A Boy and His Dog – In der Gewalt der Unterirdischen

 
  • Deutscher Titel: A Boy and His Dog - In der Gewalt der Unterirdischen
  • Original-Titel: A Boy and His Dog
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  • Regie: L.Q. Jones
  • Land: USA
  • Jahr: 1975
  • Darsteller:

    Don Johnson (Vic), Susanne Benton (Quilla June Holmes), Jason Robards (Lou Craddock), Tim McIntire (Stimme von „Blood“), Alvy Moore (Doctor Moore), Helene Winston (Mez Smith), Charles McGraw (Preacher), Hal Baylor (Michael), Ron Feinberg (Fellini), Michael Rupert (Gary), Don Carter (Ken), Michael Hershman (Richard)


Vorwort

Etliche Jahre nach dem Vierten Weltkrieg – durch die postapokalyptische Landschaft stapft der junge Einzelgänger Vic mit seinem treuen Gefährten, dem telepathisch begabten Hund Blood. Oder doch eher andersrum? Jedenfalls ist Blood eindeutig das Gehirn der Partnerschaft, gebildet, zynisch und bestrebt, dem hauptsächlich schwanzgesteuerten Vic allerlei nützliches (und auch eher unnützes) beizubringen. Vic versorgt Blood mit Happa, dafür spürt Blood mit seinen Mutantenfähigkeiten bespringbares Weibsvolk (absolute Mangelware) auf und rettet Vic, wenn’s denn sein muss, auch immer wieder den Hintern. Wie üblich bringt Vics Drüsenstau Probleme – Quilla, das ausgekuckte Vergewaltigungsopfer, steht durchaus auch auf der Liste einer Gruppe von „Streunern“. Es kommt zu einem brutalen Kampf zwischen Vic, Blood und den Streunern. Offensichtlich von der Mannhaftigkeit des Siegers Vic eingenommen, unterbreitet Quilla Vic den Vorschlag, mit ihr nach „unten“ zu gehen, eine unterirdische Stadt, in der Überlebende so etwas ähnliches wie Zivilisation aufrecht erhalten haben. Vic lehnt dankend ab, aber als Quilla ihm eins über den Nüschel zieht und sich verpisst, ist’s ihm auch wieder nicht recht und er beschließt, ihr in den Untergrund zu folgen – entgegen des dringlichen Rats des schwer angeschlagenen Blood. Die U-Stadt entpuppt sich als Zerrbild einer idyllischen US-Kleinstadt der 50er, drakonisch geführt vom „Komitee“, das Ungehorsam unbürokratisch mit dem Tod bestraft. Vic muss feststellen, dass er gezielt ausgesucht wurde, um die jungen Frauen der Stadt zu schwängern, weil’s mit der Fruchtbarkeit unter Tage schlecht aussieht. Gar keine schlechte Idee, findet Vic, aber die Stadtväter denken natürlich gar nicht dran, dem Oberwelt-Halunken Spaß zu gönnen – das Sperma wird zwangsabgezapft, und nach 35 Beglückungen ist permanent Feierabend. Quilla, die sich ausgerechnet hatte, durch die Vic-Heranschaffung ins Komitee aufgenommen zu werden, aber abgeschmettert wurde, verhilft Vic zur Flucht und möchte mit seiner Hilfe die Macht übernehmen…


Inhalt

Harlan Ellison. Die illustre Karriere des SF-/Fantasy-Schreiberlings (auch wenn er sich selbst nie als Genre-Schriftsteller sehen mag), Herausgebers, Journalisten, Essayisten, Drehbuchautoren und vermutlich noch in Dutzenden anderer Professionen Aktiven wäre alleine schon den ein oder anderen langen Artikel wert. Ellison ist zuständig für die gemeinhin am besten eingeschätzte Star Trek-Episode „The City on the Edge of Forever“ (für deren Drehbuch er einen HUGO kassierte, nur um jahrzehntelang herumzumaulen, wie schändlich Gene Roddenberry sein Script behandelt habe. Ellison mokierte sich hauptsächlich darüber, dass die fertige Episode Proteste gegen Krieg als falsch – bzw. wie in der Folge zitiert, „die richtige Idee zur falschen Zeit“ bezeichnete, was dem überzeugten Pazifistin Ellison natürlich so nie in den Sinn gekommen war. Die Produzenten räumten später auch ein, dass ihre Interpretation des Scripts recht unzweideutig eine Gegenposition zu den Anti-Vietnamkrieg-Protesten darstellen sollte), einige der besten „Outer Limits“-Episoden, eine Vielzahl von grandiosen Kurzgeschichten, die TV-Serie „Starlost“ (von der er sich schnell distanzierte), ein nicht verwendetes Drehbuch zu „I, Robot“ und natürlich auch für die literarische Vorlage von „A Boy and his Dog“ – hier lässt sich gleich ein weiteres biographisches Detail anmerken. Harlan Ellision ist notorisch streitsüchtig (was er, ähem, nicht abstreiten wird), verklagt alles und jeden, und hatte natürlich auch daran etwas auszusetzen, dass die Verfilmung von „A Boy and his Dog“ 1976 einen HUGO gewann – er argumentierte, dass er als Schöpfer der zugrundeliegenden Geschichte ja wohl auch seinen Anteil an der Auszeichnung verdient hätte; da sich aber keine überzählige Statuette anfand, musste er mit einem Statuetten-Sockel vorlieb nehmen, den er liebevoll seinen „halben HUGO“ nennt.

„A Boy and his Dog“ entstand als preisbewusster B-Film unter der Regie von L.Q. Jones, hauptamtlich eigentlich ein Schauspieler („River of Death“, „Casino“, „Renegade“, „Route 666“), der ansonsten nur noch einen völlig unbekannten Western namens „The Devil’s Bedroom und eine eine Episode der „Hulk“-TV-Serie inszenierte, und markiert einen der ersten prägnanten hauptrollenden Leinwandauftritt des späteren „Miami Vice“-Idols Don Johnson (der zuvor nur in Hippie-Filmen zweifelhaften Zuschnitts wie Zachariah oder dem fulminant gescheiterten „The Harrad Experiment“ agiert hatte), der im Alter von doch schon 26 Jahren auch noch überzeugend das achtzehnjährige Milchgesicht verkörpert. Und abgesehen davon ist „A Boy and his Dog“ eine der ersten „großen“ postapokalyptischen Visionen des Genrekinos (im Gegensatz zu eher mikrokosmisch angelegten 50er-Jahre-Versuchen wie „Five“, „The World, the Flesh and the Devil“ etc.) und damit ein direkter Vorfahr von „Mad Max“ & Co. Heruntergekommene Einzelkämpfer durchziehen eine im wahrsten Sinne verwüstete Welt, kämpfen täglich ums Überleben und träumen (zumindest Blood, der intellektuellste Charakter im Cast) von einer besseren Zukunft in einem gelobten Land (in diesem Fall „hinter den Bergen“).

Jones hält sich recht dicht an die Originalgeschichte von Ellison (der später übrigens noch als Graphic Novel eine Semi-Fortsetzung nachschob), nicht nur vom eigentlichen Handlungsablauf, sondern auch von der Struktur her. Wie es gemeinhin im geschriebenen Wort besser funktioniert als im Film (weil der gemeine Filmpöbel ja im allgemeinen ab Minute 1 wissen will, worum’s im Film geht), baut der Streifen sein Universum en passant im Vorbeigehen auf – vieles an Details wird nur angedeutet oder gar nicht erklärt (wer die „Jauler“ sind, vor der alle Angst haben; die Ursache der telepathischen Verbindung von Blood und Vic; die Frage, warum Frauen so rar gesät sind etc.); es ist ein Universum, das der Zuschauer sich förmlich „erarbeiten“ muss, wenig wird vorformuliert und ausgesprochen. Aus Ausgleich dafür gibt es zahlreiche für den eigentlichen Plot streng genommen unnötige Episoden, die aber das Gesamtbild der postapokalyptischen „Gesellschaft“ abrunden, so z.B. einen „Sklaventreiber“, der von Vic beklaut wird, aber dies durchgehen lässt, weil er von Vics Mumm (den Blood eher als Dummheit bezeichnen würde) beeindruckt ist, eine längere Sequenz in einem „Kino“, in dem sich die Überlebenskünstler alte Pornofilme ansehen (und mit Naturalien bezahlen, wobei Vic frecherweise eine Dose rote Bete als eingelegte Pfirsiche ausgibt) – eine Szene, von der man, wenn man mag, den Bogen zu „Postman“ und der Sequenz, in der sich General Bethlehems Mannen „Universal Soldier“ ansehen (oder auch nicht, wie wir uns erinnern), schlagen kann.

Man kann (und sollte) kritteln, dass der eigentliche Plot verdammt lange braucht, um in die Gänge zu kommen (in die „Unterwelt“ geht’s nach etwa 50 Minuten), allerdings ist eben auch zu beachten, dass das zentrale Thema der Geschichte nicht ist, was Vic im Untergrund geschieht, sondern die Freundschaft von Vic und Blood (was auch durch das legendäre Ende von sowohl Film als auch Geschichte belegt wird; ich spoilere dies mal ausnahmsweise nicht, sondern erlaube mir nur den Hinweis, dass eine Major-Studio-Verfilmung dieses Ende sicher nicht so gewagt hätte). Auch im Untergrund gibt es einige Fragen, die ungeklärt bleiben (wieso z.B. alle Unterwelt-Stadtbewohner weißgeschminkte Gesichter mit roten Bäckchen spazieren tragen, wie sie am französischen Hof des 17. Jahrhunderts nicht deplaziert gewesen wären) und in diesem Handlungssegment gibt es einige sehr harte Schnitte zu „bewundern“, die das Geschehen manchmal etwas undurchschaubar machen (ich möchte aber nicht ausschließen, dass hier jump cuts im verwendeten Master die Ursache sind).

Die Charaktere sind gut gezeichnet – Vic ist ein schlichtes Gemüt, dem es primär um die Befriedigung seiner Bedürfnisse geht, Quilla eine manipulative und oppurtunistische, äh, Schlampe, Blood (den man wirklich als Charakter rechnen muss) der zynische Denker, der die Menschheit (und Vic im speziellen) eher als notwendiges Übel für das eigene Überleben ansieht und trotzdem von einer besseren Welt träumt. Etwas mehr Hintergrund hätte man sich für die weiteren Figuren im Untergrund wünschen können (wie überhaupt über die Gesellschaftsform, für die sich die Unterirdischen entschieden haben). Übrigens wird sowohl Vorlage als auch Film gepflegte Frauenfeindlichkeit vorgeworfen (und nicht ganz zu Unrecht – während der „Missbrauch“ von Männern eindeutig negativ belegt ist, ist der von Frauen in dieser Welt offensichtlich voll okay. Vor allem aber der zynische letzte Satz Bloods wird dem Film oft übel genommen).

Das filmische Manko der ganzen Angelegenheit liegt offensichtlich in der Unerfahrenheit des Regisseurs begründet – der Streifen baut nie eine echte Spannungskurve auf. Selbst „set pieces“ wie die Belagerung und versuchte Stürmung des Bunkers, in dem Vic sich mit Quilla verschanzt hat, oder die finale Flucht aus der Untergrundstadt haben nie wirklichen Druck; anstatt an diesen Punkten tempo- oder härtemäßig anzuziehen, filmische Dynamik aufzubauen, die den Zuschauer dazu verleitet, mit Vic mitzufiebern (was schwer genug ist, alldieweil er ja nicht gerade ein sympathisches Kerlchen ist), plätschert das Prozedere in gleichförmigem, betulichem Tempo immer weiter. Jones hat hier das Problem, dass er aus einer Novelle einen abendfüllenden Film stricken muss – und Novellen scheren sich, wie alle kürzeren literarischen Formate, nicht wirklich um die für einen Spielfilm nahezu unabdingbare Dreiaktstruktur (auf der ich fies- und formulistischerweise bestehe). Der Film hat keinen echten Anfang, keine echte Mitte, keinen echten Schluss – als Zuschauer kann man zum Eindruck kommen, mehr oder weniger wahllos 90 Minuten aus einem Sechs-Stunden-Opus als „Singleauskopplung“ gesehen zu haben, aber eben nicht die ganze Geschichte; Jones scheitert am erprobten Aufbau einer echten Struktur, sondern behilft sich mit einer schlichten Zweiteilung der über- und unterirdischen Handlungssegmente, die sich aber nicht recht zu einem Ganzen zusammenfinden wollen; für das Manko, dass mit Blood die echte „Identifikationsfigur“ in der zweiten Filmhälfte storybedingt ausfällt, kann er zwar nichts, aber dadurch geht der Film halt seiner einzig echten „liebenswerten“ Figur verlustig.

Handwerklich ist der Streifen für das vermutlich nicht üppige Budget ordentlich – die „überirdischen“ Elemente weisen den dreckigen, wüsten Look auf, an dem sich später ganze Heerscharen von Filmemachern orientierten, die unterirdische Karikatur der idyllischen Kleinstadt ist optisch allerdings wenigs eindrucksvoll. Die Kameraarbeit ist zweckmäßig, aber nicht innovativ, der Schnitt, wie schon gesagt, gelegentlich sehr rüde. Als absolut deplaziert erweist sich die fröhliche Country-Mucke, die eher zu einem Moonshiner-„Dukes of Hazzard“-Filmchen passen würde als zu einem harten postapokalyptischen Exploiter (dafür wird der Titelsong vom Original-Sprecher des Hundes gesungen. Auch was wert). Für den Part unter der Erde recycleten die Produzenten einige Themen von Jamie Mendoza-Nava, der u.a. Granaten wie „Orgy of the Dead“ vertonte.

Stichwort „Exploiter“ – in der Hinsicht gibt sich der Streifen recht zahm. Freunde nackter Tatsachen können sich an Susanne Benton (immerhin in der allerersten „Columbo“-Folge dabei und später noch in „The Last Horror Film“ mit von der Partie) erfreuen, ansonsten gibt’s zwar einige Leichen und Special-Make-up-FX am Hund, aber alles in jugendfreiem Rahmen.

Don Johnson macht sich überraschend gut als Vic – die Rolle eines Antihelden, der mehr „Anti“ als „Held“ ist, steht ihm gut – großartige Dialogarbeit wird von ihm nicht verlangt und den schwanzgesteuerten Deppen, der vermutlich auch von einem nicht mutierten Hund mental in die Tasche gesteckt werden würde, gibt er überzeugend. Susanne Benton sieht knackig genug aus, kann schauspielerisch keine Glanzlichter setzen, aber für den Kontext des Films reicht’s eben so. Jason Robards („Magnolia“, „The Day After“, „Hebt die Titanic!“) liefert als fieser Untergrund-Chef Lou zwar keine persönliche Bestleistung ab, ist aber angemessen selbstgefällig-eklig. Alvy Moore, ein TV-Komiker, der im Spätherbst seiner Karriere noch den Horrorfilm entdeckte („Intruder“, „House 3“) und Helene Winston („Das Leben stinkt“) runden das Komitee ab (vor allem Winston hat sichtlich diabolischen Spaß an ihrer Rolle).

Bildqualität: Mir lag die für’n Appel und’n Ei erhältliche 2003er-Auflage von Epix vor (mittlerweile gibt’s wohl eine nachgebesserte Neuauflage). Diese bietet einen ziemlich ramponierten, aber zumindest anamorphen Widescreen-Transfer (nach meiner Ansicht hat’s aber für’s originale 2.335:1-Widescreen nicht ganz gereicht) mit etlichen Defekten, Dropouts und Verschmutzungen. Für eine Grabbeltisch-Scheibe akzeptabel, aber auch nicht mehr. Die Schärfewerte sind bestenfalls durchschnittlich, speziell in Punkto Kantenschärfe gäbe es Nachbesserungsbedarf. Der Kontrast ist unterdurchschnittlich, die Kompression unauffällig.

Tonqualität: Erfreulicherweise liegt neben der deutschen Tonspur auch englischer O-Ton vor, beide Formate in schlichtem Dolby 1.0 Mono. Gut, wer für solche Filme einen 6-Kanal-Upmix braucht, dem ist nicht mehr zu helfen. Urteil: Zweckmäßig.

Extras: Der Kinotrailer, nicht mehr, aber immerhin auch nicht weniger.

Fazit: „A Boy and His Dog“ ist ein pessimistischer Blick in eine grimmige, postapokalyptische Zukunft und wird der literarischen Vision von Harlan Ellison durchaus gerecht (was man nicht von allem sagen kann, was nach seiner Feder auf Leinwände oder Bildschirme kam). Der Streifen krankt ein wenig an der arg einfallslosen und drucklosen Inszenierung von L.Q. Jones, punktet aber durch die gute Grundidee und die gute darstellerische Leistung von Don Johnson. Eine Sammlung von Post-Atomkriegs-Filmen ist ohne diesen sicher nicht komplett, da er zumindest den mittlerweile genre-etablierten „Look“ eines Post-Doomsday-Krachers zumindest entscheidend mitgeprägt hat. Für die „2003 Collector’s Edition“ von Epix sollte man aber keinesfalls mehr als ’nen Fünfer ausgeben.

3/5
(c) 2008 Dr. Acula


mm
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