4.3.2.1.

 
  • Deutscher Titel: 4.3.2.1.
  • Original-Titel: 4.3.2.1.
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  • Regie: Noel Clarke, Mark Davis
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 2010
  • Darsteller:

    Emma Roberts (Joanne), Noel Clarke (Tee), Ophelia Lovibond (Shannon), Tasmin Egerton (Cassandra), Shanika Warren-Markland (Kerrys), Adam Deacon (Dillon), Michelle Ryan (Kelly), Kevin Smith (Big Larry), Alexander Siddig (Mr. Juao-Pinto), Mandy Patinkin (Sir Jago Larovsky), Eve (Latisha)


Vorwort

Joanne, Shannon, Cass und Kerrys sind Freundinnen in London – während Shannon, Kerrys und Joanne im weitesten Sinne der Mittelschicht angehören, ist Cass Tochter aus stinkreichem Hause. Cass will über’s Wochenende nach New York jetten, um einerseits, begabte Pianistin, die sie ist, bei Maestro Larovsky vorzuspielen, andererseits, um endlich ihren Online-Freund Brett kennenzulernen und sich idealerweise von ihm entjungfern zu lassen. Kerrys hat nicht nur (mal wieder) ihre Fahrprüfung vor sich, sondern hat auch Cass die Schlüssel für deren Luxus-Appartment gemopst, um das Weekend amourös mit ihrer Geliebten Jas zu verbringen und ihrer brasilianischstämmigen Familie und speziell ihrem Amateur-Gangsta-Halbbruder Manuel zu entkommen, was nicht ganz wie beabsichtigt funktioniert . Patchworkfamilienmitglied Joanne hat die zweifelhafte Freude, für ihr arbeitsscheues Gesinde die Kohlen ranzuschaffen und die Spätschicht unter der Fuchtel des arschlöchrigen Tee im 24-Stunden-Supermarkt zu übernehmen – der natürlich prompt überfallen wird. Ganz besonders übel erwischt’s aber Shannon – die überrascht ihre Mutter beim unerwarteten Auszug. Mum kunftet aus, ihre Beweggründe in einem Brief dargelegt zu haben, den hat aber versehentlich und unwissentlich Cass nach New York mitgenommen. Begreiflicherweise hat die schockierte Shannon Gesprächsbedarf, aber ihre Freundinnen stehen aus unterschiedlichsten Gründen nicht zur Verfügung – und nachdem sie von einer ihr unbekannten Frau zuerst aus einer bedrohlichen Bredouille gerettet und dann beinahe ermordet wird, stellt das labile Girl fest, im Besitz einer Handvoll „Blutdiamanten“, frisch in Antwerpen geklaut, zu sein… Hollaho!


Inhalt

Und wieder mal was aus britannischen Gefilden. „4.3.2.1.“ (quasi übersetzt als „4 girls 3 days 2 cities 1 chance“, was immerhin besser ist als „2 girls 1 cup“) wird vom Publisher als Girl-Power-Adrenalin-Action-Trip vermarktet und läuft damit Gefahr, aufgrund falscher Zuschauererwartungen unter Wert geschlagen zu werden – was Noel Clarke (Autor des kritikerseits wohlgelittenen „Kidulthood“ und Regisseur des dortigen Sequels „Adulthood“, außerdem als Schauspieler in „Doghouse“ und [[Centurion]] zu sehen) und sein Co-Director Mark Davis im Sinne haben, versteht sich wohl stärker als Thriller-Komödie mit dramatischen Elementen und ist gewiss kein Actionfilm (die vielleicht aktionsreichste Szene stellt sich schon kurz nach Beginn vor, ist eher witzig gemeint und zeigt, wie Kerrys einen Möchtegern-Handtaschendieb vermöbelt). Oder, um’s anders auszudrücken, Clarke und Davis versuchen, eine Art Teenie-Soap mit dem Tonfall und den Plotdrehungen eines frühen Guy-Ritchie-Gangsterfilms (minus der graphischen Gewalt) zu stricken und überraschenderweise funktioniert das ganz gut.

Vor allem natürlich, weil die Regisseure sich darüber klar sind, dass die Plotte unmöglich straight zu erzählen ist, da sie dann von Anfang an zumindest einige Karten auf den Tisch legen müssten und dies wiederum der Spannungsentwicklung abträglich wäre. Clarke (den ich einfach mal als hauptamtlichen Regisseur betrachte, und alles, was ich bislang über den Film nachgelesen habe, unterstützt mich dahingehend) entscheidet sich für eine non-lineare Erzählweise und teilt den Film in vier handliche Blöcke, pro Protagonistin einen. Was sich dann so äußert, dass wir mit dem Auftakt der Finalszene anfangen und von dort aus zurückspulen und das betreffende Wochenende nacheinander aus der Perspektive aller vier Girls abgespult wird. Zusammengeklammert von der Geschichte um den Diamantenraub (an die wir stets durch beiläufig eingestreute Nachrichtensprengsel erinnert werden), dessen Beute auf kompliziert-absurde Weise in einer Pringles-Dose landet, kann Clarke so vier praktisch abgeschlossene Einzelgeschichten, deren Handlungsstränge sich durch Zufallsbegegnungen, Telefongespräche oder Dialogverweise immer wieder kurz kreuzen, erzählen, die an und in sich vergleichsweise unspektakulär sind, zusammengenommen aber ein rundes Bild über Sorgen, Nöte und Befindlichkeiten Heranwachsender (wenn man Clarkes bisherige Drehbuch- und Regiearbeiten ins Kalkül zieht, so etwas wie sein Lieblingsthema) zeichnet und gleichzeitig die anfänglich konfus wirkende Thriller-Beigabe recht schlüssig aufdröselt (ich hab ein gewisses Problem damit, dass – SPOILER voran – die hochprofessionellen Diamantenräuber sich der Hilfsdienste einer Londoner Straßengang mit ausgeprägtem Hang zum Dilettantismus versichern, aber mein Gott, es ist halt schwer, anständiges Personal zu finden; mein einziges anderes grundsätzliches Problem mit der Story ist, dass ich nicht ganz glaube, dass ein Freundinnen-Quartett wie das hier gezeigte im richtigen Leben existieren könnte – jemand wie Cassandra gibt sich doch nicht mit jemandem wie Shannon ab).

Die einzelnen Geschichten der Mädchen stellen exemplarisch Probleme heraus, mit denen sich unverstanden geglaubte Teenager seit Anbeginn der Zeiten herumschlagen müssen (zumindest mit manchen…), alldieweil der Thrillerpart sich durch die Informationen, die der Zuschauer erhält, immwer weiter aufklärt – Shannon versucht zu realisieren, dass ihre Mutter die Familie verlassen hat, hält sich zumindest für mitschuldig und sucht verzweifelt jemanden, mit dem sie reden (oder einfach nur Zeit verbringen kann, sie lässt sich beinahe in einem Club von einem älteren Typen, der nur schnellen Sex im Sinne hat, abschleppen); Cassandra versucht die Erwartungshaltung ihrer snobistischen Eltern und ihr durchaus vorhandenes eigenes Interesse an der klassischen Musik damit zu verbinden, sich von ihrem Cyber-Lover flachlegen zu lassen (in der Episode trägt Clarke vielleicht etwas zu dick aus – SPOILER: ihr Lover entpuppt sich als pickliger Brillen-Nerd, der zum Date seinen attraktiven, fiesen Bruder vorschiebt, der sie wiederum betäubt und Porno-Fotos mit ihr schießt, und der Nerd zugeben muss, dass er einen 24-Stunden-Livefeed aus ihrer Wohnung zurechtgehackt hat) – Kerrys, Produkt eines Seitensprungs ihrer Mutter, ehe die reumütig zu ihrem Ehemann zurückkehrte (was naturgemäß erst in „ihrer“ Episode erklärt wird und mich anfänglich aus ethnischen Gründen stark verwirrte) ist die „Außenseiterin“ in ihrer Familie – sie hat ’ne andere Hautfarbe, eine andere sexuelle Orientierung (auch wenn Clarkes Vision des Lesbentums ersichtlich eher aus Erwachsenenfilmen denn realer Beobachtung resultiert) und fühlt sich speziell von ihrem nicht-biologischen „Vater“ stark unter Druck gesetzt; Joanne schließlich, gesegnet mit Stiefmutter und -schwester, muss lernen, sich nicht länger unterbuttern zu lassen, ihren eigenen Weg zu gehen und nicht zu allem und jedem „ja“ zu sagen. Die Moral von der Geschicht ist, dass die vier Girls einander *brauchen*, und das macht „4.3.2.1.“ in letzter Instanz zu einem Film *über* Freundschaft (auch wenn die Protagonistinnen praktisch über die gesamte Filmlaufzeit getrennt agieren), quasi zu einer Art modern-urbanem „Stand By Me“ fürs 21. Jahrhundert (natürlich ohne die emotionale Wucht des Rob-Reiner-Jugendfilmklassikers zu erreichen). Jedenfalls ist Clarke dieser Aspekt der Geschichte wichtiger als der Krimi-Part (der aber, ich wiederhole mich, einigermaßen befriedigend – bis auf ein offensichtlich als notwendig erachtetes Kicker-Ende – aufgelöst wird). Dass „4.3.2.1.“ bei all diesem emotionalen Ballast, den er seinen Hauptfiguren mit auf den Weg geht, nicht ins Moralisieren kommt, sondern sein Drama immer mit Augenzwinkern serviert, ist ein willkommener Bonus.

In Punkto Charaktere und Dialoge wirkt nicht alles völlig natürlich – die Grundkonstellation und die Schilderung der lesbischen Liebesbeziehung habe ich bereits angesprochen, manche Dialogzeile wirkt etwas gekünstelt, aber summa summarum wird die Story plausibel erzählt. Filmtechnisch befürchtet der geneigte Zuschauer anfänglich vielleicht „style over substance“ – Videoclip-Schnittechnik und Vierfach-Splitscreens scheinen darauf hinzudeuten, dass Clarke und Davis alle möglichen Gimmick-Register ziehen wollen, aber es hält sich dann doch im Rahmen (allerdings entfernen sie sich recht weit von dem „etablierten“ schmutzigen „gritty“ Look vieler neuerer britischer Gangsterfilme. Andererseits spielt „4.3.2.1.“ auch nicht in der kriminellen Unterschicht, sondern in „middle class“-Gefilden, ein etwas polierterer Look ist da also kein Widerspruch); die Splitscreens werden nur genutzt, wenn der Film (mittels ganz nett gewerkelter „Rückwärts“-Sequenzen) zum Ausgangspunkt zurückkehrt, um die nächste Episode in Angriff zu nehmen. Wer – wie ich – angesichts eines Independent-Films mit stolzen zwei Stunden Laufzeit erst mal die mentalen Alarmglocken ausschalten muss, kann beruhigt sein: durch das episodische Format (ca. 25 Minuten pro Geschichte plus wrap-up) bleibt das Tempo immer hoch, der Film immer „in Bewegung“ (dass man das Finale dramaturgisch gesehen für einen kleinen letdown halten kann, bleibt davon unberührt, ist aber angesichts der Intention, die Freundschaftsgeschichte höher als den Kriminalfall zu hängen, kaum anders zu lösen). Kameraarbeit und der eigentliche Schnitt (sobald wir die clipartige Montage der Auftaktphase hinter uns gelassen haben) bewegen sich auf professionellem Niveau, ohne sonderlich innovativ oder herausragend zu sein, die musikalische Untermalung besteht durchaus passend überwiegend aus alternative- und Hip-Hop-Songs (u.a. steuert Britanniens Lieblings-Rüpel-Rapper Plan B einen Song bei, einige andere gehen auf das Kerbholz von Co-Star Adam Deacon).

Die FSK-16-Freigabe ist beinahe übertrieben – exzessive Gewalt ist die Sache des Films nicht (ein paar Prügelszenen, es wird mit Knarren gewedelt, aber nicht geballert) und dieweil sich einige Darsteller recht freizügig zeigen, bleibt’s doch immer züchtig (d.h. nix full frontal).

Der Cast leistet erstaunliches – von den vier jugendlichen Protagonistinnen haut mich eigentlich nur Ophelia Lovibond („Mr. Poppers Pinguine“, „Freundschaft Plus“) als Shannon nicht ganz vom Hocker, sie scheint mir die verhuschte Loserin manchmal ein wenig zu übertreiben. Emma Roberts, Nichte von „Pretty Woman“ Julia Roberts (und demzufolge Tochter von Eric Roberts), zu sehen u.a. in „Nancy Drew“ oder „Scream 4“, ist für mich jetzt schon eine bessere Schauspielerin als Tante Julia, Tamsin Egerton („Die Girls von St. Trinian“) macht nicht nur eine gute Figur (ähm), sondern zieht sich auch schauspielerisch durchaus achtbar aus der Affäre, Shanika Warren-Markland („Adulthood“) weiß ebenfalls zu überzeugen, ein gut aufeinander abgestimmtes Quartett, das sich ausgezeichnet ergänzt und auch – trotz der für mich unglaubwürdigen Prämisse – durchaus chemistry aufweist (aber storybedingt nicht wirklich viele „Gemeinschaftsszenen“ hat). Noel Clarke himself als charmantes Ekel Tee und Michelle Ryan („I Want Candy“, „Bionic Woman“) als überzeugende ass-kickerin vertreten die Schurkenfraktion mehr als adäquat. Die Nebenrollen sind erstaunlich promiment besetzt – neben dem schon erwähnten Rapper Adam Deacon tauchen Ben Miller („Johnny English“, „Primeval“), Sean Pertwee („Equilibrium“, [[Devil’s Playground]], [[Mutant Chronicles]]), Mandy Patinkin („Die Braut des Prinzen“, „Dead Like Me – So gut wie tot“, „Yentl“), Rapperin Eve („xXx – Triple X“, „Barbershop 2“) und Kevin Smith (jau, der dicke Kevin bzw. Silent Bob) in mehr oder weniger kleinen und Kleinst-Rollen auf, wobei Smiths Auftritt als „IPS“-Paketbote wirklich sehr witzig ist.

Bildqualität: Die BluRay von Ascot Elite bringt den Film in ausgezeichnetem 2.35:1-Widescreen ohne Fehl und Tadel. Ausgezeichnete Schärfewerte, guter Kontrast, schöne Farben, keine Defekte oder Verschmutzungen.

Tonqualität: Englischer und deutscher Ton in DTS-HD 5.1. Die englische Originalfassung ziehe ich bei derartigen Filmen immer vor (deutsche Untertitel werden mitgeliefert). Der Musikmix könnte manchmal etwas klarer sein, ansonsten gibt’s aber auch in dieser Teildisziplin nichts zu mäkeln.

Extras: Hier schon, denn außer dem Trailer und einer umfangreichen Trailershow findet sich hier nix. Schade, ein paar Interviews, Making-ofs oder Audiokommentare wären immer gern gesehen.

Fazit: „4.3.2.1.“ kann man als so etwas wie die Teen-Popcorn-Variante eines Guy-Ritchie-Films sehen; da ist inhaltlich kein großer Anspruch dahinter außer dem Hochhalten des Werts einer guten Freundschaft und die „Komplexität“ der Story ergibt sich nur aus der non-linearen Erzählweise und der dadurch eintretenden beabsichtigten anfänglichen Verwirrung, aber das Ding spielt sich sehr flott, ist ansprechend gespielt, punktet mit seinen gut aufgelegten Gaststars und ist streckenweise richtig witzig und stets unterhaltsam. Ein schöner Showcase für die jungen Hauptdarstellerinnen – in 10-15 Jahren wird man sich sicher nicht mehr großartig an den Film erinnern, für zwei Stunden Spaß ist der Streifen aber alle mal gut.


mm
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