Alexander der Große

 
  • Deutscher Titel: Alexander der Große
  • Original-Titel: Alexander the Great
  •  
  • Regie: Robert Rossen
  • Land: USA
  • Jahr: 1956
  • Darsteller:

    Richard Burton (Alexandrer), Fredric March (Phillip), Barry Jones (Aristoteles), Claire Bloom (Barsin), Peter Cushing (Memnon), Danielle Darrieux (Olympias), Teresa del Rio (Roxane), Gustavo Rojo (Cleistos)


Vorwort

4. Jahrhundert vor Christus – der Makedonierkönig Phillip ist damit beschäftigt, Griechenland zu erobern, was die alteingesessen Hellenen wenig amüisert, da sie die Phillip und sein Volk für Barbaren halten. Mitten in den schönsten Feldzug platzt die Kunde von der Geburt seines Sohnes, Alexander, dem seine Mutter Olympias gleich alle möglichen göttlichen Eigenschaften und Omen andichten lässt.

Zwanzig Jahre später hat Phillip die Griechen immer noch nicht komplett unter seiner Fuchtel, und die stetige Abwesenheit des Königs für die Kriegszüge schafft aus Phillips Sicht ein gefährliches Machtvakuum in der Heimat – überall wittert Phillip Verschwörungen, und mittendrin, so denkt er – nicht ganz verkehrt – steckt Olympias. Unter der Bedingung, dass er seine Mutter verbannt, macht er Alexander zum Regenten in der Heimat. Das macht Alexander, trotz Widerborstigkeit, was väterliche Anordnungen angeht, recht gut und baut persönlichen Ruhm durch Feldzüge gegen fiese Bergstämme auf. Ist Phillip nun auch wieder nicht recht, weil er für seinen Griechenland-Zug jeden verfügbaren Soldaten gut gebrauchen könnte. Dennoch ernennt er Alexander zu einem seiner Heerführer und nicht zuletzt dank ihm gewinnen die Makedonier die Entscheidungsschlacht gegen Athen und überlebt Phillip das Gemetzel überhaupt erst. Phillip überlässt daher Alexander die Friedensverhandlungen. Alexander gibt sich in Athen als großmütiger Sieger, aber seine Eigenmächtigkeiten – und eine gewisse Opposition gegen Phillips Pläne, Olympia auch formal-rechtlich in die Wüste zu schicken und eine hübsche junge Griechin zu heiraten – führen zu seiner Verbannung.

Die wird nach der Hochzeit zwar aufgehoben, dafür aber verbannt Phillip Alexanders beste Freunde, u.a. Pausanias, der sich dafür, gut zugeredet von Olympias, mit einem Schwertstreich in Phillips Plauze revanchiert. Alexander streckt den Königsmörder sogleich nieder und ist nun der uneingeschränkte Chef. Bis auf den athenischen General Memnon unterwerfen sich alle griechischen Stadtstaaten und verpflichten sich, Alexanders Feldzug gen Persien zu unterstützen.

Memnon läuft ins Lager des Perserkönig Dareios über, doch stoßen seine Ratschläge dort auf taube Ohren. Anstatt seine Politik verbrannter Erde durchzuführen, stellen sich die Perser gleich am Eingang ihres Reiches zur Schlacht – und werden fürchterlich aufgemischt. Alexander erobert die ehemaligen griechischen Städte an der asiatischen Küste, doch als zugesagte Hilfe aus Athen ausbleibt und Alexander feststellt, dass Athen im Geheimen mit Dareois kooperiert, ist sein Heer willens, das mit dem Erobern nun gut sein zu lassen und mit der Beute heimzufahren. Nicht aber mit Alexander…

Dareios fordert Alexander zur Schlacht vor Babylon und bekommt übel aufs Haupt geschlagen – so sehr, dass seine Heerführer den Perserkönig, um Alexander zu gefallen, töten. Alexander aber respektiert Dareios und seinen letzten Wunsch, die Blutlinien der Perser und Makedonier zu vereinen und auch dessen testamentarischen Vorschlag, seine Tochter Roxane zu ehelichen (obwohl Alexander eigentlich auf Barsin, die Ehefrau von Memnon, steht). Und obwohl sein Heer wieder auf dem Standpunkt steht, alles erreicht zu haben, was erreichbar ist, drängt es Alexander weiter nach Indien. Doch es rumort in seinem Umfeld – nicht jedem seiner Freunde und Kampfgefährten gefällt es, dass Alexander langsam, aber sicher, an die Mär von seiner Göttlichkeit glaubt…


Inhalt

Monumentale Historien-Epen aus den 50ern sind eigentlich ne ganz sichere Bank für solides und dabei GROSSES (im Sinne von Scope) klassisches Kinoentertainment. Und das Leben des legendären Alexander des Großen sollte eigentlich ein Selbstgänger für eine patente Verfilmung sein, andererseits – selbst ein Oliver Stone hat sich dran verhoben.

Im Jahre 1956 versuchte sich Robert Rossen an der Thematik. Rossen, eher ein Autor denn ein Regisseur („Haie der Großstadt“ ist vermutlich sein bekanntestes Werk als Filmemacher), hatte ordentliches Budget und einen allemal soliden Cast inklusive eines jungen Richard Burton für die Titelrolle zur Verfügung, aber so richtig erfolgreich war die Operation dann doch nicht.

Was natürlich erst mal daran liegt, dass seine Vertriebs- und Produktionspartner Rossens „Vision“ nicht unbedingt teilten. Der von Rossen auf drei Stunden plus Intermisison konzipierte Streifen wurde zum Kinostart auf 141 Minuten runtergeschnitten (worüber Rossen nicht glücklich war) und wir Teutonen hatten dann noch das besondere Glück, dass *unsere* Vertreiber meinten, wir könnten mit noch 34 Minuten weniger auskommen – selbst die aktuell erhältliche deutsche DVD-Fassung beschränkt sich auf diesen 107-Minuten-Rumpf-Cut, was eine faire Beurteilung des Rossen’schen Schaffens kaum möglich erscheinen lässt.

Ohne zu wissen, was schon auf dem amerikanischen Schneideraumboden liegen blieb und was erst von den bundesrepublikanischen bigwigs entfernt wurde, ist es eben nicht ganz leicht, die ganz offensichtlichen Drehbuchprobleme dem Writer/Director in die Schuhe zu schieben – gut möglich, dass all das, was ich exemplarisch an Plotholes, rätselhaften Zeit- und Ortssprüngen und nicht nachvollziehbaren Handlungselementen bekritteln könnte, von Rossen treu und brav gedreht wurde, aber eben von den höheren Mächten als überflüssig erachtet wurde.

In der hierzulande vorliegenden Fassung verplempern wir jedenfalls eindeutig zu viel Zeit mit dem „uninteressanten“ Part von Alexanders Biographie – seiner „Jugend“ in Makedonien. Um’s plakativ auszudrücken – bis Alexander König seines eigenen Heimatlandes ist, ist der Film schon über die Halbzeitmarke hinaus, was im Umkehrschluss bedeutet, dass für den wirklich *wichtigen* Teil, seine eigenen Eroberungen und die Erschaffung eines Weltreichs, relativ wenig Zeit übrig bleibt. Jaja, das, was wir in der ersten Hälfte erfahren, ist durchaus notwendig, um Alexanders Charakter, so wie Rossen ihn definiert (überwiegend als arroganten Schnösel, der, je mehr Erfolge er feiert, um so mehr von seiner Göttlichkeit überzeugt ist) zu verstehen, aber es nimmt zuviel Raum im Film ein – kann an den Kürzungen liegen, logisch, war dann aber eine taktisch falsche Entscheidung, denn dadurch wird der Persien-Feldzug eine Abfolge von mehr oder minder gut verknüpften Vignetten, in denen sich „cause and effect“ nicht immer schlüssig ergibt (warum Dareios z.B. auf dem Sterbebett zum Alex-Fan mutiert, obwohl er ihn vorher als törichten Knaben tituliert hat, bleibt völlig offen), und die einzelnen Eroberungen verkommen stellenweise zu bloßen Montagen, deren Wirkung begrenzt bleibt. Selbst die großen Schlachtenszenen wirken trotz beachtlichen Aufwands an Mensch und Material entweder unverständlich (weil niemand uns hilft, die Taktik zu verstehen) oder unbeeindruckend.

Was für das große Bild gilt, passt entsprechend leider auch für das „kleine“ – das Charaktergeflecht, das oft genug (ich wiederhole mich, in der vorliegenden deutschen Rumpffassung) behauptet wird, aber kaum durch entsprechende Szenen unterfüttert. Abgesehen von der Beziehung Alexander-Phillip wirkt keine Charakter-Interaktion glaubwürdig, weder was Alexanders Frauengeschichten angeht noch den angeblichen innigen Bund mit seinen Freunden und Gefährten. Zumal, oh Gott, jetzt meckere ich gleich an einem Schauspielgiganten rum, Richard Burton irgendwie fehlbesetzt wirkt.

Es gab schon zeitgenössisch das Echo, Burton sei zu alt für die Rolle (immerhin setzt der Film so richtig in Alexanders späten Teenagertagen ein und Burtons Gesicht ist auch mit 29 schon ein wenig gekerbt – Burton selbst mochte den fertigen Film auch überhaupt nicht und musste nicht zuletzt deswegen heftig überzeugt werden, in „Cleopatra“ die Mark-Anton-Rolle zu übernehmen), aber das ist noch nicht mal mein primäres Problem mit seiner Performance. Burton kriegt zwar das arrogante und gelegentlich jähzornige Aas ganz gut hin, aber nie den (historisch verbürgten) großen Motivator, dessen Charisma es überhaupt erst ermöglichte, dass sein Heer ihm trotz aller Widrigkeiten so lange folgte (und da der Film, wie schon gesagt, militärische Taktik für etwas hält, was den Zuschauer nicht zu interessieren hat, bleibt auch sein Ruf als genialer Stratege im Film rein behauptet. Immerhin, für den gordischen Knoten hat’s gereicht, den frühstückt der Film aber auch in gut 30 Sekunden ab).

Auch die anderen darstellerischen Leistungen sind nicht unbedingt umwefend – Fredric March („Dr. Jekyll & Mr. Hyde“) fährt als Alexanders grumpeliger Vater Phillip noch am besten, Claire Bloom (lesbische Sexbombe in „Bis das Blut gefriert“, „Kampf der Titanen“) und die mit dem Sonder-Credit „with the French Star“ gewürdige Danielle Darrieux (die selbst im Alter von 99 Jahren noch voice over-Jobs erledigte und mittlerweile auch ihren 100. gefeiert hat) bringen in den Rollen der Barsin bzw. Olympias die Leinwand nicht unbedingt zum Glühen. Barry Jones („Brigadoon“, „Krieg und Frieden“) hat einen kurzen, aber recht guten Auftritt als Alex‘ Lehrmeister Aristoteles, aber selbst Peter Cushing als Memnon kann nicht viel reißen. Dass viele tragende Nebenrollen von spanischen Akteuren übernommen wurden, die vielleicht ein bisschen von der Materie überfordert waren, kommt erschwerend hinzu (das gilt z.B. für Gustavo Rojo als Cleitos und Teresa del Rio als Roxane). Sein ordentliches Filmdebüt feiert Peter Wyngarde als königsmeuchelnder Pausanias.

Insgesamt eher mediokre schauspielerische Leistungen, ein ganz okayer Score von Mario Nascimbene (nicht auf dem Niveau seines „Wkinger“-Scores) – und ein insgesamt eher träger Regiestil von Rossen, der ganz ersichtlich als Regisseur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort war. Trotz des, wie erwähnt, ordentlichen betriebenen Aufwands, wird „Alexander“ nie wirklich episch, macht nie wirklich faßbar, welch unglaubliche Leistung Alexanders Feldzug war – wenn man das mit anderen Monumentalfilmen aus der Epoche vergleicht, von „Ben Hur“ bis „Der Untergang des römischen Reiches“, ist das einfach nicht die gleiche Liga. Charlton Heston, erste Wahl für die Titelrolle, kann sich beglückwünschen, die Rolle mit dem Vermerk „Alexander ist der einfachste Film, den man verhunzen kann“ abgelehnt zu haben.

Das Genre bietet wesentlich bessere, unterhaltsamere und wuchtigere Beiträge, also kann man sich diesen getrost sparen.

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 4


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