After Midnight

 
  • Deutscher Titel: After Midnight
  • Original-Titel: Tomorrow by Midnight
  •  
  • Regie: Rolfe Kanefsky
  • Land: USA
  • Jahr: 1999
  • Darsteller:

    Alexis Arquette (Sidney), William Vogt (Lee), Scott Rinker (Tom), Jennifer Lambert (Kira), Karim Prince (Cosmo), Tamara Craig Thomas (Tori), Carol Kane (Officer Garfield)


Vorwort

Vier jugendliche Elemente planen, ihren angedachten lockeren Abend durch das Ausleihen einiger unterhaltsamer Filmchen aus der Videothek ihres Vertrauens aufzuheitern (klingt nicht grad nach dem Stoff, aus dem Ultrareißer gestrickt sind, wa?) – die Filmstudenten Lee und Tom, Lees Flamme Kira (die sich aber eigentlich just an diesem Abend von ihm trennen will) und ihr schwarzer Kumpel Cosmo. Was als Routine-„laß-uns-ma-’n-paar-gute-Filme-abchecken“-Boxenstopp beginnt, wird aber schnell zum Problem, als sich Lee mit Videothekar Sidney über eine überzogene Leihfrist in die Wolle kriegt und aufgrund dieser verbalen Auseinandersetzung auch noch der letzte Neu-Ausleihtermin verstreicht. Als braver amerikanischer Bürger zückt Lee daher seine Bleispritze, verjagt die Angestellten und besetzt (mit seinen dies nicht unbedingt für die allertöfteste Idee haltenden Kumpels) die Videothek, um den geplanten Filmabend halt nicht zuhause, sondern direkt vor Ort zu absolvieren (filmgeeks wet dream – mit Chips und Cola eine Nacht lang in der Videothek eingeschlossen). Sidney ist allerdings ein schlechter Verlierer und ruft die Polizei. Im Zuge gründlich fehldurchdachter Deeskalationsmaßnahmen nimmt Lee Sidney daraufhin als Geisel. Und ehe es sich die Spätkunden versehen, ist Cosmo tot, Sidney durchgeknallt und waffentechnisch Herr der Lage – jetzt hält Sidney Lee und seine Freunde als Geiseln, während draußen der gesetzeshütende Belagerungsring aufgebaut wird…


Inhalt

Es mußte ja nach allen Tarantino- und „Scream“-Nachziehern so kommen – mit „After Midnight“ liegt der erste tutti-kompletti-„self reference“-Film vor – schätzungsweise achtzig Prozent der Dialoge bestehen aus Filmtiteln und -zitaten, der ganze Streifen spielt komplett in (und für ein paar Minuten, wenn’s um die Polizisten geht, außerhalb) der Videothek (die erfreulicherweise mit B-Movie-Plakaten von Corman, Troma und Full Moon vollgehängt ist – ich glaub‘, da wär‘ ich Stammkunde). It’s a film geeks ultimate movie experience…

Und ob man’s nun glaubt oder nicht – es funktioniert (so man film geek extraordinaire ist). Das muß einen eigentlich nicht überraschen (so man film geek extraordinaire ist…), denn Drehbuch und Regie gehen auf’s Konto von Rolfe Kanefsy, und der hat mit dem zwar nicht sonderlich bekannten, aber von denen, die ihn gesehen haben, durchaus in den Rang eines Semi-Klassikers erhobenen 91er-Horrorstreifen „There’s Nothing Out There“ (hochintelligenterweise erst Jahre später hierzulande als „Don’t Scream“ erschienen) den self-referential-Horrorfilm persönlich erfunden (falls Ihr also glaubtet, „Scream“ und Kevin Williamson wären originell gewesen… knapp daneben). Im Gegensatz zu den meisten „Scream“- und Tarantino-Epigonen weiß Kanefsky, der sich, wenn er nicht gerade eines seiner Steckenpferdprojekte wie dieses inszeniert, mit Crap wie „Rod Steele 0014: You Only Live Until You Die“ oder „Sex Files: Alien Erotica“ über Wasser halten muß (wie ich immer sage, jeder muß seine Miete zahlen), dass es nicht reicht, einfach auf’s Geratewohl ein paar Filmtitel und -sprüche über’s Drehbuch zu verteilen, um einen cleveren in-joke-gespickten vielsehererfreuenden Fetzer zu drehen – auch wenn die Filmzitiererei essentiell für den Film ist (und, so man film geek extraordinaire ist – Ihr seht schon, das wird mein running gag für dieses Review -, dem Zuschauer eine verdammt gute Zeit bereitet… von „Pulp Fiction“ über „Clockwork Orange“ bis „I Spit on Your Grave“ ist nichts sicher), hat der Film darüber hinaus auch eine spannende und überraschende Story zu bieten, die immer wieder interessante Drehungen und Wendungen einbaut und bis zum – ebenso überrraschenden – Finale fesselt.

Auch wenn’s insgesamt recht viel zu lachen gibt, darf man auch nicht dem Trugschluß verfallen, es mit einer Komödie zu tun zu haben – „After Midnight“ ist letztlich ein Thriller mit einigen (wenigen) Härten und dramatischen Entwicklungen, die weniger auf die Lachmuskeln drücken als an die Nieren gehen. Inszeniert auf engstem Raum (und sichtlich unter minimalem Budget) und beinahe in Echtzeit (die Filmhandlung nimmt drei Stunden in Anspruch) hält sich der Film trotz grandioser Dialoge (die mich manchmal an Kevin Smiths – selbstverständlich auch zitierten – „Clerks“ erinnern), die nicht immer wichtig für die eigentliche Story sind, aber die Atmosphäre bereiten, kaum mit Belanglosigkeiten auf (ich hätte auf ein paar Szenen mit den Polizisten durchaus verzichten können). Kanefsky experimentiert gelegentlich auch mit Stilmitteln wie 360-Grad-Kameraschwenks, Einstellungen aus Überwachungskameras etc., ohne den Streifen zur technischen Spielwiese verkommen zu lassen. Ein passender Score (teilweise aus Original-Material von Full-Moon-Veteran Jay Woelfel – er inszenierte z.B. „Trancers 6“, teilweise aus klassischen Stücken bestehend; dazu gibt’s noch einen Original-Song mit lustigem, munter filmzitierenden Lyrics) fügt sich harmonisch ins Gesamtbild ein.

Auch die weitgehend nicht wirklich bekannten Schauspieler liefern gute Arbeit ab. Als Lee überzeugt William Vogt, den wir gerade in kleinerer (und wesentlich weniger überzeugender) Rolle im Full-Moon-Teenie-Film „Alien Arsenal“ gesehen haben, Alexis Arquette (aus dem bekannten Schauspieler-Clan, wenngleich er im Vergleich zu seinen Geschwistern sein Auskommen eher in B-bis C-Ware wie „Kinder des Zorns 5“ findet; für ein deutsches Remake schlage ich übrigens Moritz Bleibtreu für die Rolle vor) kriegt die Wendung seines Charakters von weinerlichem Warmduscher zum pistolenschwingenden Psychopathen einwandfrei hin. Scott Rinker (Lees Kumpel Tom, das wandelnde Filmlexikon auf zwei Beinen, komödiantisches Highlight des Films) war später in „Horror 101“ und „They Crawl“ zu sehen. Gut aufgelegt auch Ex-Power-Ranger Karim Prince als Cosmo (der trocken gen Anfang zitiert, dass in solchen Filmen immer der Schwarze zuerst draufgeht, und dies prompt auch wenig später tut) und Jennifer Lambert als Kira (bekannt aus Tromas „Tromeo & Juliet“, dessen Filmplakat auch mehrfach prominent ins Bild gerückt wird, Troma-Chef Lloyd Kaufman gönnt sich auch einen Cameo-Auftritt). Mit Carol Kane („Ghostbusters“, „Trees Lounge“) als Verhandlungs-Expertin der Polizei kann der Streifen sogar noch einen namhaften Gaststar auffahren (und läßt sie natürlich eine sie selbst betreffende reference äußern… der Streifen läßt keine Gelegenheit aus).

Bildqualität: Leider legt sich VCL bei seinen Middle-Budget-Veröffentlichungen nicht immer ins Zeug, um bestmögliche Audio- und Videopräsentation hinzubekommen. Der Vollbildtransfer (wirkt für mich ein wenig aufgezogen, ich denke doch, dass der Streifen ursprünglich Widescreen gedreht wurde) ist nicht wirklich überzeugend – zwar halten sich Bildstörungen durch Mastering-Probleme etc. in engen Grenzen, aber der verwendete Print ist doch kaum einer aktuellen DVD-Veröffentlichung würdig. Das Bild ist ein wenig verrauscht und grobkörnig, der Kontrast in dunklen Szenen könnte besser sein und aufzoomen macht auch keinen richtigen Spaß. Alles in allem ein „grad noch so eben akzeptabel“, aber für den Videobeamer ist das sicher nix.

Tonqualität: VCL stellt zwei deutsche Tonspuren, wahlweise in Dolby 5.1 oder 2.0, zur Verfügung. Ich hab mich mit der 5.1er-Spur begnügt, die durchschnittlichen Ansprüchen genügt. Die Dialoge sind einwandfrei verständlich, der Mix ist sehr differenziert, die Musik steht mir stellenweise etwas zu sehr im Hintergrund. Qualitativ ist das aber noch tragbar, O-Ton wäre natürlich schnieke gewesen (und bei der Preisklasse vielleicht auch schon zu erwarten).

Extras: Außer ein paar wenig aufregend gestalteten und nicht sonderlich informativen (so man die IMDB kennt) Filmographien für Kanefsky und einige Darsteller wird hier nichts geboten.

Fazit: Auch wenn die DVD von VCL nicht gerade zu Freudensprüngen Anlaß bietet, so möchte ich „After Midnight“ doch jedem filmbegeisterten (und vor allem B-Film-Begeisterten) ans Herz legen. Sicher mag es den ein oder anderen da draußen geben, der glaubt, der Film wäre wahlweise nicht so clever, wie er meint oder zu clever „for its own good“, aber ich seh das nicht so (jaja, immer Mindermeinungen vertreten, das kennen wir – der Setzer). Der Film macht Laune – obwohl er insgesamt düsterer ist als man vielleicht angesichts einer frisch-fromm-fröhlich-frei Filmzitate um sich werfenden „Komödie“ erwarten könnte, macht der Film nicht nur eine ganze Menge Spaß (so man film geek extra–, ach, das kanntet Ihr schon?), sondern bietet darüber hinaus noch eine spannende und überraschende Handlung sowie grundsolides bis richtig gutes Acting. Ein kleiner Geheimtipp (der mir normalerweise sogar ein full-scale-Review wert wäre, aber darauf war ich sowas von gar nicht vorbereitet…), den man aber nur mit Leuten ansehen sollte, die alle mindestens tausend Filme gesehen haben (film geeks extraordinaire, so to speak… and now I shut up). Ich bin wirklich beeindruckt und wünsche mir, dass Rolfe Kanefsky in Zukunft doch öfter mal solche richtig guten Filme drehen kann und sich nicht mit Softcore-Schmodder über Wasser halten muß. Check it out!

4/5
(c) 2003 Dr. Acula


mm
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