verwursten.

Der Fernsehfilm ist noch dazu ein Episodenfilm – vier Poe-Stories, drei davon auch aus zahlreichen anderen Filmadaptionen schon bekannt, werden in der knappen Stunde präsentiert und, wie aus der obigen recht überschaubaren Cast-Liste zu erahnen ist, zelebriert von Vincent Price solo – da darf man doch mal gespannt sein, wie Kenneth Johnson, der der Welt später die ausgezeichnete (und hier besprochene) SF-Miniserie V bescheren sollte, das umsetzt…


Inhalt

Eins fällt doch gleich mal positiv auf – wir halten uns nicht mit einer Rahmenhandlung auf. Wir steigen gleich direkt in die erste Episode ein, “Das verräterische Herz”, eine ausgesprochen wirkungsvolle, aber schon in ihrer geschriebenen Form nicht wirklich einfache Schauergeschichte. Wie man diese Story filmisch werkgetreu umsetzen kann, verrät man uns sofort mit der ersten Einstellung, und die setzt dann auch gleich die Marschroute für den gesamten Film fest: wir sehen Vincent Price in einem kleinen, nicht gerade üppig, aber effektiv ausgestattetem Set sitzen und sonst nichts und niemanden. Und Vincent Price beginnt damit, die Geschichte zu erzählen. Und genau das ist der Schlüssel – “Erzähler” trifft es wirklich. Poe schrieb viele seiner Geschichten aus einer Ich-Perspektive und das kommt dem Format dieses Episodenfilms entgegen, Price kann sich voll ins Zeug legen (Ihr seht schon, das Review heute wird ein Mittelding aus Inhaltszusammenfassung und Analyse rolled into one, denn filmisch berichtenswertes tut sich relativ wenig).

Price erzählt uns also, was passiert ist – er lebt mit einem alten Mann im gleichen Haus. Der alte Knacker (den wir, ich erinnere daran, nie sehen) ist zwar lieb und nett, geht Vincent aber aufgrund einer anatomischen Besonderheit gewaltig auf den Keks, er hat ein verunstaltetes Auge, über das sich ein bläulicher Film zieht, ein “Geier-Auge”, wie Vincent es ausdrückt. Von dem fühlt er sich verfolgt und bedrängt, so dass er den Plan fasst, den alten Mann des Auges wegen um die Ecke zu bringen. Aber er haut ihm nicht einfach mit’m Hammer auf den Kopf, sondern plant es sorgfältig und umständlich (um sich damit selbst auch zu beweisen, nicht wahnsinnig, sondern kühl-kalkulierend zu sein). Es gelingt ihm, in der Wand zum Schlafzimmer des Alten ein Loch aufzutun, durch das er seinen mit Mühe und Not eine Laterne und seinen Kopf schieben kann (allein für das Kopfdurchstecken braucht er eine Stunde – ja, der Mann ist geduldig). Allerdings tut der alte Herr das, was die meisten Menschen mitten in der Nacht tun – er pennt tief und selig und, da dies eine verbreitete Vorgehensweise beim Schlafen darstellt, hält die Augen geschlossen. Ohne das geöffnete Geier-Auge fehlt Vincent aber die notwendige Motivation und er zieht sich wieder zurück. Das wiederholt sich sieben Tage bzw. Nächte lang. In der achten Nacht kommt endlich Bewegung in die verfahrene Kiste, denn Vincent lässt versehentlich die Laterne fallen, was den Alten aufweckt.

Geistesgegenwärtig spielt Vincent Statue und bewegt für über eine Stunde “nicht einen Muskel” (damit würde ich z.B. als Protagonist dieser Geschichte schon mal ausfallen, ich kann ja nicht mal zehn Sekunden still sitzen). Der Alte stößt einen Stöhner aus, einen “groan of long drawn-out mortal terror”, wie sich Poe in seiner üblichen blumigen Sprache auszudrücken beliebt. Vincent (ich bleib einfach mal dabei, den guten Price beim Vornamen zu nennen) spürt des Alten Todesangst und wagt es nach einer Weile, die Laterne aufzuheben und einen feinen Lichtstrahl auf den alten Mann zu richten – und siehe da, er zeigt direkt auf das “böse Auge”. Ein pochendes Geräusch erweckt Vincents Aufmerksamkeit – es ist der Herzschlag des alten Mannes, der Vincents Zorn anstachelt wie “die Trommel einen Soldaten auf dem Schlachtfeld stimuliert”. Das Pochen wird lauter und lauter, bis Vincent es nicht mehr aushält, aus seinem Versteck springt, den Alten aus dem Bett wirft und mit der Bettwäsche erstickt (letzteres in einem ungeahnten Anfall von kinematischer Aktivität “re-enacted” mit einem unbewohnten Bett), bis das verfluchte Herz endlich zu schlagen aufhört.

Clever, wie unser Killer ist, zerlegt er die Leiche fachgerecht und verstaut sie unter Vollführung einer handwerklichen Meisterleistung unter den Bohlen des Fußbodens. Als am Morgen die Polizei wegen von Nachbarn gemeldeten Tumults bzw. eines Schreies antanzt, ist unser Mörder super-cheerful ob seines perfekten Verbrechens und lädt die ermittelnden Beamten ein, sich doch gerne ausführlich in seiner Behausung umzusehen und sich doch vom anstrengenden Polizistendasein auszuruhen. Er selbst pflanzt sich mit seinem Stuhl gezielt über den Spot, unter dem die Leiche verborgen ist. Die Polizisten lassen’s sich gut gehen und halten fröhlichen Klönschnack, doch Vincent wird bald von einem Geräusch in seinem Kopf geplagt. Oder ist es nicht in seinem Kopf? Langsam fällt es unserem Killer wie Schuppen aus den Haaren – das Herz des Geplätteten schlägt wieder, lauter und lauter. Es muss den Polizisten früher oder später auffallen, ist er sich sicher und versucht, die Bullen nun doch dezent zur Weiterreise zu veranlassen, doch den Bobbies scheint’s bei Vinnie zu gefallen (aber es scheint ihnen nicht seltsam vorzukommen, dass ihr Gastgeber plötzlich und unerwartet in Rage seinen Stuhl auf dem Fußboden zertrümmert. Ist vielleicht im viktorianischen Zeitalter gang und gäbe gewesen, wer weiß?).

Nachdem auch die Stuhlaktion ohne gesetzeshütende Reaktion bleibt, ist sich Vincent sicher, dass die Polizisten wissen, was los ist und sich über sein Leid lustig machen. In seiner Verzweiflung gesteht er die Bluttat, reißt (und das jetzt auch mal wieder auch im Bild) die Bohlen aus dem Fußboden und fördert – für uns Filmzuschauer – ein blutiges, pochendes Herz zu Tage… Ende der ersten Geschichte.

Story Nr. 2 heißt “The Sphinx” und ist eine, die ich bis dato nicht kannte (ich hab zwar durchaus meinen Poe gelesen, aber bei weitem nicht seine gesammelten Werke – Poe ist halt nicht gerade flockige Sonntag-Nachmittags-Lektüre zum Nebenherkonsumieren). Szenen- und Kostümwechsel. Wir finden uns in einem eleganten Salon wieder (das dazugehörige Herrenhaus wird von Vincent etwas respektlos als “cottage” bezeichnet. In so’ner “Hütte” würd’ ich auch gern leben). Vincent wirkt nun dank make-up und Kostüm etwas jünger und weniger wahnsinnig und erzählt den nächsten Schwank. In New York tobt gerade die Cholera, und um der Seuche zu entgehen, verbringt er vierzehn Tage bei einem Verwandten in dessen “cottage” am Hudson River (man merkt’s, der “Big Apple” war damals noch nicht gar so big). Jeden Tag bringen Botschafter neue schlechte Kunde über das Ableben des ein oder anderen Bekannten und Verwandten und so ist vor allem Vincent in relativ angespannter Gemütslage, während sein Gastgeber ein eher relaxtes Verhältnis zu den schockierenden Todesfällen pflegt.

Eines schönen Tages hockt unser Erzähler alleine im Salon und stiert aus dem Fenster, von wegen der schönen Aussicht auf New York, doch da – was erblickt des schockierten Gentlemans Auge: ein grauenhaftes, riesiges Monster, das sich am gegenüberliegenden Hügel gerade in den Wald verdrückt. Das Untier erinnert ihn von der Form her an die Silhouette eines Schiffs – sein Maul befindet sich am Ende eines 20 Meter langen “Schlauchs”, es verfügt über ein gigantisches Doppelflügelpaar von fast 200 Meter Spannweite, sein Körper ist metallisch und seine ebenfalls metallischen Klauen sind drei oder vier Meter breit. Und als wäre der Anblick nicht schon grauenerregend genug, wird die Brust des Monsters vom Kopf des Todes (also schätzungsweise dem üblichen Totenschädel) geziert. Das kann einen Mann schon mal dezent verunsichern.

In der verständlichen Furcht, von seinem Gastgeber für mittelprächtig irrenhausreif gehalten zu werden, hält unser Held erst mal die Klappe. Erst drei Tage später, als er im selben Sessel im Salon sitzt und mit seinem Host palavert, fiedelt er die Monstergeschichte ins Gespräch ein. Natürlich wird kein Wort geglaubt, doch der glückliche (oder auch nicht) Zufall gebietet es, dass justament in dieser Sekunde das Monster eine erneute Appearance vornimmt. Blöderweise behauptet aber der Heldenfreund, an der angezeigten Stelle nur einen Überfluss an Nichts sehen zu können. Um nun nicht gleich in die nächste Nervenklinik eingewiesen zu werden (und die waren im 19. Jahrhundert sicherlich noch unspaßiger als heutzutage, auch wenn die Elektroschocktherapie noch nicht erfunden war), sieht sich Vincent zu einer genauen Beschreibung des Monstrums gezwungen. Angesichts des detaillierten Vortrags wird der Gastgeber hellhörig und sucht sich ein Buch aus seiner umfangreichen Bibliothek und beginnt, einen Biologie-Schulaufsatz zu zitieren, der absolut akkurat das von Vincent gesichtete Monster beschreibt. Nach einem Tausch der Sitzplätze verrät der besserwisserische Verwandte auch die Auflösung des Rätsels – was Vincent für ein Monstrum aus der tiefsten Hölle und einen Todesboten gehalten hat, war nur ein Insekt, das an einem Spinnfaden entlangbalancierte und nur wenige Millimeter groß ist – aber weil Vincent es auch nur aus wenigen Millimetern Entfernung beobachtete, hielt er es für riesig groß…

Nach dieser doch für den Durchschnitts-Poe-Leser unbekannteren Story wenden wir uns in Kapitel 3 wieder einem Klassiker zu, dem “Faß von Amontillado” (eine Geschichte, die Vincent Price schon mal mit einem großartigen Peter Lorre zelebrierte). Der italienische Lebemann Montresor hat eines Tages die Faxen dicke von eben selbigen, die sein Freund und Kumpel Fortunato zu reißen pflegt. Was genau Fortunato nun verbrochen hat, außer Montresor auf unspezifizierte Weise tödlich zu beleidigen, bleibt der blumigen Fantasie des Betrachters überlassen, es reicht allerdings, um Montresor zu einem recht perfiden Mordplan hinzureißen – und den sowie seine Ausführung erzählt uns ein selbstzufrieden wirkender Vincent Price (in der Montresor-Rolle natürlich, aber da er hier mal wirklich einen Rollennamen hat, verwende ich den dann auch) an einer reich gedeckten Tafel in seinem Speisesalon erzählt.

Der Ansatzpunkt für Montresors Racheplan ist simpel – Fortunato hält sich nämlich für einen der größten Weinkenner. Während des Karnevals ist auch der richtige Zeitpunkt gekommen. Als Montresor Fortunato, letzterer in einem mit Schellen und Glöckchen behängten Narren-Kostüm (dran erinnern: das müßt Ihr Euch alles in Eigenregie vorstellen), über den Weg läuft, bindet er dem selbsternannten Wein-Guru den Bären auf, günstig ein ganzes Fass der ultrararen und deswegen hochgeschätzten und -preiseigen Rebsorte Amontillado erworben zu haben, sich aber über die Echtheit des Stöffchens nicht mehr ganz sicher zu sein. Wie von Montresor kalkuliert, drängt sich Fortunato sofort als Probesäufer auf, erst recht, als Montresor den Namen des rivalisierenden Weinexperten Luchesi ins Gespräch bringt, den er eigentlich als Verkoster zu engagieren gedenke. Nach Fortunatos unmaßgeblicher Meinung kann Luchesi allerdings nicht mal Sherry von Amontillado unterscheiden (als Wein-Kostverächter, der mit Müh’ und Not roten von weißem Rebensaft unterscheiden kann, vermag ich nicht zu beurteilen, inwiefern diese Aussage für einen Weinkenner tatsächlich so beleidigend ist, wie’s auf den ersten Blick klingt) und er selbst sei, trotz einer Erkältung, absolut qualifiziert, imstande und willens, das gute Tröpfchen einer persönlichen Inspektion zu unterziehen.

Montresor lagert seine alkoholischen Schätze kühl, dunkel und feucht in der Familiengruft (geschmackvoll, sach’ ich ma) und lotst seinen Intimfeind über die kalte, steile Treppe in die finst’re Gruft. Ob der faulig-feuchten Kälte kommt der gesundheitlich angeschlagene Fortunato ins Husten – Montresor bietet sofort an, die Expedition ins Weinreich abzubrechen und doch lieber Luchesi zu holen, aber Fortunato wehrt in der Aussicht auf ein Freigetränk entschieden ab. Gegen ein kleines Aufwärmschlückchen “Medoc” hat er aber nichts einzuwenden. Leicht angetütelt geht die Exkursion weiter, bis zu einer kleinen Kammer, die an drei Wänden von aufgestapelten Knochen (“wie in den Katakomben von Paris” geziert wird (hm, entweder sind die Montresors eine extrem weitläufige Familie, wenn sie ihre skelettierten Vorfahren schon stapeln muss, oder man nahm’s beim Eingruften mit der Familienzugehörigkeit nicht gar so genau). Nur eine Wand ist knochenfrei – statt dessen findet sich dort eine schmale Nische, und in der soll das kostbare Weinderl stehen. Fortunato stolpert gierig in die Nische – die Kette und das Vorhängeschloss, mit dem Montresor ihn blitzartig ebenda fixiert, bemerkt unser unglücklicher Alki allerdings den entscheidenden Moment zu spät.

Den Kontrahenten so an gegenläufigen Willenserklärungen gehindert habend, beginnt Montresor mit dem spaßigen Teil der Abendunterhaltung – dem Zumauern der Nische mit vorher bereitgelegten Ziegeln und Mörtel. Die Maurermeisteraktion hat auf Fortunato begreíflicherweise ausnüchternde Wirkung – aber nach anfänglichem Gezeter ist der zukünftig Eingemauerte still. Montresor mauert weiter – Fortunato rasselt wie einst Hui Buh, das Schlossgespenst, mit den Ketten und schrei. Montresor quittiert dies allerdings nur mit Selbstzufriedenheit. Schließlich fehlt nur noch ein Stein – aus der Nische dringt ein tiefes Lachen. Fortunato ist der Ansicht, dass die ganze Angelegenheit zugegeben ein Mordsspaß, tierisch lustig und ein echt prima Gag sei, aber genug ist genug, nun sollte man das ganze abblasen, einen gemeinsamen “jolly good laugh” am Kaminfeuer haben und en paar Tässchen Amontillado vernichten. Dumm nur, dass Montresor die Sache blutig ernst nimmt, was auch Fortunato schließlich realisiert – ein letztes Glockenbimmeln des Narrenkostüms, dann schiebt Montresor den letzten Stein an seinen Platz…

Und wir kommen zur letzten Story, und das ist diejenige, die auch literarisch nicht eben weitläufig gebildete Menschen und solche, die sich dafür halten, kennen sollten (und wenn nicht, shame and nochmals shame on you): “The Pit and the Pendulum”, oft verfilmt, aber selten bis nie originalgetreu (was auch nicht ganz einfach ist, wie sich Leser der Story sich bestimmt erinnern). Wir befinden uns im Spanien zur besten Zeit der Inquisition (insert wahlweise Monty-Python- “Nobody expects the Spanish Inquisition”-oder Mel Brooks’ “The Inquisition – what a show…”-Joke here) in Toledo und genauer gesagt, in einem gepflegten Dungeon ebenjener höchstmoralischen-kirchlich-nächstenliebenden Institution, wo uns Vincent Price, diesmal recht überzeugend auf gerade-noch-von-der-Schippe-gesprungenes-Inquisitionsopfer geschminkt, bereits erwartet und uns seine gruslige Geschichte erzählt.

Die Inquisition hat den bedauernswerten Kerl zum Tod durch Folter verurteil, aber weil die Inquisitoren echt gut drauf sind, verstehen sie darunter nicht vergleichsweise herkömmliche Methoden wie Daumenschrauben, Streckbank, eiserne Jungfrau und ähnliche Scherze, sondern viel fiesere Methoden. Kein Wunder, dass Vincent sich nach der Urteilsverkündung auf direktem Wege ins Höllenfeuer stürzen sieht (und das, in einer unvermuteten Aufwallung filmischen Bewusstseins sogar bildlich – im Vordergrund sehen wir schemenhaft ein paar schwarzbekuttete Schattenfiguren, die das Gericht symbolisieren, während der Bildhintergrund Flammen und den in selbigen taumelnden – per schlichter, aber recht wirkungsvoller, da surrealer “overimposed”-Technik – Vincent). Vincent findet sich auf dem Rücken liegend, aber nicht gefesselt, in einer Zelle wieder. Er wagt es nicht, seine Augen zu öffnen, in der Angst, es könnte auch nach Augenöffnung nichts zu sehen geben. Schließlich “unclosed” er seine Glotzer und seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sich – er ist von absoluter Dunkelheit umgeben. Nach einer Weile beginnt er, dennoch seine neue Umgebung zu erkunden und stößt bald auf ein Hindenis in Form einer Wand. Um die Größe seines Gefängnisses festzustellen, beschließt er, den Raum auf direktem Wege zu durchqueren, stolpert aber und schlägt lang hin. Manchmal ist eine solche Ungeschicklichkeit gar nicht mal so schlecht, denn es fällt ihm etwas erschreckendes auf – sein Kinn ruht zwar auf dem steinigen Zellenboden, nicht aber der Rest seiner Rübe, der hängt buchstäblich in der Luft – in der Mitte der Zelle befindet sich eine Grube, und ein schnell ausgeführter Test mit einem losen Stück Mauerwerk, das hinuntergeworfen wird, stellt rasch klar, dass Vincent nicht nur in einer verfrüht angelegten Kfz-Werkstatt auf die Arbeitsgrube gestoßen ist, sondern auf einen richtig tiefen Schlund, dessen Grund wasserbedeckt ist.

Schon mal nicht wirklich lustig, aber es kommt noch schlimmer – ein Geräusch wie von einer sich öffnenden Tür lässt ihn nach oben blicken und es kommt ihm so vor, als würde er einen kurzen Licht-Blitz erhaschen. Er zieht sich an eine Wand zurück und fällt irgendwann in Erschöpfungsschlaf. Hätte er mal lieber nicht tun sollen, denn als er wieder zu sich kommt, ist er an ein Holzgestell gefesselt. Nur sein Kopf und sein linker Arm sind frei, damit er sich vom, wie er sich nicht verkneifen kann, festzustellen, “seasoned” Fleisch, das man neben ihm geparkt hat, ernähren kann (lecker). Der eigentliche Hammer allerdings hängt über ihm – das bewusste Pendel schwingt 10 Meter über ihm langsam hin und her. “I watched it in fear, but more in wonder,” bringt Vincent das Pendel erst mal nicht unmittelbar mit seiner Gesamtsituation in Verbindun. Er hat auch zunächst mal andere Sorgen, denn aus der Grube strömen Ratten, die vom leckeren verdorbenen Fleisch angelockt werden. Jedoch stellt er bald fest, dass das Pendel sich langsam abwärts bewegt und zwar genau auf seine kühne Heldenbrust zu – und dass die Kante des Pendels rasiermesserscharf ist, lässt gewisse Rückschlüsse auf den Verwendungszweck zu: nur die Brusthaare rasieren will man ihm vermutlich nicht.

Tage vergehen, das Pendel senkt sich langsam millimeterweise und unser Held ist, nicht ganz unverständlicherweise, recht verzweifelt. Als das Pendel nur noch knapp 30 Zentimeter über ihm schwingt und er sich bereits ausmalt, wie es seine Kleidung zerfetzt, fällt ihm ein, dass er ein Urahn von McGyver ist (vermutlich die selbe spanisch-schottische Seitenlinie, die aus Ramirez in Highlander den Diplom-Schotten Sean Connery machte). Die Ratten sollen ihm – unfreiwillig – helfen. Es gelingt ihm, aus dem Fleisch (hm, so alt kann’s doch gar nicht sein, wenn’s noch nach Tagen saftig ist) ein “Öl” zu pressen, mit dem er seine Fesseln, soweit er an sie herankommt, einreibt. Der Plan funktioniert – die Ratten erklimmen den gefesselten Gefangenen und beginnen, an den leckeren Fesseln zu knabbern (eher unangenehme Nebenwirkungen wie auf dem Gesicht herumkrabbelnde Nager muss man da einfach in Kauf nehmen) – auch das dürfen wir zumindest angedeutet sogar sehen (Screenshot anbei). Der Plan funktioniert – zwar erst in aller-aller-allerletzter Sekunde (das Pendel beginnt bereits damit, sanft die Haut des Delinquenten zu ritzen), aber unser Held ist frei. Oder so was ähnliches, denn natürlich hockt er noch immer relativ aussichtslos in der Zelle. Die perfiden Foltermeister haben auch schon die nächste Gemeinheit auf Lager – das Pendel wird hochgezogen, dafür wird’s auf einmal ganz warm ums Herz… Kommt daher, weil die vermeintlichen Mauern in Wirklichkeit aus Metall bestehen und erhitzt werden. Und weil auf Sparflamme rösten allein nicht bösartig genug ist, schieben sich die Wände wie weiland in der Müllpresse des Todessterns zusammen. Wie man so schön sagt, die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst. Angesichts der Hitze wird der Sprung in die kühle wassergefüllte Grube auf einmal zu einer überlegenswerten Alternative. Und zu nichts anderem soll unser Freund durch die heißen, unbarmherzig näherkommenden Metallwände veranlasst werden. Schließlich bleibt ihm nur noch ein Streifen Boden zum Balancieren – die letzte Willenskraft ist aufgebraucht und er bereitet sich seelisch-moralisch auf das Ende in der Grube vor. Doch da ziehen sich die Wände auf einmal zurück und ein starker Arm, der ihn packt, verhindert den Sturz in die Tiefe. Der mysteriöse Retter ist General Lassalle – die Franzosen haben Toledo eingenommen und die Inquisition beendet…

Und damit endet auch unser Film.

An Evening of Edgar Allan Poe macht es dem ordinären Internet-Filmreviewer nicht einfach – den obigen Text könnte man nämlich 1:1 in der Schule als Nacherzählungsaufsatz über vier klassische Poe-Kurzgeschichten in schriftlicher Form einreichen. Oberflächlich betrachtet bietet der Fernsehfilm nichts, was man nicht auch durch Lesen der Poe’schen Texte “erfahren” könnte. Kenneth Johnson liefert nämlich das ab, was man böswillig ein abgefilmtes Theaterstück, oder, zu gut kulturdeutsch “Fernsehspiel” nennen könnte (eine mittlerweile fast ausgestorbene Kunstform) – es ist ein vierteiliger, knapp einstündiger Monolog, so dass der gemeine Filmfan auf die üblichen Gimmicks und Gizmos der Literaturadaption (Straffung der Vorlage, Einführung zusätzlicher Charaktere, um der Geschichte mehr filmischen Drive, mehr Narrative zu geben u.ä.) vollständig verzichten muss. Das macht die Angelegenheit für Gelegenheitsgucker, die sich hauptsächlich nett unterhalten lassen wollen, eher anstrengend und unbefriedigend, aber, und das ist heute ein recht dickes fettes großes ABER, für die Klientel, die eben nicht nur auf billiges Entertainment aus ist, hat dieses Fernsehspiel einiges zu bieten, was der Entdeckung harrt.

Eins muss man in diesem Zusammenhang bevorzugt nennen – wer sich jemals bei den Corman-Poe-Verfilmungen (oder schlicht und ergreifend allen anderweitigen Poe-Adaptionen von Ulmer bis Gordon) über den freimütigen Umgang mit der literarischen Vorlage beklagt hat, der wird bei An Evening of Edgar Allan Poe so manche feuchte Träne der entzückten Rührung weinen. An Evening ist Poe pur, unverfälscht, ungekürzt, im exakten Wortlaut (einzig beim “verräterischen Herz” bin ich mir, zugegeben mit sicher einem Jahrzehnt Abstand, seit ich die Geschichte zum letzten Mal gelesen ahbe, nicht mehr ganz sicher, ob die Fernsehfassung die Story nicht etwas kondensiert) – durch den Kunstgriff, Vincent Price als Ich-Erzähler aller vier Geschichten eine Solo-Show zelebrieren zu lassen, können die Geschichten in ihrer originären Form präsentiert werden. Nur Poe selbst lesen ist originalgetreuer.

Die Auswahl der Geschichten, nun, über die kann man sich natürlich immer streiten. Fakt ist jedoch unbestritten, dass “Das verräterische Herz”, “Das Fass von Amontillado” und “Die Grube und das Pendel” ganz große Klassiker der Schauerliteratur sind, die eigentlich jeder kennt (na ja, zumindest diejenigen, die nicht nur eine Baumschule besucht haben. Okay, Poe ist nun nicht gerade Allerwelts-Pflichtlektüre, aber wer sich einer halbwegs tauglichen literarischen Bildung rühmt, sollte zumindest seine bedeutendsten Geschichten, und dazu zählen die drei genannten allemal, wenn sie nicht die berühmtesten überhaupt sind, vom “Raben” mal abgesehen). Die Selektion dieser drei Geschichten hat dadurch natürlich Vor- und Nachteile. Hauptnachteil ist natürlich, dass diese Geschichten so ins kollektive Unterbewusstsein eingebrannt haben (auch durch, was das “Fass” und die “Grube” angeht, zahlreiche filmische Adaptionen, auch wenn diese oft nur Motive der Geschichten verwendeten), dass sich kein rechtes Spannungsmoment einstellen kann – man kennt die Pointen. Der Vorteil ist im Umkehrschluss allerdings ebenfalls, das man die Geschichten kennt und sich dadurch auf die Darbietung von Vincent Price konzentrieren kann (dazu gleich mehr); das Fernsehspiel ist an sich nicht unbedingt das geeignetste Medium, um neue, spannende Geschichten zu erzählen. Im Fernsehspiel macht man gerne Experimente, und dafür bieten sich bekannte Vorlagen nun einfach an. Schön ist allerdings die Einbeziehung der vierten Geschichte, “The Sphinx”, die ich bislang nicht kannte (hm, ich glaube, ich lüge, ich hab sie wohl doch mal in grauer Vorzeit gelesen, aber mich nicht daran erinnert) – eigentlich ist die Story nicht mehr als ein makabrer Witz, aber sie ist auch ein origineller welcher – auch wenn Poe die Geschichte noch mehr als sonst auf die Schlusspointe hinkonstruiert hat. Im Kontext dieses Episodenfilms nimmt “The Sphinx”, umgeben von den eher grimmigen übrigen Geschichten (auch wenn das Amontillado-Fass selbstredend auch von makabrem schwarzen Humor durchsetzt ist), die Rolle der leichten Aufheiterung ein (es ist auch mit Abstand die kürzeste Geschichte, sie wird in gut acht Minuten erzählt, während die anderen drei Stories jeweils zwischen 12 und knapp 20 Minuten dauern).

Nun ist ein älterer Herr, der Gruselgeschichten erzählt, nicht unbedingt das allerkinematischste, was man sich vorstellen kann – da braucht man nicht unbedingt Fernseher oder DVD-Player dazu, das kann auch Opa im Lehnstuhl (und sei’s mit Schwänken aus dem letzten Krieg). Wenn der ältere Herr dann aber eben Vincent Price ist, sieht die Sache schon anders aus – ich werde mir Untreu und komme zur Schauspielerbeurteilung, bevor ich mich über die filmisch-technisch-handwerklichen Qualitäten des Streifens auslasse. Dies ist insofern sinnvoll, als sämtliche Kunstgriffe, die ein Regisseur auffahren kann, in einer Situation wie dieser, nämlich einem Ein-Mann-Stück, das mit der Performance des Akteurs steht und fällt, absolut ins Leere laufen würden, wenn der rezitierende Schauspieler vom Kaliber eines Steven Seagal wäre.

Vincent Price ist aber eben kein Steven Seagal und An Evening of Edgar Allen Poe ist der schlagende Beweis dafür, dass Meister Price trotz der anerkannt hohen Reputation, die er in Grusel- und Horrorfilmfan- und -kritikerkreisen genießt, immer noch sträflich unterschätzt ist. Price ist nämlich kein “guter Horrorschauspieler”, er ist einfach ein “verdammt guter Schauspieler Punkt”. Price nutzt diese Produktion zu einem Parforce-Ritt, einer mitreißenden Soloperformance, die unterstreicht, dass er noch einer ist, der das Schauspielhandwerk von der Pieke, und das heißt in dem Fall “auf der Bühne” gelernt hat. Price leidet, redet sich in Rage, tobt, lächelt bösartig, ist des Wahnsinns kesse Beute, dann wieder charmant-zurückhaltend, kurz, er absolviert in den gut 50 Minuten praktisch das komplette Spektrum der Gemütslagen, und dass, merket auf, ohne jemals in plumpes overacting zu verfallen (in manch anderem Film, gerade der ein oder anderen Corman-Poe-Adaption, ist auch Kollege Price gegen den overacting-Virus nicht gefeit). Das ist beeindruckend, das ist stellenweise atemberaubend. In einer gerechteren Welt wäre ein Schauspieler von der Klasse Vincent Prices nicht schon frühzeitig in seiner Karriere auf Horrorkintopp festgelegt worden, sondern hätte richtig GROSSE und bedeutsame Rollen angeboten bekommen – dann wäre er heute nicht mehr nur der gefeierte Genrespezialist, sondern auf dem Olymp der Schauspielgötter. Jedenfalls wird nach Betrachtung des Stücks schnell klar, warum Price ganz besonders verliebt in diese Poe-Adaption war – sie wird der schauspielerischen Güte des Akteurs gerecht, da sie sich voll auf ihn konzentriert und verlässt. Price kann sich in die Rollengestalten verbeißen und sie trotz des für Film ungewöhnlichen Stilmittels des Monologs mit Leben erfüllen – er ist einfach der optimale Interpret für Poes gestelztes, mit farbigen Metaphern durchsetztes Englisch (“ein Geräusch, als würde sein Herz in einem wattegefüllten Briefumschlag schlagen”) – er findet die richtigen Töne, die richtigen Nuancen, zurückhaltend-leise in der einen, exaltiert-expressiv in der nächsten Passage (man stelle ggf. William Shatner, dessen “dramatische Rezitationen” von Shakespeare-Monologen ja berüchtigt sind, in der Rolle vor… wuhaaa).

So, bis jetzt haben wir also ein werkgetreues Drehbuch (insofern man es “Drehbuch” nennen will, wenn man einfach die literarische Vorlage sklavisch übernimmt), einen blenden aufgelegten Akteur, dennoch könnte das ganze dem schon oben angesprochenen “abgefilmtes Theaterstück”-Syndrom unterfallen, doch da sei Kenneth Johnson, der sich damals noch am Anfang seiner Karriere befand und lediglich ein paar Folgen der Serie Adam 12 inszeniert hatte, davor. Es gelingt ihm nämlich, trotz der beschränkten Möglichkeiten das ganze Stück doch visuell interessant zu gestalten – und dies (mit Ausnahme der letzten Geschichte) ausschließlich über Kameraführung und Schnitt. Wer befürchtet, dass bei einem Fernsehspiel die Kamera statisch bleibt, wird erstaunt sein – Johnson lässt seine Kameramänner schon fast Schwerarbeit verrichten. Die Kamera ist fast immer in Bewegung, schwenkt um Price, wechselt zwischen Close-ups, Halbtotalen und Totalen, begibt sich in die Vogelperspektive, es fällt Johnson und seinen Kameraleuten fast immer noch eine Einstellung, noch ein Winkel ein, den man zuvor nicht erkundet hat. Lediglich die zweite Geschichte, “The Sphinx”, fällt in ihrer visuellen Gestaltung etwas ab, was aber auch nicht weiter schlimm ist, da es eben die “unbekannte” Geschichte ist – hier muss keine allgemein bekannte Story optisch aufgepeppt werden. In der Abschlussgeschichte “Grube und Pendel” erlaubt sich Johnson dann auch ein paar Tricks und Kniffe, die man bei einer Bühnenadaption nicht hinbekommen hätte – Rückprojektionseffekte und overimposed imagery, die der ganzen Story einen besonders surrealen Touch verleihen (hier und im “verräterischen Herz” ruft Price auch seine allerbesten Leistungen ab. “The Sphinx” bietet ihm nicht so viele Möglichkeiten und das “Amontillado-Fass” braucht ein vielleicht einen Tick zu lange, um auf Touren zu kommen – liegt aber auch an der Vorlage, die ich, wenn ich mal Reich-Ranicki spielen darf, nicht unbedingt für Poes beste Arbeit halte).

Ein großes Lob geht auch an den Art Director, der mit einfachen Mitteln schöne, hinsehenswerte Sets realisierte (das Budget des Films war bestimmt insignifikant) und an die Make-up-Abteilung, die es mühelos schafft, aus einem Charakterkopf wie Price vier deutlich verschiedene Figuren mit distinktiven Unterschieden, Typen, zu zaubern – Wahnsinniger, vornehmer Gentleman, rachedurstiger Bösewicht, verängstigter Gefangener. Hier ergänzen sich Make-up, Kostüme und darstellender Schauspieler auf kongeniale Weise. Ein effektiver Score von Les Baxter kommt hinzu.

Wie schon gesagt – An Evening of Edgar Allan Poe stellt sich als Flip-Side des MGM-Releases The Tomb of Ligeia erstmals in heimkinokompatibler Fassung vor. Technisch braucht man von der DVD-Umsetzung eines über dreißig Jahre alten Low-Budget-TV-Films keine Wunderdinge zu erwarten – schätzungsweise hat sich MG nicht mal die Mühe gemacht, das Quellmaterial großartig digital zu überarbeiten. Der Vollbild-Transfer weist ein deutliche Grundrauschen auf, ist alles andere als scharf (die Kantenübergänge sind arg fließend und auch ein solides Standbild bekommt man eher nicht hin), weist aber zumindest für die dunkleren Szenen ausreichend Kontrast auf. Gröbere Verunreinigungen und Bildstörungen sind nicht zu verzeichnen. Die Präsentation ist also nicht unbedingt auf neuestem technischen Standard, aber MGM sieht den Film wohl eher als kostenlose Zugabe zu Ligeia – als Stand-alone-Veröffentlichung wäre das allerdings kaum akzeptabel.

Der englische Ton liegt ausschließlich im originalen Mono-Format vor. Auch hier stellt sich ein leichtes, aber nie wirklich störendes Rauschen ein. Prices markante Stimme jedenfalls kommt ausreichend zur Geltung, die Musik hält sich, außer wenn’s dramaturgisch anders gefragt ist, im Hintergrund.

Extras gibt’s nicht, da der ganze Film ja streng genommen ein Bonus-Feature der Ligeia-Veröffentlichung darstellt. Immerhin bietet MGM englische, französische und spanische Untertitel.

An Evening of Edgar Allan Poe ist zweifellos die werkgetreueste Adaption, die Poes Werke bislang erlebt haben – im Umkehrschluss bedeutet das aber zwangsläufig, dass es nicht gerade die unterhaltsamste Poe-Verfilmung ist. Auch die literarischen Ergüsse Poes sind nicht gerade einfache Unterhaltungslektüre, die man mal eben zwischendurch konsumieren kann, und diese Fernsehfassung kommt dem Lese-Erlebnis Poe schon sehr nahe – kein Film, den man nebenher laufen lassen kann (er erfordert doch eine gewisse Konzentration und Aufmerksamkeit, für uns Nicht-Native-English-Speaker schon allein wegen des geschraubt-gedrechselten Sprachstils) , kein Film, der den Zuschauer vor nervenzerfetzender Spannung ins Kissen beißen lässt (außer vielleicht, man lässt den Fernseher ausgeschaltet und den Audio-Track als Hörspiel in absoluter Dunkelheit laufen – hm, das ist mal eine Idee…) und auch kein Film, den man unbedingt alle vierzehn Tage ansehen wird. Wenn man sich aber mit dem Literaten Poe als auch dem großen dramatischen Schauspieler Price ernsthaft beschäftigen will, kommt man an dieser Adaption aber überhaupt nicht vorbei – und selbst, wer nun nicht unbedingt ein Hardcore-Poe-Junkie ist, sondern einfach gerne einen wirklich begeisterten und begeisternden Schauspieler bei intensivster Arbeit erleben will, sollte sich diesen Film mindestens einmal ansehen. Price liefert hier vielleicht die beste Performance seines Lebens, um nicht zu sagen DIE Performance seines Lebens – und das ist schon allein ein filmhistorischer Meilenstein und Leckerbissen, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Nichts für den gepflegten Plüschgruselabend mit der Freundin im Arm, aber ungeheuer lohnenswert als Showcase für einen großartigen Akteur (den ich hiermit offiziell heilig spreche, was bestimmt schon aufgefallen ist). Die DVD-Umsetzung könnte deutlich besser sein, aber trotzdem ein Pauschaldank an MGM fürs Ausgraben einer weithin unbekannten Perle.

(c) 2005 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 1

BIER-Skala: 6


mm
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