Agent 3S3 setzt alles auf eine Karte

 
  • Deutscher Titel: Agent 3S3 setzt alles auf eine Karte
  • Original-Titel: Omicidio per appuntamento
  • Alternative Titel: Rantevou me ton dolofono | Si muore una sola volta | Rendez-vous met de dood | Date for a Murder |
  • Regie: Mino Guerrini
  • Land: Italien
  • Jahr: 1967
  • Darsteller:

    George Ardisson (Walter Ross aka Agent 3S3)
    Halina Zalewska (Fidelia Forrester)
    Günther Stoll (Commissario Silvio Giunta)
    Hans von Borsody (Dwight Dempsey)
    Luciano Rossi (Massimo Tucci)
    Peter Martell (Mechaniker)


Vorwort

Und hier haben wir mal einen besonders ausgefuchsten Vertreter der bundesdeutschen Titelschmiede. Da man in den vorangegangen Jahren beim Gloria Filmverleih mit den beiden Abenteuern des Agenten 3S3 mit George Ardisson in der Titelrolle gute Erfahrungen gemacht hatte, schickte man ihn glatt in die Verlängerung und benannte den nächsten Film mit Signore Ardisson einfach um. Und man muss schon sagen, es fällt doch einigermaßen auf, dass Agent 3S3 aka Walter Ross in seinem neuesten Abenteuer gänzlich privat unterwegs ist, folglich auch nicht um die Welt jettet, um der Bedrohung durch fiese Diktatoren oder den Kommunismus Herr zu werden.

Wenn es nach der deutschen Fassung dieses Films (der eben nicht einmal ein richtiges Agentenabenteuer darstellt) geht, ist der abgebrühte Spezialagent gerade in Italien auf Urlaub, wo er seinen alten Studienkameraden Dwight Dempsey (Hans von Borsody) trifft. Der ist am Stiefel, um in Rom zu heiraten und würde natürlich auch gerne ein wenig Zeit mit Walter (der erstaunlich auskünftig mit seinem Job bei der CIA umgeht) verbringen. Allerdings will er seine Verlobte auch nicht warten lassen und fährt, zwei norwegische Touristinnen im Gepäck schon mal vor, und bleibt von da an verschwunden. Unser Held darf, wie es das Genre nunmal verlangt, einfach keinen ruhigen Urlaub verleben, zumal sich auch noch sein Boss meldet, dass er sich für ein kleines Zubrot auch gerne als Aufpasser fürs Töchterchen verdingen darf, die gerade nach Rom reist. Dort angekommen erfährt er davon, dass das Auto des Freundes beleicht und ausgebrannt aufgefunden wurde. Fidelia (Halina Zalewska), das Töchterchen vom Chef, erweist sich als verzogene, eigenwillige Göre, der Walter aber kurz mal die kalte Schulter zeigt und sie so auch gleich in sein Hotelbett buchsiert. Außerdem machen sie unnette Bekanntschaft mit zwei Killern, die der Agent aber gerade noch so entleben kann, was allerdings den skeptischen Kommissar Silvio (Gunther Stoll) auf den Plan ruft, der den Beschützer des fickbaren Geheimdienstchefnachwuchses sogleich als potenten, ähm, potenziellen Verdächtigen für Mord abspeichert. Cheftochter, toter Freund, gedungene Mörder – irgendetwas stimmt doch da nicht, so denkt sich unser Held und ermittelt…


Inhalt

Ja, unsere liebe deutsche Titelschmiede! Ohne die Kreativität hiesiger Verleiher wären wir um populäre langlebige Reihen wie KARATE TIGER, BORN TO FIGHT oder GHOSTHOUSE ärmer, von den südostasiatischen Ninjafilmen oder den ganzen DJANGOs mal ganz zu schweigen. Ohne sie wären die Regale der Videotheken nicht halb so schön anzuschauen und wir Kunden in deren Räumlichkeiten wohl öfter mit der langwierigen Suche nach adäquaten Freitag-Abend-Futter konfrontiert gewesen. Oder unsere Eltern noch bei der Frage, was man sich denn im Kino anschauen sollte. Bei AGENT 3S3 SETZT ALLES AUF EINE KARTE musste sich der Gloria Filmverleih allerdings ein wenig mehr Mühe, neben Titel und Rollenname wollte man bei einem Agentenfilm zumindest eine minimale Anlehnung an die vermeintlichen Vorgänger haben und so baut man in einen frühen Dialog ein Wortspiel mit ein, in dem Walter Ross davon erzählt, bei seinem letzten Auftrag „mit Moskau gepokert zu haben“, was auf den Titel des vorigen Agentenabenteuers verweist. Im Original heißt der Charakter übrigens Dreyser, ist ein hochdekorierter amerikanischer Gesetzeshüter im Italien-Urlaub. Da der gute Mann aber schon im Vorspann einen eher extravaganten Frühsport ausübt, er weicht Kugeln einer automatisch abgefeuerten Pistole aus, passt ihm der Anzug des Geheimdienstmitarbeiters aber tatsächlich um einiges besser. Und ob das nun Irving Dreyser oder Walter Ross ist, spielt für die Story an sich eigentlich überhaupt keine Rolle. Denn der Thriller, der zeitweise gialloeske Züge offenbart, kann auch von sich aus schon getrost mehr dem Eurospy- denn Crime-Genre zugeordnet werden, ist der alte Kumpan, der verlustig geht, nämlich ein Biochemiker. Aber genug dieser lustigen Hintergründe, kommen wir zum Film an sich.

Es handelt sich hierbei um die Verfilmung eines Buches von Pulp-Autor Frano Enna aka Francesco Cannarozzo, den man auch den „italienischen Simenon“ nannte. Er lieferte auch die Vorlage zu DIE DIAMANTENPUPPE (1973) und schrieb das Drehbuch zu Umberto Lenzis Gangster-Epos GANG WAR IN MILAN (1973). Am Script zu AGENT 3S3 SETZT ALLES AUF EINE KARTE bzw. im Original OMICIDIO PER APPUNTAMENTO schrieben Regisseur Mino Guerinni und Fernando Di Leo. Während Guerinni schon Expertise im Eurospy-Genre besaß kam Di Leo vom Western, sollte sich aber zu einen der herausragensten Regisseure im Eurocrime-Business entwickeln (MILANO KALIBER 9, DER EISENFRESSER, DER TEUFEL FÜHRT REGIE). Das Dialogbuch für die mehr oder weniger grunderneuerte deutsche Fassung schrieb Theo Maria Werner, ein Routinier auf dem Gebiet der Euro-Produktionen, der auch einige Kino-Abenteuer der KOMMISSAR X-Reihe schrieb. Die IMDb schreibt auch von einer deutschen Beteiligung an der Produktion, tatsächlich tippe ich auf eine deutsche und eine österreichische Partnerschaft, da der Duisburger Günther Stoll und der Wiener Hans von Borsody in tragenden Rollen zu sehen sind und der Film zur ungefähr selben Zeit in allen drei Ländern startete.

Da die Produktion wohl eher schmalbrüstig budgetiert war, verzichtet die Story darauf, den Helden einmal quer durch Europa zu hetzen. Aber auch schon Guerrinis vorheriger Film SICARIO 77 – DAS GEHEIMNIS DER TODESSTRAHLEN kam ohne dieses ansonsten so beliebte Länderhopping aus. Und wie schon dort steht der Held vor gleich mehreren, unabhängig zu klärenden Fragen – in diesem Fall zum einen, was mit dem alten Freund passiert ist und wer dem Töchterlein des Chefs nun ans Leder will. Die abwechselnd betriebenen Ermittlungen führen, und da nehme ich dem findigen Eurospy-Fan sicherlich nichts Wesentliches voraus, zu nur einem Ergebnis, beide Fälle haben natürlich mittelbar miteinander zu tun. Sowieso ist das Rätsel keines, was dem geschulten Krimi-Fan großes Kopfzerbrechen bereiten würde. Aber wie heißt es so schön? Der Weg ist das Ziel, und AGENT 3S3 SETZT ALLES AUF EINE KARTE kann hier durchaus schon durch das Tempo (was auch an der deutschen Fassung liegen mag, die um mehr als 10 Minuten Handlung erleichtert wurde) bei Laune halten, dass die Entwicklung der Ereignisse an den Tag legen, wenn Walter Ross erst einmal in Rom angekommen ist. Denn die Tochter, die Killer und der Kommissar lassen ihn kaum eine Minute auch nur an seinen Urlaub denken. Schön ist aber, dass Guerrini und Di Leo ihrem Helden, trotz des eher kurz geratenen Falls, hier richtige Ermittlungsarbeit zutrauen, die Erkenntnisse fliegen ihm, wie es bei vielen anderen billigen Genre-Vertretern der Fall ist, nicht einfach so zu.

Allgemein hat man, bei dem, was der Film aufbietet, kaum Anlass zum Meckern, die Action, die zum Teil auf den Häuserdächern über der Ewigen Stadt stattfindet und auch rasante Verfolgungsjagden beinhaltet, ist kompetent in Szene gesetzt, wenn auch wenig spektakulär. Die Frequenz ist, zumindest in der deutschen Fassung, recht hoch. Zudem sieht der Film unverschämt gut aus. Guerrini und sein Kinematograf Franco Delli Colli (LAST MAN ON EARTH, DER TOD TRÄGT SCHWARZES LEDER, ZEDER – DENN TOTE KEHREN WIEDER) wissen jeden Szenerie ins rechte Licht zu rücken und starten meist mit einer erbaulischen Totale, die jedes Setting vorstellt, bevor dann die Handlung einsetzt. Das verschafft sehr schöne Anblicke über die schon erwähnten Gipfel der Stadt, aber auch kleiner Plätze in verwinkelten Seitengasse oder der Fleischfabrik, die den Hintergrund für das Grande Finale bildet. Bei den Actionfilmen befindet sich zudem auch die Kamera immer in Bewegung, kurz vor Ende gibt es eine tolle Schießerei auf einem Dach, bei der die Kamera immer dicht hinter den Kontrahenten bleibt. Außerdem offeriert AGENT 3S3 SETZT ALLES AUF EINE KARTE auch noch einen Kampf des Agenten mit einem ziegenbärtigen Mann in einem motorisierten Rollstuhl, sehr cool. Abgerundet wird das positive Bild durch ein Auge für Details am Rande, die immer mal wieder hervorgehoben werden, wenn die Kamera sich bewegt; seien es Hunde im Zwinger, Eltern, die ihren Kindern auf die Straße hinterherlaufen oder anrückende Einsatzfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr, alles wirkt immer sehr lebendig, man wird gut ins Geschehen gezogen, ist immer mittendrin dabei. Untermalt wird dies mit einem für Eurospy-Produktionen typischen, aber passenden Jazz-Score.

George Ardisson (1931-2014) kann in der Rolle des Agenten überzeugen, wohl eine seiner leichtesten Übungen, bringt er doch das typische (weil etwas amerikanisch wirkende) Aussehen mit ein, welches ihm alleine wohl schon allerlei Anstellung im italienischen Kintopp der 60er, gerne auch in Sandalenfilmen und Western, also alles, was man auch international vermarkten konnte, einbrachte. Er besaß auch die Physis, um in Actionszenen glaubhaft zu agieren, und kannte in seinem Schauspiel genug Zurückhaltung, dass die Kamera auch mal auf seinem nachdenklichen Gesicht verweilen kann, ohne dass es komisch oder peinlich wirkt. Die bereits erwähnten Günther Stoll und Hans von Borsody hinterlassen einen eher zwiespältigen Eindruck. Während ersterer als grantelnder Ermittler eine wichtige Rolle spielt, mir aber immer ein bisschen zu hölzern wirkt, wird letzterer natürlich sehr schnell aus dem Spiel genommen, was schon ein wenig schade ist, da von Borsody durchaus Charisma hat. Halina Zalwska muss nur gut aussehen und ein wenig rumzicken, das klappt. Außerdem sorgt sie noch für den Running Gag des Films: In wirklich jeder Szene, egal ob dies Sinn ergibt oder nicht, trägt sie ein neues Outfit inklusiver neuer Frisur auf, ähnlich wie schon Kollegin Leonora Ruffo in RAUMKREUZER HYDRA – DUELL IM ALL (1966). Das allein sorgt schon alle paar Minuten für einen zuverlässigen Schmunzler. Nebenher schauen noch Peter Martell als Mechaniker und Luciano Rossi als Junkie vorbei.

In Deutschland ist AGENT 3S3 SETZT ALLES AUF EINE KARTE in dieser bereits erwähnten eigens zurecht gestutzten Fassung auf VHS von Toppic und Top Video erschienen. Ich besitze letztere und die Bildqualität des Prints ist nicht wirklich berauschend, da das Bildformat sichtlich beschnitten, aber zumindest nicht auf Vollbild gezoomt wurde, und der Bildstand leider ein wenig quer liegt. Es wird hier und da auch mal eine DVD von ZYX Music zum Kauf angeboten, wahrscheinlich ein Bootleg; ich weiß aber nicht, ob dort einfach nur die VHS digitalisiert wurde oder eine Aufzeichnung der letzten Ausstrahlung im MDR als Quelle diente. Hin und wieder kommt es ja sogar vor, dass eine alte Kinorolle zum Abtasten herangezogen wird, aber da kann man nur spekulieren, solange diese DVD nicht vorliegt. Außerdem findet sich der Film auf Amazon Prime, wo man ihn kaufen oder leihen kann. Über die Qualität derer Fassung kann ich nichts sagen. Eine zeitgemäße Veröffentlichung des Films, ob nun auf Blu-ray oder DVD, würde ich aber durchaus begrüße, aber wer weiß schon, ob dazu überhaupt noch passendes Ausgangsmaterial vorhanden ist?

Für Eurocrime- und Eurospy-Liebhaber ist AGENT 3S3 SETZT ALLES AUF EINE KARTE also sicherlich eine Sichtung wert, vor allem da der Film in seinen kurzen 81 Minuten gar keine Zeit hat, um zu langweilen. George Ardisson macht, wie schon zuvor unter der Regie von Sergio Sollima, eine gute Figur, gerade auch in aktionsbetonten Szenen. Mino Guerrini leistete, soweit man dies an der deutschen Fassung beurteilen kann, mal wieder gute Arbeit, fing schöne Bilder und einige spannende Actionszenen ein. Schon alleine budgetbedingt lässt sich dieser Vertreter nicht zur Spitzenklasse zählen, aber für das, was er ist, ist das gut so. Wer also die Kassette (oder die ominöse DVD) mal in Händen hält oder den Film in der Fernsehzeitschrift erspäht (oder sich bemüßigt sieht, ihn auf Amazon zu leihen/kaufen), kann ja einfach mal reinschauen. Wer mit solchen Filmen etwas anfangen kann, wird sicherlich nicht enttäuscht.


BOMBEN-Skala: 4

BIER-Skala: 7


mm
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