Agent 3S3 pokert mit Moskau

 
  • Deutscher Titel: Agent 3S3 pokert mit Moskau
  • Original-Titel: Agente 3S3, massacro al sole
  • Alternative Titel: Agent 3S3: Massacre in the Sun |
  • Regie: Sergio Solima (als Simon Sterling)
  • Land: Italien/Frankreich/Spanien
  • Jahr: 1966
  • Darsteller:

    George Ardisson (Agent 3S3, Walter Ross), Frank Wolff (Mikhaolivic/Mendoza), Eva Marandi (Melissa Shaw), Michel Lemoine (Radek), Fernando Sancho (General Siquieros), Luz Marquez (Signora Barrientos), Eduardo Fajardo (Prof. Karleston), Leontine May (Josefa), Claudio Ruffini (Komo, als Claude Ruffin), Sal Borghese (Paco)


Vorwort

Ein neuer Einsatz für den Superagenten Walter Ross alias 3S3. San Felipe ist das Ziel – eine eigentlich recht unbedeutende Karibikinsel. Dort hat vor kurzem eine Revolution den Generalissimo Siqueros ins Präsidentenamt gespült. Wäre nicht weiter wild, da San Felipe die Sorte Inselstaat ist, die drei Umstürze vor dem Mittagessen durchexerziert und auch strategisch ist der Steinhaufen nicht sonderlich interessant, aber eins gibt’s, was die Geheimdienstbosse stutzig macht.

Denn neuerdings ist San Felipe auch die Operationsbasis von Professor Karleston, und der war wiederum bis neulich noch auf der Lohnliste des Kreml. Was treibt einer der führenden Wissenschaftler der Kommunisten jetzt auf einer Miniinsel, von der der Großteil der Menschheit noch nie was gehört hat? Das war Grund genug, um Agent 3S4 auf die Sache anzusetzen, aber der ist spurlos verschwunden.

Was die Amerikaner nicht wissen – die Russen sind genauso neugierig, was ihr Ex-Angestellter nun so treibt, und gegenüber der Yankees haben sie sogar den Vorteil, dass sie mitgekriegt haben, dass die amerikanische Geheimdienstliasion auf San Felipe, ein Blumenhändler namens Mendoza, liquidiert wurde. Das gibt den Sowjets die Chance, einen der ihren in diese Rolle zu versetzen und so a) von den US-Recherchen zu profitieren und b) wenn’s günstig läuft, nicht nur einen Verräter, sondern auch einen Ami-Spion eliminieren zu können.

In der Tarnung eines internationalen Waffenschiebers reist Ross in die Karibik – Waffen kann der aspirierende Diktator ja immer gebrauchen. Zwar wollen zwei Geheimpolizisten sicherheitshalber alle Passagiere als Ballast abwerfen, als die wurmstichige Flugmaschine, die u.a. Ross auf die Insel bringen soll, abzustürzen droht, aber Ross kann zumindest sich selbst retten. Und wird vom General freudig empfangen. Im Gegensatz zu seinem griesgrämigen und misstraurischen Innenminister Radek (wer wird mit diesem typisch karibisch-kreolischen Nachnamen schon ein netter Kerl sein?) hat er an Ross einen Narren gefressen. Der General ist ja auch ein netter Kerl und macht sich um die Entlastung seines ächzenden Justizapparats verdient, indem er selbigen schon mal einen langwierigen Prozess erspart. Die Pistole im Haus erspart den Richter.

Karleston ist in der Tat des Generals Gast, lässt sich aber nicht entlocken, woran er arbeitet. Ross lernt einige skurrile Gestalten kennen – Koko, Radeks grobschlächtigen Chefhandlanger, die leicht bekloppte ausgewanderte britische Lady York, oder die attraktive, aber ebenso kühle Josefa, Vorsteherin einer Siqueros bis aufs Blut loyalen Amazonenbrigade, die selbst Radek und seiner Aushilfsgestapo Respekt gebietet.

Radek versucht, Ross aus der Reserve zu locken und führt ihm den gefangenen 3S4 vor. Die Agenten spielen eine kleine Scharade, um Ross‘ Tarnung zu wahren. 3S4 geht dabei bedauerlicherweise vor die Hunde, kann aber seinem Kollegen noch einen Hinweis zuspielen.

Der wiederum treibt Ross auf die Hacienda von Signora Barrientos, und die wiederum trägt sich mit dem Gedanken an eine baldige Konterrevolution, für die sie schon eifrig Waffen zusammensammelt, und die sich mit dem seligen S34 verbündet hatte. Das Bündnis wird erneuert. Ross findet zwischen diversen auf ihn durch Radeks Schergen verübten Mordanschlägen noch Zeit, Josefa zu verführen und kommt zu der Erkenntnis, dass Siqueros nur ein nichtsahnender Strohmann für das wahre Gehirn der Operation, einen britischen Bösewicht namens Ferguson, ist, der, wenn er seine Schuldigkeit getan hat (was schneller passiert als dem General lieb sein dürfte) ausgeknipst werden kann. Für Ferguson arbeitet Karleston an einem neuartigen Giftgas, das eine Stunde nach seiner Freisetzung nicht mehr nachgewiesen werden kann. Nur ausprobiert werden müsste das Teufelszeuch noch…


Inhalt

Mitte der 60er dürfte die größte Herausforderung für Filmschreiberlinge, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, eine fetzige Agentenplotte zu schreiben, gewesen sein, sich ein griffiges Kürzel für ihren Helden auszudenken. 007 war ja bekanntlich schon weg (und jede andere Kombination dieser Zahlen), also wurden die Codenamen exotischer. Was uns zu Agent 3S3 bringt (was umgerechnet in menschliche Kommunikationsform bedeuten soll, dass es sich um Agent Nr. 3 der 3. Spezialabteilung des Geheimdiensts handelt).
Agent 3S3, dargestellt von Giorgio „George“ Ardisson, war einer der James-Bond-Klone, die es sogar auf eine eigene Serie brachten. Naja, wenn man 2 Filme als Serie betrachten will (ein dritter Film, der für den deutschen Markt mit dem offenbar zugkräftigen Agentennamen versehen wurde, hat keinen inhaltlichen Zusammenhang mit den beiden „richtigen“ 3S3-Filmen, aber wenigstens den gleichen Hauptdarsteller).
Für Regisseur Sergio Solima (aka Simon Sterling) waren die 3S3-Filme die erste Chance, sich als auf eigene Rechnung als Filmemacher zu beweisen, nachdem er schon seit den frühen 50ern als Drehbuchautor tätig war und zahlreiche Sandalen-Filme wie „Ursus, Rächer der Sklaven“, „Die Irrfahrten des Herkules“ oder „Samson, Befreier der Versklavten“ geschrieben hatte. Ehrensache also, dass Solima auch hier persönlich Hand ans Script legte, sich allerdings Verstärkung ins Boot holte – den Spanier Jesus Maria (ohne Josef) de Arozamena (der Letzte macht die Tür zu!), der sich bis dato eher im Historien- und Liebesdramabereich umgetan hatte, und den Italiener Giovanni Simonelli, mit dem Solima bereits ein paar Mal zusammengearbeitet hatte und der sich in der Folge für eine Platz im Autorenflügel der badmovies-Ruhmeshalle erarbeiten sollte – auf sein Kerbholz gehen u.a. „Unser Mann aus Istanbul“, „Johnny Yuma“, „Sieben Jungfrauen für den Teufel“, „Zum Abschied noch ein Totenhemd“, „Sartana – Noch warm und schon Sand drauf“, „Beichtet Freunde, Halleluja kommt“, „Sieben Tote in den Augen der Katze“, „Plattfuß in Afrika“, „Die dunkle Macht des Sonnengottes“, „Snake House“, „Die Saat des Teufels“ – von Sexkomödie über Prügelfilm, Giallo, Western bis hin zum blanken Horror, Signore Simonelli hatte überall seine Pfoten drin. Aber freilich sind wir uns einig, dass wenig in seiner Vita, naja, wirklich *gut* ist oder das gerade wegen seiner Bücher…
 
Aber egal, wir sind in Eurospy-Land, da geht, wie wir aus reichhaltiger Erfahrung wissen, eh nahezu alles. Lustig ist schon mal wieder der deutsche Titel, der kräftig neben der Spur liegt. Die Russen spielen in diesem Film eine absolut untergeordnete Rolle (letztlich ist der Kniff, Clou und Twist des Scripts, dass der auf Walter angesetzte Sowjet-Agent dem Yankee trotz des ein oder anderen Mordversuchs am Ende ein paar wichtige Tipps gibt), der englische Verleihtitel „Massacre in the Sun“ trifft’s dann schon eher, denn wir haben’s mal wieder mit einem Film zu tun, der sich nicht gerade um die Menschenwürde verdient macht (und deswegen wegen des hemmungslosen Niedermähens von Statisten endlich mal wieder die spezielle „100 % menschenverachtend“-Badge verdient). In diesem Film will man eher nicht auf der Lohnliste des Bösen stehen, selbst jämmerliches Winseln um Gnade wird mit sofortiger Exekution durch den aufrechten Helden bestraft.
Ansonsten ist die Geschichte recht unübersichtlich, verwirrt mit einer Vielzahl von Charakteren, die man erst mal auseinander halten können muss, viel zu lange braucht, bis sie sich auf einen echten Hauptschurken einigen kann, dabei aber seinen McGuffin, den seitenwechselnden Professor Karleston, gern mal völlig aus dem Fokus verliert – erst im Schlussakt fällt dem Film wieder ein, dass der ja irgendwie auch für den Plot relevant sein muss und darf dann seine Gas-Rakete bauen (wobei das Bedrohungsszenario, die Rakete zu Testzwecken in den Amazonas-Busch zu schießen, nun jetzt auch nicht gerade vor Angst schlottern lässt.).
Immerhin gibt der Streifen ehrlicher als so manche Genrekollegen zu, woher er sich seine Inspiration geholt hat – der Streifen beginnt mit einer (wenig eindrucksvollen) Imitation der Gunbarrel-Sequenz der Bond-Filme und der Vorspann ist lustig-bunt mit psychedelischen Motiven und stilisierten Zeichentricksequenzen, die schon deutlich machen, dass die Produzenten von Maurice Binders Bond-Titelsequenzen angemessen beeindruckt waren.
Dramaturgisch kann man dem Film mangelndes Tempo sicher nicht vorwerfen, im Gegenteil, man wäre manchmal dankbar, er würde sich eine Atempause nehmen und einen Twist, eine neue Plotentwicklung erst mal einfach sacken lassen, bevor er sich in die nächste Kurve schwingt. Es ist eine „Krankheit“, die einige italienische Filme dieser Epoche ausmacht, sie sind oft unwahrscheinlich „busy“, also geschäftig, oft aber auch nur um der Geschäftigkeit willen und lassen dabei logische Plotentwicklungen als lästigen Ballast auf der Strecke bleiben – es ist hier nicht ganz so schlimm wie z.B. bei „Die drei Supermänner räumen auf“, aber auch hier wünscht man sich etwas mehr Geradlinigkeit.
Sergio Solima könnte also gerne mal auf die Bremse treten, zieht das hohe Tempo aber bis zum Schluss durch. Rechte Spannung will sich allerdings nicht einstellen – wie gesagt, das Bedrohungsszenario ist vergleichsweise tame, wer mit wem oder gegen wen ist nicht immer ganz klar, das beeinträchtigt das Sehvergnügen, geht man mit den Anspruch an solides Action-Abenteuer und heran. Ist man mit wildem Italokino vertraut, wird das sicher weniger stören, zumal ein typisch fetziger Score von Piero Umilliani (ewig unsterblich als Komponist des Muppet-Favoriten „Ma nah ma nah“) durchaus für Stimmung sorgt.
Dieweil graphische Gewalt das Ding des Films nicht ist (wir reden ja auch von 1966…), ist die entspannte Attitüde zum Thema gewaltsames Ableben durchaus erwähnenswert (s.o.).
Mit George Ardisson haben wir ausnahmsweise mal einen echten Italiener als Gemeinagenten – offenbar war er populär genug, um sich den halboffiziellen Titel des „italienischen James Bond“ zu verdienen. Natürlich ist er im Charisma-Department keine Konkurrenz für Connery, im weiten Feld der Bond-Imitatoren ist er sicher nicht der schlechteste, aber auch nicht der beste. Er hat den Look, auch das gewisse Überhebliche, das Grundqualifikation für einen Eurospy-Darsteller zu sein scheint, aber weder seine physische Präsenz noch seine acting chops liegen merkbar über dem Durchschnitt. Seinen unfreiwilligen Helfer aus Kommunistenland mimt Eurotrash-Ikone Frank Wolff („Sartana – Töten war sein täglich Brot“, „Als die Frauen noch Schwänze hatten“), ohne sich wesentlich auszeichnen zu können. Eva Marandi kam in „Planet der Vampire“ sicher besser zur Geltung als hier, Michel Lemoine („Necronomicon – Geträumte Sünden“, „Küss mich, Monster“, „Sadisterotica“.. ein Jess-Franco-Tryptichon, I’m impressed) ist als Radek ein durchaus brauchbarer Schurke, und Fernando Sancho (im ersten 3S3-Film in anderer Rolle tätig, und ansonsten u.a. in „Der Exorzist und die Kindhexe“, „Die Rückkehr der reitenden Leichen“ oder „Fäuste, Bohnen und Karate“ zu sehen) amüsiert sich als Lebemann-Diktator offenbar prächtig. Luz Marquez , für die der Part der Revolutionsführerin Barrientes einer der wenigen internationale Auftritte war, Eduoardo Fajardo („Django“, „Argoman – Der phantastische Supermann“, „Lasst uns töten, Companeros“), Leontine May („Raumkreuzer Hydra – Duell im All“, „Goldface – Der phantastische Supermann“ [also wer ist jetzt der phantastische Supermann hier?], „Kreuzfahrt des Grauens“) als biestige Josefa, Claudio Ruffini („Der Große mit seinem außerirdischen Kleinen“, „Sie nannten ihm Mücke“) und John Karlsen („Perry Rhodan – SOS aus dem Weltall“, „Das Schloss der blauen Vögel“) runden die Besetzung ab. In einer kleinen Nebenrolle findet sich auch der unvermeidliche Sal Borghese.
Die DVD von Magic Video ist ziemlich grausig – aber wer von einer Magic-Video-DVD Criterion- (oder wenigstens Best Entertainment)-Qualität erwartet, der sollte einen Termin oder drölfzehn beim Psychiater seines Vertrauens buchen. Wir haben’s mit einem liederlichen VHS-Transfer (der schon von 2.35:1 auf 1.85:1 gecropped war) zu tun, den man dann in 4:3-Letterbox auf die DVD geklatscht hat. Natürlich hat sich auch niemand die Mühe gemacht, die ganze Chose mal digital zu renovieren, jeder Filmriss, jeder Speckle, jeder Dreck ist akkurat abgebildet…
Und trotzdem – solange das die einzige relativ problemlos erhältliche Version des Films ist, kommt der Eurospy-Fan nicht drum rum. Es ist sicher keiner der besten Genrevertreter, dafür ist er ein bissl zu sehr konfus, aber er hat ’nen recht interessanten Cast und langweilt nicht. Genredurchschnitt, letzten Endes. Eine Neuauflage im Original-Bildformat wäre durchaus wünschenswert.

© 2018 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 6


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