44 Minutes

 
  • Deutscher Titel: 44 Minutes
  • Original-Titel: 44 Minutes: The North Hollywood Shoot-Out
  •  
  • Regie: Yves Simenau
  • Land: USA
  • Jahr: 2003
  • Darsteller:

    Michael Madsen (Frank McGregor), Ron Livingston (Donnie Anderson), Ray Baker (Harris), Douglas Spain (Bobby Martinez), Andrew Bryniarski (Larry Eugene Phillips jr.), Oleg Taktarov (Emil Matesareanu), Mario van Peebles (Henry Jones), Katrina Law (Kate), Christopher Jacobs (Rick), Dale Dye (SWAT Lieutenant)


Vorwort

Ein ganz normaler Morgen in Los Angeles… der Verkehr quält sich durch die Rush Hour, das Fernsehen bringt Wetterberichte und Staumeldungen, die Angestellten einer Bankfiliale in North Hollywood bereiten sich auf die Kunden vor. Und da gibt’s noch Larry und Emil, die vorhaben, heute eine größere Abhebung direkt aus dem Geldtransporter vorzunehmen. Bewaffnet mit AK-47s warten sie auf das Eintreffen des Transporters, doch der ist irgendwo im Verkehr hängengeblieben. Ungeduldig entscheiden sich die Gangster, ersatzweise den Tresorraum der Bank zu erleichtern. Mit Strumpfmasken, schußsicheren Westen und schußfreudigen Zeigefingern entern sie die Bank… werden aber, weil sie high on drugs sind und nicht so ganz den Überblick haben, sowohl von einer Passantin als auch einer zufällig vorbeifahrenden Polizeistreife bemerkt. In wenigen Minuten ist die Gegend abgeriegelt und das Bankgebäude von unzähligen Cops umstellt. U.a. vor Ort sind Frank McGregor von der Mordkommission, der sofort realisiert, dass es sich bei den Ganoven um zwei ihm schon länger bekannte als brutal und rücksichtslos gefürchtete Serientäter handelt, Veteran und Ausbilder Harry mit seinem neuesten Protege Bobby und Streifencop und Eliteklassengutmensch (und Hobbyprediger) Henry Jones. Trotz des um die Bank gezogenen Belagerungsrings denken Larry und Emil gar nicht daran, aufzugeben und dank ihrer überlegenen Offensivbewaffnung gelingt es ihnen, live im Fernsehen, die Cops in einen fast dreiviertelstündigen Shoot-Out auf dem Bank-Parkplatz zu verwickeln. Die Polizei muss improvisieren, denn das SWAT-Team um Donnie Anderson… steckt im Stau.


Inhalt

True-Crime- bzw. „based on actual events“-Telemovies sind im Allgemeinen ja eher mit Vorsicht zu genießen. Die Restriktionen des Mediums erlauben es den Filmemachern ganz gerne mal eher nicht, das, was – mal ganz menschenfreundlich-zynisch betrachtet – das „Interessante“ an den geschilderten Geschehnissen ist, ergo die Gewaltakte, so breit auszuwalzen, dass es nicht nur Hausfrauen und sonstige „Explosiv“-Kucker beeindruckt, sondern auch dem vielsehenden Action-/Thriller-Freund ein anerkennendes Zungenschnalzen zu entlocken.

Da kommt es dann schon einer kleinen Überraschung gleich, wenn da ein solcher Film daher kommt, der, frankly spoken, die cojones hat, sein Thema genau so gewalttätig und rüde zu inszenieren, wie es nun mal ist (und dann auch noch, of all networks, ausgerechnet von Fox produziert wurde). Natürlich traf es sich in diesem Fall günstig, dass das abzubildende reale Ereignis ein, hm, kinematisch-visuelles ist, wie es selbst in den Vereinigten Staaten mit all seinen Amokläufen und Gewaltausbrüchen seines Gleichen sucht. 1997 betraten tatsächlich zwei Bankräuber, schwer bewaffnet und mit kugelsicheren Westen, in räuberischer Absicht die Bank (es wurde übrigens an den realen Schauplätzen gedreht, also noch Zusatzpunkte für Authenzität) und lieferten sich das bewusste 44 Minuten lange Feuergefecht mit über 50 Polizisten. (SPOILER ALARM) Wie durch ein Wunder waren die einzigen beiden Todesopfer die Gangster selbst, insgesamt 20 Menschen wurden schwer verletzt. Kurioserweise verklagte die Familie eines der Täter im Nachgang die Polizei von L.A., weil der betreffende Räuber auf offener Straße verblutete, weil die Cops es – durchaus verständlicherweise vielleicht – es mit dessen ärztlicher Versorgung nicht wirklich eilig hatten. (SPOILER ENDE).

Der Vorfall wurde auch vom Discovery Channel für eine Dokumentation umgesetzt, hier haben wir es natürlich mit einer zwar dem Vernehmen nach größtenteils akkuraten, selbstredend aber freien Bearbeitung des Themas zu tun, die sich aber eines dokumentarischen Anstrichs bedient; so werden in die laufende Handlung immer wieder kurze Interview-Sequenzen mit den Beteiligten (bzw. den sie verkörpenden Schauspielern, zur Klarstellung) eingeblendet, in denen diese über ihre Gemütslage, Verfassung und Entscheidungen in den entsprechenden Situationen schildern. Rein filmisch nimmt dies natürlich einen Gutteil der Spannung heraus, da klar ist – wer nachher interviewt wird, wird’s wohl oder übel überlebt haben. Vor dem Abspann gibt’s auch ein paar kurze Aufnahmen der realen Personen.

Strukturell kann man bei einem, ich wiederhole mich, eigentlich perfekt auf eine filmische Adaption zugeschnittenem Thema wie diesem, kaum etwas falsch machen. Wir haben eine knappe halbe Stunde set-up, in der die diversen Charaktere in fast schon Altman-esquer Weise vorgestellt werden (McGregor darf sein badass-Image pflegen, indem er einer nächtlichen Metal-Party im Nachbarhaus auf wirkungsvolle Weise den Strom abdreht; Donnie Anderson, der SWAT-Officer, wird im Einsatz, wo er einen beinahe verhängnisvollen Fehler begeht, gezeigt; Henry und seine Partnerin müssen einen „domestic dispute“ auflösen; die Bankangestellten sind mit ihren üblichen Tagesvorbereitungen beschäftigt und auch die Räubersleut treffen ihre Preparationen für den Fischzug), ehe dann der eigentliche Raubüberfall und anschließende Shoot-out in Echtzeit abgespult wird – danach kurzer wrap-up, Ende. Simpel, effektiv, gets the job done.

Mit übertriebenem character stuff wird sich kaum aufgehalten – freilich wird’s gelegentlich mal kurz etwas „preachy“, besonders, wenn der bibelwerfende Streifencop Henry Jones irgendwelche jugendlichen Straftäter mit Tatortfotos geplätteter Gangmitgliedern zu reformieren versucht, aber all das muss zurücktreten und sich auf die billigen Plätze weit hinten setzen, wenn die Action dann richtig los geht. Und, woah, für einen TV-Film (und einen Emmy-nominierten noch dazu) ist das ÄKTSCHN! Die zweite Hälfte des Films ist wirklich nichts anderes als ein einziger, kaum einmal für eine Atempause unterbrochener Shoot-Out. Ich will nicht sagen, dass die Explosivität und Intensität des Gezeigten Michael Mann’schen „Heat“-Verhältnissen nahekommt (zumal „44 Minutes“ sich wirklich um Realismus bemüht und von Kalaschnikov-Salven perforierte Streifenwagen nicht explodieren und beim Einschlag in menschliche Körper die Garben nicht ganze Körperteile atomisieren), aber es IST intensiv und packend.

Was man beim Script von Tim Metcalfe („Fright Night 2“, „Revenge of the Nerds 3/4“, „Bones“) bekritteln kann, ist, dass es wenig kritisch reflektiert; weder die Fragwürdigkeit des veranstalteten Medienzirkus wird – über ein paar Andeutungen aus McGregors Mund hinaus – wirklich hinterfragt (was andererseits nicht wundert, war doch das ausführende Network Fox via FoxNews an selbigem prominent beteiligt), noch werden die Aktionen der Polizei kritisch thematisiert (als einzige Erkenntnis bleibt einer Texttafel vorbehalten, uns darüber zu informieren, dass seit diesem Vorfall eine M-16 zur Standardbewaffnung in Streifenwagen gehört; dass die Einsatzkräfte faktisch bis zum Eintreffen der SWAT – und warum es geschehen konnte, dass Sondereinsatzkommando im Stau stecken blieb, bleibt auch unbeleuchtet – überfordert waren, wird zugunsten wohl letztlich unvermeidlicher Heldenverklärung ausgeblendet). Man kann aber freilich auch guten Gewissens argumentieren, dass ein Film, der nichts anderes tut, als reale Ereignisse so akkurat wie möglich wiederzugeben, nicht die Aufgabe hat, diese Ereignisse zu interpretieren (eins allerdings hat mich gestört – die Charaktere identifizieren die Waffen der Gangster durch die Bank sofort als „chinesische AK-47″… für mich ist die AK-47 erst mal ein * russisches * Gewehr, dass zwar überall auf der Welt, speziell im sozialistischen Bereich, nachgebaut wurde, aber „chinesisch“ wäre mit Sicherheit nicht meine erste Assoziation).

Der kanadische Regisseur Yves Simoneau, der schon den ein oder anderen True-Crimer wie „Till Death Us Do Part“, Fernseh-Historienepen wie „Marie Antoinette“, „Napoleon“ und die Neauflage des Kriegsverbrecher-Tribunals „Nürnberg“ zu verbuchen hat (aber auch die Koontz-Adaption „Intensity“, Ihr wisst schon, das Buch, dass unkreditiert auch Ajas „High Tension“, ähm, inspirierte), leistet beachtliches. Die Action ist gleichermaßen rasant wie realistisch – ihm gelingt das Kunststück, das wahrlich nicht alle Regisseure beherrschen, eine einzige 40 Minuten lange Actionsequenz, obwohl sie an eine Location gefesselt ist und in sich nicht wirklich „abwechslungsreich“ ist, keine Sekunde langweilig werden zu lassen. Dies verdankt er der guten Kameraarbeit von David Franco („Crime is King – 3000 Miles to Graceland“, „The Whole Nine Yards“) und dem nicht minder adäquaten Schnitt von William B. Stich („Alf – Der Film“, „The Sopranos“) – interessante Zoom- und Schnitteffekte machen den Streifen für Technik-Gurus nicht uninteressant. Die gut eingesetzte Musik stammt vom ehemaligen Cannon-Hauskomponisten George S. Clinton („American Ninja“).

Wie schon erwähnt, ist „44 Minutes“ durchaus ruppig. Es gibt etliche blutige Einschusswunden der realistischen Schule zu „bewundern“ – in den Staaten kassierte der Streifen dafür dann auch tunlichst ein (vermutlich eher hartes) „R“. Die hiesige 18er-Freigabe halte ich dennoch für übertrieben, FSK 16 hätt’s auch getan. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass ich nicht dafür bürgen möchte, es hier mit einer ungeschnittenen Scheibe zu tun zu haben (MiB, KJ und cut schließt sich ja bekanntlich leider nicht aus) – es ist allerdings aufgrund der Fernsehherkunft des Films nicht einfach, die ungeschnittene Laufzeit zu eruieren. Grundsätzlich scheint mir „um die 80 Minuten“ für einen US-TV-Zweistünder (inkl. commercials) aber hinzukommen.

Selbst der Cast, der einem bei bloßem Herunterbeten der Namensliste nicht gerade Freudentränen über die Wangen treibt, leistet beachtliches. Michael Madsen wirkt um Lichtjahre motivierter als in seinen üblichen run-of-the-mill-Ganoven- oder korrupter-Bulle-Rollen, Mario van Peebles, den ich normalerweise (weil ich auch ihn schon in viel zu viel Schrott gesehen habe) prophylaktisch nicht leiden kann, schafft es, den potentiell nervigen Preacher-Cop-Charakter akzeptabel zu gestalten. Ron Livingston („Sex and the City“, „The Practice“) ist mir für einen SWAT-Officer etwas blässlich, dafür liefern der frühere UFC-Mixed Martial Artist Olek Taktarov („15 Minutes“ – der hat’s mit den Minuten -, „Rollerball“, „Miami Vice“) und Andrew Bryniarski („Cyborg 3“, „Streetfighter“, „Texas Chainsaw Massacre – The Beginning“) als Bankräuberduo gute Vorstellungen ab – Emil und Larry verkommen bei ihnen nicht zu reinen Monstern. Als SWAT-Chef gibt sich der vielbeschäftigte „military advisor“ in allerhand Großproduktionen und durchaus immer wieder gern gesehene Dale Dye die Ehre, in einer Mini-Rolle können Cameo-Spotter Jay Underwood („Fantastic Four“, Corman-Version) suchen.

Bildqualität:
Der Spaß wird uns von MiB u.a. im Rahmen der „Premium-Film-Edition“-Box angedient und teilt sich auf dieser den Silberling mit dem Pseudo-Seagal-Vehikel „Hard to Fight“ (aka „Clementine“). Die Bildqualität ist okay – der anamorphe 1.85:1-Print ist größtenteils sehr brauchbar, solide scharf, ordentlicher Kontrast, gute Farben. Im letzten Filmdrittel scheint es mir in einer Szene einen Masteringfehler zu geben; zwar spielt der Streifen mit einigen technischen Mätzchen, aber das das komplette Bild für drei-vier Sekunden total out of focus geht, dünkt mir nicht so von den Filmemachern beabsichtigt. Abgesehen davon aber für ’ne Grabbeltisch-Scheibe okay.

Tonqualität:
Hier muss ich leider schimpfen, zwar weniger auf die technische Umsetzung des ausschließlich deutschen 5.1er-Dolby-Sprachtracks, sondern auf die Qualität der Synchronisation itself, die mal wieder das böse Wort „Pornosynchro“ verdient. Besonders van Peebles, Madsen und Livingstone haben geradezu schauerliche Synchronstimmen verpasst bekommen, die keine Sekunde lang zu den Schauspielern passen, noch dazu lustlos heruntergeleiert werden und nicht wirklich auf Lippensynchronizität achten. Einige der Nebenrollen fahren besser, was mich schon darüber nachdenken lässt, nach welchen Gesichtspunkten das ausführende Synchronstudio seine Qualitätskontrolle, sofern vorhanden, durchführt. Thumbs way down.

Extras:
Ein solides Nichts.

Fazit:
Es ist immer wieder nett, wenn man einen Film, von dem man sprichwörtlich nichts weiß, nicht mal, wovon er handelt und wer mitspielt, in den Player einlegt und nach 80 Minuten feststellt, dass man wirklich gut unterhalten wurde, und das nicht auf trashige Art und Weise. „44 Minutes“ macht, bis auf den unnötigen Ausflug in die Gefilde der pathetisch-peinlichen Heldenverehrung in den letzten Minuten (aber nach der eigentlichen Story) keine Fehler: ein simples (an dieser Stelle nicht negativ gemeintes) Szenario, auf den Punkt hin inszeniert, mit einer fulminanten Shoot-out-Orgie, die in einem TV-Film ihresgleichen sucht und so manchem Kinofilm nicht schlecht zu Gesicht stehen würde. Zweifellos einer der besten „based on real events“-Filme dieser Machart und wohl am ehesten als „Michael Mann-Style on TV“ zu bezeichnen; prinzipiell daher durchaus zu empfehlen – wäre da nicht die extrem schrottige Synchro als Spaßbremse…

3/5
(c) 2008 Dr. Acula


mm
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