AMERICAN RIKSCHA

 
  • Deutscher Titel: American Rikscha
  • Original-Titel: American Risciò
  • Alternative Titel: American Rickschaw | American Tiger | Riscio |
  • Regie: Sergio Martino
  • Land: Italien
  • Jahr: 1990
  • Darsteller:

    Mitchell Gaylord (Scott), Daniel Greene (Francis), Donald Pleasance (Reverend Mortom), Victoria Prouty (Joanna Simpson), Michi Kobi (Old Madame Luna), Roger Pretto (Lt. Morgan), Darin De Paul (Sgt. Preston), Judy Clayton (Sarah Mortom), Glenn Maska (Daniel), Regina Rodriguez (Young Madame Luna)


Vorwort

Student Scott jobbt, indem er vor eine Rikscha gespannt durch die Straßen joggt. Und er erledigt sehr gewissenhaft seine Transporttätigkeit, bei Tag und Nacht, bei Wind und Wetter. Ein Glück für die alte Madame Luna, die bei einem Wolkenbruch mit ihrer Muschi unter einem Baum festsitzt, die Arme. Die Muschi jubiliert geradezu, als Scott angehechelt kommt. Er bringt sie sicher und trocken nach Hause, Madame und Muschi sind sehr angetan. Denn als er am nächsten Tag von der Uni kommt, ist da glatt ein Dankesbrief im Kasten (hier muss man sich ja schon fragen, ob die Alte nun ’ne hilflose Ömsch oder eine notgeile Stalkerin ist). Er kommt aber nicht dazu, ihn zuende zu lesen, denn schon im Treppenhaus wird er von der geilen Frau des Nachbarn angesprungen (Scotty ist schon ein kleiner Muschi-Magnet), und der nett gemeinte Brief wahrscheinlich hochwichtigen Inhalts flattert durchs Fenster. Pech. Mitbewohner Daniel ist ob der Annäherungsversuche der Nymphomanin amüsiert, während Scott den Miesepeter gibt. Mathe ist nicht gut gelaufen, denn Daniel hat sich ein Bruch gebeint und so musste er dessen Schichten auch noch übernehmen (die Rikscha-Connection; aber glaubt ja nicht, dass der Film da irgendwie auch nur versucht, draus Kapital zu schlagen), für’s lernen blieb da nicht viel Zeit (aber immerhin ’ne Alte kennengelernt, höhö). Die Madame zieht sich derweilen den ekligen Prediger Mortom im Fernsehen rein, weder sie, noch ihre Muschi oder ihre Schlange (wo ’ne Muschi faucht, ist die Schlange nicht weit) scheinen groß Sympathien für den scheinheiligen Sprücheklopfer zu hegen. Da kann man sich ja auch nur einen reinpiepen. Inzwischen machen sich rattige Nager über das Schreiben her. Abends schiebt Scott wieder Schicht, als die hübsche Joanna, gerade dem Taxi entsprungen, durch die stehenden Rikschas und schließlich entschlossen auf unseren Helden der alten Omis im Regen zu steuert. Die Fahrt endet an Bord einer Yacht, wo die rothaarige Schönheit ihm zusätzlich zur monetären Entlohnung noch einen Happen fettfreier Fleischeslust anbietet. Auch wenn man sich an zwei Fingern abzählen kann, dass die Sache nicht koscher ist (selbst Tantchen Luna fühlt das daheim), sagt sich Scott wohl „Was soll’s?“ und beißt rein, ähm, an. Doch gerade entkleidet (ja, auch unser Rotschopf, hrrr) und gut bei der Sache (hier enthält uns der Film einiges vor, wie man später sieht, wenn Francis die gesicherten Bänder sichtet), raschelt etwas im bespiegelten Schrank, denn dort hockt der kamerajonglierende Jason. Der versucht dann sogar, unseren Zuchhengst von Helden noch zum weitermachen zu überreden, kassiert aber erstmal ordentlich Dresche, wobei ihm auch seine Kette verlustig geht. Joanna macht derweil ’nen Schuh. Und anderorts sieht die alte Asia-Olle schlimmes Unheil aufziehen. Scott schnappt sich das Tape aus der Kamera und dampft auch ab. Allerdings muss er feststellen, dass er die falsche Kassette erwischt hat (fragt mich nicht, wie er das geschafft hat; da ist nur eine Kamera). Also muss er sich nochmal auf die Socken machen (im Treppenhaus werden wir dann auch noch gewahr, dass er zudem der Freund aller Kinder ist) und kehrt zum Hafen zurück. Das innere der Yacht sieht inzwischen so aus, als wäre jemand mit dem Mähdrescher durchgedonnert, und Jason macht beim Totstellen einen auf Method Actor. Der Grund für das alles heißt Francis und sitzt draußen im Auto. Da er kein Fan von Zeugen ist, oder weil er denkt, dass Scott kalt sein könnte, zündet er das festgetäute Treibgut an. Aber unser Zugpferd kann sich mit einem Sprung ins kühle Nass vor dem Feuer und nervigen Fragen der Polizei retten. Und jetzt kommt’s knüppeldicke; Jason war der Sohn vom Reverent, ist aber bei Papi in Ungnade gefallen (nicht wegen der Spanner-Pornos) und Francis der verlängerte unchristliche Arm des Geistlichen. Scott wird jetzt vom Henschmän und alsbald auch der Polente gejagt, denn Joanna hat ihn, nicht ganz freiwillig, als Mörder Jasons angezeigert (was nicht heißen soll, dass er sie nicht doch noch auf die Matratze befördert). Mortom, das Ekelpaket im Hintergrund, ist nämlich hinter einem Stein her, den sein nichtsnutziger, notgeiler Narr von Sohn gestohlen und in einem Schließfach versteckt hat, dessen Schlüssel an seiner Kette war. Im weiteren Verlauf sucht Rikscha-Boy dann auch nochmal Luna auf, die ihn über die ganze Sache aufklärt, wobei sie ihm auch erzählt, was vor nicht allzu langer Zeit bei ihr im Bett abging (echt wahr!) und warum sie Mortom gerne zur Sau machen will…


Inhalt

Martino, der mit drei Kollegen am Drehbuch saß, vermengt hier einen recht belanglosen Krimi (unschuldiger Junge gerät durch Zufall in Mordkomplott und wird als Mörder gejagt; x-mal gesehen) mit eher grobschlächtigen Fantasy-Elementen (gute Zauberin gegen bösen Zauberer; ein Fluch; ein Zauber-Artefakt, der Stein, als ominöses McGuffin), die allerdings fürchterlich austauschbar erscheinen. Entscheidenden Einfluss auf den Verlauf der Story hat das ganze Fantasy-Gedöns nämlich nicht. Es sorgt dafür hin und wieder für gesteigerten Frohsinn, wenn sich Donald Pleasance bespw. mit den Haustierchen der Madame, also einer Katze und einer Schlange, balgt und sich dabei auf dem Boden rumwälzt. Ansonsten beschränkt sich der Film darauf, einige Bilder der chinesischen Hexe, wie sie besorgt dreinblickt, dazwischenzublenden, wenn Scott in Gefahr ist. Das kommt ziemlich dämlich rüber, aber für irgendeine Art von Effektarbeit (abgesehen von einer kruden Splatterszene, die einen die deutsche Fassung aber wohlweislich erspart) war wohl schlichtweg kein Geld über. Wie viele Italo-Streifen dieser Ära hat man es sich dafür nicht nehmen lassen, vor Ort in Miami zu drehen.
Lustig ist auch, dass man beim Handlungsverlauf Zufall zum Prinzip gemacht hat; Scott stolpert geradezu durch die ganze Geschichte, und das wird dann als Schicksal tituliert (von Geburt an!), um Plausibilität vorzutäuschen. Gut, tiefergehende Gedanken über den Sinn und Zweck der ganzen Chose sollte man sich bei solcher Art Film eh nicht machen, da bekommt man nur Kopfschmerzen. Aber das sorgt zumindest dafür, dass es immer flott vorangeht und man nicht an irgendeinen Plotpoint hängen bleibt, weil Klärungsbedarf bestehen würde (für mich das „Wir müssen reden“ des Storytellings). Mir soll’s recht sein.

Sergio Martino erfreute mich in letzter Zeit ja häufiger durch seine durch die Bank mehr als brauchbaren Gialli aus den 70ern („Your Vice Is A Locked Room & Only I Have The Key“, „Der Killer von Wien“), dem Western „Mannaja – Beil des Todes“ mit Maurizio Merli oder zumindest lustigen, einfallsreichen Trash („Insel der neuen Monster“, „Fireflash – Der Tag nach dem Ende“), aber das hier (obwohl auch eindeutig Trash) ist schon wieder eine ganz andere Nummer.
Martino ist ein alter Hase und Profi genug, dass selbst dieser fade Mix zumindest nicht langweilig wird. Das ganze ist fettfrei, will heißen, er bläht den Film nicht durch irgendwelche Füllszenen auf, und so sind die rund anderthalb Stunden schneller rum, als man denkt. Hohe Filmkunst ist es aber beileibe nicht. Aber gut, 1990 befand sich die italienische Film-Industrie bereits im Sink-, oder sogar schon Sturz-Flug, „American Rikscha“ zählt zu den Werken, bei denen ein letztes Aufbäumen erkennbar war, auch wenn es mich wirklich wundert, dass der tatsächlich noch im Kino lief. Größere Production Values als der durschschnittliche DtV-Actionkracher jener Zeit kann man ihm nämlich nicht bescheinigen.

Die Story steht und fällt natürlich mit ihrer (naiven) Hauptfigur Scott und Mitch Gaylord (nicht lachen, der heißt wirklich so!) ist eigentlich schon likeable, man kann einigermaßen mit ihm mitfiebern, obwohl es einem nicht immer leicht fällt. Als er dahintersteigt, dass er auf dem Boot gefilmt wird, konzentriert sich seine Wut nicht nur auf Jason, auch Joanna bekommt erst einmal ein rein, und sie hätte wohl auch noch die eine oder andere Faust mehr kassiert, wäre sie nicht stiften gegangen. Man merkt auch, dass Gaylord kein Martial Artist ist, er versteht sich eher aufs Rennen und Springen, seine Kampfszenen sind einfache Prügeleien.
Im wahren Leben war unser guter Mitch in den 80ern ein überaus erfolgreicher Turner, der das Team der USA bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles als Kapitain zu Gold führte. Auch im Einzelwettkampf konnte er ein paar Mal aufs Treppchen hüpfen (einmal Silber, zweimal Bronze; nicht schlecht, Herr Specht) und ist Erfinder des „Gaylord Flip“ (fragt mich jetzt nicht, was das ist). Seine Film-Karriere ist recht überschaubar: 1986 hatte er die Hauptrolle im Sport-Drama „American Anthem“, 1994 noch eine in dem Erotik-Thriller „Sexual Outlaws“. Dann war er noch das Stunt-Double für Chris O’Donnell in „Batman Forever“ und für die Akrobatik von Scorpion in „Mortal Kombat“ zuständig.

Donald Pleasance gibt sich als böser Fernsehprediger allen Ernstes richtig Mühe, um nicht wie der letzte Vollhonk rüberzukommen. Er ist sogar Profi genug, nicht in hysterisches Chargieren zu verfallen, wenn man ihm am Ende Grunzlaute in den Mund legt und ihn vollends zur Sau macht. Aber gut, Pleasance hat in seiner Karriere allerlei Unfug spielen müssen, und wenn er zu dieser Zeit nicht gerade von Carpenter (Fürsten der Finsternis) oder für den x-ten Teil von Halloween vor die Linse gezerrt wurde, war er auch gerne in italienischen Produktionen (Djangos Rückkehr, Der Commander, Nosferatu – Der Vampir von Venedig, Paganini Horror) zuhause.

Die Tänzerin und Prostituierte Joanna wird von Victoria Prouty verkörpert, die ansonsten nur noch für den Auftritt in einer Serienfolge kreditiert ist. Sie ist Scotts Love Interest und das Bindeglied zwischen der alten Chinesin und dem Prediger. Sie ist hübsch anzusehen (rothaarig, hrrr), obwohl spöttische Zeitgenossen wohl sagen würden, dass man sie vielleicht lieber füttern denn ficken sollte; okay, hier übertreibe ich jetzt ein bisschen, doch die Dame ist schon sehr schlank. Wie sie ihre Rolle bewerkstelligt, geht ganz in Ordnung, viel verkehrt machen kann sie eh nicht, denn das Drehbuch gönnt ihrer Figur noch nicht einmal den Anflug von Charaktertiefe.

Die zweite wirklich prägnante Figur von Francis, Henchman des Reverend Mortom, gibt Daniel Greene mit ordentlich Schmackes. Ihm sieht man in der Tat gerne zu, er hat auch die besten Lines. Er war in dieser Zeit des öfteren in Italo-Produktionen zu sehen, alleine viermal drehte er mit Martino, war sogar „Paco – Kampfmaschine des Todes“, für Enzo G. Castellari spielte er den „Special Agent Hammer“. Davor tingelte er durch die gängigen US-Serien („Das A-Team“, „Agentin mit Herz“, „Falcon Crest“, „Denver-Clan“ usw.), seine erste Hauptrolle hatte er im spanischen Aerobic-Film „Pulsaciones“. Ab Mitte der 90er ist er in vielen Produktionen der Farelly-Brüder in kleineren Rollen zu sehen („Kingpin“, „Ich, beide & Sie“, „Schwer verliebt“, „Unzertrennlich“ und in „Dumm und Dümmehr“ den Wheelchair Ninja, wtf?).

Michi Kobi spielt die alte Madame Luna, was ihr schauspielerisch nicht viel abverlangt. Einige Einstellungen sehen recht komisch aus (die erwähnten, eingestreuten besorgten Blicke), was aber nicht an ihr liegt, sondern der Montage. Die gebürtige Kalifornierin hatte in den 50er- und 60er-Jahren einige Auftritte als Klischee-Asiatin in Fernsehserien („Studio One“, „The Californians“) und einigen Filmen („12 to the Moon“, „Stoßtrupp Saipan“), ihre größte Rolle wohl als Co-Star im Drama „Tokyo After Dark“. Ihr jüngeres (attraktives) Ich verkörpert Regina Rodriguez (2013-15 Hairstylistin bei der Daily Soap „Schatten der Leidenschaft“; das nenn‘ ich Karriere).

Komponist Luciano Michelini arbeitete schon öfters mit Sergio Martino zusammen, lieferte z.B. den tollen Score zu „Suspected Death of a Minor“ von 1975 und die treibenden, funky Beats zu „Hetzjagd ohne Gnade“ im selben Jahr. Warum ich das erwähne? Weil ich kaum glauben kann, was er hier für immemorablen Einheitsbrei abliefert; langweilige, an die Cannon-Ninjafilme erinnernde, asiatisch angehauchte Synthie-Klänge bestimmen die Szenerie. Zumindest nervt’s nicht. Man merkt aber deutlich, dass man schon sehr auf Sparflamme kochte und ohne Risiko, finanziell wie künstlerisch, den Massenmarkt bedienen wollte.

Den Film gibt es (zumindest hierzulande) nicht auf DVD, die deutsche Fassung entbehrt zudem, wie erwähnt, der eigentlich einzigen blutigen Szene. Die VHS kam seinerzeit (schon recht schnell nach der Kinoauswertung) von New Vision, dann für die Supermärkte von Arcade (meine war anfangs noch ekelhaft am Leiern, dass ich einen Bandsalat befürchtete), und sollte noch hier und da auf dem Flohmarkt oder wo es sonst heute noch Videokassetten gibt (Second-Hand-Laden, Videobörsen, E-Bay) ohne Probleme erhältlich sein.
Kurios ist auch, dass die OFDB (und nur die) neben Martino auch noch Umberto Lenzi als Regisseur kreditiert hat. Ich konnte dazu nirgendwo etwas erhellendes recherchieren. Wer da mehr Infos zu hat, kann sie ja gerne in den Kommentaren parken, mich jedenfalls würde das schon interessieren.

Das Problem des Films ist in erster Linie nicht seine doofe Story, die eindimensionalen Charaktere oder die fehlenden Schauwerte (okay, natürlich auch), sondern dass es für geneigte Italophile nicht viel Substanz gibt, an der sich diese laben könnten. Der Film schielt zu sehr auf anspruchslose Videothekengänger (und nochmal: warum lief der überhaupt im Kino?). Dank der straighten Inszenierung Martinos, der Performance von Pleasance und Greene und der kruden Fantasy/Krimi-Mischung kann man sich schon einen verregneten Sonntag damit amüsanter gestalten. Allzu hohe Erwartungen sollte man aber nicht hegen, denn „American Rikscha“ ist keine vergessene B-Movie-Perle und auch kein Trashfest.


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 5


mm
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