Air Rage

 
  • Deutscher Titel: Air Rage
  • Original-Titel: Air Rage
  •  
  • Regie: Fred Olen Ray
  • Land: USA
  • Jahr: 2001
  • Darsteller:

    Cyril O’Reilly (Colonel John Sykes), Kimberly Oja (Kelly), Ice-T (Matt Marshall), Alex Cord (General Prescott), Gil Gerard (Quinn), Glynn Turman (Bigelow), Mary Elizabeth McGlynn (Gwen), Steve Hytner (Morton), Barry Jenner (Pilot), Rick Cramer (Deadman), Shane Conrad (Cujo), Mark Hicks (Banzai), Mark Humphrey (Davis), Richard Anthony Crenna (Dalton), Don Dowe (Roberts), Jack McGee (Simpson), Chick Vennera (Fishman), WC (Ferris)


Vorwort

Marine zu sein ist nicht einfach – wegen einer lässlichen kleinen Sünde wie der kompletten Auslöschung eines Dorfes macht man Colonel John Sykes den Kriegsgerichtsprozess. Obwohl Sykes völlig überzeugt von sich, seinen Motiven und seinen Befehlen ist, lässt er sich zum Wohle seiner Männer auf einen Deal mit dem Richter ein. Gegen ein Schuldbekenntnis werden seine Leute ehrenhaft und mit vollen Bezügen entlassen und er selbst nur zu 10 Jahren Zivilknast anstatt lebenslang Militärgefängnis verurteilt. Glaubt er wenigstens… denn der vorsitzende Richter Prescott verarscht ihn, lässt ihn lebenslang einfahren und seine Jungs unehrenhaft und ohne Sold entlassen. Zum Glück hat Sykes vorgesorgt und lässt sich auf dem Weg in den Knast spektakulär befreien…

Einige Zeit später – Prescott ist mittlerweile zum Vorsitzenden des Geheimdienstkommittees befördert worden und in Sachen Anti-Terror-Konferenz unterwegs von DC nach LA. Unter die Passagiere haben sich aber auch Sykes und seine ihm Getreuen gemischt und kaum ist der Vogel in der Luft, übernehmen sie mit eingeschmuggelten Waffen die Kontrolle. Ein 100-Millionen-Dollar-Lösegeld hätte Sykes gern für die Aushändigung von Flugzeug nebst Passagieren in weiterverwendbarem Zustand. Die NSA schaltet sich ein. Mit einer speziell umgebauten SR-71 soll ein Einsatzteam an Bord des Jumbos geschleust werden, angeführt von Matt Marshall. Aufgrund fortgeschrittener Inkompetenz wird die Rettungstruppe schnell aufgerieben, nur Marshall überlebt schwer verletzt. Notgedrungen muss Marshall mit Kelly, einer Flugbegleiterin, die von den Terroristen schlichtweg übersehen wurde und die bereits einen der bösen Jungs endgültig aus dem Verkehr gezogen hat, zusammenarbeiten. Die Zeit drängt, denn der NSA ist klar, dass es Sykes nicht wirklich auf die Kohle abgesehen hat. Prescott hat eine CD mit den Namen, Fotos und Einsatzgebieten aller verdeckt arbeitenden Geheimagenten dabei und wenn Sykes die in die Finger kommt, sieht’s duster aus für die Terror-Bekämpfung. Gelingt es Marshall und Kelly nicht, Sykes und seine Spießgesellen auszuschalten, wird die NSA die Maschine abschießen lassen…


Inhalt

Fred Olen Ray. Normalerweise wären diese drei kurzen Worte für sich alleine Anlass genug für mich, das GROSSE Notizbuch rauszuholen und 20 Seiten Dummfug für ein Langreview zu notieren. Aber die Zeit (und etliche gesehene Filme) haben mich gelehrt, dass Freddies Auftragsarbeiten für seinen alten Kumpel Jimbo Wynorski eigentlich nicht das geeignete Vehikel für ausschweifende Artikel sind. Wo Nu Image mit Krempel wie Direct Action in der Regionalliga des DTV-Actionschotters spielt, sind die Phoenician-Entertainment-Machwerke dann doch eher in der Verbandsliga angesiedelt und nicht unbedingt von der relaxten Spaßigkeit Rays selbstproduzierter Genre-Beiträge wie Evil Toons oder Hollywood Chainsaw Hookers.

„Air Rage“ stammt aus einer Phase, in der Jim Wynorski offensichtlich grad günstig an einen größeren Posten Flugzeug-Stock-Footage herangekommen war und seinen Buddy beauftragte, da doch den ein oder anderen Film draus zu stricken. Es wurden insgesamt drei, dieser hier, „Submerged“ und „Mach 2“ (beide seit ewigen Zeiten auch hier in der Pipe). Da geht natürlich was für den gewieften C-Film-Produzenten und -Regisseur: eine einigermaßen flotte Geschichte, die billig zu filmen ist und die man mit der Stock Footage auf GROSSES KINO aufblasen kann, dazu noch ein bissl stunt casting in Form von „Buck Rogers“ Gil Gerard, „Airwolf“-Arkangel Alex Cord und dem eh ständig für Wynorski beschäftigten Ice-T, da wird schon was dabei rauskommen, was man ohne zu sehr schameszuerröten in die DVD-Regale bei Blockbuster stapeln kann.

Da stellt sich dann eigentlich nur noch die Frage, welches Blockbuster-Motiv man abzurippen gedachte, denn das Wynorski und/oder Ray an einen Film dieser Machart eine originale, eigenständige Idee verschwenden würden, glaubt nur der, der auch an den Weihnachtsmann, den Osterhasen und einen ehrlichen Rechtsanwalt glaubt. Die Antwort lautet, wie sich obiger Inhaltsangabe unschwer entnehmen lässt, „Einsame Entscheidung“ garniert mit „Turbulence“ und, nahezu unvermeidlich, das gute alte „Flug in Gefahr“-ungelernte-Person-muss-den-Flieger-letztlich-landen-Finale. Es sind nun nicht die allerschlechtesten Vorbilder, denen man nacheifern kann („Einsame Entscheidung“ war kein Burner vor dem Herrn, aber ein passabler Actionfilm mit prophetischen Anklängen, „Turbulence“ ein netter kleiner Reißer, getragen von einem hübsch psychopathischen Ray Liotta, den man auch gut wegkucken konnte; naja, und „Flug in Gefahr“… seit „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“ kann man das eigentlich nicht mehr bringen, aber das hat noch keinen dran gehindert). Das Script erdachte Sean O’Bannon, Phoenicians Leib- und Magen-Hausautor, und der ratterte ein Drehbuch runter, das mit „by the numbers“ wohlwollend beschrieben ist, aber flott genug ist, um einen rasanten Film zu ergeben. Fraglos einen, über den man keine Sekunde lang nachdenken sollte, denn etliche Doofheiten werfen ihre Schatten voraus – ich denke nicht, dass es auch vor 9/11 gelingen konnte, Schusswaffen in zerlegtem Zustand (oder im normalen Gepäck) an Bord eines Flugzeugs zu schmuggeln (zumindest nicht in dem Ausmaß), ich bezweifle stark, dass man ins Gepäckabteil eines Jumbos alle Passagiere stopfen kann (gut, mehr als vielleicht 20 Leute sehen wir nicht, aber ich glaube kaum, dass eine Airline auf einem so wenig frequentierten Inlandsflug dann ’ne 747 einsetzen würde), dass eine 747gerade mal mit DREI Flugbegleitern auskommt, kommt mir auch eher iberisch vor, und im Showdown, naja, da lassen wir dann mal eben kurz sämtliche Gesätze der Ratio (und der Physik) außen vor und lassen (SPOILER) den main bad guy minutenlang mit Fingerspitzen an der geöffneten Flugzeugtüre hängen, ehe Kelly ihm mit einer Kaffeekanne (ungesichert in der Tür stehend) auf die Finger klopft, bis er los lässt. Bis dahin war ich eigentlich bereit, dem Film seine groben, aber nicht extrem *dämlichen* Schwachheiten zu verzeihen, aber an der Stelle kam mir dann doch das kalte Grausen. Aber ein Fred-Olen-Ray-Film ganz ohne Insanity… das wär‘ ja auch nix (immerhin wird angesprochen, warum Schießereien an Bord problemlos möglich sein sollen – Sykes Truppe benutzt Hohlmantelgeschosse, und die tun angeblich dem Flugzeug nix. Kann ich, da kein Waffentechniker, nicht bestätigen, aber auch nicht auf Anhieb ins Reich des höheren Blödsinns verweisen). Nervig ist höchstens noch der aus dem Hut gezauberte letzte Komplize der Terroristen im Finale und die Tatsache, dass das Kommandoteam den ursprünglich verfolgten Plan, die ganze Meute an Bord des Flugzeugs per Schlafgas lahmzulegen, von einer Sekunde auf die nächste ohne rationelle Begründung fallen lässt, ersichtlich nur, weil dem Drehbuchautoren aufging, dass er dann nur einen halben Film hätte. Faktische Fehler wie F-15-Abfangjäger, die in Wirklichkeit F-16s sind, oder technische Ungenauigkeiten im Jumbo-Cockpit will ich nicht wirklich ernsthaft kritisieren – wir reden von friggin‘ Phoenician.

Die Motivation des Schurken ist etwas wirr geraten – anfänglich sieht’s so aus, als würde er, ähnlich wie Ed Harris in „The Rock“, vermeintliches Unrecht, das an ihm und den Seinen begangen wurde, rächen wollen, dann schiebt er monetäre Interessen vor und schließlich outet er sich als Terrorist um des Terrors Willen (nach seinem genialen Masterplan soll das nämlich so aussehen, dass alle enttarnten Agenten sich zurückziehen und/oder verstecken müssten, und bis die Geheimdienste genügend neue Agenten nachgezüchtet haben, hat dann der internationale Terrorismus freie Bahn. Ich weiß nicht ganz, wie sich das mit seinem oft und gern gemachten Punkt „Wiederherstellung der eigenen Ehre“ verträgt, aber er wird schon wissen, was er macht). Kelly ist der Lauren-Holly-Ersatz (sogar optisch), das schwache Frauchen, das über sich hinaus wächst und den Tag retten muss, Matt Marshall, der eh erst zur Filmhalbzeit ins Spiel gebracht wird, so was wie Kurt Russell und Steven Seagal (aus „Einsame Entscheidung“) rolled in one. Dazu noch ein paar Klischee-Nebenfiguren wie Quinn und Prescott, ein einziger „featured passenger“ (eine diplomierte Arschloch-Nervensäge, die jedem auf den Nerv fällt, aber leider von niemandem erschossen wird), und fertig – mehr braucht man dann nicht, um 90 Minuten mit ein paar shoot-outs zu füllen.

Erstaunlicherweise beinhaltet „Air Rage“ weniger spektakuläre stock footage, als man hätte erwarten können – für eine Traum-/Flashbacksequenz gleich zu Beginn hat man aus irgendeinem Wüsten-Action-Film mächtigen Budenzauber entlehnt, die Boeing 747 ohne Airline-Bemalung (also im Werkzustand und daher vermutlich aus einem Boeing-Werbefilm, und bekannt aus zahlreichen anderen Wynorski-Kloppern) verdient zwar eigenen Darsteller-Credit, macht aber nicht wirklich irgendetwas hochgradig kinematisches, und wenn die Maschine mit der SR-71 und den Abfangjägern interagiert (die ansonsten auch von stock footage gemimt werden), bedient man sich sogar primitiver CGI. Aber es bleibt festzuhalten – bis auf die erwähnte Auftaktsequenz – und vermutlich den Stunt anlässlich Sykes‘ Befreiung – ist die „Action“ komplett *für* „Air Rage“ entstanden und nicht der Film um ein paar anderswo eingekaufte Action-Sequenzen gestrickt worden. Schon eine wohltuende Ausnahme im Phoenician-Ouevre.

Da praktisch der komplette Film (mit Ausnahme einiger Szenen, in denen Gil Gerard als NSA-Mann bei der Flugüberwachung einen auf wichtig macht; also so ’ne klassische Lance-Henriksen-Gedächtnis-B-Film-Rolle) im Flugzeug spielt, ist die Action auf das eben in einem solchen Setting mögliche limitiert. Ray treibt den Film aber in ansehnlichem Tempo voran, lässt kaum Langeweile aufkommen und profitiert von gelegentlich ganz witzigen Dialogen, die sich O’Bannon hat einfallen lassen. Technisch darf man natürlich keine großartigen Kniffe erwarten, das ist alles zweckmäßig-simpel gestaltet, Kameraführung (besorgt vom schwedischen Low-Budget-Veteran Mac Ahlberg, der u.a. Re-Animator fotografierte) und Schnitt reißen keine Bäume aus, dito die bewährte (aber offensichtlich nicht ursächlich für diesen Film entstandene) Musik der Gebrüder Wurst (es wird jedenfalls kein Komponist, sondern nur ein „music supervisor“ kreditiert, was dafür spricht, dass die Themes aus Phoenicians Fundus an Wurst-Werken zusammengestellt wurden). Einziges ernsthaftes dramaturgisches Problem ist der angetackerte Epilog um die „dramatische“ Landung des Flieger, die nach dem üblichen „ahnungslose-Stewardess-wird-per-Funk-eingewiesen“-Modus funktioniert. Da können die Darsteller noch so sehr schwitzen und verzweifelt tun, wenn Ray nichts anderes zur Verfügung hat als Footage eine stinknormal, problemlos landenden Jumbo Jets, kann da einfach keine Dramatik aufkommen; es verlängert den Film nur um 10 Minuten – es wäre für den Film besser gewesen, hätte O’Bannon den Piloten überleben lassen und den Vogel ganz regulär gelandet.

Härtetechnisch spielt sich das Ganze auf mühelos FSK-16-kompatiblem Terrain ab. Es wird fleißig gestorben, aber nicht graphisch, ein paar blood squibs und gut ist.

Die Darsteller sind für die Handelsklasse Film ganz in Ordnung. Ice-T spielt sein übliches Film-Selbst passabel (er darf auch mal wieder den wirklich Guten spielen, wobei ich fast schon damit gerechnet hätte, dass er die Seiten wechselt) und lispelt in der Originalfassung wieder von Herzen (es ist mir echt ein Rätsel, wie der Mann zum megaerfolgreichen Rapper wurde). Kimberly Oja („O.C. California“) müht sich um eine Lauren-Holly-Imitation und just can’t pull it off, nett anzusehen, aber wahrlich keine große Mimin. Cyril O’Reilly (Carnosaurus 3, „Bloodfist VII“, „T.N.T.“) bietet eine erträgliche Version des durchgeknallten Schurken, der grad eben so noch halbwegs glaubhaft bleibt und nicht zum Cartoon-Bösewicht wird. Seinen Chef-Henchman spielt Mark Humphrey („Paradise Falls“), als Pilot stellt sich Barry Jenner („Alle unter einem Dach“, „Star Trek: Deep Space Nine“) vor (und hat sprichwörtlich nichts zu tun), den nervigen Passagier Morton verkörpert Steve Hytner („Drei Engel für Charlie: Volle Power“, „EuroTrip“) angemessen verprügelungswürdig, die weiteren wichtigen Nebenrollen füllen Glynn Turman (Sahara, „The Wire“) als Flugaufsichtsbeamter, Jack McGee („Lethal Weapon 2“, „Backdraft“, „Space Rangers“, „NYPD Blue“), der (für Teutonen unglücklich benannte) Gangsterrapper WC als einer von Sykes Leuten, Richard Anthony Crenna (der Sohn von Richard Crenna sr., den wir aus den grandiosen Italo-Tierhorrorepen Killer Crocodile und Killer Crocodile II bestens kennen), und natürlich die Gaststars Alex Cord, der als Prescott eine gute, seriöse Leistung hinlegt, und der enorm in die Breite gegangene Gil Gerard. Ich bin etwas überrascht, dass Ray nicht wie üblich einige Mitglieder seiner stock company in kleinen Rollen untergebracht hat (Richard Gabai, Jay Richardson oder Peter Spellos räumen ja gerne mal einen Part ab), nur Don Dowe (Evil Toons) taucht an bekannten Ray-Gesichtern auf.

Bildqualität: Starmedia legt den Streifen in feinem 1.85:1-Widescreen (anamorph) vor – in den USA kümmert sich Paramount um den Vertrieb von Phoenician-Ware, also ist qualitativ Major-Standard gewährleistet. Gute Schärfe- und Kontrastwerte, passable Kompression, keine Defekte oder Verschmutzungen.

Tonqualität: 5 (!) Tonspuren sind beinahe Overkill für einen Film aus der C-Minus-Handelsklasse: Deutschen Ton gibt’s in Dolby Digital 2.0, 5.1 und dts, englischen O-Ton in Dolby 5.1 und 2.0. Deutsche Untertitel werden mitgeliefert. Der O-Ton ist gut ausgefallen, klar verständlich, angenehm abgemischt. Die deutsche Synchro scheint, stichprobenmäßig, auch nicht großartig abzufallen.

Extras: Trailer, Trailershow und Filmografien. Angemerkt werden muss noch ein extrem nerviges Menü, dass einem ungelogen erst mal eine Minute Highlights aus dem Film vorspielt, ehe man irgendwas auswählen kann. Mag ich bei GROSSEN Releases nicht, bei B-Filmen, die eh nicht so viele „money shots“ haben, schon gar nicht.

Fazit: Für einen Film von Phoenician Entertainment ist „Air Rage“ gar nicht so schlecht – wir werden nicht mit stock footage erschlagen, die wir schon aus anderen und besseren großen Filmen kennen, dafür halt nur mit einem abgegriffenen Plot, den Fred Olen Ray handwerklich solide herunterfilmt. Man muss zweifellos ein Fan von billiger B-Action sein, um dieser Sorte Film Unterhaltungswert abzugewinnen, aber ich zumindest kann das durchaus, vor allem, wenn Ray und Wynorski sich nicht mehr vornehmen, als sie in der Lage sind, umzusetzen; in seinem bescheidenen Rahmen funktioniert „Air Rage“ weitestgehend, die meisten von ihm begangenen Dummheiten unterlaufen auch großen Major-Filmen. Ein wirklicher Schwachpunkt ist nur das absolut undramatische Finale – da hätte auch Fred und Jim auffallen müssen, dass das *so* einfach gar nicht geht. Abgesehen davon ein knappes thumbs up, das haben die Jungs schon wesentlich übler, sprich langweiliger, hinbekommen.

3/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments