A Ghost Story

 
  • Deutscher Titel: A Ghost Story
  • Original-Titel: Peliculas para nor dormir: Regreso a moira
  • Alternative Titel: Spectre | Films To Keep You Awake: Spectre |
  • Regie: Mateo Gil
  • Land: Spanien
  • Jahr: 2006
  • Darsteller:

    Juan José Ballesta (Tomás, 16 Jahre), Natalia Millán (Moira), Jordi Dauder (Tomás, 60 Jahre), Victoria Mora (Carmen), David Arnaiz (Carlos, 16 Jahre), Adrián Marin (Vicente, 16 Jahre), José Angel Egido (Carlos), Miguel Rellán (Vicente), Mayte Cedeno (Gespenst), Joserra Cadinanos (Don Anselmo), Walter Prieto (Ramon), Elsa Bodem (Greta)


Vorwort

Mehr als vierzig Jahre, nachdem er sein Heimatdorf verlassen hat, und kurz nach dem Freitod seiner Frau, kehrt der erfolgreiche Schriftsteller Tomás nach Spanien zurück – geplagt von Alpträumen, Visionen und allgemein rätselhaften Ereignissen (z.B. dem wiederholten Auftauchen der Tarot-Karte „Die Liebenden“), die mit dem Grund seines Exils zu tun haben…

Im provinziellen und erzkatholischen Heimatdorf Tomás kreisen üble Gerüchte um Moira, eine attraktive Frau in den 30ern, die außerhalb des Dorfs alleine (also unverheiratet!) lebt, eine Katze hält, nicht zum Kirchgang erscheint und nachts geheimnisvollen Besuch empfängt. Für den Pfarrer und die strenggläubigen Frauen des Dorfs ist klar – Moira ist mindestens eine Hure, wahrscheinlich aber sogar eine Hexe! Gepaart mit den Gerüchten, Moira würde meist in paradiesischer Nacktheit durch ihr Haus streifen, ist das natürlich genau der Stoff, nachdem pubertierende, von den rigiden Moralvorstellungen der Gegend gehemmte Teenager wie Tomás und seine Freunde gieren. Ehe Tomás es sich versieht, ist er – in Folge einer leicht fehlgeschlagenen voyeuristischen Aktion – Moiras weiblichen Reizen verfallen und stürzt sich, obschon Moira, deren Heimstatt tatsächlich mit Tarotkarten, Kristallkugeln und allerlei Heilkräutern vollgestopft ist, zur Vorsicht mahnt, in eine leidenschaftliche Affäre. Tomás beansprucht freilich Exklusivbelegung und der Umstand, dass Moira ihn nur tagsüber empfangen will und nächtliches Zusammensein strikt verweigert, stimmt ihn misstraurisch – so misstraurisch, dass Moira ihn bei nächstbester Gelegenheit aus dem Haus wirft. Als er dann eines Nachts beobachtet, dass ein anderer Mann bei ihr zugange ist, eskalieren die Ereignisse…


Inhalt

Ich liebe Sponsorenpakete – das sind die quaderförmigen Überraschungseier des Rezensentenlebens, man weiß nie, was drin ist, und in 75 % der Fälle hat man von dem Kram, der einem aus der Schachtel entgegenpurzelt, noch nie was gehört. So ging’s mir auch bei diesem spanischen Werk, der mir in der „Das Vierte“-Edition unter dem Titel „A Ghost Story“ (nicht zu verwechseln mit der Peter-Straub-Geschichte) vor die Flinte lief. Im echten Leben handelt es sich bei dem Streifen um einen spanischen TV-Film aus der Anthologieserie „Filme, die dich wachhalten“, unschwer zu erkennen also eine Reihe, die sich mit den eher gruseligen Aspekten des Geschichtenerzählens befasst.

Der spanische Genrefilm erlebt seit den 90ern ja eine kleine Renaissance – die Zeiten, in denen sich lächerliche Werwölfe oder metalliclackierte Frankenstein-Monster durch chronisch handwerklich bedenkliche Low-Budget-Schnellschüsse balgten, sind ja vorbei (auch wenn die alten Heuler natürlich ihren nostaglichen Trash-Charme nie verlieren), eine neue Generation Filmemacher um Jaume Balaguero, Alejandro Amenabar & Co. einerseits, Brian Yuznas Fantastic Factory (die unter ihrem Filmax-Banner auch hinter dieser Produktion steckt) andererseits arbeitet seit einiger Zeit daran, den spanischen Genrefilm zu einem respektierten Vertreter seiner Zunft zu machen. Unser heutiges corpus delicti wurde von niemand geringerem als Mateo Gil, Schreiberling von „Abre Los Ojos (Virtual Nightmare – Open Your Eyes), erfolgreich von Hollywood als „Vanilla Sky“ adaptiert, erdacht und umgesetzt (zuvor schrieb Gil u.a. mit Amenabar den ausgesprochen respektablen Tesis; Amemabar liess sich in alter Verbundenheit zu einem kleinen cameo-Auftritt in „Spectre“ überreden).

Wer nun von Gil angesichts dieser Vita einen harten, realistischen Thriller oder ein raffiniertes Vexierspiel um verschiedene Realitätsebenen erwartet, ist mal wieder in den falschen Dampfer eingestiegen. Bei Lichte betrachtet ist „Spectre“ kein Horrorfilm, noch nicht mal ein Gruselfilm, sondern ein Psychodrama um Schuld und Sühne, unterdrückte Sexualität, repressives Umfeld, Verantwortung und Verdrängung. Um’s mit den Klitschkos zu sagen: „schwäääre Kost“. Und schon in gewisser Weise spezifisch spanische Kost – zentrales Thema des Films ist die verklemmte, erzkatholische, rückständige Moralvorstellung des ländlichen Spaniens, in der das Wort der Kirche alles ist, dem sich alles unterzuordnen hat und das – was nicht zu unterschätzen ist – das gesellschaftliche Rückgrat der Falange und in der Folge des Franco-Faschismus war; Franco sicherte sich die Unterstützung der katholischen Kurie nicht von Ungefähr durch das eingehaltene Versprechen, die zentrale gesellschaftspolitische Position der Kirche, die durch die aus den urbanen Zentren, speziell Kataloniens, kommende linksgerichtete Republik, gezielt untergraben wurde, wieder herzustellen (meine Güte, ich komm‘ hier wieder ins Politisieren…). In dieser Atmosphäre aus Zwang, Verklemmtheit, Aberglauben und Paranoia aufzuwachsen, ist kein Spaß und so ist es durchaus folgerichtig, dass Tomás einerseits die Möglichkeit, aus dem starren, vorgegebenen Rahmen auszubrechen, bei erster sich bietender Gelegenheit nutzt, andererseits aber, durch die ständige Indoktrination, letztlich im Kampf gegen sein aufoktroyiertes schlechtes Gewissen, das ihm unaufhörlich einhämmert, sein Verhalten wäre falsch, schmutzig, unchristlich, verliert, dadurch die Katastrophe auslöst (SUPERDUPERSPOILER Nachdem Tomás glaubt, Moira mit einem anderen Mann beobachtet zu haben, gesteht er seiner Mutter, Moira hätte ihn „verhext“, woraufhin Mama und die anderen Frauen des Dorfes zur Selbstjustizgreifen und die Hexe verbrennen. SUPERDUPERSPOILER ENDE) und dann vor seiner Verantwortung (und natürlich auch den Erinnerungen) davon läuft.

Alles durchaus veritabler Stoff für ein intensives Psychodrama, auch wenn das Script einige Schwächen aufweist – zum einen übertreibt’s Gil für meine Begriffe mit der Hexen-Thematik; Moira tatsächlich mit Tarot-Karten und Kristallkugel hantieren zu lassen, unterminiert den Punkt, dass allein schon die Tatsache, dass sie ohne Mann lebt, Kirche Kirche sein lässt und die Dorfbewohner meidet, sie verdächtig macht, zumal ihre „Beschäftigung“ (SUPERDUPERSPOILER Sie ist Engelmacherin, und die geheimnisvollen nächtlichen Besuche sind keine Freier, sondern eher die gegenteilige Kundschaft SUPERDUPERSPOILER ENDE) auch voll und ganz ausreicht, sie durch den breiten moralischen Rost der verknöcherten Katholiken fallen zu lassen; zum anderen – zumindest hab ich’s nicht mitgekriegt – liefert Gil uns keine Andeutung, warum Greta (Tomás Frau) sich umgebracht hat, was sicherlich ein wenig mehr Licht auf Tomás Zustand (und letztlich die entscheidende und durch ein vergleichsweise surreales Ende nicht entscheidend geklärte Frage, ob Tomás tatsächlich von paranormalen Phänomenen gepeinigt wird oder doch nur eine sicherlich verständliche, aber vergleichsweise handelsübliche Psychose auslebt) werfen würde. Das sind aber verhältnismäßig kleine Punkte (andererseits, was den zweiten angeht, auch mit relativ großer Wirkung, wie ich gleich noch ausführen werde), es hapert also weniger an der Idee – auch wenn der Schachzug, „Spectre“ als Horrorfilm zu vermarkten, schon ’ne ziemliche Mogelpackung ist – als an der Umsetzung.

Oder vielleicht auch am Format, denn bei allem Verständnis dafür, dass Gil die Plotte möglicherweise eine Herzensangelegenheit war (schließlich ist es, wie gesagt, ein spezifisch spanisches Thema), er hat hier einfach nicht genug Stoff für einen abendfüllenden Film; auf’s wesentliche reduziert gäbe die Geschichte mit Müh und Not genügend Material für eine 45-minütige „Twilight Zone“-Folge (oder etwas gedrängt eine „Tales from the Crypt“-Episode – dann müsste Gil sich halt stärker auf die in Grundzügen durchaus vorhandenen E.C.-Elemente kaprizieren) her, aber 80 Minuten… das ist – gerade, wenn man die verschenkten Möglichkeiten, Gretas Selbstmord nicht nur für einen der wenigen Schockmomente zu verheizen, sondern auch inhaltlich, psychologisch zu thematisieren, berücksichtigt – einfach zu viel Holz für zu wenig Story. Sicherlich muss ein Psychodrama nicht im MTV-Stakkatoschnitt-Stil vorangetrieben werden, kein Höllentempo vorlegen, aber das Pacing von „Spectre“ ist schon praktisch nicht mehr vorhanden – Gletscher bewegen sich schneller als dieser Film (was vor allem bei einem Serientitel „Filme, die dich wachhalten“ schon ’ne Frechheit ist. In der Hoffnung, dieser Titel würde nicht lügen, begann ich die Sichtung gestern kurz vor Mitternacht, aber nach dreißig Minuten war ich sanft entschlummert). Gils Bilder, eingefangen von Kameramann Yosu Inchaustegui (hauptamtlich steadicam-Operator für größere spanische Produktionen wie „Goyas Geister“, „The Oxford Murders“ oder „Das Meer in mir“ sind stellenweise bildschön (auch wenn die Gegenüberstellung von erdfarbenen Tönen für die Erzählebene in der Vergangenheit und kühleren, dunkleren Farben für die Gegenwart mittlerweile schon etwas abgegriffen erscheint), aber furchtbar langatmig – oft ästhetisch (speziell in den freizügigeren, aber jugendfreien erotischen Szenen), aber eben auch gerne sehr statisch (was natürlich inhaltlich in gewisser Weise zur verkrampften, unbeweglich „bleiernen“ Zeit, in der der Hauptteil von „Spectre“ spielt, passt, jedoch – besonders in einem Film, der zumindest nominell als Spannungsfilm firmiert – ermüdend wirkt). Gil gelingt der Übergang zwischen den Erzählebenen zwar glänzend, aber er schafft es nie, echtes Interesse am emotionalen Dilemma seiner Hauptfigur hervorzurufen – Dinge passieren auf vorhersehbare Weise, der interne psychische Konflikt Tomás scheint sich aber (kleiner Vorgriff auf die Schauspielerschelte) in leidenden Gesichtsausdrücken (beim älteren Tomás) oder stoischer Indifferenz (beim Teenager) zu erschöpfen. Die wenigen Schockeffekte (verbrannte Körper und die in der Badewanne verblutende Greta) reichen als Hallowach nicht aus, wohingegen sich der Score von Zacharias de la Riva („Beneath Still Waters“) leider der atmosphärekillenden BABABA-BAAAA-plärrenden Schule, die jeden ansatzweise „erschreckenden“ Moment gleichsam antelegrafiert und zukleistert, peinlich übertrieben gibt.

Für die FSK 16 sorgen neben den kleineren Make-up- und Bluteinlagen vor allem die sehenswerten nackten Tatsachen von Natalia Millán.

Ich habe es schon erwähnt – die schauspielerischen Leistungen speziell in der Hauptrolle fetzen mich vor Begeisterung nicht gerade pausenlos vom Stengel. Dieweil Jordi Dauder The Nameless, „Die Möglichkeit einer Insel“) es hauptsächlich bei einem gleichförmig gequälten Gesichtsausdruck belässt, ist Jungschauspieler Juan José Ballesta („Carols Reise“) eine völlig leere Karteikarte – egal, ob seine Figur in Liebe entbrannt, in Schuldgefühlen erstickt oder an seiner Umwelt verzweifelt sein soll, sein Gesicht ist stets eine ausdruckslose, starre Maske bar jeder Emotion, was natürlich ziemlich peinlich ist, wenn sein emotionaler Konflikt eigene Gefühle contra starre Moralvorstellungen die Essenz des Dramas sein soll. Wesentlich erfreulicher ist da schon die international kaum in Erscheinung getretene Brasilianerin Natalia Millán (zum Drehzeitpunkt 36 und der lebende Beweis, dass man auch jenseits der großen 3 sexy-as-hell sein kann. Merket auf, Filmproduzenten), der man zu meiner Freude auch ein Fußkettchen (bei mir grundsätzlich ein +1 auf der Sexyness-Skala. Don’t ask me why, aber das ist ein Detail, das mich immer antörnt) spendiert hat und die auch ansatzweise ihren eigenen Konflikt (sie weiß, dass die Beziehung mit Tomás für beide brandgefährlich ist, andererseits ist sie einsam und sehnt sich nach einer Beziehung, selbst mit einem unreifen Sechzehnjährigen) verdeutlicht. Victoria Moran gibt eine gute Vorstellung als Tomás einerseits hassenswerte, andererseits aber auch eben liebende (nur in den moralischen Konventionen ihres Mikrokosmos gefangene) Mutter ab.

Bildqualität: ems präsentiert den Film in durchaus schönem 1.85:1-Widescreen (anamorph) – Schärfe und Kontrastwerte sind ordentlich, Defekte oder Verschmutzungen sind nicht zu verzeichnen, gelegentlich wird’s etwas grobkörnig. Insgesamt aber eine angemessene visuelle Präsentation.

Tonqualität: Deutscher und spanischer Ton in Dolby 5.1, deutschen Ton gibt’s zusätzlich auch in DTS 5.1 (die spanische Sprachfassung beinhaltet auch einige deutsche Dialoge und steigt auch mit deutschem Ton ein, was Kleingeister wie mich verwirren kann). Optionale deutsche Untertitel werden geboten. Die O-Ton-Fassung ist klar verständlich, rauschfrei, wobei der Musikmix für meine Begriffe zu dominant ist, aber das ist eben die aktuell angesagte Schule.

Extras: Eine ems-Trailershow sowie eine weitere Trailershow auf die anderen Filme aus der „Filme, die dich wachhalten“-Reihe.

Fazit: Ich würde „Spectre“ gern mögen – Mateo Gil möchte ganz offensichtlich ein für ihn wichtiges Statement zu den Themenkreisen provinzielle Paranoia, religiöser Wahn und persönliche Verantwortlichkeit abgeben, nur leider tut er dies mit einem, ich kann’s nicht anders ausdrücken, kreuzlangweiligen Film. Sicher steckt in „Spectre“ viel Wahrheit, was die Atmosphäre, die ganze gesellschaftliche Großwetterlage der rückständigen spanischen Provinz Mitte der 60er/Anfang der 70er, in den letzten Jahren der Franco-Diktatur, angeht, aber die, sagen wir mal soziopolitisch-gesellschaftskritische Ebene und das psychologische Drama fügen sich nie zu einem wirklich packenden Film zusammen – die schwächlichen Leistungen der Hauptdarsteller helfen natürlich nicht. Als Horrorfilm ein Totalausfall, als Psychodrama zu schwach gespielt und zu vorhersehbar, als gesellschaftskritischer Kommentar zu offensichtlich und überdies bei aller formaler Anständigkeit einfach zu langsam, zu einschläfernd, sorry, da leg ich doch lieber noch mal „Tesis“ oder „Open Your Eyes“ in den Player…

2/5
(c) 2011 Dr. Acula


mm
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